LVwG-650486/2/Bi

Linz, 27.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn B P, vertreten durch Herrn RA Dr. J P, vom 8. September 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn, vom 11. August 2015, VerkR21-363- 2015/BR, wegen der Aufforderung sich amtsärztlich untersuchen zu lassen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten  hat:

„Sie werden gemäß §§ 8 Abs.1 und 24 Abs.4 FSG iVm § 1 Abs.2 FSG-GV aufgefordert, sich innerhalb eines Monats, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn amtsärztlich untersuchen zu lassen.“

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 8 und 24 Abs.4 FSG iVm § 11 Abs.2 FSG-GV aufgefordert, sich innerhalb eines Monats, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, bei der  Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn im Zimmer 7 ärztlich untersuchen zu lassen. Sollte er nach Rechtskraft des Bescheides dieser Aufforderung zur Untersuchung für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens, das seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nachweisen solle, nicht nachkommen, werde ihm seine Lenkberechtigung entzogen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 18. August 2015.

 

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die (nicht beantragte) Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, seine Zuckerkrankheit finde sich nicht erst 2015 sondern schon im FS-Antrag 1999. Der Bescheid wegen Einschränkung seiner Lenkberechtigung aus dem Jahr 2008 sei vom UVS wegen Stabilisierung der Erkrankung aufgehoben worden. Damit liege res iudicata vor und stehe einer Neudurchführung des Verfahrens der Grundsatz ne bis in idem entgegen. Der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides stehe aber auch der Grundsatz der Einheitlichkeit des Verfahrens entgegen. Die belangte Behörde habe ihm aufgrund der im Mandatsbescheid vom 22. Juli 2015 angesprochenen Verkehrskontrolle vom 5. Juli 2015 mit Bescheid vom 22. Juli 2015 die Lenkberechtigung für die Dauer eines Monats bis 5. August 2015 entzogen, den Führerschein am 6. August 2015 wieder ausgefolgt und mit Straferkenntnis vom 1. September 2015 wegen § 99 Abs.1b StVO 1960 eine Strafe verhängt. Wenn keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet werde, sei der Führerschein gemäß § 28 Abs.1 Z2 FSG nach Ablauf der Entziehungsdauer wieder auszufolgen. Das bedeute, dass vor der Wieder­ausfolgung nach Ablauf der Entziehungszeit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die FS-Wiederausfolgung/Belassung der Lenkberechtigung überprüft werden müssten und der Führerschein nur dann ausgefolgt werde, wenn alle Erteilungs­voraussetzungen vorlägen. Da die Angelegenheit, wenn auch vor 7 Jahren, rechtskräftig entscheiden worden sei und keine gesetzlichen Wiederaufnahme­gründe gemäß § 69 Abs.3 iVm Abs.1 AVG vorlägen, sei eine neuerliche bescheidmäßige Erledigung der Angelegenheit unzulässig. Beantragt wird Bescheidaufhebung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

Aus der Anzeige der PI Friedburg-Lengau vom 15. Juli 2015 lässt sich ersehen, dass der Bf am 5. Juli 2015 im Rahmen der Amtshandlung wegen des Vorwurfs, er habe den Pkw  x um 21.35 Uhr in Schneegattern, Rieder Hauptstraße x, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, dem Meldungsleger AI G R gegenüber auf die Frage nach eingenommenen Medikamenten und nach Krankheiten ausgesagt hat, er habe die Insulinpumpe verwendet und sei Diabetiker.

Ihm wurde laut FSR wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2015, VerkR21-363-2015/BR, die Lenkberechtigung für die Dauer eines Monats, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins am 5. Juli 2015, entzogen und ihm der Führerschein am 7. August 20915 wieder ausgefolgt.

Mit Mandatsbescheid vom 22. Juli 2015, also vor der Ausfolgung des Führerscheins, wurde der Bf gemäß § 24 Abs.4 und 8 Abs.1 FSG aufgefordert, sich am Donnerstag, 6. August 2015, 9.30 Uhr, auf Zimmer 7 der BH Braunau/I.  ärztlich untersuchen zu lassen, und ihm aufgetragen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde innerhalb der von der Amtsärztin bzw dem Amtsarzt festgelegten Freist beizubringen. Sollte er dieser Aufforderung bis längstens 20. August 29015 nicht nachkommen bzw die geforderten Befunde nicht innerhalb der festgelegten Frist beibringen, werde ihm die Lenk­berechtigung entzogen.

Der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid vom 11. August 2015 wurde ihm am 18. August 2015 zugestellt, da er laut Mitteilung der Sanitätsabteilung der belangten Behörde zum Termin am 6. August 2015 nicht erschienen sei.

 

Die Lenkberechtigung des Bf für die Klassen A und B war zunächst unter dem Gesichtspunkt seiner Diabeteserkrankung bis 18. Mai 2008 befristet (Code 104); am 27. Juni 2018 war ihm zu Zl.08/237768 eine unbefristete Lenkberechtigung ohne Auflagen ausgestellt worden.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 11 Abs.2 FSG idF BGBl. II Nr.280/2011 (in Kraft seit 1.10.2011) darf Zuckerkranken, die mit Insulin oder bestimmten Tabletten behandelt werden müssen, eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 nur für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt oder belassen werden.

 

In der vor dem 1.10.2011 geltenden Fassung durfte Zuckerkranken eine Lenkberechtigung (der Gruppe 1) nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

 

Der Wegfall der Einschränkung und der Befristung aufgrund eines befürwortenden FA-Stellungnahme erfolgte beim Bf im Jahr 2008,  jedoch ist die Änderung der Rechtslage mangels Übergangsbestimmung auch auf bereits vor dem 1. Oktober 2011 ohne Auflagen rechtskräftig erteilte Lenkberechtigungen der Gruppe 1 zu beziehen – dass der Bf Insulin benötigt, wurde durch seine Angaben vor der Polizei anlässlich des Vorfalls am 5. Juli 2015 deutlich – weshalb dem diesbezüglichen Argument in der Beschwerde der Erfolg versagt bleibt.

 

Gemäß der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 25.4.2006, 2006/11/0042) sind nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens regelmäßig alle bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichten Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid zu berücksichtigen; dies gilt nicht nur für Fälle der Entziehung der Lenkberechtigung, sondern auch für Fälle, in denen die Gültigkeit der Lenkberechtigung eingeschränkt wird. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens gilt somit nicht nur für die im § 24 Abs.1 Z1 FSG geregelte Entziehung der Lenkberechtigung, sondern auch für die im § 24 Abs.1 Z2 FSG genannten Einschränkungen der Gültigkeit der Lenkberechtigung, mit anderen Worten, die Behörde darf nicht, ohne dass sich der Sachverhalt wesentlich geändert hätte, wiederholt Einschränkungen der Gültigkeit der Lenkberechtigung verfügen (vgl VwGH 29.4.2003, 2001/11/0064). Doch darf in den Fällen des § 26 FSG, in denen schon vom Gesetzgeber eine bestimmte Entziehungsdauer (bzw. Mindestentziehungsdauer) festgesetzt wird, die Behörde nach Erlassung des Entziehungsbescheides wegen des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit das Entziehungsverfahren wegen des Mangels der gesundheitlichen Eignung (weiter-)führen und gegebenenfalls die Lenkberech­tigung wegen des Fehlens dieser Erteilungsvoraussetzung entziehen, was eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens darstellt (vgl E 8.8.2002, 2001/11/0186; 22.3.2002, 2001/11/0342).

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG sind nach der Judikatur des VwGH (vgl E 27.1.2015, 2012/11/0233) begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026).

 

Mit der nunmehr geltenden Rechtslage hat der Gesetzgeber die grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf das (Weiter-)Bestehen der gesundheitlichen Eignung bei mit Insulin behandelter Diabetes offensichtlich bereits vorweggenommen und eine Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung und Kontrollunter­suchungen auch bei Gruppe 1 zwingend vorgesehen, selbst wenn der Inhaber der Lenkberechtigung einwandfrei eingestellt ist. Er hat allerdings die Möglichkeit einer zeitlich engeren oder weiteren Gültigkeit – längstens 5 Jahre – eröffnet, die im Rahmen eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß  § 8 FSG abzuklären ist.

 

Auch diesbezüglich war der Beschwerde daher der Erfolg zu versagen, wobei zu bemerken ist, dass Feststellungen zur gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht unter „res iudicata“ fallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die vom Bf geltend gemachte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht zur erst seit 1.10.2011 geltenden Neufassung des § 11 Abs.1 FSG-GV (BGBl. II Nr. 280/2011) ergangen und betraf nicht eine Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG sondern ausschließlich die tatsächliche Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung und Auflagen, die beim Bf derzeit kein Thema ist. Ob beim Bf tatsächlich eine Krankheit vorliegt, die eine Befristung mit Nachuntersuchung und Kontrolluntersuchungen rechtfertigt, muss im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung erst geklärt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei zu bemerken ist, dass die Ankündigung der Entziehung der Lenkberechtigung für den Fall des Nicht­entsprechens bereits der Bestimmung des § 24 Abs.4 FSG zu entnehmen ist.  

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 14. Dezember 2015, Zl.: Ra 2015/11/0116-4