LVwG-350146/2/GS/PP

Linz, 28.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn P. E.,
geb. x, vertreten durch seinen Sachwalter, Rechtsanwalt Dr. J. M., S., P., vom 6.3.2015, gegen den Bescheid des Bezirks­hauptmannes von Freistadt vom 6.2.2015, GZ: SH20-1363, wegen bedarfs­orientierter Mindestsicherung (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der belangten Behörde vom 6.2.2015, GZ: SH20-1363, mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag wegen Vorliegens von res iudicata zurückgewiesen wird.

Rechtsgrundlagen: § 27 Oö. BMSG iVm § 68 Abs. 1 AVG.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 6.2.2015,
GZ: SH20-1363, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (Bf) vom 13.6.2014 bzw. 9.10.2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs gemäß §§ 27 und 30 Oö. BMSG zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesent­lichen ausgeführt, dass mit Schreiben vom 22.10.2014 der Bf im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht ersucht worden wäre, die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Urkunden bzw. Unterlagen (vollständig ausgefüllter Antrag, Nachweis Familienbeihilfe, Nachweis über eventuelle Unterhaltsansprüche und Vermögensnachweise: Kontoauszüge der letzten sechs Monate) beizubringen. In diesem Schreiben wäre der Bf nachweislich darauf hingewiesen worden, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt worden wäre, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage zurückweisen könne. Komme eine hilfesuchende Person (gesetzlicher Vertreter) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nach, könne die Behörde der Entscheidung den Sachverhalt, soweit er feststellt worden wäre, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungs­grundlage den Antrag zurückweisen. Voraussetzung dafür sei, dass die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden sei. Da der Bf seiner Mitwirkungs­pflicht nicht nachgekommen sei, fehle für den Antrag die Entscheidungs­grundlage.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 6.3.2015, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Bescheid vom 6.2.2015 seinem gesamten Inhalte nach angefochten werde. Als Beschwerdegrund werde formelle Rechtswidrigkeit aufgrund Mangelhaftigkeit des Verfahrens und materielle Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend gemacht. Tatsächlich lägen die Voraussetzungen für die Zurückweisung des bzw. der Anträge nicht vor. Unter einem übermittle der Einschreiter durch den Sachwalter den vollständig ausgefüllten Antrag. Zum Nachweis der Familienbeihilfe werde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Finanzamtes Grieskirchen-Wels vom 29.12.2014 verwiesen, was unter einem zur Vorlage gebracht werde. Hinsichtlich der Unterhaltsansprüche werde mitgeteilt, dass keine solchen bestünden. Die Vermögensnachweise (Kontoauszüge der letzten sechs Monate) könnten nicht vorgelegt werden, diese befänden sich im Pflegschaftsakt des BG Freistadt zu 3 P 531/14k, dessen Beischaffung beantragt werde. Es lägen somit die Voraussetzungen für die Zurückweisung nicht vor, vielmehr wäre der Antrag nach Verfahrensergänzung zu bewilligen gewesen. Der Einschreiter stelle daher den Antrag, das Oö. Verwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid beheben und der belangten Behörde Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

 

I.3. Mit Schreiben vom 15.4.2015 wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (=belangte Behörde) dem Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter.

 

I.4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da bereits die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Grundrechtscharter entgegenstehen, war von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzu­sehen.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

Mit Antrag vom 11.6.2014, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft
Gries­kirchen am 13.6.2014, stellte der Bf durch seinen Sachwalter Dr. J. M. (Rechtsanwalt) einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs.

 

Über diesen Antrag entschied die belangte Behörde mit Bescheid vom 6.8.2014, GZ: SH20-1363, indem der Antrag zurückgewiesen wurde.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf kein Rechtsmittel, weshalb er in Rechtskraft erwachsen ist.

 

Mit Schriftsatz vom 8.10.2014, eingelangt bei der belangten Behörde am 9.10.2014, ersuchte der Bf durch seinen Sachwalter, den ehemals gestellten Antrag neuerlich zu bearbeiten.

 

Mit Bescheid vom 6.2.2015, GZ: SH20-1363, wurde der Antrag vom 13.6.2014 bzw. 9.10.2014 zurückgewiesen.

 

Der Hauptwohnsitz des Bf war laut Zentralem Melderegister vom 8.11.2013 bis 6.10.2014 im Landespflege- und Betreuungszentrum S. W. in  W. (Bezirk F.). Ab 6.10.2014 hat der Bf seinen Haupt­wohnsitz in  G. (Bezirk G.) gemeldet. Der gewöhnliche Aufenthalt des Bf blieb trotz Hauptwohnsitz-Ummeldung bis jedenfalls zum 6.3.2013 (Datumsangabe auf der Beschwerde) in S. H. in  W.

 

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und ist unstrittig.

 

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 BV-G dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungs­ gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages Sache der Rechtsmittelentscheidung nur die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurück­weisung (vgl. z.B. VwGH vom 08.04.2014, Zl. 2011/05/0074).

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

 

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2. bereit ist, sich um Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§7).

 

§ 28 Oö. BMSG regelt die Antragstellung:

 

(1) Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung setzt einen vorherigen Antrag voraus. Sie ist auch ohne Antrag anzubieten, wenn Umstände bekannt werden, die eine Hilfeleistung erforderlich machen.

 

Unter Hinweis auf die obigen gesetzlichen Bestimmungen ist auszuführen, dass die Gewährung von Leistungen nach dem Oö. BMSG eine vorherige Antrags­stellung voraussetzt. So geht aus der Beilage 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtags. XXVII. Gesetzgebungsperiode zu § 28 Oö. BMSG hervor:

 

Da die antragsstellende Person mit der Antragsstellung ihre soziale Notlage zum Ausdruck bringt, ist ab diesem Zeitpunkt zu prüfen, ob ein Anspruch auf bedarforientierte Mindestsicherung besteht. Eine rückwirkende Antragsstellung scheidet damit ebenso aus wie die Beurteilung des Antrags erst ab jenem Zeitpunkt, ab dem sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorliegen.

 

Auch § 30 Oö. BMSG gibt Aufschluss über den Zeitpunkt der Antragsstellung bzw. Gewährung von Leistungen: Stellt sich jedoch heraus, dass wesentliche Unterlagen fehlen und eine sachgerechte Entscheidung nicht in Frage kommt, so hat die Behörde den Antrag zurückzuweisen. [...] aber [die hilfebedürftige Person] aufgrund des Ausschlusses einer rückwirkenden Antragsstellung für die Zeit bis zur wiederholten Antragsstellung keine Leistungen mehr geltend machen kann.

 

Auch der VwGH hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Frage von rückwirkenden Leistungen von Sozialhilfe- und Mindestsicherungsgesetzen der Länder auseinanderzusetzen. Zusammengefasst gelangt der Verwaltungs­gerichtshof zu dem Ergebnis, dass derartige Hilfegewährungen grundsätzlich situationsbezogen auf eine aktuelle bzw. drohende Notlage abzustellen haben, weshalb die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, insbesondere für  Aufwendungen zur Bestreitung des eigenen Unterhaltes, ausscheidet. Eine rückwirkende Gewährung kommt nicht in Betracht (VwGH 22.03.2002, 99/11/0073;VwGH 25.02.2003, 2002/10/0196; VwGH 14.12.2007, 2004/10/0170; VwGH 21.10.2009, 2008/10/0186).

 

Insbesondere in der Entscheidung von 14.12.2007, 2004/10/0170, hatte sich der VwGH mit dem Oö. SHG auseinander zu setzen, dessen Judikatur auch auf das Oö. BMSG übertragen werden kann. Demnach konnte die Sozialhilfe nach dem oberösterreichsichen Sozialhilfegesetz 1998 nicht für in der Vergangenheit liegende Zeiträume gewährt werden.

 

Einen  Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat der Bf durch seinen Sachwalter mit Formular vom 11.6.201 (eingegangen bei der Bezirksverwaltungsbehörde am 13.6.2014) gestellt. Über diesen Antrag wurde bereits rechtskräftig abgesprochen.

 

Zu den Bescheidwirkungen zählt auch die materielle Rechtskraft. Unter materieller Rechtskraft wird die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit eines Bescheides verstanden. Als spezielle Facette der Unabänderlichkeit verbietet die Unwiederholbarkeit, dass sie in einer durch Bescheid entschiedenen Sache (res iudicata) noch einmal ein Verfahren durchgeführt und eine neue (wenn auch gleichlautende) Entscheidung gefällt wird (ne bis in idem) [vgl. Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht 2. Auflage RZ 559].

 

Wie bereits ausgeführt, beantragte der Sachwalter des Bf mit einem am 9.10.2014 bei der Bezirksverwaltungsbehörde eingegangenen Schreiben, den ehemals gestellten Antrag (Anmerkung: das ist jener, der am 13.6.2014 bei der BH eingegangen ist) neuerlich zu bearbeiten.

 

Mit diesem Schreiben wurde folglich unzweifelhaft kein neuer Antrag gestellt, sondern es erging das Ersuchen, über den Antrag vom 13.6.2014 nochmals eine Entscheidung zu treffen. Insofern ist die zusätzliche Datumsangabe des vom Bf gestellten Antrages in der Präambel des angefochtenen Bescheides „bzw. 9.10.2014“ nicht korrekt. Wie der Formulierung des Bf unzweifelhaft zu entnehmen ist, wird mit 9.10.2014 kein neuer Antrag gestellt.

Zu dieser gewählten Vorgangsweise wird nochmals darauf hingewiesen, dass eine rückwirkende Antragstellung rechtlich nicht zulässig ist.

 

Da jedoch über den Antrag vom 13.6.2014 bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, ist eine nochmalige Entscheidung darüber unzulässig. Dieser Antrag war daher von der belangten Behörde zurückzuweisen.

Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, wurde der Antrag gemäß § 30 Oö. BMSG wegen mangelnder Mitwirkungspflicht zurückgewiesen. Unter Verweis auf die obigen Ausführungen wäre der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid von der belangten Behörde jedoch wegen bereits entschiedener Sache (res iudicata) zurückzuweisen gewesen.

 

Da das LVwG gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden hat, steht es ihm zu, diese Korrektur nunmehr spruchmäßig vorzunehmen. Von der belangten Behörde wurde spruchmäßig eine bloße „Zurückweisung“ mangels Angabe von Gründen ausgesprochen. Folglich war vom LVwG eine Änderung der Rechtsgrundlagen vorzunehmen.

 

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger