LVwG-500163/3/Br
Linz, 07.10.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde des R E, geb. x, x, H, vertreten durch
Mag. x, Rechtsanwalt, x, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirks-hauptmannschaft Rohrbach vom 29. Juni 2015, GZ: Agrar96-15-2014, nach der am 7. Oktober 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung
zu Recht erkannt :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I. Mit dem oben zitierten Straferkenntnis wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 800 Euro und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 123 Stunden verhängt, weil er am
21. September 2014 um 06.45 Uhr in H, 100 m nördlich der F Straße bei Strkm 15,8, mit seinem Jagdgewehr, Marke Winchester, Kaliber .30-06, auf ein auf einer Wiese stehendes Rehkitz geschossen habe, dabei das Projektil jedoch abprallte und etwa 800 m weiter flog und letztlich die äußere Glasscheibe der Schmutzschleuse des Hauses x in H durchschlug, wobei das Geschoss im Hohlraum der beiden Verglasungen liegen geblieben ist.
Dadurch habe er die Jagd ohne Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen der Weidgerechtigkeit ausgeübt und gegen §§ 95 Abs. 1 lit. c iVm
§ 1 Abs. 2, § 38 Abs. 1 lit. a und d sowie § 39 Abs. 1 lit. a Oö. Jagdgesetz 1964, LGBl. Nr. 32/1964, in der geltenden Fassung (gemeint idF LGBl. Nr. 32/2012) verstoßen.
I. 1. Begründend führte die Behörde Folgendes aus:
- von beiden angegebenen Standpunkten des Jägers aus - die Schussabgabe auf jeden Fall im Bereich einer Kuppenlage erfolgte und somit KEIN ausreichender Kugelfang gegeben war. Zusätzlich verläuft innerhalb einer Distanz von etwa 200 m im Nordosten
- somit in angegebener Schussrichtung - hinter dieser Kuppe ein öffentlicher nicht einsehbarer Feldweg, welcher Ihnen nach 30-jähriger Jagdausübung in diesem Revier bekannt sein musste.
34 m und einer angenommenen Höhe der ‚Kammer‘ des Rehkitzes von 40 cm sich die in der Beilage dargestellten und sich schneidenden Geraden und ein sich darauf ergebender Schnittpunkt in einer Entfernung von 49,90 m und ein dazugehöriger Winkel von
1,94 Grad ergeben. Bei aller Ungenauigkeit der Messungen sind diese beiden Ebenen (Gelände und Flugbahn des Geschosses) also annähernd parallel und erreicht der Winkel im Schnittpunkt mit Sicherheit keine 5 Grad, egal ob der Schuss nun ungehindert das Gelände oder aber das Reh durch einen Kammerschuss durchschlagen hat. Die detaillierten Ausführungen des jagdfachlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. P erscheinen der Behörde nachvollziehbar und durchgehend schlüssig.
H, Schussabgabe in Richtung nicht einsehbaren öffentlichen Weges) und damit einhergehend die geforderte Verlässlichkeit nicht gegeben war und Sie die Jagd ohne Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen der Weidgerechtigkeit ausgeübt haben, sodaß der Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 95 Abs. 1 lit. c erfüllt ist.
800 Meter weiter, bis es auf eine Doppelverglasung der Schmutzschleuse beim Haus x, H auftraf und dabei eine Scheibe durchschlug. Die zweite Scheibe blieb unversehrt.
29. Juni 2015 ergangen und wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 800,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 123 Stunden) verhängt
27. April 2015 zum Schluss, dass ‚ganz sicher kein Kugelfang zur Verfügung stand‘ und wurde das Gutachten des Försters R in vollem Umfang bestätigt.
OÖ Jagdgesetz nicht nachgekommen ist, wird angemerkt, dass diese sehr wohl vom Schützen und Beschuldigten, der selbst Hundeführer ist, mit einem Hund selbst durchgeführt wurde.
Ing. O vom 18. Mai 2015, Seite 4 (Beilage./1)).
18. Mai 2015 (Beilage./1)).
II. 1. Diese Ausführungen erwiesen sich als zutreffend!
III. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war im Verwaltungsstrafverfahren nach § 44 Abs. 1 VwGVG durchzuführen. Dieses Verfahren war mit der beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bereits am 22. Juli 2015 zur Vorlage gelangten Beschwerde über den Entzug der Jagdkarte und Widerruf der Bestellung als Jagdschutzorgan zu verbinden. Der Strafverfahrensakt wurde mit Vorlageschreiben vom 5. August 2015 vorgelegt.
Beweis erhoben wurde durch Verlesung der mit der Beschwerde im Administrativverfahren vorgelegten Befunderhebungen durch allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige und deren fachlichen Stellungnahmen (Beilagen./1 bis ./7). Erörtert wurden das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstellte Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen Dipl.-Ing. D, die mündlich erstatteten Fachmeinungen der vom Beschwerdeführer zur öffentlichen mündlichen Verhandlung stellig gemachten allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Jagdwesen - Mag. Ch. B und für das Schießwesen - Ing. H. O sowie Anhörung des Beschwerdeführers als Beschuldigten und Partei des Administrativverfahrens.
Die Behörde war bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung ebenfalls vertreten.
Vorgelegt wurde die Mitteilung der StA Wels vom 28. Oktober 2014,
GZ: 449 49 BAZ 461/14b-1, über die Benachrichtigung des Beschwerdeführers von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn gemäß § 190 Z 2 StPO (Beilage.\1). In Augenschein genommen wurde vom Schießsachverständigen erstmals das vom Beschwerdeführer damals verfeuerte und von ihm zur Verhandlung mitgebrachte Geschoss.
IV. Sachverhalt:
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer am 21. September 2014 gegen 06.45 Uhr an der besagten Örtlichkeit von einem Maisfeld aus stehend und am Bergstock angestrichen auf etwa 40 m im Zuge des Herbstrehabschusses ein Rehkitz beschoss und dieses offenbar verfehlte. Er versuchte, den Schuss auf den Träger (am Hals) des Rehs anzutragen. Der sogenannte Kugelschuss wurde aus der Waffe des Kalibers 30.06 abgefeuert. Erstmals verwendete der Beschwerdeführer ein bleifreies Geschoss der Marke Hornady. Als sogenannter Kugelfang bot sich eine leicht ansteigende und den Rehkörper an der Horizontlinie deutlich überragende Wiesenfläche. Dahinter lag wiederum ein sich aus dem
(Luft-)Bildmaterial darstellendes etwa 200 m tiefes Waldstück. Das Geschoss prallte von der Wiese ab, überflog den Wald und schlug schließlich in einem
800 m vom Schützen entfernten Haus in dessen Glastür ein.
Das Reh sprang flüchtig ab. Der Beschwerdeführer begab sich mit seinem Hund zum Anschuss, konnte dort jedoch keinen Hinweis auf einen allfälligen Treffer (Schweiß = Blutspuren) finden.
Dieser Umstand wird hier dem Beschwerdeführer einerseits als nicht weidgerechte Jagdausübung zur Last gelegt und andererseits darin die Grundlage erblickt, ihm die jagdfachliche Verlässlichkeit abzusprechen.
IV. 1. Demnach galt es im Rahmen dieses Verfahrens nachzuvollziehen, ob die Situation der Schussabgabe aus der Sicht der Jagdpraxis vertretbar gewesen ist oder ob der Beschwerdeführer diesen Schuss unter Missachtung jagdlicher Sorgfaltspflichten abgab bzw. mit einem derart weittragenden Abpraller (Geller) hätte rechnen müssen.
IV. 2. An dieser Stelle sind vorerst auszugsweise die vom Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz zitierten Fachmeinungen darzustellen:
Im Gutachten vom 18. Mai 2015, Ing. O, wird etwa im Befund festgehalten, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Geschosstyp um ein in jüngerer Zeit vom Handel propagiertes bleifreies Geschoss mit einem Gewicht von 9,7 Gramm und einer Mündungsgeschwindigkeit von knapp 900 m/sek. gehandelt hat.
Auf Seite 3 dieses Gutachtens wurde auf das Ergebnis von Beschussversuchen Bezug genommen. Daraus ergebe sich, dass bleifreie Geschosse nach dem Abprallen eine signifikant größere Masse (im Mittel um 36 %) und ebenfalls eine um 28 % höhere Energie als bleihaltige Geschosse aufweisen. Bleifreie Geschosse würden nach dem Abprallen signifikant weiter fliegen als bleihaltige Geschosse. Erstere 747 m und zweitere lediglich 516 m. Dieser Umstand sei in der Bewerbung bleifreier Geschosse bislang nirgends erwähnt worden.
Zusammenfassend gelangte der Sachverständige in dessen Gutachten hinsichtlich des vom Beschwerdeführer verfahrensgegenständlich abgegebenen Schusses zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer das Abprallverhalten dieses Geschosses nicht wissen konnte und er offenbar auch damit nicht rechnen hat müssen. Die Wiesenfläche sei von der diesem Verfahren zu Grunde gelegten und vom jagdfachlichen Gutachter determinierten „Position 3“ oberhalb des beschossenen Rehkitzes in zumindest zweifacher Höhe des Kitzes sichtbar gewesen. Das beschossene Stück habe sich jedenfalls nicht an der Horizontlinie befunden. Vielmehr sei rund um das beschossene Rehkitz die Wiese in einer Tiefe von etwa 200 m sichtbar gewesen. Hinter der Wiesenfläche habe sich ein Wald in einer Tiefe von etwa 180 m und erst 340 m weiter dahinter wiederum das letztlich getroffene Haus befunden. Mit einem herkömmlichen Teilmantelgeschoss mit Bleikern hätte in dieser Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Geschossrest den Wiesenboden verlassen.
Diesem Gutachten wurden acht Literaturhinweise beigefügt.
In der Beilage findet sich eine Feldstudie über Auftreffwinkel und Abprallverhalten von Geschossen. Aus dieser kann abgeleitet werden, dass bei einer Hochstandhöhe von 6 m lediglich auf eine Entfernung von 34 m hinreichend gesichert gelten könne, dass bei einem Geschossauftreffwinkel von zumindest 10° mit keinem Abpraller (Geller) mehr gerechnet werden müsse, was in der täglichen jagdlichen Praxis weitgehend nicht einzuhalten sei, weil Rehe (Schalenwild) in der Praxis aus größerer Entfernung beschossen werden müssten.
Die in der Beilage./3 beigeschlossenen Jagd- und Unfallverhütungsvorschriften (UVV) mit dem Stand Jänner 2013 verweisen betreffend den Büchsenschuss unter Ziffer 3.2. auf einen geeigneten Kugelfang. Als solcher sei der Hintergrund des Geländes anzusehen, wobei ein Wald aufgrund der hohen Gellergefahr keinen geeigneten Kugelfang darstelle.
Mit der Beilage./4 wird von der deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V. - DEVA auf das Ergebnis eines Forschungsprojektes auch über das „Abprallverhalten auf weichem Boden“ (Wald- und Feldboden) verwiesen. Es wäre daher möglich, so der Verfasser I. R., eine Aussage zum hier vorliegenden Fall zu treffen. Insbesondere wurde auf die Abprallsituation beim Verfehlen eines Rehwildes Bezug genommen bzw. im Kalkül eingegangen.
Darin wird etwa bekräftigt, dass ab einem Auftreffwinkel von 10° kein Geschoss mehr das Medium „weicher Boden“ verlassen hat. Nicht auszuschließen wäre, dass es Geschosskonstruktionen gebe, die dennoch in der Lage sind, auch bei Winkeln von mehr als 10° den Boden noch zu verlassen. Abschließend wird darin darauf hingewiesen, dass es etwa in Deutschland bislang keine einzuhaltenden Sicherheitswinkeln bei Schussabgaben in Bodenrichtung gibt. Es wurde jedoch auf ein Gerichtsverfahren verwiesen, wo ein Jäger für einen Schuss in einem Winkel von weniger als 30° und dabei eingetretenem Abpraller verantwortlich gemacht hätte werden sollen. Das Oberlandesgericht gelangte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Auffassung, dass bei der Schussabgabe ein Sicherheitswinkel von mindestens 30° ausreiche, um nach menschlichem Ermessen eine ausreichende Gewähr zur Vermeidung eines Abprallers zu bieten.
In der Beilage./5 wird ein weiteres, vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beigeschafftes, Gutachten von H A. M vorgelegt.
Der Sachverständige erklärt darin eingangs, zum konkreten Fall keine Angaben machen zu können, sondern im Ergebnis jedoch aus dem an sich feststehenden Sachverhalt schlussfolgern zu können.
Dies würde zum Ergebnis führen, dass die Gefahr von Abprallern in der Praxis weitgehend unterschätzt würde. Auf die Schusswinkel werde in der Praxis so gut wie keine Rücksicht genommen, jedoch würde sich aus praktischer Sicht die Jagd ad absurdum führen, wenn die laut Studien angegebenen Schusswinkel von 10° nicht unterschritten werden dürften. Demnach würde die maximal zulässige Schussdistanz aus einer etwa drei Meter hohen Reviereinrichtung (Kanzel oder Hochsitz) lediglich 34 m betragen und sich bei einer Schussdistanz auf 100 m nur mehr ein Winkel von 2,5° ergeben. In der Praxis bewegte sich demnach der Großteil der Jäger auf dünnem Eis, was die Einhaltung der empfohlenen 10° Schusswinkel betreffen würde.
In weiterer Folge wird eine Gegenüberstellung von Gefährdungen des Hintergrundes durch bleihaltige gegenüber bleifreien Geschossen näher dargestellt. Darin wird insbesondere das wesentlich höhere Gefahrenpotenzial durch bleifreie Geschosse gegenüber bleihaltigen Geschossen in Folge deutlich höherer Wahrscheinlichkeit von Abprallern aufgezeigt.
Abschließend wird vermeint, dass nicht der Jäger, sondern der Fachhandel mit bleifreien Geschossen „geflutet“ werde, wobei der Informationspflicht über die größere Abpralleigenschaft und Hintergrundgefährdung nur bedingt nachgekommen würde.
Hier habe, so der Sachverständige im Schlusssatz, die Verwendung von bleifreier Munition zu einer Potenzierung des Gefahrenpotenzials geführt. Der Sachverständige M verweist abschließend auf die Studie der Universität Bern von
Dr. B N, publiziert in der deutschen Jagdzeitung, RUAG Ammotec, technischer Leiter G G.
Die Beilage./6 hat eine Stellungnahme von L F vom 15. Mai 2015 zum Gegenstand. Diese verweist auf seine nunmehr neun Jahre währende Funktion als Ausbildner für den Bereich der Handhabung von Jagdwaffen und das Schießwesen in Jungjäger- und Jagdhüterkursen im Bereich des Bezirkes Linz-Land. Bei der Ausbildung werde darauf hingewiesen, dass der gewachsene Boden (gemeint vegetationsbewachsene Boden) grundsätzlich als ausgezeichneter Kugelfang diene. Hinsichtlich des Winkels wurde angemerkt, dass ein zu flacher Winkel zu Abprallern führen könne, jedoch eine dezidierte Zahl (wie die Zahl) nicht genannt bzw. gelehrt würde. Grundsätzlich werde seit Jahrzehnten gelehrt, dass hinter einem zu beschießenden Stück ein vollständig gewachsener Boden einen Kugelfang bieten würde.
Die Beilage./7 hat ebenfalls ein Schreiben eines Ingenieurs zum Inhalt, der seit 17 Jahren als aktiver Jäger und Vortragender in der Landwirtschaftsschule Waizenkirchen des Freigegenstandes Jagd tätig sei.
Auch dieser bringt zum Ausdruck, dass gewachsener (gemeint bewachsener) Boden grundsätzlich als geeigneter Kugelfang im Rahmen der Ausbildung dargestellt werde, wenn sich ein solcher Boden hinter einem beschossenen Wild befinde. Selbstverständlich müsse etwa Rücksicht auf Bodenfrost oder Gesteinsmaterial am Boden genommen werden. Unter solchen Umständen könne es zu unbeabsichtigten „Abprallern“ kommen. Sollte ein gewachsener Boden nicht als ausreichender Kugelfang geeignet sein, dann wäre wohl eine Jagd auf Schalenwild „in unserem Gebiet“ mit gängiger gesetzlich erlaubter Büchsenmunition kaum mehr denkbar, so dieser Ausbildner von Jägern.
Auf diese Expertenaussagen stützt der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter seine Beschwerdeausführungen, sowohl im Verwaltungsstraf- als auch im Administrativverfahren.
IV. 2.1. Mit Schriftsatz vom 18. August 2015 legte der Beschwerdeführer noch zwei Fotos über seine Schussposition und das dahinter befindliche Gelände unter Positionierung einer Rehattrappe (Beilage./2) an der Stelle des beschossenen Rehkitzes vor. Diese Darstellung wurde vom Amtssachverständigen in dessen Gutachten mit der Schussposition 3 zu Grunde gelegt.
IV. 3. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung schildert der Beschwerdeführer die damalige Situation. Er erklärt nochmals, unter Hinweis auf ein Bild mit einer Rehattrappe, die Schusssituation. Darin verweist er auf die erstmalige Verwendung eines bleifreien Geschosses, welches er zwischenzeitig nur mehr am Schießplatz verwende.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgt der vom Beschwerdeführer dargestellten Schussposition 3 auf eine Distanz von 34 m. Demnach hatte sich der Beschwerdeführer dem Rehkitz über das Maisfeld angepirscht und dieses aus einer Stelle am Pirschstock angestrichen beschossen, wo der Mais bereits etwas zusammengebrochen war. Der Schuss wurde während des Äsens des Rehs, also bei dessen gesenktem Haupt (Kopf), auf den Träger (Hals des Rehs) angetragen. Diese Position ergab laut Gutachten noch eine ausreichende Überhöhung des ansteigenden Geländes und demnach einen scheinbar tauglichen Kugelfang. Dahinter befand sich als Horizontlinie auch noch ein Nadelwald. Das Kitz ging auf den Schuss flüchtig ab und eine mit dem Hund durchgeführte Nachsuche brachte zum Ergebnis, dass er das Reh wohl nicht getroffen haben dürfte.
IV. 4. Laut Schießsachverständigem - der bislang das schadenskausale Geschoss nur in Abbildung kannte - müsste das Geschoss, ob am Reh vorbei geschossen oder auch nicht, jedenfalls Bodenkontakt gehabt haben, von dort jedoch abgeprallt sein, den Wald überflogen haben, um schließlich mit nicht mehr allzu großer Energie noch eine Glasscheibe zu durchschlagen. Dies wurde nachvollziehbar mit der geringen und frontal glatten Deformierung erklärt.
Der Sachverständige nimmt dabei Bezug auf einschlägige Literatur, der zur Folge bei bleifreien Geschossen durch deren sehr geringere Verformungsneigung die Geschossmasse nahezu zur Gänze erhalten bleibe. Dies im Gegensatz zu einem konventionellen Bleikern-Geschoss.
Letztlich wurde vom Sachverständigen daraus der Schluss gezogen, dass aus der vom Beschwerdeführer letztlich angegebenen Schussposition (laut Gutachten
Nr. 3) die Schussabgabe sowohl jagdlich als auch schießtechnisch vertretbar gewesen ist. Der Beschwerdeführer habe aus seiner Erfahrung heraus mit diesem Abprallverhalten nicht rechnen können und müssen. Die bleifreien Geschosse seien in letzter Zeit im Fachkreis sehr beworben worden, jedoch sei vom Handel nicht hinreichend deren Abprallverhalten aufgeklärt worden, welches laut Sachverständigem unter Bezugnahme auf die Fachliteratur mit bis zu fünffacher Wahrscheinlichkeit angegeben wurde.
Letztlich vertrat der schießtechnische (ballistische) Sachverständige die Fachmeinung, dass in dieser Situation ein Bleigeschoss keinen Abpraller mit einer derart weiten Flugbahn zur Folge gehabt hätte, weil es durch die größere Verformung und den Verlust an Masse beim (ersten) Auftreffen am Boden eine deutlich schlechtere aerodynamische Form erhalten hätte und folglich der zweite Aufschlag am Boden in deutlich kürzerer Distanz erfolgt wäre.
Diesen plausiblen und logisch nachvollziehbaren Darstellungen folgt daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
Die ursprünglich variierende Darstellung der Schussposition und der Positionierung des Rehs beim Beschuss erklärte der Beschwerdeführer mit der Fehleranfälligkeit der Markierung mit einem x auf einem Luftbild im Maßstab 1:5000.
Auch dies ist durchaus nachvollziehbar, wobei - wie oben schon ausgeführt - seine nunmehr dargestellte Position sowohl aus jagdpraktischer Sicht logischer scheint und letztlich dies auch gutachterlich untermauert werden konnte. Wäre nämlich das Reh auf 74 m - wie offenbar vom Amtssachverständigen im Behördenverfahren in seinem antizipativ beweiswürdigenden und als tendenziös den Beschwerdeführer vorverurteilenden Gutachten zu Grunde gelegt worden zu sein scheint - beschossen worden, wäre die Entscheidung für einen Trägerschuss über den Bergstock mit höchster Wahrscheinlichkeit von keinem die Trefferwahrscheinlichkeit realistisch beurteilenden Jäger getroffen worden. Darüber hinaus hätte das Geschoss von dort den Boden - wenn überhaupt - in einem so flachen Winkel berührt, dass die Einschlagenergie noch deutlich höher gewesen wäre, sodass nur eine Glasscheibe durchschlagen worden wäre. Auch dies ist unter Bedachtnahme auf die Anfangsgeschwindigkeit im Bereich von 900 m/sek. logisch nachvollziehbar.
Wenn der behördliche Amtssachverständige schließlich meinte, in diesem Fall „hätte die Kugel im Zweifel im Lauf zu bleiben gehabt“, müsste letztlich die Rehwildbejagung überhaupt in Frage gestellt werden, weil in der Praxis keine Hochstände in dreifacher Höhe denkbar sind und Rehe nur mehr auf etwas mehr als 30 m beschossen werden könnten, um einen Auftreffwinkel des Geschosses von mehr als 10º zu erreichen.
Letztlich bezeichnet auch der dem Beschwerdeverfahren beigezogene jagdfachliche Amtssachverständige in dessen umfang- und variantenreich abgefassten Gutachten dieses Ereignis auf die Verkettung unglücklicher Umstände rückführbar. Diese vermögen daher weder den Schuldvorwurf der nicht weidgerechten Jagdausübung zu tragen, noch kann trotz dieses wohl bedauerlichen Zwischenfalles an der jagdlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers sachlich kein Zweifel begründet gesehen werden.
Da letztlich erst dieses Ereignis das Abprallverhalten von bleifreien Geschossen verdeutlicht, wird sich künftighin der Fachkreis im größeren Umfang mit dieser Problematik auseinanderzusetzen haben.
V. Rechtlich hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
Die Jagd ist - wie die Behörde grundsätzlich zutreffend unter Hinweis auf § 1
Abs. 2 Oö. JagdG verweist - in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen der Weidgerechtigkeit unter Bedachtnahme auf die Interessen der Landeskultur nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auszuüben.
Wie vom Beschwerdeführer jedoch unter Hinweis auf § 44a Z 1 VStG zutreffend eingewendet wird, kann jedoch eine ex post betrachtet ob des (erstmals) verwendeten bleifreien Geschosses suboptimal verlaufene Schussabgabe (hier als Fehlschuss und Geller [Abpraller]) dem weit gefassten Begriff der Weidgerechtigkeit nicht zugeordnet bzw. als mit diesem in Widerspruch stehend begriffen werden. Wenn etwa im § 42 leg.cit. der Jagdschutz den Schutz des Wildes vor Futternot, Raubwild, Raubzeug und vor Wilderern und die Verpflichtung, nach Kräften auf eine Ausübung der Jagd nach den Regeln der Weidgerechtigkeit umfasst und dieser nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu bewirken ist, deutet dies vielmehr auf den Umgang der Jägerschaft mit der Natur und den dort wild lebenden Tieren.
Als Definition umfasst die Weidgerechtigkeit einen Kanon an Normen und Regeln, der die Achtung der Jägerschaft gegenüber dem Mitgeschöpf widerspiegelt. Diese Regeln zielen darauf ab, dass die Jäger ihr Handwerk verantwortungsbewusst und beispielhaft ausüben. Dazu gehört auch das Bestreben, das Tier möglichst effizient und tierschutzgerecht (ohne zu leiden) zu erlegen. Unerlaubte Mittel und Methoden der Jagd sind etwa im Wiener Landesjagdgesetz und auch in anderen Landesjagdgesetzen grundsätzlich verboten (Quelle: Webportal des Wiener Jagdverbandes).
Ein Bescheidspruch bedarf gemäß § 44a Z 1 VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Wird die Anführung eines wesentlichen Tatbestandselementes im Spruch unterlassen, kann dies auch nicht durch eine entsprechende Bescheidbegründung ersetzt werden (vgl. unter vielen VwGH 24.4.2015, 2011/17/0201). Er hat so gefasst zu sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann (VwGH 23.4.2013, 2010/09/0005). Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden (VwGH 24.4.2015, 2013/17/0400 mit Hinweis auf VwGH 18.10.2007, 2005/09/0126, mwN).
Abschließend sei bemerkt, dass letztlich vor dem Hintergrund des gesetzlichen Gebotes der Abschussplanerfüllung die gegenständliche Schussabgabe auf dieses frei auf der Wiese stehende Rehkitz eine durchaus sachliche Grundlage findet. Dies als nicht weidgerecht sehen zu wollen, wäre mit Blick auf ein diesbezüglich stets bestehendes Gebot zum Handeln wohl verfehlt, weil Untätigkeit und eine am Ende der Schusszeit daraus resultierende Mindererfüllung der Abschussplanziele dem Jagdausübungsberechtigten letztlich als sanktionswürdiges jagdfachliches Manko zur Last fallen würde. Von einer unterbliebenen Nachsuche kann angesichts des offenkundigen Fehlschusses nicht ausgegangen werden.
Damit sei aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer in diesem Fall als Jagdverantwortlicher im Ergreifen der Gelegenheit, ein auf der Wiese stehendes Rehkitz im Rahmen des Herbstrehabschusses zu nutzen versuchte, grundsätzlich aus jagdpraktischer Sicht durchaus pflichtgemäß gehandelt hat.
Das dem Beschwerdeführer im Spruch zur Last gelegte Verhalten erwies sich letztlich nicht als Verstoß gegen die Weidgerechtigkeit.
Der Strafausspruch war demnach aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. B l e i e r