LVwG-650455/8/Bi

Linz, 19.10.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin        Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn R H, S.straße 9, L, vom 9. August 2015 gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von vom 20. Juli 2015, GZ: 15/247506 KL, wegen Einschränkung der Lenkberechtigung durch Befristung und Auflagen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Auflage von drei Kontrolluntersuchungen mit Vorlage von Harnanalysen auf Cannabis innerhalb von 12 Monaten, gerechnet ab 10. Juli 2015, zu entfallen hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid im Beschwerdeumfang bestätigt. 

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde die Gültigkeit der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) – Führerschein ausgestellt von der LPD zu F 15/247506 für die Klassen AM, A1, A2, A, B, BE, C, C1, CE, C1E und F – gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 5 Abs. 5 FSG bis 10. Juli 2016 befristet und insofern Auflagen erteilt, als er sich bis spätestens 10. Juli 2016 einer Nachuntersuchung unter Vorlage einer Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie sowie innerhalb von 12 Monaten drei Kontrolluntersuchungen mit Drogenharnbefunden auf Opiate, Cannabinoide und Benzodiazepine innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch die Behörde (persönlich oder per Post) zu unterziehen habe.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 20. Juli 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art. 131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er trinke keinen Alkohol, nehme keine Drogen und jetzt auch keine Medikamente. Nach einem Motorradunfall 2008, bei dem er schwer verletzt worden war, habe er trotz Morphium gegen die Schmerzen nicht schlafen können, weshalb ihm der Arzt Benzodiazepine in hoher Dosis zum Schlafen gegeben habe. Nach der Entlassung habe er Codein als Schmerzmittel bekommen und 2010 eine Entwöhnung der Schmerzmittel und den Versuch auch der Diazepame im W.-KH beschlossen. Da der Entzug zu schwer gewesen sei, habe er wieder Diazepam genommen und ihm sei empfohlen worden, langsam zurück zu dosieren und ausschleichen zu lassen. Mehrere Psychiater hätten ihm versichert, dass eine Dosierung von 5 bis 10 mg Diazepam keinen Einfluss auf die Verkehrszuverlässigkeit habe. Er habe von ursprünglich 90 mg auf 5 mg dosiert und sich entwöhnt. Dass er vor über 30 Jahren einmal bei einem Joint mitgeraucht habe, sei wohl nicht relevant. Er verstehe, dass nach einigen Monaten zur Sicherheit noch einmal ein Labortest auf Benzodiazepine gemacht werde, aber er habe seit 5 Jahren mit Opiaten nichts mehr zu tun und mit Cannabis nie etwas am Hut gehabt. Die 14 Tage-Frist lasse sich kaum realisieren, da er ab Urinabgabe oft eine Woche brauche, um den Befund abholen zu können. Als Fernfahrer sei er allerdings oft 2 Wochen nicht im Land. Dass er nach einem Jahr wieder zum Psychiater solle, sei Unsinn; es werde nicht mehr Dr. L. sein, der seine ärztliche Schweigepflicht vergessen habe, und er berufe sich bei jeder weiteren Frage auf § 1 DSG. Er ersuche um Berücksichtigung, dass er bei einem Vorstellungsgespräch mit diesen Eintragungen in seinem Führerschein nicht anders könne, als die Wahrheit zu sagen und er dadurch allgemein Probleme habe, einen Job zu bekommen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf hat nach Ablauf seiner bis 24.2.2015 (wegen chronischer Hepatitis C) befristeten Lenkberechtigung um deren Verlängerung angesucht und die Stellungnahme Dris B L, FA für Psychiatrie-Neurologie in L, vom 25. Mai 2015 vorgelegt mit den Diagnosen: „Opiat-, Benzodiazepin­abhängigkeit, Hepatitis C, Probierkonsum von THC“. Laut Vorgeschichte hat der x geborene Bf mit 25 Jahren THC probiert und 3-5mal weiter konsumiert. 2008 hatte er einen Verkehrsunfall mit Verletzung Oberschenkel und Schmerztherapie mit Codidol bis zur stat. Entzugstherapie im W., anschließend infolge der Entzugsbeschwerden zunehmend regelmäßiger Konsum von Gewacalm – zuletzt 1/2 Tablette abends. Er habe seit dem Unfall Schlafstörungen, habe vor 4 Wochen den Konsum von Benzodiazepinen beendet. Er sei regelmäßig berufstätig.

Zusammenfassend hat der FA ausgeführt: “Entsprechend der Dokumentation besteht ein Abhängigkeitsstadium. Die Begründung für die Benzodiazepin­abhängigkeit ist mit der angegebenen Schlafstörung aufgrund der vorbe­stehenden Abhängigkeit nicht vollständig erklärbar. Seit ca. 4 Wochen habe er den Konsum beendet; lt. seinen Angaben ist er abstinent. Aktuell besteht von psychiatrischer Sicht eine Fahrtauglichkeit Gruppen 1/2. Es besteht erhöhte Rückfallswahrscheinlichkeit – aufgrund dessen Fahrtauglichkeit vorerst nur mit Befristung und regelmäßigen Harnkontrollen für 1 Jahr.“

 

Vorgelegt wurde ein negativer Drogenharnbefund auf Opiate, Benzodiazepine und Cannabinoide vom 3.7.2015.

Laut zweier Ambulanzbriefe des Krankenhauses der Elisabethinen Linz vom 26.7.2012 und 17.12.2014 besteht chronische Hepatitis C, Genotyp 1b, wobei kein Einwand gegen das Lenken von Kraftfahrzeugen besteht.

Das amtsärztliche Gutachten Dris G. lautete auf „befristet geeignet auf 12 Monate, Nachuntersuchung mit FA für Psychiatrie, Kontrolluntersuchungen 3x mit Drogenharnanalysen auf Opiat, Cannabinoid und Benzodiazepin nach Aufforderung durch die Behörde.    

 

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde die gutachterliche Stellungnahme Dris E. W., Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, Abt. Gesundheit, vom 17. September 2015, Ges-2015-201806/2-Wim, eingeholt, wonach beim Bf eine Benzodiazepinabhängigkeit besteht, die subjektiv angegebene Abstinenz sehr kurz ist und aus FA-Sicht eine erhöhte Rückfallswahrscheinlichkeit besteht, weshalb weitere Kontrollbefunde erforderlich sind. Laut Amtsärztin wirkt sich die Einnahme von Benzodiazepin insbesondere auf die Konzentration und das Reaktionsvermögen aus, sodass die Fahrtüchtig­keit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen eingeschränkt sind. Daher sind Kontrolluntersuchungen zum Nachweis der Abstinenz und die Nachuntersuchung nach 1 Jahr erforderlich. Empfohlen wird außerdem eine weitere internistische FA-Stellungnahme betreffend Prognose bzgl der chronischen Hepatitis C. Die aus psychiatrischer FA-Sicht erforderlichen Kontrolluntersuchungen auf Abstinenz bzgl Einnahme von Benzodiazepinen sei aus ihrer Sicht nachvollziehbar und unabdingbar.

 

Der Bf hat sich in seiner Äußerung vom 15. Oktober 2015 dagegen ausgesprochen und ausgeführt, er habe Verständnis gezeigt für die Kontrolle von Benzodiazepinen, aber nicht für die Frist von 14 Tagen, weil er persönlich den Befund holen und zur Polizei bringen müsse. Nach der Zustellung der behördlichen Aufforderung an einem Montag bekomme er den Brief erst am Montagabend oder Dienstag zu Gesicht und sein Dienstgeber müsse für ihn Ersatz für Freitag finden. Den Freitag darauf brauche er wieder frei, um persönlich den Befund abzuholen und zur Polizei zu bringen. Niemand stelle ihn unter diesen Auflagen ein. Ein Stundenlohn als Taxilenker von 5 bis 6 Euro reiche gerade einmal zum Überleben. Dr. G habe die Befristung wegen Hepatitis C aufheben wollen und jetzt werde das Ganze neu aufgerollt. Hätte er die Gewacalm verschwiegen, hätte er jetzt einen unbefristeten Führerschein.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

Gemäß § 24 Abs. 1 Z2 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzu­schränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 4.2.2014, 2012/11/0096; 20.11.2012, 2012/11/0132, mit Hinweis auf E 24.5.2011, 2010/11/0001, 24.4.2001, 2000/11/0337, 13.8.2003,  2001/11/0183, 13.8.2003, 2002/11/0228, 25.4.2006, 2006/11/0042, 15.9.2009, 2007/11/0043, und 22.6.2010, 2010/11/0067).

Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheits­zustandes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl VwGH 20.11.2012, 2012/11/0132, mit Hinweis auf  E 13.8.2003, 2002/11/0228, und 25.4.2006, 2006/11/0042).

Um die für die Befristung der Lenkberechtigung vorausgesetzte bloß eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art nach Ablauf der von der Behörde angenommenen Zeit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl E 20.11.2012,  2012/11/0132, mit Hinweis auf E 22.6.2010, 2010/11/0067, 0068, und 15.9.2009,  2009/11/0084). 

 

Aus der FA-Stellungnahme Dris L ergibt sich zweifelsohne eine Abhängigkeit des Bf von Opiaten und Benzodiazepinen, wobei eine Abstinenz seit April 2015 – auch durch den Laborbefund vom 3. Juli 2015 – dokumentiert ist. Damit ist die Befristung mit Nachuntersuchung in einem Jahr, gerechnet ab  amtsärztlichem Gutachten einerseits sowie die Vorschreibung von drei Kontrolluntersuchungen innerhalb eines Jahres bis 10. Juli 2016 durch entsprechende Laborbefunde nachvollziehbar.

Eine sachliche Rechtfertigung für Cannabiskontrollen – diesbezüglich sieht die FA-Stellungnahme ebenso wie das Gutachten gemäß § 8 FSG nichts vor – ist bei einem Probierkonsum im Jahr 1991 hingegen nicht erkennbar.

 

Zur Frist für die Ablieferung der Harnbefunde bei der belangten Behörde ist festzuhalten, dass dem Bf eine Terminverpflichtung für drei Kontrollunter­suchungen bis 10. Juli 2016 zuzumuten ist. Maßgebend ist die Harnabgabe im Labor innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der behördlichen Aufforderung, dh wenn der (negative) Harnbefund bei einer zeitlichen Konstellation, wie vom Bf beschrieben, wegen ev. tatsächlich bestehender, der Behörde telefonisch mitgeteilter beruflicher Abwesenheit des Bf nicht noch am 14. Tag danach bei der Behörde einlangt, ist damit der Auflage dennoch Genüge getan. 

 

Im Gutachten des Amtsarztes der belangten Behörde ist von Hepatitis C als Begründung für Auflagen keine Rede mehr, obwohl die ursprüngliche Befristung im Jahr 2010 offenbar allein deswegen erfolgte. Aus dem vorliegenden Verfahrensakt ergeben sich aber keine Hinweise auf eine Krankheit, die sich erwartungsgemäß verschlechtern wird. Damit bleibt für eine diesbezügliche Nachuntersuchung kein Raum. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim VwGH einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger