LVwG-700090/4/ER
Linz, 07.10.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde der S S, StA von M, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H B, x, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 24. März 2015, GZ: VStV/915300134506/2015, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt wird.
II. Gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 24. März 2015, GZ: VStV/ 915300134506/ 2015, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 120 Abs 1a FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt.
Die belangte Behörde führte dabei folgenden Tatvorwurf aus:
„Sie haben sich als Fremder, wie am 28.1.2015 um 09.00 Uhr in 4020 Linz, Nietschestraße 33 festgestellt wurde seit mindestens 22.12.2014 in x aufgehalten, obwohl Sie keinen von der Behörde eines Vertragsstaates erteilten Aufenthaltstitel besitzen, obwohl sich Fremde ohne Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nicht länger als 90 Tage im Schengenraum aufhalten dürfen.
Aufenthalt im Schengenraum 18.08.2014-30.09.2014, 06.11.2014-28.01.2015
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 31 Abs 1iVm §120 Abs 1a Fremdenpolizeigesetz.“
Begründend führte die belangte Behörde Folgendes aus.
„Im Zuge von Erhebungen durch die BH Wels-Land wurde festgestellt, dass Sie sich bereits länger als 90 Tage im Schengenraum aufhalten.
Gegen die Strafverfügung der LPD OÖ erhoben Sie am 13.2.2015 vertreten durch Ihren RA Einspruch.
In der Rechtfertigung vom 12.3.2015 gaben Sie an, unter fortgeschrittener Demenz zu leiden und auf die Unterstützung ihrer Familienangehörigen angewiesen sind. Sie dachten, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung innerhalb der 3 Monate rechtmäßigen Aufenthaltsdauer entschieden sein würde. Man habe in M mittlerweile jemanden gefunden, der auf sie aufpasst und sie werden in den nächsten Tagen nach M zurückkehren.
Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
Im vorliegenden Fall ist zunächst völlig unbestritten, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet rechtswidrig erfolgte. Sie verfügen über keinerlei Aufenthaltstitel nach § 31 Abs. 1 FPG, was nie in Abrede gestellt wurde. Es erübrigen sich hier daher weitere Erörterungen. Die objektive Tatseite ist somit eindeutig als gegeben anzusehen.
Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Betreffend auf Achtung Ihres Privat-und Familienlebens ist entgegenzuhalten, dass Sie erst seit August 2014 im Bundesgebiet aufhältig sind und entsprechende Bindungen zu Ihrem Heimatland haben.
Sie sind nicht im Besitz einer Bewilligung nach den Bestimmungen des NAG 2005. Die Einreise nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum erfolgte somit von M aus kommend. Als rechtliche Grundlage für die Einreise nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum ist somit Ihr m Reisepass, mit welchem nach Einhaltung der Bestimmungen des Schengener-Grenzkodex für 90 Tage pro Halbjahr (Sechsmonatszeitraum) Visafreiheit besteht, anzusehen.
Die Einreise in den Schengen-Raum erfolgte am 18.08.2014. Am 30.09.2014 haben Sie Sich It. ZMR abgemeldet. Die nächste Einreise erfolgte am 06.11.2014. Seit 06.11.2014 sind sie durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Der rechtswidrige Aufenthalt erstreckte sich somit über einen Zeitraum von über zwei Monaten.
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts sieht die erkennende Behörde die Begehung der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretung als erwiesen an. Sie halten sich ohne Berechtigung im Bundesgebiet der Republik Österreich bzw. im Schengen-Raum auf, da Sie keine Fallvariante des § 31 Abs. 1 FPG 2005 idgF erfüllt haben. Der von Ihnen eingebrachte Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem NAG 2005, über den noch nicht entschieden wurde, kann einen Aufenthalt ebenfalls nicht legalisieren.
Dadurch, dass Sie sich trotz Ablauf der 90 Tage Visafreiheit weiterhin in Österreich bzw. im Schengen-Raum aufgehalten haben, dies über einen Zeitraum von über zwei Monaten, haben Sie den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung gem. § 120 Abs. 1a FPG 2005 idgF erfüllt.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unrechtsgehalt der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretung ist insofern nicht unerheblich, als damit dem öffentlichen Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremden- und Zuwanderungswesens empfindlich zuwidergehandelt wurde. Ein geordnetes Fremden-, Aufenthalts- und Zuwanderungswesen ist nur zu gewährleisten, wenn sich die Einreise- und Zuwanderungswilligen und im Inland aufhältigen Fremden an die für sie geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen halten.
Die Tat schädigte in erheblichem Maße das Interesse an der Einhaltung der für Fremde geltenden Bestimmungen zur Legalisierung ihres Aufenthaltes in Österreich zwecks Verhinderung unrechtmäßiger Aufenthalte von Fremden.
Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich groß, zumal das gesetzte Verhalten über einen sehr langen Zeitraum aufrecht erhalten wurde.
Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Durch den über einen längeren Zeitraum andauernden illegalen Aufenthalt zeigen Sie, dass Sie nicht gewillt sind, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten und dies stelle eine negative Beispielwirkung für andere Fremde dar.
Die verhängte Geldstrafe ist schuld- und tatangemessen und erforderlich, um Sie von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen bestmöglich abzuhalten.
Die Strafe muss auch geeignet sein, Sie von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenspruch stützt sich auf die dort angeführten Gesetzesbestimmungen.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten und Barauslagen gründet sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesstellen.
Bei Vorliegen besonders triftiger Gründe können Sie bei der hs. Behörde um Ratenzahlung ansuchen.“
I.2. Gegen dieses am 26. März 2015 zugestellte Straferkenntnis erhob die Bf rechtsfreundlich vertreten rechtzeitig Beschwerde, der sie ein ärztliches Attest hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes beilegte.
Darin stellt sie den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben, in eventu die ausgesprochene Strafe angemessen herabzusetzen, in eventu die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem S a c h v e r h a l t aus:
Die Bf hielt sich unbestritten rechtswidrig im vorgeworfenen Tatzeitraum im Bundesgebiet auf. Die Bf leidet an fortschreitender Demenz und ist aus diesem Grund pflegebedürftig. Die Bf ist nach M zurückgekehrt, sobald ihre Betreuung dort sichergestellt werden konnte. Während der Dauer ihres legalen Aufenthalts in Österreich stellte die Bf einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“. Seit 29. September 2015 ist die Bf im Besitz eines Aufenthaltstitels „Angehöriger“.
II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig widerspruchsfrei und unbestritten aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, den Ausführungen in der Beschwerde und dem Zentralen Fremdenregister.
III. Gemäß § 120 Abs 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl I Nr 100/2005, in der im Tatzeitraum geltenden Fassung BGBl I Nr 87/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. (...)
Gemäß § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter dem Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
IV.2. In subjektiver Hinsicht wendete die Bf jedoch – durch ein ärztliches Attest bestätigt und von der belangten Behörde unbestritten – ein, an fortschreitender Demenz zu leiden, weshalb sie ersuchte, von einer Bestrafung abzusehen, allenfalls die Strafe angemessen herabzusetzen.
Für den Fall des Absehens von der Strafe müssen die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Z 4 VStG kumulativ vorliegen.
Zweck des § 120 Abs 1a FPG ist es, den rechtswidrigen Aufenthalt sowie die rechtswidrige Einreise nach Österreich hintanzuhalten. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Rechtsguts ist im abstrakten Vergleich zu den persönlichen Werten wie etwa dem Recht auf Leben oder dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit, etc. grundsätzlich von einer deutlich geringeren Bedeutung des hier in Rede stehenden Rechtsguts auszugehen (zum Rangverhältnis der kollidierenden Rechtsgüter vgl Kienapfel/Höpfel, Strafrecht Allgemeinter Teil 13 Z 12 RN 21). Die gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG erforderliche Voraussetzung der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und der geringen Intensität der Beeinträchtigung kann insbesondere unter Ansehung des vorgeworfenen, bloß zwei Monate dauernden unrechtmäßigen Aufenthalts der Bf in Österreich als erfüllt angesehen werden. Zu berücksichtigen ist dabei ferner, dass der Antrag der Bf auf Erteilung eines Aufenthaltstitels schlussendlich zum Erfolg geführt hat und sie mittlerweile im Besitz eines Aufenthaltstitels „Angehöriger“ ist.
Darüber hinaus setzt § 45 Abs 1 Z 4 VStG für die Erteilung einer Ermahnung voraus, dass das Verschulden gering ist. Von geringfügiger Schuld kann nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl noch zu § 21 Abs 1 VStG aF VwGH vom 6.11.2012, 2012/09/0066). Solches kann auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie zB eine dringende Notlage diesen Schluss rechtfertigen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1369 mwN).
Zur Frage, ob das Verschulden der Bf gering war, ist primär zu berücksichtigen, dass die Bf an Demenz erkrankt und pflegebedürftig ist und sie glaubhaft darlegen konnte, dass sie aufgrund dieser Pflegebedürftigkeit im Bundesgebiet schlussendlich unrechtmäßig aufhältig war. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Bf niemals die Erfüllung des objektiven Tatbestands der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bestritten hat. Vielmehr hat sie dies von Beginn des Verwaltungsstrafverfahrens an zugestanden und dies damit begründet, dass im Herkunftsland erst eine Betreuung für sie sichergestellt werden müsse. Sobald ihre Pflege und Betreuung im Herkunftsstaat gesichert war, reiste sie wieder aus Österreich aus. In Gesamtbetrachtung dieser besonderen Umstände war das Verschulden der Bf als gering zu beurteilen.
IV.3. Aufgrund der besonderen Umstände im vorliegenden Fall gelangt das Oö. Landesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass hier ausnahmsweise mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann. Dies auch deshalb, weil die Bf nunmehr im Besitz eines Aufenthaltstitels ist und eine Wiederholungsgefahr daher – solange der Titel Gültigkeit hat – nicht besteht. Für den Fall des Wegfalls des Titels scheint es jedoch notwendig, der Bf klar zu machen, dass sie bei nicht rechtzeitiger Ausreise aus Österreich einen Straftatbestand verwirklicht.
V. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Hinsichtlich Spruchpunkt II ist festzuhalten, dass gem § 52 Abs 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen sind, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Da von der Verhängung einer Strafe abgesehen wurde und stattdessen eine Ermahnung erteilt wurde, waren der Bf auch für das Verwaltungsstrafverfahren keine Kosten vorzuschreiben (vgl Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 65, RN 4).
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. R e i t t e r