LVwG-150517/5/VG/BBa

Linz, 28.10.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde des J K, wohnhaft in L, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Enns vom 6. Oktober 2014, GZ: BAU 2014/03, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach dem Oö. Straßengesetz 1991, den

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Enns, vom 6. Oktober 2014, GZ: BAU 2014/03, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Enns zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

I.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Enns vom 3. Februar 2014, GZ: BAU 2014/03, wurde J K (in der Folge kurz: Beschwerdeführer) aufgetragen, Teile der Einfriedung seines Grundstücks auf öffentlichem Gut mit der Grundstücksnummer x, KG x (im beiliegenden Vermessungslageplan vom 2. Juli 2012 gelb gekennzeichnet) zu beseitigen und die entstehende Oberfläche als Schotterbankett auszuführen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, bei einem Ortsaugenschein im Sommer 2012 sei festgestellt worden, dass ohne Zustimmung der Gemeindestraßenverwaltung eine Einfriedung auf öffentlichem Gut (Grundstück Nr. x, KG x) errichtet worden sei. Im westlichen Grundstücksbereich des Grundstücks Nr. x, KG x, sei eine Einfriedung errichtet worden und dabei die Grundgrenze zum Grundstück Nr. x, KG x (öffentliches Gut der Stadtgemeinde Enns), nicht berücksichtigt und überbaut worden. Diese Vorgehensweise stelle eine Beeinträchtigung und Hinderung des Gemeingebrauches dar.

 

Nach dem diesem Bescheid beiliegenden Vermessungslageplan des Vermessungsbüros F GmbH vom 2. Juli 2012 wurde die entlang der gesamten westlichen Grundgrenze des (damals noch im Hälfteeigentum des Beschwerdeführers stehenden) Grundstücks Nr. x verlaufende Einfriedung offenbar zwischen 54 bis 84 cm über die Grundgrenze – und damit auf dem angrenzenden Grundstück Nr. x (öffentliches Gut) – errichtet. Der gemäß dem angefochtenen Bescheid zu entfernende Teil der Einfriedung ist darauf gelb gekennzeichnet.

 

I.2. In der dagegen erhobenen Berufung vom 20. Februar 2014 brachte der (damals noch rechtsfreundlich vertretene) nunmehrige Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass dem Beseitigungsauftrag kein ordentliches Verfahren mit entsprechender Mitwirkungsmöglichkeit vorausgegangen sei, der Beseitigungsauftrag nicht hinreichend konkretisiert und begründet sowie die Rechtsausübung schikanös sei, vor allem weil die Einfriedung durch die erteilte Benützungsbewilligung genehmigend zur Kenntnis genommen worden sei und diese bereits 30 Jahre bestehe.

 

I.3. Hinsichtlich der Lage des Straßenrandes der S im Bereich der Liegenschaft Grundstück Nr. x erstattete ein im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogener Amtssachverständiger laut Aktenvermerk vom 31. Juli 2014 folgende Stellungnahme:

Für die Definition der Teile einer Straße sind die Vorschriften der RVS (Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau) maßgeblich. Hier werden konkret in der RVS 03.04.12 Stadtstraßen (Stadtstraßenquerschnitte bzw. Querschnittsgestaltung von Innerortstraße) die Verkehrsflächen für den Fahrzeugverkehr definiert.

Nach dem heute durchgeführten Lokalaugenschein wird festgestellt, dass die Straße im gegenständlichen Bereich aus folgenden Bestandteilen besteht.

- Fahrbahn mit zwei Fahrstreifen

- Befestigte äußere Seitenstreifen (Randstreifen), dieser schließt an die Fahrfläche an und ist Teil der Fahrbahn. Befestigte äußere Seitenstreifen sind von der Fahrfläche durch eine Bodenmarkierung, einen Pflastersaum oder durch unterschiedliche Belagsgestaltung von der Fahrfläche optisch klar zu trennen.

-      Einem Schrammbord bzw. äußeren unbefestigten Seitenstreifen

Im gegenständlichen Fall wird hier festgestellt, dass als Straßenrand gemäß der Definition der o.a. RVS-Richtlinie der äußere Bereich des Schrammbordes bzw. des äußeren unbefestigten Seitenstreifen gilt.

 

I.4. Mit Schreiben vom 25. August 2014 teilte das im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogene Vermessungsbüro F GmbH mit, dass am 21. Juni 2012 die Grenzpunkte mit den amtlichen Punktnummern x und x abgesteckt und Grenzsteine in der Natur vorgefunden worden seien. Gleichzeitig wurden die Koordinaten, die für diese Absteckung verwendet wurden, bekanntgegeben. Dem Schreiben sind Beilagen angeschlossen (Koordinatenverzeichnis der Grenzpunkte, zwei Lagepläne über die Teilung von Grundstücken sowie teilweise abgeschnittener Ausdruck aus bev.gv.at).

 

I.5. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2014, GZ: BAU 2014/03, wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde Enns (in der Folge kurz: belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass Spruchabschnitt a) wie folgt ergänzt wird:

Sie werden aufgefordert,

a) die Teile der Einfriedung ihres Grundstückes auf öffentlichem Gut mit der Grundstücksnummer x KG x, (im beiliegenden Vermessungslageplan vom 2. Juli 2012 gelb gekennzeichnet) bis 31.12.2014 zu beseitigen und die entstehende Oberfläche des öffentlichen Gutes als Schotterbankett auszuführen. Dieses Schotterbankett ist im Sinne der RVS 08.15.01 als ungebundene obere Tragschicht auszubilden;

b) die Einfriedung mit einem Betonsteinsockel mit Betonabdeckung und einer Höhe von max. 60 cm und darauf montierten Zaunelementen aus Holzlattenkonstruktion zu errichten.“

 

Die belangte Behörde führt zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer sei – wie aus dem Protokoll der Besprechung vom 29. November 2012 hervorgehe –eingehend über die maßgebliche Rechtslage und die Begründung für den beabsichtigten Beseitigungsauftrag informiert worden. Bei diesem Gespräch habe der Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, dass er von der Rechtmäßigkeit seiner Einfriedungsmauer ausgegangen sei, da er nach seinen Angaben regelmäßig Kontakt zum damaligen Bauamtsleiter gehabt habe. Bereits vor diesem Gespräch sei der Bauakt dahingehend überprüft worden, ob Anhaltspunkte für die Annahme eines rechtmäßigen Bestandes vorlägen. Mit Bescheid vom 31. Jänner 1985 sei die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Nr. x baubehördlich bewilligt worden. Im Einreichplan sei eine Einfriedung entlang der S nicht dargestellt. In der Baubeschreibung sei angeführt, dass als Einfriedung Betonsteher mit Drahtgeflecht ausgeführt werden sollen. In den allgemeinen Bedingungen und Auflagen für die Baubewilligung sei unter Punkt o) angeführt, dass die straßenseitige Einfriedung in einer Entfernung von 60 cm vom Straßenrand zu errichten sei. Wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung richtig feststelle, hätten sich bei Baubeginn im Februar 1985 die Grenzsteine zwischen dem Grundstück Nr. x (S) und dem Grundstück Nr. x direkt am Straßenrand der S Straße befunden. Die Auflage des Baubewilligungsbescheides vom 31. Jänner 1985 lege also fest, dass die in der Baubeschreibung angeführte straßenseitige Einfriedung entlang der S in einem Abstand von 60 cm von der Straßengrundgrenze zu errichten sei. Diese Auflage sei nicht eingehalten worden. Unter Hinweis auf höchstgerichtliche Judikatur führt die belangte Behörde weiters aus, dass aus der Benützungsbewilligung kein anderes Recht als das auf Benützung und kein Recht auf Belassung eines der Bauordnung oder der Baubewilligung nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden könne. Aufgrund der Benützungsbewilligung sei somit die straßenseitige Einfriedung entlang der S nicht automatisch als konsensgemäßer Bestand zu werten. Es sei daher nicht von einem vermuteten Baukonsens auszugehen. Der Beschwerdeführer habe argumentiert, dass sich die Grundgrenze zwischen den Grundstücken Nrn. x und x seit Februar 1985 verändert habe. Dazu seien Unterlagen über die Koordinaten der Grenzpunkte vom zuständigen Vermessungsamt ausgehoben worden. Eine Gegenüberstellung zeige, dass die Grenzpunkte aus dem Jahre 1954 bzw. 1970 dieselben Koordinaten aufweisen würden wie die Grenzpunkte, die vom Vermessungsbüro F abgesteckt worden seien. Die Lage der Einfriedung sei in der Planurkunde vom 2. Juli 2012 ersichtlich. Aus dem Spruch des Beseitigungsauftrages gehe klar hervor, dass die im dem Auftrag beigefügten Vermessungsplan vom 2. Juli 2012 gelb gekennzeichneten Teile der Einfriedung zu beseitigen seien. Lediglich die Ausführung der entstehenden Oberfläche des öffentlichen Gutes als Schotterbank sei zu konkretisieren. Die straßenseitige Einfriedung stelle eine Hinderung der Benützung einer öffentlichen Straße iSd § 6 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 dar. Das Oö. Straßengesetz sehe im Falle einer Hinderung einer öffentlichen Straße durch eine Zaunanlage auf öffentlichem Grund keine Prüfung vor, ob diese den Vorschriften des § 18 Abs. 1 und 2 Oö. Straßengesetz 1991 widerspreche. Die Behörde habe auch keine Interessenabwägung durchzuführen oder eine Überprüfung vorzunehmen, ob der für die Entfernung der Einfriedung anzuwendende Aufwand wirtschaftlich zumutbar und verhältnismäßig sei.

 

I.6. Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 31. Oktober 2014 rechtzeitig Beschwerde. Begründend werden darin zusammengefasst folgende Punkte vorgebracht:

·         Die belangte Behörde sei unzuständig, da eine vermeintliche Verletzung des Eigentumsrechtes der Stadtgemeinde und keine Beeinträchtigung der gefahrlosen Benützung der Gemeindestraße iSd Oö. Straßengesetzes geltend gemacht werde. Dies sei vor den ordentlichen Gerichten zu klären.

·         Die belangte Behörde habe es unterlassen einen Sachverständigen zu der Frage, ob es durch die Einfriedung zu einer Hinderung der Straßenbenützung iSd § 6 Abs. 2 Oö. Straßengesetzes komme, beizuziehen. Bei Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass keine Hinderung der Straßenbenützung durch die Einfriedung erfolge. Dies würde schon deren fast 30-jähriger Bestand, der in all diesen Jahren niemals Anstoß bzw. Grund zur Beanstandung gegeben habe, belegen.

·         Die belangte Behörde habe festgestellt, dass die Grenzpunkte aus den Jahren 1954 und 1971 mit jenen ident seien, die vom Büro F abgesteckt worden seien und sich die Grenzpunkte seit 1954/1971 nicht geändert hätten. Diese Feststellung finde keine Deckung im Bestandsplan vom 2. Juli 2012 des Büros F. In diesem seien nämlich überhaupt keine Koordinationspunkte angegeben und bezeichnet und sei auch kein Koordinationsverzeichnis beigefügt, sodass dieser Bestandsplan nicht überprüft werden könne. Ebenso fehle eine Anschlussdarstellung an das Festpunktfeld durch Netzausgleich aus der sich die Genauigkeit der Messungen (Zenitdistanz und Zentriergenauigkeit udgl.) ableiten bzw. nachvollziehen ließen. Da es im gegenständlichen Fall „auf jeden Zentimeter ankomme“ sei auf eine dem Stand der Vermessungswissenschaften entsprechenden Einmessung bzw. Grenzrücksteckung besonders zu achten. Indem die belangte Behörde der in der Berufung ausdrücklich beantragten Durchführung eines Lokalaugenscheines und Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Vermessungswesen zum Nachweis dafür, dass die Grundgrenze nicht überbaut sei, ohne jede Begründung nicht nachgekommen sei, habe diese gegen die Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit verstoßen und eine unzulässige Beweiswürdigung vorgenommen.

·         Die Grenzvermessung sei zudem ohne Einbindung des Beschwerdeführers erfolgt. Eine einvernehmliche Grenzfestlegung auf Basis des Plans vom 2. Juli 2012 sei überhaupt nie erfolgt. Die belangte Behörde habe die in die Gerichtszuständigkeit fallende Frage, wer Eigentümer am vermeintlich überbauten Grünstreifen ist, als Vorfrage zu beurteilen, aber hierzu jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Selbst bei richtiger Grenzvermessung ergebe sich daraus noch nicht, dass diese dann überbaute Grundfläche auch öffentliches Gut wäre, da durch die einvernehmlich erfolgte Bauführung auf fremden Grund als redlicher Bauführer außerbücherlich originär Eigentum erworben worden sei. Die Frage, ob es sich um eine öffentliche Straße handle, sei jedoch entscheidungswesentlich, denn nur wenn eine solche gehindert werde, dürfe ein Beseitigungsauftrag ergehen.

·         Die Beweiswürdigung sei zudem unschlüssig. Die Einfriedungsmauer sei um rd. 60 cm rückversetzt zum Straßenrand errichtet worden. Zwischen dem Straßenrand der S und der Einfriedungsmauer verlaufe sohin ein ca. 0,6 m breiter Grünstreifen. Es widerspreche den Denkgesetzen, wenn die Behörde davon ausgehe, dass die Mauer auf öffentlichen Grund konsenslos errichtet worden sei. Denn wenn – wovon die Behörde ausgehe – sich die Grenzsteine direkt am Straßenrand der S befunden hätten, könne die zu diesem Straßenrand laut Aussagen der belangten Behörde um rd. 0,6 m rückversetzt gebaute Einfriedungsmauer nicht auf öffentlichen Grund stehen und darüber hinaus auch kein Verkehrshindernis darstellen. Ebenso widerspreche es den Denkgesetzen, wenn die belangte Behörde davon ausgehe, dass die in einem Abstand von bis zu 84 cm von der Straßengrundgrenze rückversetzt errichtete Einfriedung eine Hinderung der Benützung einer öffentlichen Straße darstelle.

·         Auch sei die Konsenslosigkeit der Einfriedung ohne weitere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglich sehr ausführlichen Vorbringen des Beschwerdeführers von der belangten Behörde als erwiesen angenommen worden. Wäre der Bau samt Einfriedungsmauer nicht bewilligungskonform ausgeführt worden, hätte die Behörde keine Baubenützungsbewilligung erteilen dürfen.

·         Die in Spruchpunkt b) des angefochtenen Bescheides getroffene Anordnung/Auflage sei gesetzlich nicht gedeckt, da aus § 6 Oö. Straßengesetz lediglich eine Beseitigungs- und keine Errichtungsverpflichtung abgeleitet werden könne.

·         Die belangte Behörde wäre zur Durchführung einer Interessenabwägung verpflichtet gewesen, in der die Interessen des Eigentümers der Einfriedung an deren Erhaltung dem Interesse der Gemeindestraßenverwaltung an der gefahrlosen Straßenbenützung gegenüber zu stellen sei. Insbesondere hätte die belangte Behörde iSd § 7 Oö. Straßengesetzes vorzugehen gehabt und eine Sonderbenutzungsbewilligung zu erteilen gehabt. § 6 Abs. 2 Oö. Straßengesetz sehe vor, dass die Behörde zur Beseitigung „notwendige Maßnahmen“ anordne. Welche Maßnahmen im Einzelfall notwendig seien ist eine (Auswahl-)Ermessensentscheidung der Behörde. Die Behörde hätte ihre Ermessensentscheidung hinreichend begründen müssen.

 

I.7. Mit Schreiben vom 21. November 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt am 25. November 2014, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Über Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übermittelte die belangte Behörde mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 auch den Baubewilligungsakt für das Wohnhaus des Beschwerdeführers.

 

 

II.            Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt und Einholung aktueller Grundbuchsauszüge. Daraus ergibt sich der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist (siehe § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

 

 

III.            Maßgebliche Rechtslage:

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1 leg. cit.) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2 leg. cit.).

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Landesgesetzes vom 24. Mai 1991 über die öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen, LGBl. Nr. 84/1991 idF LGBl. Nr. 42/2015 (in der Folge kurz: Oö. Straßengesetz 1991) lauten auszugsweise:

 

„§ 2

Begriffsbestimmungen

 

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

1. Straße: eine Grundfläche, die ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung (Straße, Weg, Platz und dgl.) dem bestimmungsgemäßen Verkehr von Menschen, Fahrzeugen und Tieren dient oder dienen soll;

2. Bestandteil einer Straße:

a) die unmittelbar dem Verkehr dienenden Anlagen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege, Fahrbahnteiler, Querungshilfen, Parkplätze, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette und der Grenzabfertigung dienende Flächen,

b) bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer,

c) von der Straßenverwaltung errichtete Anlagen zum Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Straße sowie

d) im Zuge einer Straße gelegene, der Erhaltung und der Beobachtung des baulichen Zustandes von Straßen dienende bebaute oder unbebaute Grundstücke;

3. Öffentliche Straße: eine Straße, die durch Verordnung gemäß § 11 Abs. 1 ausdrücklich dem Gemeingebrauch (§ 6 Abs. 1) gewidmet ist oder ein Grundstück, das als öffentliches Gut (zB. Straßen, Wege) eingetragen ist und allgemein für Verkehrszwecke benützt wird (§ 5 Abs. 2);

[...]

11. Straßenrand: der äußere Rand des Straßengrabens, bei aufgedämmten Straßen der Böschungsfuß, bei im Gelände eingeschnittenen Straßen die obere Einschnittskante, in Ermangelung von Gräben und Böschungen der äußere Rand des Straßenbankettes; ist auch dieser nicht feststellbar, der äußere Rand der tatsächlich für den Verkehr benützten Fläche;

[...]

 

§ 6

Benützung von öffentlichen Straßen (Gemeingebrauch)

 

(1) Öffentliche Straßen können von jedermann bestimmungsgemäß unter den gleichen Bedingungen für Verkehrszwecke benützt werden (Gemeingebrauch).

(2) Die Benützung einer öffentlichen Straße darf von niemandem eigenmächtig gehindert werden. Im Falle einer Hinderung hat die Behörde (§ 3) zu deren Beseitigung notwendige Maßnahmen mit Bescheid anzuordnen. Bei Gefahr im Verzug kann die Behörde ohne weiteres Verfahren diese Maßnahmen auf Gefahr und Kosten des Verursachers der Hinderung verfügen und sofort durch die Straßenverwaltung durchführen lassen.“

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1. Die belangte Behörde stützt ihren Beseitigungsauftrag auf § 6 Oö. Straßengesetz 1991, wonach öffentliche Straßen von jedermann bestimmungsgemäß unter den gleichen Bedingungen für Verkehrszwecke benützt werden können (Gemeingebrauch, Abs. 1 leg. cit.) und die Benützung einer öffentlichen Straße nach Abs. 2 leg. cit. von niemandem eigenmächtig gehindert werden darf, wobei im Falle einer Hinderung die Behörde die zu deren Beseitigung notwendigen Maßnahmen mit Bescheid anzuordnen hat.

 

Dem Beschwerdeführer ist darin Recht zu geben, dass ein Vorgehen nach dieser Bestimmung, insbesondere die Anordnung entsprechender Maßnahmen, voraussetzt, dass die Benützung einer öffentlichen Straße gehindert wird. Aus dem dem Landesverwaltungsgericht vorgelegten Akt ist jedoch nicht ersichtlich, dass zur Frage der Hinderung der Benützung der öffentlichen Straße ein gehöriges Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde. Im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde werden in diesem Zusammenhang lediglich die verba legalia wiederholt und wird (kurz) festgehalten: „Die straßenseitige Einfriedung (…) stellt durch die Lage in einem Abstand von bis zu 84 cm von der Straßengrundgrenze eine derartige Hinderung der Benützung einer öffentlichen Straße dar.“ Auch im erstinstanzlichen Bescheid wird hinsichtlich dieser Frage lediglich ausgeführt, dass die Überbauung eine Beeinträchtigung und Hinderung des Gemeingebrauches darstelle. Der beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige hat im unter Punkt I. erwähnten Aktenvermerk zwar beschrieben, wie die hier gegenständliche Straße ausgestaltet ist, aber keine Aussagen zu einer allfälligen Hinderung der Benützung der öffentlichen Straße getroffen. Vielmehr ergibt sich aus dem im vorgelegten Akt befindlichen Lichtbild (Beilage zum erstinstanzlichen Bescheid, Seite 3 oben), dass die Straße im Bereich der Einfriedung offenbar ungehindert benützt werden kann (fahrendes Auto und Radfahrer).

 

Wenn auch Sachverhalte denkbar sind, bei denen die Hinderung der Benützung der öffentlichen Straße – auch ohne näheres Ermittlungsverfahren unter allfälliger Beiziehung eines Sachverständigen – offenkundig ist (etwa bei einer gänzlichen Absperrung einer Straße mit einem Schranken oder bei einer Ablagerung von fünf großen Nylonsäcken, gefüllt mit Granitpflastersteinen; vgl. zu letzterem Beispiel: VwGH 18.03.2004, 2002/05/0905), ist dies hier gerade nicht der Fall:

 

Aus den Materialien zum Oö. Straßengesetz 1991 (AB 453/1991 BlgLT, XXIII. GP, 2) und dessen Systematik geht hervor, dass, wenn das Gesetz von der Hinderung der Benützung von öffentlichen Straße spricht, darunter die Hinderung des Gemeingebrauches zu verstehen ist. Die in § 6 Abs. 2 leg cit. eingeräumten Befugnisse sollen – wie explizit auch in den o.a. Materialien erwähnt wird – zur wirkungsvollen Abstellung von Hinderungen des Gemeingebrauches eingeräumt werden. Der Definition des Gemeingebrauches in § 6 Abs. 1 leg. cit. kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund muss für eine zulässige Ausübung der Befugnisse des § 6 Abs. 2 leg. cit. eine Hinderung der Benützung öffentlicher Straßen für Verkehrszwecke vorliegen, was sich aber nicht allein aus dem Umstand, dass die gegenständliche Einfriedung möglicherweise auf öffentlichem Gut verläuft, ergibt. Die Argumentation der Behörden ist im hier zu beurteilenden Einzelfall auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die gegenständliche Einfriedung nach den (von den Behörden nicht in Abrede gestellten) Angaben des Beschwerdeführers bereits Jahrzehnte besteht und es offenbar in dieser Zeit durch die Einfriedung zu keiner Hinderung des Gemeingebrauches (worunter – wie bereits ausgeführt – gemäß der Definition in § 6 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991 die bestimmungsgemäße Benützung der öffentlichen Straße für Verkehrszwecke zu verstehen ist) gekommen ist.

 

Der Beschwerdeführer ist somit bereits damit im Recht, wenn er moniert, dass  die belangte Behörde in einem entscheidungswesentlichen Punkt keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat. Folglich besteht eine gravierende Ermittlungslücke (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) und es steht somit der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt iSd § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht fest. Im gegenständlichen Fall ist für das Landesverwaltungsgericht auch nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht ein von ihm geführtes abschließen könnte. Die Zurückverweisung an die belangte Behörde erfolgt daher in Hinblick auf die Einfachheit, Raschheit und Kostenersparnis, die sich insbesondere auch aus der räumlichen Nähe der belangten Behörde zum gegenständlichen Objekt ergibt.

 

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich noch zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

 

Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass durch den hier relevanten Teil der Einfriedung die Benützung der öffentlichen Straße für Verkehrszwecke gehindert wird, sind – vor dem Hintergrund des § 6 Oö. Straßengesetzes 1991 – jedenfalls auch nachvollziehbare Feststellungen dahingehend erforderlich, dass die Einfriedung tatsächlich auf der öffentlichen Straße steht. In diesem Zusammenhang sollte sich die Behörde auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der Vermessungsplan der F GmbH nicht nachvollziehbar sei, auseinandersetzen.

 

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass auch Feststellungen dazu fehlen, weshalb der gegenständliche Auftrag an den Beschwerdeführer gerichtet wurde. Im vorgelegten Akt finden sich Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beseitigungsauftrag an den Beschwerdeführer als (damaligen) Hälfteeigentümer der Liegenschaft Nr. x gerichtet wurde und die Behörden offenbar davon ausgegangen sind, dass der Beschwerdeführer deshalb auch Verursacher der angenommenen Hinderung der Benützung der öffentlichen Straße für Verkehrszwecke durch den hier relevanten Teil der Einfriedung dieser Liegenschaft ist. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass – wie ein aktuellerer Grundbuchsauszug ergab – die an das öffentliche Gut angrenzende Liegenschaft Nr. x nunmehr nicht mehr im Eigentum des Beschwerdeführers steht. Weiters gilt es zu bedenken, dass – vor dem Hintergrund zivilrechtlicher Regelungen des ABGB – auch fraglich ist, in wessen Eigentum der hier relevante Teil der Einfriedung steht, wenn festgestellt werden sollte, dass dieser tatsächlich auf öffentlichem Gut (Straße) errichtet wurde. Zu den zivilrechtlichen Eigentumsregelungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Zäunen auf öffentlichem Gut wird etwa auf die Entscheidung des VwGH 24.11.1998, 98/05/0125, hingewiesen.

 

Bemerkt wird weiters, dass von der Behörde auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 auch ausdrücklich nur „notwendige Maßnahmen“ vorgeschrieben werden dürfen, wobei das Erfordernis der „Notwendigkeit“ insbesondere in Hinblick auf die Beseitigung der Hinderung der (bestimmungsgemäßen) Benützung der öffentlichen Straße für Verkehrszwecke zu verstehen ist. Insofern muss somit die durch Abs. 1 leg. cit. vorausgesetzte „Notwendigkeit“ der Maßnahme feststehen und bedarf es diesbezüglich entsprechender Feststellungen/Ermittlungstätigkeiten durch die Behörde und können nicht aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Oö. Straßengesetz 1991 über dieses Erfordernis hinausgehende (Gestaltungs‑)Maßnahmen angeordnet werden. Die Vorschreibung von über die Beseitigung der Hinderung hinausgehenden Maßnahmen (z.B. die Errichtung einer neuen Einfriedung auf dem Grundstück des Beschwerdeführers und deren Ausgestaltung sowie die Ausführung der entstehenden Oberfläche des öffentlichen Gutes als Schotterbankett iSd RVS 08.15.01) würde über die Bestimmung des § 6 Abs. 2 leg cit. hinausgehen. Zudem hat die Behörde festzustellen, dass die konkret umzusetzenden Maßnahmen für die Beseitigung der Hinderung notwendig sind. Für diese Feststellung wird eine ausreichende Entscheidungsgrundlage unter Wahrung des Parteiengehörs zu ermitteln sein.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die in dieser Entscheidung zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch