LVwG-490017/2/Gf/Mu
Linz, 22.10.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Mag. S B, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 10. September 2015, Zl. 0024670/2015, wegen Vollstreckung einer auf Grund des Bundesstraßen-Mautgesetzes ergangenen Strafverfügung
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Gang des Behördenverfahrens
1. Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 2. Juli 2015, Zl. 0024670/2015, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil er am 23. Februar 2015 ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; dies deshalb, weil er eine Vignette, deren Gültigkeit bereits abgelaufen war, am Fahrzeug angebracht gehabt habe. Dadurch habe er eine Übertretung der §§ 10 und 11 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.
2. Diese Strafverfügung wurde am 10. Juli 2015 beim Postamt L hinterlegt und der belangten Behörde am 27. Juli 2015 mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert.
3. In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid (Vollstreckungsverfügung) des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 10. September 2015, Zl. 0024670/2015, (erst- und) letztmalig dazu aufgefordert, den Betrag von 300 Euro binnen 3 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides an die Stadtkasse zu überweisen, widrigenfalls die Zwangsvollstreckung verfügt werde.
4. Gegen diesen ihm am 15. September 2015 zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche, am 1. Oktober 2015 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Beschwerde.
Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er als Bühnenbildner beschäftigt und im Jahr 2015 nahezu ausschließlich an Theatern in Deutschland und Italien gearbeitet habe. Daher sei es ihm nicht möglich gewesen, die hinterlegte Strafverfügung zeitgerecht am Postamt abzuholen.
5. Der Magistrat Linz hat diese Beschwerde samt Bezug habendem Akt dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 7. Oktober 2015, Zl. 0024670/2015, vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen.
II.
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich
und Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig zu qualifizieren.
2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.
III.
Tatsachenermittlung, Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung
durch das Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 0024670/2015; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der oben unter I. dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt feststellen ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung – zumal auch ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde – abgesehen werden.
IV.
Rechtliche Beurteilung
In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:
1. Gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG gilt ein hinterlegtes Dokument (bereits) mit dem Tag, an dem dieses erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt.
Mit diesem Tag beginnt gemäß § 24 VStG i.V.m. § 32 AVG auch die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG zu laufen.
Ein hinterlegtes Dokument gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG dann nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig Kenntnis vom Zustellvorgang erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
2. Im gegenständlichen Fall hat der Lauf der Abholfrist mit der Hinterlegung der (mit 2. Juli 2015 datierten) Strafverfügung beim Postamt L am 10. Juli 2015 begonnen (vgl. § 17 Abs. 1 erster und zweiter Satz ZustG). Diese Frist endete jedenfalls mit der postamtlichen Retournierung der Strafverfügung an den Magistrat der Stadt Linz am 27. Juli 2015.
2.1. Dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers, dass er sich im Jahr 2015 „fast ausschließlich“ im Ausland befunden hat, ist die belangte Behörde im Zuge der Aktenvorlage nicht entgegengetreten.
Zwar stellt es § 14 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich in das Ermessen der belangten Behörde, ob diese im Falle der Erhebung einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung eine Beschwerdevorentscheidung erlassen will oder nicht, doch besteht dieses Ermessen nicht völlig ungebunden, sondern dieses ist stets im Sinne des Gesetzes auszuüben.
Darüber hinaus geht aus den §§ 12 ff VwGVG insgesamt hervor, dass das Verwaltungsverfahren für die Behörde mit der Erlassung des Bescheides generell noch nicht endgültig abgeschlossen, sondern v.a. im Falle einer dagegen erhobenen Beschwerde bis zu deren Vorlage an das Verwaltungsgericht weiterhin sachlich zuständig ist (vgl. insbesondere § 14 Abs. 1 und 2 VwGVG bzw. § 15 Abs. 2 und 3 VwGVG), wobei diese Bestimmungen in gleicher Weise wie etwa die §§ 28 Abs. 2 bis 4 VwGVG (vgl. dazu die E zur RV, 2009 BlgNR, 24. GP, S. 7, sowie VwGH v. 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063) vom Effizienzgebot getragen sind.
Gerade in Bezug auf Sachverhaltskonstellationen, die keine gerichtsförmigen (d.h. streitschlichtenden) Verfahrenshandlungen, sondern typischerweise eine behördliche Vorgangsweise erfordern – wie etwa einfache Ermittlungstätigkeiten zur Klärung, ob ein Empfänger während der Hinterlegung des Bescheides beim Postamt ortsabwesend war –, ist es daher in erster Linie Sache der Behörde, diese selbst vorzunehmen, und zwar schon deshalb, um solcherart Gewissheit darüber zu erlangen, ob ihre normative Erledigung überhaupt Rechtsverbindlichkeit erlangt hat. Unterlässt daher beispielweise die Behörde angesichts der Einrede des Empfängers, im fraglichen Zeitraum von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen zu sein, jegliche dahin gehenden Nachforschungen, so kann daraus aber objektiv-beweiswürdigend nur der Schluss gezogen werden, dass sie diesem Vorbringen des Beschwerdeführers sachlich nicht entgegentritt.
Dies gilt insbesondere dann, wenn sich – wie hier – auch aus dem Verfahrensakt keinerlei sonstigen Hinweise darauf ergeben, dass der Rechtsmittelwerber im Zeitraum zwischen dem 10. Juli und dem 27. Juli 2015 in seine Wohnung zurückgekehrt ist.
2.2. Insgesamt besehen ist daher vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Strafverfügung vom 2. Juli 2015 nicht i.S.d. § 17 Abs. 3 ZustG rechtswirksam zugestellt wurde. Fehlt es aber an einer ordnungsgemäßen Zustellung, konnte diese Strafverfügung nicht in Rechtskraft erwachsen und somit auch keinen Titelbescheid für die gegenständlich angefochtene Vollstreckungsverfügung bilden.
3. Deshalb war der vorliegenden Beschwerde gemäß § 50 VwGVG insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben war.
Ob und in welcher Form die belangte Behörde einen neuerlichen Zustellversuch vornimmt, hat diese hingegen aus eigenem zu beurteilen.
V.
Revision an den Verwaltungsgerichtshof
Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.
Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich
Dr. G r o f
LVwG-490017/Gf/Mu vom 22. Oktober 2015
Erkenntnis
Normen:
§ 20 BStMG
§ 17 ZustG
§ 12 VwGVG
§ 14 VwGVG
§ 15 VwGVG
§ 28 VwGVG
Rechtssätze:
* Zwar stellt es § 14 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich in das Ermessen der belangten Behörde, ob diese im Falle der Erhebung einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung eine Beschwerdevorentscheidung erlassen will oder nicht, doch besteht dieses Ermessen nicht völlig ungebunden, sondern dieses ist stets im Sinne des Gesetzes auszuüben. Darüber hinaus geht aus den §§ 12 ff VwGVG insgesamt hervor, dass das Verwaltungsverfahren für die Behörde mit der Erlassung des Bescheides generell noch nicht endgültig abgeschlossen, sondern v.a. im Falle einer dagegen erhobenen Beschwerde bis zu deren Vorlage an das Verwaltungsgericht weiterhin sachlich zuständig ist (vgl. insbesondere § 14 Abs. 1 und 2 VwGVG bzw. § 15 Abs. 2 und 3 VwGVG), wobei diese Bestimmungen in gleicher Weise wie etwa die §§ 28 Abs. 2 bis 4 VwGVG (vgl. dazu die E zur RV, 2009 BlgNR, 24. GP, S. 7, sowie VwGH v. 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063) vom Effizienzgebot getragen sind.
* Gerade in Bezug auf Sachverhaltskonstellationen, die keine gerichtsförmigen (d.h. streitschlichtenden) Verfahrenshandlungen, sondern typischerweise eine behördliche Vorgangsweise erfordern – wie etwa einfache Ermittlungstätigkeiten zur Klärung, ob ein Empfänger während der Hinterlegung des Bescheides beim Postamt ortsabwesend war –, ist es daher in erster Linie Sache der Behörde, diese selbst vorzunehmen, und zwar schon deshalb, um solcherart Gewissheit darüber zu erlangen, ob ihre normative Erledigung überhaupt Rechtsverbindlichkeit erlangt hat. Unterlässt daher beispielweise die Behörde angesichts der Einrede des Empfängers, im fraglichen Zeitraum von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen zu sein, jegliche dahin gehenden Nachforschungen, so kann daraus aber objektiv-beweiswürdigend nur der Schluss gezogen werden, dass sie diesem Vorbringen des Beschwerdeführers sachlich nicht entgegentritt.
* Dies gilt insbesondere dann, wenn sich auch aus dem Verfahrensakt keinerlei sonstigen Hinweise darauf ergeben, dass der Rechtsmittelwerber im fraglichen Zeitraum in seine Wohnung zurückgekehrt ist.
Schlagworte:
Beschwerdevorentscheidung; Ermessen – Bindung; Ortsabwesenheit; Nichtermittlung und Nichtentgegentreten; Schlussfolgerung; Beweiswürdigung