LVwG-601056/4/BR

Linz, 30.09.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier, über die Beschwerde des T B, geb. x.1985, O,  F, vertreten durch Dr. C R, Rechtsanwalt, S, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 21.08.2015,  Zl: VerkR96-18054-2014/Wi

 

zu Recht :

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oa. Straferkenntnis über den  Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 1.600 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen verhängt.

Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am  25.07.2014, 19:50 Uhr den LKW mit dem Kennzeichen VB..., in Frankenburg am Hausruck, Gemeindestraße Freiland, O, Abzweigung B, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, wobei der  Test am geeichten Alkomaten einen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,16 mg/l. ergeben habe.

 

 

II. Begründend wurde folgendes ausgeführt:

Von der Polizeiinspektion Frankenburg a.H. wurde am 28.07.2014 zur Anzeige gebracht, dass Sie am 25.07.2014 um 19.50 Uhr den PKW VW weiß mit dem Kennzeichen VB-... in einem durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand von 1,16 mg/l Atemluftalkoholgehalt in F a.H. auf der O bis zur Abzweigung B gelenkt haben. Aus dem Bericht der PI Frankenburg vom 13.08.2014 geht hervor, dass Sie auf der O eine E-Bike Lenkerin überholen wollten. Sie fuhren auf das E-Bike auf und kam dadurch die Lenkerin zu Sturz. Sie wurde schwer verletzt.

Aufgrund dieser Anzeige wurde Ihnen der Sachverhalt nachweislich mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 07.08.2014 zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

 

Vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R brachten Sie mit 14.08.2014 vor, dass die Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens zu erwarten ist, da Körperverletzung vorliegt. Es wird beantragt das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen bzw. zu unterbrechen.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 23.02.2015, 7 Hv 8/15h, wurden Sie wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB, zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen ä 19 Euro (insgesamt Euro 3420,00) verurteilt.

 

Der angelastete Sachverhalt dieses Urteils lautet wie folgt:

 

T B hat am 25.07.2014 in F a.H., indem er unter Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit (35 km/h), verbunden mit einem Reaktionsverzug und mit einem Überholvorgang trotz unklarer Verkehrssituation bzw. unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit und somit dem Übersehen des vom Opfer bereits durchgeführten Abbiegevorganges, auf der O von F kommend mit dem von ihm gelenkten Pritschenwagen mit der mit ihrem Fahrrad in die gleiche Richtung fahrenden, jedoch nach links in die Brunnenstraße einbiegenden B D kollidiert ist, diese in Form eines Schädel-Hirn-Traumas ersten Grades, einer Orbitadach-Fraktur linksseitig, einer occipitalen Schädelfraktur linksseitig, einer Fraktur des Ramus manibulae linksseitig, einer Einblutung in die Stirnhöhle und Nasenhöhle linksseitig, einer Wunde an der Stirn sowie eines Streckensehnenausrisses am Mittelfinger links, fahrlässig an sich schwer am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge gehabt hat. (84 Abs.1 StGB).

 

Am 24.02.2015 brachte Rechtsanwalt Dr. R vor, dass das LG Wels aufgrund des Strafantrages der StA Wels am 23.02.2015 eine HV abführte, bei der Sie und eine Zeugin für das Gericht unwiderleglich bekanntgaben, dass zum Zeitpunkt der Firmenfeier (Geburtstag eines Arbeitskollegen) Sie davon ausgehen durften, dass Sie von Ihrer Lebensgefährtin nach Ende der Feier abgeholt werden, sodass Sie zum Zeitpunkt des Alkoholgenusses nicht mehr damit rechnen mussten, noch mit einer gefährlichen Tätigkeit (Lenken eines Kraftfahrzeuges) konfrontiert zu werden. Allerdings vergaß dann nach Arbeitsschluss leider Ihre Lebensgefährtin, Sie vom Firmenstandort (Ort der Feier) abzuholen, sodass Sie zu dieser Zeit dann den fehlerhaften Entschluss fassten Ihr Fahrzeug noch in Betrieb zu nehmen. Das LG Wels sprach in der HV vom 23.02.2015 lediglich einen Schuldspruch im Hinblick auf § 88 Abs.1 und Abs.4 1. Fall StGB aus, das heißt also, dass ein Schuldvorwurf der Alkoholisierung gerichtlich nicht relevant war. Auf ein Doppelbestrafungsverbot gemäß EMRK wird verwiesen und um Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ersucht.

 

Am 31.03.2015 brachte Rechtsanwalt Dr. R vor, dass Im Strafantrag die von Ihnen begangene schwere Körperverletzung mit der Qualifikation des § 81 Ab1 Z.2 StGB (Alkoholisierungsvorwurf) gegenständlich war wobei jedoch der Straftatbestand so gestaltet ist, dass die Strafbarkeit in qualifizierter Form wegen Alkoholisierung dann vorliegt, wenn sich der Täter vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit eines Anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei. Nach dem Tatbestand des § 81 Abs.1 Z2 StGB ist also die Alkoholisierungsqualifikation dann gegeben, wenn der Kraftfahrer sich in alkoholisierten Zustand versetzt, obwohl er weiß, dass ihm eine gefährliche Tätigkeit noch bevorstehe. Im konkreten Fall war es so, dass in der Firmenfeier bei der Firma S von Ihnen Alkohol konsumiert wurde, dies jedoch im Bewusstsein, am Abend von Ihrer Freundin abgeholt zu werden und nicht mehr ein Kraftfahrzeug lenken zu müssen. Demgemäß war also dieser Tatbestand des § 81 Abs.1 Z2 nicht erfüllt, da Sie erst später nach Alkoholkonsumation erfuhren, dass Ihre Freundin vergessen hat Sie abzuholen und Sie selbst mit dem Fahrzeug fahren mussten. Es wurde dazu der Strafantrag der STA Wels vom 16.01.2015 vorgelegt.

 

Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens begründet die Behörde Ihre Entscheidung wie folgt:

 

Die maßgeblichen Bestimmungen der StVO sind: §5

(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/i (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

 

§99

 

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

 

a)

wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

 

Die Alkoholisierung wurde mittels geeichtem Alkomaten der Marke Dräger 7110 MKIN A, Geräte Nr. AREB-0040 festgestellt und wird von Ihnen auch nicht bestritten. Dass Sie in dem Bewusstsein Alkohol konsumierten von Ihrer Freundin abgeholt zu werden ändert nichts daran, dass Sie das Kraftfahrzeug alkoholisiert lenkten. Sie hätten auch nach dem Alkoholkonsum die Möglichkeit gehabt ein Taxi zu rufen oder eine andere Mitfahrgelegenheit zu organisieren.

 

Der Staatsanwalt hat zwar im Strafantrag die Alkoholisierung vorgeschlagen, im Urteil des Gerichts ist diese jedoch nicht berücksichtigt. Auch wenn das Gericht davon ausgegangen ist, dass kein Vorsatz gegeben war und deshalb die Alkoholisierung nicht berücksichtigt werden darf, schließt es die Strafbarkeit nach § 5 Abs.1 StVO iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO nicht aus. Deshalb kann auch nicht von einer Doppelbestrafung ausgegangen werden.

 

Für die Behörde ist die ihnen angelastete Verwaltungsübertretung daher zweifelsfrei erwiesen, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

 

Strafmildernd wurde gewertet, dass sie wegen derartiger Verwaltungsübertretungen nicht rechtskräftig bestraft aufscheinen. Straferschwerende Umstände lagen nicht vor. Es konnte daher die gesetzliche Mindeststrafe zur Anwendung kommen.

 

Bei der Strafbemessung wurden die Angaben im Personalblatt der Anzeige der Polizeiinspektion Vöcklabruck vom 13.08.2014 (monatliches Nettoeinkommen von 1500,00 Euro, keine Sorgepflichten, 5000 Euro Bankschulden) berücksichtigt.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.“

 

 

 

II.1. In der dagegen durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Beschwerde wird dem Strafausspruch mit folgenden Ausführungen entgegengetreten:

In umseits bezeichnetem Verwaltungsstrafverfahren erhebt der Beschuldigte T B hiemit durch seinen Rechtsvertreter, der sich gem. § 8 Abs. 1 RAO auf die erteilte Vollmacht beruft, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21.08.2015, VerkR96-18054-2014/Wi, zugeteilt am 25.08.2015, sohin in offener Frist

 

Beschwerde

 

an das Landesverwaltungsgericht und führt diese aus wie folgt:

Das Straferkenntnis erster Instanz wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten und als Beschwerdegrund releviert, dass der bekämpfte Bescheid vom 21.08.2015 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet ist.

 

Zunächst ist durchaus einzuräumen, dass die Feststellungen zum rechtlich relevanten Sachverhalt von der Behörde erster Instanz richtig und vollständig getroffen worden.

 

Demnach ist unstrittig, dass im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels dem Beschuldigten das Vergehen der schweren Körperverletzung mit der Qualifikation nach § 81 Abs. 1 Zif. 2 StGB (Alkoholisierungsvorwurf) zur Last gelegt wurde, wobei der Straftatbestand des STGB jedoch so gestaltet ist, dass die Strafbarkeit in qualifizierter Form wegen Alkoholisierung dann vorliegt, wenn sich der Täter vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei.

 

Da letztere Voraussetzungen der Vorhersehbarkeit nicht gegeben waren und der Beschuldigte Alkohol im Bewusstsein konsumiert hatte, an diesem Abend kein Kraftfahrzeug mehr lenken zu müssen, war der Qualifikantionstatbestand nach § 81 Abs. 1 Zif. 2 StGB nicht erfüllt und wurde der Beschuldigte mit Urteil des LG Wels vom 23.02.2015, 7 Hv 8/15h lediglich wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 u. 4 1. Fall StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

 

Die in erster Instanz bereits aufgeworfene und auch hier im Wege der Beschwerdeentscheidung zu lösende Rechtsfrage besteht daher schlicht und einfach darin, ob durch die nunmehrige Bestrafung des Beschuldigten mit Straferkenntnis vom 21.08.2015 gegen das Doppelbestrafungsverbot der EMRK verstoßen wurde.

Nach Rechtsansicht des Beschwerdeführers ist entgegen der Auffassung erster Instanz aber sehr wohl ein unzulässiger Verstoß gegen das Verbot „ne bis in idem" gegeben, zumal eine Doppelbestrafung schon dann nicht zulässig ist, wenn zwei Verfahren auf denselben oder den im Wesentlichen selben Sachverhaltselementen beruhen (Art. 4 Abs, 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK; „Fall Zolotukhin " u.a.)

 

Da (notwendiger Weise) schon aufgrund des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Wels im gerichtlichen Verfahren. 7 Hv 8/15h auf die Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Unfallszeitpunkt Bedacht genommen wurde, wenngleich dieser Umstand nicht zu einer Verurteilung im Sinne einer weiteren Qualifikation geführt hat, so ist dennoch unzweifelhaft davon auszugehen, dass auch im Anlassfall des Beschwerdeführers zwei Verfahren abgeführt wurden, die auf denselben bzw. den im Wesentlichen selben Sachverhaltselementen beruhen.

Damit verbietet sich aber eine zusätzliche Bestrafung des Beschwerdeführers auch im Rahmen des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens, zumal dieser bereits mit Urteil des LG Wels vom Februar 2015 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

 

Aus den angeführten Gründen stellt der Beschwerdeführer den

 

Antrag,

 

das Landesverwaltungsgerichtmöge in Stattgebung dieser Beschwerde das angefochtene Straferkenntnis der BH Vöcklabruck vom 21.08.2015, VerkR96-l8054-2014/Wi, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ersatzlos aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer gem. § 45 VStG einstellen.

 

Steyr, am 22.09.2015.“

 

 

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht!

 

 

III. Die Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes und eines Inhaltsverzeichnisses unter Hinweis auf Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG am 23.9.2015 zur Entscheidung vorgelegt. Dies mit dem Hinweis von einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen zu haben.

Ergänzend wurde im Wege des LG-Wels vom Landesverwaltungsgericht Oö. der Strafantrag vom 16.1.2015, GZ: 10 St 120/14 x beigeschafft.

Da der Sachverhalt nicht bestritten ist und sich die Beschwerde ausschließlich auf die Beurteilung der Rechtslage beschränkt, konnte mit Blick auf die sich aus dem Strafantrag ergebende Klarstellung des Umfanges der gerichtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers auf eine öffentliche mündliche Verhandlung verzichtet werden (§ 44 Abs.3 Z1 VwGVG).

 

 

 

 

IV. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Gemäß dem oben bezeichneten Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels sei der Beschwerdeführer am 25.07.2014 in Frankenburg am Hausruck, indem er unter Einhaltung einer deutlich überhöhten Geschwindigkeit (60 km/h), oder unter Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit (35 km/h), verbunden mit einem Überholvorgang trotz unklarer Verkehrssituation oder unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit und somit dem Übersehen des vom Opfer durchgeführten Abbiegevorganges, auf der O von Frankenburg kommend mit dem von ihm gelenkten Pritschenwagen mit der mit ihrem Fahrrad in die gleiche Richtung fahrende, jedoch nach links in die Brunnenstraße einbiegende B D kollidiert. Diese habe dadurch ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, eine Orbitadach-Fraktur linksseitig, eine occipitalen Schädelfraktur linksseitig, eine Fraktur des Ramus mandibulae linksseitig, eine Einblutung in die Stirnhöhle und Nasenhöhle linksseitig, eine Wunde an der Stirn sowie einen Strecksehnenausriss am Mittelfinger links erlitten. Er habe sie daher fahrlässig schwer am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge gehabt habe (§ 84 Abs 1 StGB). Er habe sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (1,16 mg/l AAK) versetzt gehabt, obwohl er vorhergesehen habe oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen, oder zu vergrößern geeignet sei, nämlich das Lenken des eigenen Firmen- Pritschenwagens am Nachhauseweg.

 

Hierdurch habe der Beschwerdeführer das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 2. Fall (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB begangen und sei hiefür nach dem 2. Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zu bestrafen.

 

IV.1. Laut dem in Rechtskraft erwachsenen Gerichtsurteil vom 23.2.2015, GZ: 7 Hv 8/15h wurde das Verschulden des Beschwerdeführers in einem „Reaktionsverzug“ in Verbindung mit dessen Überholvorgang bei unklarer Verkehrssituation bzw. unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt festgestellt. Der Abbiegevorgang wäre zum Zeitpunkt des Überholens bereits im Gang gewesen, so in der gekürzten Urteilsausfertigung.

 

IV.2. Nun wird dem Beschwerdeführer dessen bereits im Gerichtsverfahren offenkundigen Einbeziehung der Alkoholisierung jedoch vermutlich irrtümlich den § 88 Abs.4 StGB erster Fall, anstatt „zweiter Fall“ zitierend (§ 88 Abs.4 lautet: „hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, in den im § 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen aber mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen“) die Behörde von einer unterbliebenen Verfolgung des Alkoholisierungsaspektes ausgegangen zu sein.

Dies ist jedoch offenkundig nicht der Fall, zumal einerseits auch bereits aus der Begründung der gekürzten Ausfertigung (die Führerscheinabnahme wurde bei den Strafzumessungsgründen gewertet), die Alkoholisierung (zumindest indirekt) aus dem Urteil, aber insbesondere  aus dem Strafantrag klar hervorging. Andererseits deutet auch das verhängte Strafausmaß darauf hin.  Im hier angefochtenen Straferkenntnis wird dieser Inhalt (abermals) als Verwaltungsstraftat vorgeworfen und hierfür eine Geldstrafe in Höhe von 1.600 Euro und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen ausgesprochen.

 

 

 

V. Rechtlich hat das  Landesverwaltungsgericht erwogen:

Der Beschwerdeführer ist mit seinem Hinweis auf das Urteil Zolotukhin im Recht. Es stellt sich auch hier die Frage, ob auch  die dem Verfahren zu Grunde liegenden Tatverhalten dieselben sind?

Es ist daher auch hier erforderlich zu prüfen, ob schon im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens das Sachverhaltselement „Alkohol“ bereits den Gegenstand der Anklage bildete. Im Wesentlichen die Verwaltungsstraftat dem ähnelte für die er gerichtlich beschuldigt und letztlich (auch) verurteilt worden war.

Dies ist laut Akten- und Faktenlage klar zu bejahen.

a) Zusammenfassung der bisherigen Ansätze:

Die bisherige Rechtsprechung zeigt das Bestehen mehrerer Ansätze hinsichtlich der Frage, ob die strafbaren Handlungen, wegen derer der Beschwerdeführer  verfolgt wurde, dieselben waren.

Der erste Ansatz, der beispielsweise im Urteil Gradinger/A angewendet wurde, stellt auf „dasselbe Verhalten" (idem factum) seitens des Beschwerdeführers  ab, ungeachtet der rechtlichen Beurteilung dieses Verhaltens.

Auch der zweite, in Oliveira/CH entwickelte Ansatz geht von der Annahme aus, dass das die Verfolgung begründende Verhalten dasselbe ist, postuliert jedoch, dass dasselbe Verhalten mehrere strafbare Handlungen begründen kann (Idealkonkurrenz), die in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden können.

Der dritte Ansatz legt die Betonung auf die „wesentlichen Elemente" der beiden strafbaren Handlungen. In Franz Fischer/A bestätigte der GH, dass Art. 4 7. Prot. EMRK die Verfolgung verschiedener strafbarer Handlungen erlaubt, die sich aus einer einzigen Straftat ergeben. Da es jedoch mit dieser Bestimmung unvereinbar wäre, wenn ein Beschwerdeführer zweimal für strafbare Handlungen verurteilt oder verfolgt werden könnte, die nur dem Namen nach unterschiedlich sind, entschied der GH, dass zusätzlich geprüft werden müsse, ob diese Straftatbestände die gleichen wesentlichen Elemente haben oder nicht.

b) Harmonisierung dieser Ansätze:

Da das Bestehen verschiedener Ansätze rechtliche Unsicherheit mit sich bringt, sah sich der Verwaltungsgerichtshof aufgerufen, eine harmonisierte Interpretation des Begriffs „dieselbe Straftat" iSv. Art. 4 7. Prot. EMRK – das idem-Element des ne bis in idem-Grundsatzes – vorzunehmen.

Unter einem vergleichenden Hinweis auf das Doppelbestrafungsverbot in verschiedenen internationalen Instrumenten zeigte sich dieses in unterschiedlichen Begriffen formuliert.

Art. 4 7. Prot. EMRK, Art. 14 Abs. 7 des UN-Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte und Art. 50 EU-Grundrechtecharta sprechen von „[derselben] strafbaren Handlung", die AMRK von „derselben Strafsache", Art. 54 SDÜ von „derselben Tat" und das Statut des IStGH verwendet den Begriff „[dasselbe] Verhalten". Der Unterschied zwischen dem Begriff „dieselben Taten" bzw. „dieselbe Strafsache" auf der einen und dem Begriff „[dieselbe] strafbare Handlung" auf der anderen Seite ist nach Ansicht des EuGH und des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein wichtiges Element, das für die Anwendung des Ansatzes spricht, der streng auf der Identität der Taten beruht und die rechtliche Qualifikation dieser Taten als irrelevant erachtet. Beide Gerichte haben dabei betont, dass ein solcher Ansatz den Straftäter begünstigt, der, einmal verurteilt oder freigesprochen, keine weitere Strafverfolgung wegen derselben Tat befürchten müsse.

Hier wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 23.2.2015, GZ: 7 Hv 8/15h, nach einer durchgeführten Hauptverhandlung nach § 88 Abs.1 und 4, erster Fall, StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen (Bemessung 19 Euro) demnach zu einer Geldstrafe von 3.420 Euro verurteilt.

Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie sein Geständnis, die Führerscheinabnahme und das erhebliche Mitverschulden der beim Unfall schwer verletzten Radfahrerin gewertet.

Nach Ansicht des GH könne es die Verwendung des Begriffs „strafbare Handlung" im Text des Art. 4 7. Prot. EMRK nicht rechtfertigen, einen restriktiveren Ansatz beizubehalten.

Der GH stellte weiters fest, dass der Ansatz, der die rechtliche Qualifikation der beiden strafbaren Handlungen betont, die Rechte des Individuums zu stark einschränke. Denn wenn sich der GH darauf beschränkte, festzustellen, dass die Person wegen unterschiedlich qualifizierter strafbarer Handlungen verfolgt wurde, läuft er Gefahr, die Garantie des Art. 4 7. Prot. EMRK zu untergraben, statt sie den Anforderungen der Konvention entsprechend praktisch und effektiv zu machen (VwGH 10.02.2009, Bsw14939/03).

Art. 4 7. Prot. EMRK ist daher so zu verstehen, dass er die Verfolgung oder Anklage einer zweiten „strafbaren Handlung" verbietet, wenn diese auf identischen Tatsachen oder auf Tatsachen beruht, die im Wesentlichen dieselben sind.

Da auch hier – wie im Fall Zolotukhin - dasselbe Verhalten desselben Beschuldigten im selben zeitlichen Rahmen betroffen ist, kommt es darauf an, ob die Tatsachen der strafbaren Handlung, wegen der der Beschwerdeführer bereits angeklagt und verurteilt wurde, identisch oder im Wesentlichen dieselben waren.

Die Behörde scheint dies, mit Blick auf die im Gerichtsurteil nicht dezidiert in der Begründung hervorgehobenen - „besonders gefährlichen Verhältnisse iSd 81 Abs. 1 Z 1 bis 3 bezeichneten Fällen“ - zu verneinen.

Ziel von Art. 4 7. Prot. EMRK ist, die Wiederholung eines Strafverfahrens zu verbieten, das durch eine endgültige Entscheidung abgeschlossen wurde. Dies ist im oben zitierten Gerichtsurteil begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof erinnerte im zit. Erkenntnis auch daran, dass Art. 4 7. Prot. EMRK sich nicht auf das Recht beschränkt, nicht zweimal bestraft zu werden, sondern auch ein Recht gewährt, nicht zweimal verfolgt oder vor Gericht gestellt zu werden (vgl. Urteil des EGMR vom 10.2.2009, Bsw. 14939/03, siehe auch Newsletter Menschenrechte 2009, 37 sowie VwGH 10.02.2009, Bsw14939/03).

 

Das Straferkenntnis war daher mit Blick auf das Doppelbestrafungsverbot zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

 

VI.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r

Beachte:

Die Revision wurde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 15. April 2016, Zl.: Ra 2015/02/0226-5