LVwG-150609/4/VG/WP – 150610/2
Linz, 29.09.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Geschäftszeichen: Datum: LVwG-150609/4/VG/WP – 150610/2 Linz, 29. September 2015
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Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde 1. des Mag. W K und 2. der D K, beide vertreten durch x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Wilhering vom 22. Dezember 2014, GZ: Bau-61/2014, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1. Mit Eingabe vom 24. Juli 2014 suchte K A (im Folgenden: Bauwerberin) um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung des Bauvorhabens „Zubau eines Wellnessbereiches und einer Terrasse“ auf dem Grundstück Nr x, EZ x der KG W an. Dem Bauansuchen angeschlossen waren eine Baubeschreibung, ein Einreichplan (vom 24. Juli2014) sowie ein geotechnisches Gutachten.
2. Am 19. August 2014 fand – entsprechend der Kundmachung vom 29. Juli 2014 – eine Bauverhandlung zum Bauvorhaben der Bauwerberin statt. Zu dieser wurden die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) nachweislich geladen. Mit Schreiben vom 12. August 2014 erhoben die Bf Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben. Sie brachten insbesondere vor: (1) Es sei abzuklären, ob es sich bei dem „geplanten Gebäude nicht um ein angebautes Nebengebäude“ handle und daher der „örtliche Bebauungsplan x, Erläuterungen und Vorschreibungen, Ziff. 6 zum Tragen komme“. (2) Zur Unterschreitung der Abstandsbestimmungen dürfe gem § 41 Abs 1 Z 5 Oö. BauTG eine Traufenhöhe von 3 m nicht überschritten werden. Aus dem Einreichplan sei aber ersichtlich, dass „diese Höhe inclusive der vorgeschriebenen Absturzsicherung 3.68m“ betrage. (3) Überdies dürften gem § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG „das künftige Gelände überragende Terrassen einen Mindestabstand von 2m zu den Nachbargrundgrenzen nicht unterschreiten“.
3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wilhering vom 23. September 2014, den Bf jeweils am 30. September 2014 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung erteilt.
4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2014, beim Marktgemeindeamt der Marktgemeinde W am 10. Oktober 2014 eingelangt, (rechtzeitig) Berufung an den Gemeinderat der Marktgemeinde W (im Folgenden: belangte Behörde). Auf das Wesentliche zusammengefasst bringen die Bf darin vor, zur gemeinsamen Nachbargrundgrenze sei aufgrund der unmittelbar anzuwendenden Bestimmung des § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 2013 ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten.
5. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2014, den Bf zuhanden ihres rechtsfreundlichen Vertreters am 29. Dezember 2014 zugestellt, wies die belangte Behörde die Berufung der Bf als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufs, des Berufungsschriftsatzes der Bf sowie der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen führt die belangte Behörde begründend aus [Anm.: ohne Hervorhebungen im Original, Anonymisierung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich]:
„Entsprechend den Einreichunterlagen der [L. Ges.m.b.H] vom 24. Juli 2014 beabsichtigt [die Bauwerberin] an der Südwestseite des bestehenden Reihenhauses im Gartengeschoss einen eingeschossigen Zubau im Ausmaß von 3,62 x 4,0 m zu errichten und soll dieser Bereich im Zusammenhang mit einem anschließenden Kellerbereich für Wellnesszwecke verwendet werden. Der Vorbau und die anschließende geplante Terrasse soll mit einem Flachdach abgedeckt werden. Auf dem Flachdach ist im darüber liegenden Untergeschoss eine Terrassennutzung vorgesehen. Im Mittelteil des neuen Zubaus soll ein Plattformlift zur Verbindung des Garten- mit dem Untergeschoss situiert werden. An die Terrasse anschließend ist zur Erschließung des Gartengeschosses eine Wendeltreppe vorgesehen.
Diese Baumaßnahmen befinden sich zur Gänze innerhalb der Baufluchtlinie des Bebauungsplanes Nr. x.
Zusätzlich soll ein Schwimmkanal im Ausmaß von 10,0 x 2,50 m mit zugehörigen Technikraum (Nutzfläche 2,10 m2) errichtet werden. Festgehalten wird, dass der Schwimmkanal aufgrund seiner Ausmaße gemäß § 26 Abs. 7 OÖ Bauordnung bewilligungs- und anzeigenfrei ist. Die Errichtung des zugeordneten Technikraumes ist aufgrund seiner Größe anzeigepflichtig und steht bei diesem Verfahren den Nachbarn jedoch keine Parteistellung zu.
Zur Übereinstimmung des geplanten Bauvorhabens mit dem Bebauungsplan wurde vom Raumplanungsbüro [T.] eine Stellungnahme eingeholt. Zusammenfassend wird in dieser festgehalten, dass die geplante Kubatur jedenfalls nicht den Planungsintensionen des Bebauungsplanes Nr. x widerspricht.
Festgehalten wird nochmals, dass sich die zuvor beschriebenen geplanten und eingereichten Baumaßnahmen sich mit Ausnahme des bewilligungs- und anzeigenfreien Schwimmkanals sowie des Technikraumes zur Gänze innerhalb der Baufluchtlinien des Bebauungsplanes befinden.
Für die Beurteilung des Bauvorhabens hinsichtlich der Abstandsbestimmungen für Gebäude und Schutzdächer ist § 40 OÖ. Bautechnikgesetz heranzuziehen. In der Überschrift ist folgendes normiert:
‚Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern‘
Daraus ist abzuleiten, dass bei vorhanden sein eines Bebauungsplanes, im konkreten Fall, Bebauungsplan Nr. x auch dieser für die Beurteilung der Abstandbestimmungen heranzuziehen ist.
Der Bebauungsplan Nr. x sieht für die gegenständliche Parzelle Sonderbauweise mit Bebauung der Gebäude bis an die seitlichen Nachbargrundgrenzen vor. Es gibt somit für die Bebauung zur seitlichen Nachbargrundgrenze, wie bei Reihenhausgrundstücken üblich keinen Mindestabstand. Auch gibt der Titel des Bebauungsplanes ‚R DWG‘ bereits die Art der Bebauung der sehr schmalen Grundstücke vor.
Es liegt daher in der Natur von Reihenhäusern, dass diese auf sehr kleinen und schmalen Grundstücken errichtet werden.
Bereits vor Erstellung des Bebauungsplanes im Jahr 1987 war klar, dass auf den gegenständlichen Grundstücken eine Reihenhausanlage in Form von Terrassenhäusern errichtet werden sollte. Wie aus Lichtbildern des Gelände- und Baumassenmodels aus dem Jahre 1987 ersichtlich, war bereits in der ursprünglichen Variante geplant, Terrassen über die gesamte Terrassenhausbreite sowohl auf der Kellerebene als auch eine Etage höher vorzusehen. Daraus ergibt sich schon, dass es immer die Intension des Gemeinderates war, diese Bebauung mit Terrassen über die gesamte Objektbreite zu ermöglichen. Daraus folgend wurde in den Bebauungsplan keine Bestimmung aufgenommen, wonach Terrassen einen Abstand zur Nachbargrundgrenze aufweisen müssen. Dies war nicht gewollt und hätte den Intensionen des Gemeinderates widersprochen.
Die Berufung der [nunmehrigen Bf] stützt sich auf § 41 Abs. 2 Ziffer 3 Oö. Bautechnikgesetz, wonach die Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen mit das künftige Gelände überragenden Terrassen um 2 m unterschritten werden können, jedoch ein Mindestabstand von 2,0 m zur Nachbar- oder Bauplatzgrundgrenze nicht unterschritten werden darf.
Dazu wird festgehalten dass § 41 Oö. Bautechnikgesetz regelt, wie aus der Überschrift erkennbar, die Ausnahmen von den Abstandsvorschriften.
Im gegenständlichen Fall erfolgt die Bebauung innerhalb der bebaubaren Fläche des Bebauungsplanes und ist die Inanspruchnahme einer Ausnahme nicht erforderlich. Die Bebauung erfolgt hinsichtlich der Abstandsbestimmungen auf Grundlage des § 40 Oö. Bautechnikgesetz. Die geplante Terrasse im Untergeschoss ist ein Teil des gegenständlichen Gebäudes und daher als solches zu beurteilen. Es werden daher weder die Ausnahmen des § 41 Abs. 1 noch jene des § 41 Abs. 2 Oö. BauTG beansprucht. Würde beim gegenständlichen Bauvorhaben ein zur Gänze unter dem Gelände liegender Keller bis zur Nachbargrundgrenze errichtet, würde dieser auch hinsichtlich der Abstandsbestimmungen nach § 40 (Bebauung innerhalb der Baufluchtlinien des Bebauungsplanes) und nicht nach § 41 Oö. Bautechnikgesetz beurteilt.
Würde man der Rechtsauffassung der Berufungswerber folgen, würde dies bedeuten, dass es bei sehr schmalen Reihenhausgrundstücken mit Realteilung und Bebauungsplan nicht möglich wäre, Balkone sowie über dem zukünftigen Gelände gelegene Terrassen zu errichten.
Ebenfalls würde die Rechtsauslegung der Berufungswerber bedeuten, dass sämtliche Reihenhäuser/Doppelhäuser, welche auf Grundlage eines Bebauungsplanes in Realteilung in Oberösterreich errichtet werden bzw. in den letzten Jahren wurden, nur Flachdächer oder Dächer ohne Dachvorsprung hätten, nachdem die Errichtung von üblichen Dachvorsprüngen, wie im § 41 Abs. 3 Ziffer 3 angeführt, ja nur mit einem Abstand von 2,0 m zur Bauplatzgrenze bzw. Nachbargrundgrenze möglich wären.
§ 41 Abs. 2 OÖ. Bautechnikgesetz legt fest mit welchen Bauteilen die Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen unterschritten werden können. Im gegenständlichen Fall ist der seitliche Mindestabstand zur Bauplatz- bzw. Nachbargrundgrenze durch einen Bebauungsplan auf null gesetzt. Eine Unterschreitung dieses Abstandes wäre daher auch theoretisch nicht möglich und kann daher die Bestimmung des § 41 Abs. 2 für die Beurteilung der Terrasse nicht maßgebend sein.
Würde man der Rechtsauffassung der Berufungswerber folgen, kann man hinsichtlich der Zulässigkeit der Terrasse nicht § 41 Abs. 2 Ziffer 3 Oö. BauTG isoliert betrachten sondern müsste natürlich auch geprüft werden inwieweit nicht die Bestimmungen des § 41 Abs. 3 OÖ. BauTG anzuwenden sind.
Abschließend wird auf ein Email von [Herrn Mag. P.] vom 18. November 2014 verwiesen, wonach die Aufsichtsbehörde die Rechtsauffassung des Gemeinderates der Marktgemeinde W bestätigt, wonach bei das zukünftige Gelände überragenden Terrassen der von § 41 Abs. 2 Ziffer 3 Oö. Bautechnikgesetz 2013 dafür geforderte Mindestabstand von 2 m zur Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze dann nicht einzuhalten ist, wenn ein Bebauungsplan in diesem Bereich eine Bauführung bis an diese Grenze zulässt.“
6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2015, bei der belangten Behörde am 26. Jänner 2015 eingelangt, Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgangs bringen die Bf auf das Wesentliche zusammengefasst vor, zur gemeinsamen Nachbargrundgrenze sei aufgrund der unmittelbar anzuwendenden Bestimmung des § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 2013 ein Mindestabstand von 2 m einzuhalten. Die Bf beantragen daher die Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides und die Abweisung des Antrags der Bauwerberin auf Erteilung der Baubewilligung.
7. Mit Schreiben vom 11. Februar 2015, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 16. Februar 2015 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Beweiswürdigung und festgestellter maßgeblicher Sachverhalt:
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Bf) sowie Einholung eines aktuellen Grundbuchsauszugs und eines Auszugs aus der Digitalen Katastermappe (DKM). Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie den eingeholten Auszügen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht erforderlich, zumal der maßgebliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage feststeht und ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen waren.
2. Das Landesverwaltungsgericht geht von folgendem unstrittigen und entscheidungserheblichen Sachverhalt aus:
2.1. Die Bauwerberin ist Alleineigentümerin des Grundstücks Nr x, EZ x der KG W. Sie beabsichtigt an der Südwestseite des bestehenden Reihenhauses im Gartengeschoss einen eingeschossigen Zubau im Ausmaß von 8,00 x 4,00 m zu errichten, wobei ein Teil dieses Zubaus nach außen hin nicht abgeschlossen ist und damit eine überdeckte Terrassenfläche bildet. Die Außenmauern dieses Zubaus verlaufen sowohl an der nördlichen wie auch an der südlichen Grundstücksgrenze. Der nach außen hin (durch große Glasflächen) abgeschlossene Gebäudeteil soll im Zusammenhang mit den Bestandsräumlichkeiten im Gartengeschoss als Wellnessbereich genutzt werden. Der Vorbau und die anschließend geplante Terrasse sollen mit einem Flachdach abgedeckt werden. Auf dem Flachdach ist im darüber liegenden Untergeschoss eine Terrassennutzung vorgesehen. Im Mittelteil des neuen Zubaus soll ein Plattformlift zur Verbindung des Gartens mit dem Untergeschoss situiert werden. An die Terrasse anschließend ist zur Erschließung des Gartengeschosses eine Wendeltreppe vorgesehen.
2.2. Die Bf sind jeweils Hälfteeigentümer des südlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks Nr y, EZ y der KG W. Sie machen im gesamten bisherigen Verfahren geltend, der Zubau sei nach § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 2013 zu beurteilen, weshalb ein Mindestabstand zur (gemeinsamen) Nachbargrundgrenze von 2 m eingehalten werden müsse.
III. Maßgebliche Rechtslage:
§ 24 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl 66, idFd Oö. Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl 70, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 24
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:
1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;
2. [...]
(2) [...]“
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Bautechnikgesetzes 2013 (Oö. BauTG 2013), LGBl 35, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 40
Abstandsbestimmungen für Gebäude und Schutzdächer
Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern:
1. Beim Neu- und Zubau von Gebäuden ist, sofern sich aus den folgenden Ziffern nichts anderes ergibt, zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen ein Mindestabstand, gemessen von der fertigen Außenwand, von 3 m einzuhalten. Bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, muss der Abstand wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen.
2. [...]
§ 41
Ausnahmen von den Abstandsbestimmungen
(1) [...]
(2) Die Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen können unterschritten werden mit:
1. [...];
2. [...];
3. [...] das künftige Gelände überragenden Terrassen und Treppen im Freien, Balkonen, üblichen Dachvorsprüngen und angebauten Werbeeinrichtungen um 2 m; ein Mindestabstand von 2 m gegen die Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen darf jedoch nicht unterschritten werden;
4. [...]“
§ 32 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994), LGBl 1993/114, idFd Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle 2015, LGBl 69, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 32
Inhalt des Bebauungsplanes
(1) Der Bebauungsplan hat auszuweisen und festzulegen:
1. [...];
2. [...];
3. die Fluchtlinien (Abs. 3);
[...]
7. [...].
(2) [...]
(3) An Fluchtlinien sind zu unterscheiden:
1. Straßenfluchtlinien, das sind die Grenzen zwischen öffentlichen Verkehrsflächen und anderen Grundstücken;
2. Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die mit Gebäuden oder Gebäudeteilen bzw. Schutzdächern oder Teilen davon nicht vorgerückt werden darf, sofern das Oö. Bautechnikgesetz 2013 nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt;
3. Grenzlinien, [...].
(4) [...]“
Der für das verfahrensgegenständliche Grundstück geltende „Bebauungsplan Nr. x – M ‚R – DWG‘“, kundgemacht am 28. November 1988, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Erläuternde und bindende Vorschreibungen für die Bebauung:
[...]
2. Bauweise: Sonderbauweise wie graphisch dargestellt, für verdichteten Flachbau bzw. offene Bauweise gemäß § 20, Abs. 3, Ziff. 2, OÖROG.
[...]
5. Baufluchtlinien: Die Baufluchtlinien sind bei sämtlichen Neu- Um- und Zubauten einzuhalten. Die nicht kotierten Baufluchtlinien sind dem Plan entsprechend maßstäblich zu entnehmen. [...]
6. [...]“
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gem § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:
1. Die Bf behaupten – wenn auch mit ausführlicher Begründung und unter Hinweis auf die Genese der gesetzlichen Regelungen über die Abstandsbestimmungen für Gebäude und der diesbezüglichen Ausnahmen – auf das Wesentliche zusammengefasst, der Zubau sei nach § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 2013 zu beurteilen, weshalb ein Mindestabstand zur gemeinsamen Nachbargrundgrenze von 2 m eingehalten werden müsse. Damit sind die Bf nicht im Recht. Dies aus folgenden Gründen:
2. Gem § 32 Abs 1 Z 3 Oö. ROG 1994 hat ein Bebauungsplan insbesondere die Fluchtlinien festzulegen. Zu diesen gehören insbesondere die Baufluchtlinien, „über die mit Gebäuden oder Gebäudeteilen bzw. Schutzdächern oder Teilen davon nicht vorgerückt werden darf, sofern das Oö. Bautechnikgesetz 2013 nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt“. Besteht für ein Gebiet kein Bebauungsplan, trifft § 40 Oö. BauTG 2013 (ersatzweise) Regelungen über die einzuhaltenden Abstände zu den Bauplatz- bzw Nachbargrundgrenzen. Im vorliegenden Fall ergeben sich die Baufluchtlinien gerade nicht aus den gesetzlichen Abstandsbestimmungen, sondern aus dem Bebauungsplan. Der maßgebliche Bebauungsplan sieht allerdings keine Baufluchtlinie zwischen den betroffenen Grundstücken der Bauwerberin und der Bf vor, sodass aufgrund der (zeichnerischen) Festlegung des Bebauungsplanes Gebäude bis an die Grundgrenzen errichtet werden dürfen. Richtigerweise führt die belangte Behörde dazu aus, im „gegenständlichen Fall [sei] der seitliche Mindestabstand zur Bauplatz- bzw. Nachbargrundgrenze durch einen Bebauungsplan auf null gesetzt“. Konsequenterweise bedarf es daher nicht mehr der Heranziehung der Regelung über die zulässige Unterschreitung der Mindestabstände (§ 41 Abs 2 Oö. BauTG 2013), da aufgrund des Bebauungsplanes von vornherein kein Mindestabstand einzuhalten ist.
Im Ergebnis hat die belangte Behörde ausführlich, nachvollziehbar und vor allem rechtsrichtig dargelegt, weshalb das Vorhaben der Bauwerberin in Übereinstimmung mit den Regelungen des anzuwendenden Bebauungsplanes errichtet werden darf und das Vorbringen der Bf im Widerspruch zur eindeutigen Rechtslage steht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zentrale Rechtsfrage, ob die Bestimmungen über die Unterschreitung der Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen (§ 41 Abs 2 Oö. BauTG 2013) anzuwenden sind, wenn der Bebauungsplan keine Mindestabstände zur Nachbargrundgrenze festlegt, konnte anhand der eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen unzweifelhaft geklärt werden.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
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Dr. Verena Gubesch