LVwG-600873/4/Kof/CG
Linz, 29.10.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn M C, geb. 1966, H, W, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät
Dr. L J K - Dr. J M, S, P gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom
03. März 2015, VerkR96-20931-2014 wegen Übertretungen der StVO,
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das behördliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach
§ 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Der Beschwerdeführer hat weder Geldstrafen, noch Verfahrenskosten
zu bezahlen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
Fahrzeug: Kennzeichen GR-...., PKW, Marke, Type, Farbe
1) Sie haben vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) ein Fahrzeug überholt.
Tatort: Gemeinde Andorf, Landesstraße Freiland, B 137 bei km 46.500.
Tatzeit: 16.10.2014, 17:50 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 16 Abs.2 lit.b StVO
2) Sie haben ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer gefährdet wurden.
Tatort: Gemeinde Andorf, Landesstraße Freiland, B 137 bei km 45.700.
Tatzeit: 16.10.2014, 17:51 Uhr.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 16 Abs.1 lit.a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
200 Euro 72 Stunden § 99 Abs.3 lit.a StVO
200 Euro 72 Stunden § 99 Abs.3 lit.a StVO
Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:
40 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher ....... 440 Euro.“
Gegen dieses Straferkenntnis – zugestellt am 13.03.2015 – hat der Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben.
Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Zu Punkt 1. (§ 16 Abs.2 lit.b StVO):
Es kommt darauf an, dass der überholende KFZ-Lenker in der Lage sein muss, das Straßenstück vor Beginn des Überholvorganges zur Gänze zu überblicken, welches er für diese Maßnahmen einschließlich des ordnungsgemäßen
Wiedereinordnens seines KFZ auf den rechten Fahrstreifen benötigt.
Ob ein Überholvorgang unzulässig war, ist vom Beginn dieser Maßnahme aus zu beurteilen; VwGH v. 07.06.2000, 97/03/0120 und v. 18.06.1997, 97/03/0029.
Zu Punkt 2. (§ 16 Abs.1 lit.a StVO):
Der strafbare Tatbestand besteht darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang durchführt – ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, d.h. mit dem Überholen beginnt oder dieses nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Es kommt daher bei dieser Bestimmung auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares „Gefährden-Können“ anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges (bzw. was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges) an;
VwGH vom 10.05.1993, 93/02/0003 und vom 20.03.1996, 94/03/0103.
Der verkehrstechnische Amtssachverständige, Herr Dipl.-HTL.-Ing. R. H. hat
im Hinblick auf die Aktenunterlagen einen Lokalaugenschein durchgeführt und aus technischer Sicht zu den beiden Überholmanövern folgendes festgestellt:
dazu vor, ob der „Überholer“ aus einer Überschussgeschwindigkeit heraus oder
z.B. stark beschleunigend überholt hat.
war der Gegenverkehr etwas mehr als 150 m vom Einscherenden entfernt,
der Einschervorgang beanspruchte ca. 2,5 s.
so ergibt sich der kürzeste Überholweg mit etwa 146 m.
Der amtshandelnde Polizeibeamte, Herr GI P.S., PI A. hat am 23. Jänner 2015 als Zeuge bei der Bezirkshauptmannschaft S. ausgesagt, dass er zur gefahrenen Geschwindigkeit keine Angaben machen könne und nicht mehr genau angeben könne, wie weit die Sichtweite betragen hat bzw. diese zahlenmäßig angeben.
Von einer (ergänzenden) Einvernahme des Zeugen kann abgesehen werden, wenn dieser Zeuge schon anlässlich seiner ersten Vernehmung hinsichtlich der Verwaltungsübertretung wesentliche Einzelheiten nicht angeben konnte;
VwGH vom 15.10.1987, 87/02/0071.
Aufgrund des Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen kann dem Bf nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass er die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen hat.
Gemäß dem Grundsatz „in dubio pro reo“ war daher
· der Beschwerde stattzugeben,
· das behördliche Straferkenntnis aufzuheben,
· das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen und
· auszusprechen, dass der Bf weder Geldstrafen,
noch Verfahrenskosten zu bezahlen hat.
II.
Gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist eine Revision absolut unzulässig;
VwGH v. 16.06.2015, Ra 2015/02/0106; v. 10.10.2014, Ra 2014/02/0093 uva.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde hat durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt/eine bevollmächtigte Rechtsanwältin zu erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Kofler