LVwG-150568/3/DM/MP - 150569/3

Linz, 25.09.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerden 1. der M H und 2. des Mag. DI Dr. B H, beide vertreten durch, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 4. Juli 2014, GZ: BP 59/13 rh, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 4. Juli 2014, GZ: BP 59/13 rh, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Vöcklabruck zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang, Sachverhalt:

 

I.1. Mit Ansuchen vom 22. Juli 2013 (bei der erstinstanzlichen Baubehörde eingelangt am 26. Juli 2013) beantragte die T C GmbH (in der Folge: Bauwerberin) die Erteilung der Baubewilligung für die „Errichtung eines Dachraumes über der bestehenden Terrasse + Photovoltaikanlage“ beim bestehenden Objekt auf dem Grundstück Nr. x, KG x (Grundstückseigentümer: Dr. R K).

 

Dabei handelt es sich um einen Zubau auf der beinahe entlang der gesamten Südseite des Objektes verlaufenden Terrasse auf Höhe des ersten Obergeschoßes. Durch den Zubau sollen anstatt der bestehenden Terrasse Mansardenräume (vier Zimmer: 2 x 10,53 m2 + 2 x 11,24 m2, der Fußboden wird höhengleich mit den bestehenden Räumen situiert) geschaffen werden, welche in offener Weise durch Fenster- bzw. Türelemente mit den bestehenden Räumlichkeiten verbunden werden. Das Mansardendach steigt von der südseitigen, äußeren Übermauerung hin zum bestehenden Gebäude an und schließt dort mit einer lichten Raumhöhe von über 3 m an dieses an. Sowohl die seitlichen Außenwände als auch das Mansardendach sind mit (Dach-)Fenstern versehen.

 

I.2. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) sind jeweils Hälfteeigentümer des westlich des Baugrundstücks gelegenen, durch die ca. 6 m breite öffentliche Verkehrsfläche von diesem getrennten Grundstücks Nr. y, KG x.

 

Mit Übergabevertrag vom 9. Dezember 2013 wurde das Eigentum an diesem Grundstück von J und B H an die Bf übertragen.

 

I.3. Mit Kundmachung vom 2. September 2013 beraumte die Baubehörde erster Instanz unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG eine mündliche Bauverhandlung für den 19. September 2013 an.

 

Bei dieser Bauverhandlung führte der bautechnische Amtssachverständige in seinem Befund – soweit hier von Relevanz – auszugsweise wie folgt aus:

 

„Im Zuge der heutigen Verhandlung wird seitens der Antragstellerin beantragt, das südseitige Vordach nicht wie im Plan ersichtlich, mit einer Breite von 1,10 m sondern mit einer Breite von 1,60 m auszuführen. [...] Zu beurteilen ist die Errichtung eines Dachraumes auf der bestehenden Terrasse. Auf der Dachfläche soll eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 35 installiert werden. In dem Gebäude werden Zimmer errichtet, welche durch Fenster- bzw Türelemente mit den bestehenden Räumlichkeiten verbunden werden.

 

[...]

 

Durch das Bauvorhaben kommt es zu keiner Erhöhung der Geschossflächenzahl, da laut § 2 Zif. 8, Oö. BauTG 2013 keine Übermauerung von mehr 1,20m über der Rohdeckenoberkante projektiert wurde und der Bebauungsplan keine gesonderte Regelung vorsieht. Daher sind die Zimmer als Dachraum zu beurteilen.

 

[...]

 

Der Fußboden der Dachräume wird höhengleich mit den bestehenden Räumen situiert. Die Traufe befindet sich auf einer Höhe von +3,40 m, wodurch diese 0,05 unter dem Fußboden des Obergeschoßes zu liegen kommt. Der höchste Punkt des Zubaus ist im Projekt mit +6,90 m angeben und kommt somit deutlich unterhalb des bestehenden Firsts zu liegen.

 

[...]

 

Die Dachkonstruktion des ausgebauten Dachraums wird in Holzleichtbauweise im Plan darstellt. Die massive Übermauerung ist im Projekt mit 1,20 m über der Rohdecke definiert. Die Zimmer werden durch Massivwände abgetrennt.“

 

Die Rechtsvorgänger der nunmehrigen Bf fügten der Verhandlungsschrift eine schriftliche Stellungnahme bei, in der zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die Bauwerberin die Projektbezeichnung „Errichtung eines Dachraumes“ bewusst irreführend gewählt habe. Schon mit Bescheid vom 19. Mai 2011 sei der nunmehrigen Bauwerberin aufgetragen worden, einen im Obergeschoß errichteten Wintergarten zu entfernen, da dieser nicht mit den Vorgaben des Bebauungsplanes in Einklang zu bringen sei. Durch diesen nach wie vor existenten Wintergarten werde die Festlegung der Geschoßflächenzahl beträchtlich überschritten. Nun werde der Versuch unternommen, die bestehende Terrasse auf der südseitigen Längsseite des Hauses in Wohnraum zu verwandeln. Die geplanten Räumlichkeiten befänden sich mit dem bestehenden Obergeschoß auf einer Ebene. Bei der Beurteilung der Einhaltung der Geschoßflächenzahl komme es auf den gesamten Baukörper an. Da die geplante Erweiterung mit dem bereits genehmigten Obergeschoß eine Einheit bilde, ist diese in die Geschoßflächenzahl einzurechnen. Das geplante Bauvorhaben widerspreche daher aber offenkundig den Festlegungen des in Geltung stehenden Bebauungsplanes Nr. x „P“. Bezüglich der Einhaltung der Geschoßflächenzahl komme den Nachbarn ein subjektives Recht zu.

 

I.4. Mit Bescheid vom 9. Jänner 2014 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Vöcklabruck (im Folgenden: Erstbehörde) als Baubehörde erster Instanz die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung einer Reihe von Bedingungen und Auflagen.

 

Hinsichtlich der erhobenen Einwendungen ging die Erstbehörde im Wesentlichen davon aus, dass es sich beim eingereichten Projekt um einen Dachraum handle, der nicht in die Geschoßflächenzahl einzurechnen sei. Dabei komme es lediglich darauf an, ob eine Übermauerung von höchstens 1,2 m über der Rohdeckenoberkante eingehalten werde. Diese Voraussetzung könne im Hinblick auf die Feststellungen des technischen Amtssachverständigen als erfüllt angesehen werden.

 

Weiters wird ausgeführt, dass es zwar zutreffe, dass der Nachbar ein subjektives Recht auf Einhaltung der Geschoßflächenzahl habe, der Nachbar könne aber nur die Verletzung seiner eigenen subjektiven Rechte einwenden. Der Einwand hinsichtlich der Nichteinhaltung der Geschoßflächenzahl ziele auf Beeinträchtigungen hinsichtlich Belichtung und Belüftung. Aufgrund der Lage des Grundstücks der Bf gegenüber dem Baugrundstück komme es durch das bewilligte Projekt aber zu keiner Beeinträchtigung, sodass die Einwendungen der Nachbarn „ab- bzw. als unzulässig zurückzuweisen“ seien.

 

Unter anderem wurde je eine Ausfertigung des Bescheids am 15. Jänner 2014 an die Rechtsvorgänger der nunmehrigen Bf nachweislich zugestellt.

 

I.5. Die gegen den Baubewilligungsbescheid vom 9. Jänner 2014 von den nunmehrigen Bf als Rechtsnachfolger im Eigentum am Nachbargrundstück erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Vöcklabruck als Baubehörde zweiter Instanz (im Folgenden: belangte Behörde) mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 4. Juli 2014 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

 

Darin wurde im Wesentlichen gestützt auf die Begründung der Erstbehörde ausgeführt, dass die Bf durch das Bauvorhaben nicht in ihren geltend gemachten subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können und daher die Stellung als Nachbar iSd § 31 Abs. 1 Oö. BauO 1994 nicht bestehe.

 

I.6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 30. Juli 2014 rechtzeitig Beschwerde und begründeten diese mit einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde. Es wird darin die Stattgabe der Berufung der Bf und die Abweisung der Baubewilligung, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheids sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

 

Im Wesentlichen wird in der Beschwerde vorgebracht, dass die Bf bei der Bauverhandlung öffentlich-rechtliche Einwendungen erhoben und dadurch Parteistellung erlangt haben. Aus den Projektunterlagen sei ersichtlich, dass der verfahrensgegenständliche „Dachraum“ unmittelbar an ein bereits bestehendes Dachgeschoß angrenze und in dieses als bauliche Einheit integriert werde. Die geplanten Räumlichkeiten seien nicht zur Gänze von einer Dachschräge und den Giebelwänden umschlossen und es sei ein ungehinderter Durchgang zum bestehenden Dachgeschoß gegeben. Demgemäß sei die gesamte Fläche des Dachgeschoßes, samt der durch das geplante Bauprojekt geschaffene Räume in die Geschoßflächenzahl einzurechnen. Damit werde aber die im Bebauungsplan Nr. x „P“ festgeschriebene Vorgabe überschritten.

 

Es sei ergänzend auszuführen, dass die Höhe der Übermauerung nicht – wie im Bescheid festgestellt – 1,2 m betrage, sondern mit 1,28 m zu beziffern sei. Der Versuch, eine Übermauerung in Höhe von nur 1,2 m darzustellen, gelinge nur durch eine Umgehungskonstruktion.

 

I.7. Der Bauwerberin wurde von der belangten Behörde Gelegenheit zu einer Stellungnahme zur Beschwerde eingeräumt. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 28. August 2014 erstattete diese eine Gegenäußerung. Darin wird beantragt, der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Folge zu geben.

 

Begründend wird im Wesentlichen – in Übereinstimmung mit der Begründung des angefochtenen Bescheids – ausgeführt, dass aufgrund der Lage des Grundstücks der Bf jenseits der öffentlichen Verkehrsfläche keine Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung denkbar sei. Daher hätten die Bf bisher keine eigenen subjektiven Rechte im Verfahren geltend gemacht und daher keine Parteistellung. Mit der belangten Behörde sei davon auszugehen, dass das Bauprojekt als Dachraum zu qualifizieren und damit nicht in die Geschoßflächenzahl einzurechnen sei. Im Übrigen würde die vorgeschriebene Geschoßflächenzahl selbst im Falle der Einbeziehung des Zubaus nicht überschritten werden.

 

Entgegen der Ansicht der Bf sei die Übermauerung eindeutig mit 1,2 m projektiert, im Plan mit 1,28 m eingezeichnet sei lediglich die Parapethöhe von der Oberkante des Fußbodens auf die Oberkante der Fensterbank. Diesbezüglich verweist die Bauwerberin auch auf die im Akt befindliche (und von ihr im Bauverfahren vorgelegte) Stellungnahme von Herrn DI K vom 21. Mai 2014.

 

I.8. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 22. Dezember 2014 wurde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

I.9. Auf telefonisches Ersuchen des Landesverwaltungsgerichts hin übermittelte das Stadtamt Vöcklabruck den für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplan Nr. x „P“ (Beschluss des Gemeinderates vom 16. März 1979, GZ: III-1/031-2-1979-Sm/St).

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Zudem nahm das Gericht Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde zu den unter LVwG-150646 und 150647 protokollierten Beschwerden betreffend die Anträge von Nachbarn auf nachträgliche Einbeziehung in das gegenständliche Bauverfahren.

 

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den angeführten Beweismitteln.

 

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG trotz eines entsprechenden Antrages von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl VwGH 06. November 2013, 2011/05/0007; 15. Mai 2014, 2012/05/0089; 09. Oktober 2014, Ro 2014/05/0076).

 

 

III. Maßgebliche Rechtslage:

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Die hier relevanten Bestimmungen des Oö. Bautechnikgesetzes 2013 –
Oö. BauTG 2013, LGBl. Nr. 35/2013, lauten auszugsweise:

 

„§ 2
Begriffsbestimmungen

 

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

 

[...]

 

7.   Dachgeschoß: das oberste Geschoß, bei dem die volle lichte Raumhöhe nicht über die gesamte Geschoßfläche erreicht wird und die Begriffsmerkmale eines Dachraums - insbesondere durch die Anordnung der Fenster oder die Höhe der Übermauerungen – überschritten werden; ein Dachgeschoß ist in die Gesamtgeschoßzahl einzurechnen, außer der Bebauungsplan legt etwas anderes fest;

 

8.   Dachraum: – soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt – ein von Dachschrägen und den Giebelwänden umschlossener Raum über dem obersten oberirdischen Geschoß mit

 

a)   Übermauerungen bis höchstens 1,20 m über der Rohdeckenoberkante und

 

b)   Fenstern in Giebelwänden, Gaupen oder Dachflächenfenstern;

 

ein Dachraum ist in die Gesamtgeschoßzahl nicht einzurechnen;

 

[...]

 

14.               Geschoß: ein Gebäudeabschnitt zwischen den Oberkanten der Fußböden übereinanderliegender Räume oder ein lichter Abschnitt zwischen der Oberkante des Fußbodens und der Unterfläche des Daches, wenn die jeweils geforderte Raumhöhe erreicht wird. Gebäudeabschnitte, die zueinander bis einschließlich der halben Geschoßhöhe versetzt sind, gelten als ein Geschoß;“

 

Die hier relevanten Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994, idF LGBl. Nr. 34/2013, lauten auszugsweise:

 

§ 31
Einwendungen der Nachbarn

 

(1) Nachbarn sind

 

1.   bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

 

2.   ...

 

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

 

[...]

 

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

 

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauwerke nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauwerke auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.“

 

Die hier relevante Bestimmung des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans Nr. x „P“ (Beschluss des Gemeinderates vom 16. März 1979, GZ: III-1/031-2-1979-Sm/St) lautet:

 

„§ 20 (2) 2 Die bauliche Ausnutzung der Grundstücke ist bestimmt durch die Festlegung der Geschoßanzahlen (2 bis 3 Geschoße) und durch die Angabe der Geschoßflächenzahlen (GFZ = 0,4).“


IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch die §§ 27, 9 Abs. 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

Die Bf erachten sich in ihrem Recht auf Einhaltung der durch den geltenden Bebauungsplan festgelegten Geschoßflächenzahl verletzt.  Schon das bestehende Gebäude überschreite diese Festlegung. Durch den Zubau, der in die Geschoßflächenzahl einzubeziehen sei, werde die Vorgabe nunmehr (weiter) überschritten.

 

IV.1. Vorauszuschicken ist, dass die Bf mit dem Eigentumserwerb ihres Grundstücks in die verfahrensrechtliche Position der vormaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks eingetreten sind. Ab diesem Zeitpunkt war auch die Zustellung von Schriftstücken an die Bf zu veranlassen.

 

Wird im Mehrparteienverfahren einer Person, obwohl sie Parteistellung hat, ihr gegenüber der in der Sache ergehende Bescheid nicht erlassen, verliert die übergangene Partei dadurch grundsätzlich weder die Parteistellung noch das – unmittelbar aus der Parteistellung erfließende – Berufungsrecht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 63 Rz 66 und die dort zitierte Rspr). Wurde daher in einem Mehrparteienverfahren der Bescheid auch nur einer Partei gegenüber erlassen, können die übrigen Parteien bereits Berufung erheben.

 

Es ist daher nicht weiter von Belang, ob der erstinstanzliche Bescheid infolge des Eigentumsübergangs nicht bereits den Bf anstatt J und H zuzustellen gewesen wäre. Den Bf stand auch ohne wirksame Zustellung das Recht auf Berufung zu und diese wurde von ihnen ohnehin rechtzeitig eingebracht. Alle weiteren Zustellungen wurden an die Bf bzw. deren rechtsfreundlichen Vertreter verfügt.

 

IV.2. Weiters ist vorweg festzuhalten, dass es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, bei dem die Zulässigkeit auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist
(vgl. etwa VwGH 24. Juni 2014, 2013/05/0148). Dabei kommt es in einem Projektgenehmigungsverfahren nicht darauf an, welcher Zustand besteht, sondern darauf, welcher Zustand nach Verwirklichung des Projekts herbeigeführt werden soll (vgl. VwGH 8. April 2014, 2011/05/0079, mit Hinweis auf die Entscheidung vom 28. September 2010, 2009/05/0316). Maßgeblich ist danach weder der Bestand, noch die in einem bereits abgeschlossenen Bauverfahren eingereichten Pläne, sondern allein die zum verfahrensgegenständlichen Projekt eingereichten Pläne hinsichtlich eines Zubaus
beim bestehenden Objekt auf dem Grundstück x, KG x.

 

 

 

IV.3. Zur Parteistellung der Bf:

 

IV.3.1. Die Bf sind unstrittig Nachbarn im Sinn des § 31 Abs. 1 Oö. BauO 1994. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Der Nachbar behält somit seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren nur, wenn er (taugliche) Einwendungen im Rechtssinn erhoben hat (vgl. als Beispiel für Viele etwa VwGH vom 12. Juni 2012, 2009/05/0105 mwN).

 

Die Rechtsvorgänger der Bf monierten bei der mündlichen Bauverhandlung, dass durch das projektierte Bauvorhaben die zulässige Geschoßflächenzahl überschritten werde. Damit wurden jedenfalls rechtzeitig Einwendungen erhoben.

 

IV.3.2. Nach der Rsp des VwGH besteht nach der Oö. BauO 1994 ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn auf Einhaltung der (festgelegten) Geschoßflächenzahl, sohin auf Einhaltung der Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit eines Bauplatzes. Mit der Geschoßflächenzahl wird die Gestaltung des Baukörpers durch die Festlegung der maximal dem jeweiligen Bauzweck dienenden und nach außen hin in Erscheinung tretenden Flächen beschränkt (vgl. VwGH 17. März 2006, 2005/05/0151, und VwGH 15. Februar 2011, 2009/05/0343).

 

Die belangte Behörde ging davon aus, dass aufgrund der Lage des Grundstücks der Bf gegenüber dem Baugrundstück keine Beeinträchtigung hinsichtlich Belichtung und Belüftung eintreten könne. Da die Einhaltung der festgelegten Geschoßflächenzahl lediglich dies bezwecke, hätten die Bf sohin kein „eigenes“ subjektives Recht vorgebracht. Dies wurde mit einem Hinweis auf VwGH 14. Dezember 2007, 2006/05/0235, begründet.

 

Dieser Argumentation der belangten Behörde kann jedoch nicht gefolgt werden: Gemäß § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über … die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden … die Belichtung und Belüftung … . Neben den Abständen von den Nachbargrenzen und den Nachbargebäuden und der Lage des Bauvorhabens sowie auch der Belichtung und Belüftung, wird ausdrücklich auch die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht angeführt. Dies bedeutet, dass es entgegen der Auffassung der belangten Behörde beim Nachbarrecht auf Ausnutzbarkeit der Bauliegenschaft nicht darauf ankommt, wo sich die Nachbarliegenschaft befindet, zumal hinsichtlich des Bereichs an der Nachbargrenze selbst bereits ein die Bebauung betreffender Nachbarschutz durch die anderen genannten Nachbarrechte besteht (vgl. dazu VwGH
6. November 2013, 2011/05/0174). Der Einwand der Bf betreffend die Überschreitung der im Bebauungsplan festgelegten Geschoßflächenzahl bezieht sich jedenfalls auf das im § 31 Abs. 4 leg. cit. genannte subjektiv-öffentliche Recht auf „Ausnutzbarkeit des Bauplatzes“ (siehe VwGH 15. Februar 2011, 2009/05/0343; 14. Dezember 2007, 2006/05/0235; 17. März 2006, 2005/05/0151). Die Geschoßflächenzahl dient den Nachbarinteressen somit insofern, als die Gestaltung des Baukörpers durch die Festlegung der maximal dem angegebenen Bauzweck (hier: Wohnnutzung) dienenden und nach außen hin in Erscheinung tretenden Flächen begrenzt wird (VwGH 14. Dezember 2007, 2006/05/0235 mit Hinweis auf VwGH 17. März 2006, 2005/05/0151).

 

Die Bf haben daher durch das diesbezügliche Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zulässige Einwendungen iS ihnen zustehender subjektiv-öffentlicher Rechte erhoben und damit in diesem Umfang ihre Parteistellung gewahrt.

 

IV.4. In der Sache:

 

IV.4.1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 Oö BauTG 2013 liegt ein Dachgeschoß vor, wenn die volle lichte Raumhöhe nicht über die gesamte Geschoßfläche erreicht wird und die Begriffsmerkmale eines Dachraums – insbesondere durch die Anordnung der Fenster oder die Höhe der Übermauerungen – überschritten werden. Ein solcher Dachraum ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 8 Oö. BauTG 2013 ein von Dachschrägen und den Giebelwänden umschlossener Raum über dem obersten oberirdischen Geschoß, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt.

 

Entgegen einem (Voll- oder Dach-)Geschoß ist ein Dachraum nach dem letzten Halbsatz des § 2 Abs. 1 Z 8 Oö. BauTG 2013  nicht in die Geschoßflächenzahl einzurechnen. Im vorliegenden Fall ist daher maßgeblich, ob der projektierte Zubau als Dachraum oder als Dachgeschoß zu qualifizieren ist.

 

IV.4.2. Die belangte Behörde ging unter Berufung auf den Befund des Bausachverständigen von einem (bloßen) Dachraum aus. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es sich bei der Qualifizierung, ob es sich um einen Dachraum oder ein Dachgeschoß handelt, um eine rechtliche Beurteilung darstellt, die die belangte Behörde selbst vorzunehmen hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 52 Rz 6 mwN).

 

IV.4.3. Der beschwerdegegenständliche Fall gestaltet sich derart, dass es sich bei dem projektierten „Dachraum“ um einen Zubau zum bestehenden Gebäude handelt, und zwar auf der Höhe des bestehenden Dachgeschoßes. Es ist den Bf zuzustimmen, dass schon auf Grund der baulichen Integration des projektierten Zubaus in den Bestand (siehe die Beschreibung unter I.1.) nicht von einem Dachraum gemäß § 2 Z 8 Oö. BauTG 2013 gesprochen werden kann. Dieses Geschoß ist in seiner Gesamtheit zu beurteilen und nicht in einzelne „Geschoßteile“ aufzugliedern. Damit wurde jedoch mit dem projektierten Zubau das Dachgeschoß insgesamt vergrößert. Ein Eingehen darauf, ob der projektierte „Dachraum“ eine Übermauerung von 1,20 m aufweist oder nicht, erübrigt sich somit.

 

Da der projektierte Zubau somit als Teil des Dachgeschoßes zu werten ist, ist zu prüfen, ob damit die im hier maßgeblichen Bebauungsplan vorgesehene Geschoßflächenzahl eingehalten wird (§ 2 Z 7 Oö. BauTG 2013).

 

IV.5. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der angefochtene Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zurückverweisen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063); von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (vgl. dazu auch VwGH 27. August 2014, Ro 2014/05/0062 mit Hinweis auf die zit Entscheidung; VwGH 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087).

 

Die belangte Behörde ist in Verkennung der Rechtslage zum einen davon ausgegangen, dass den Bf keine Parteistellung (mehr) zukommt und zum anderen, dass der Zubau als Dachraum ohnehin nicht in die Geschoßflächenzahl einzubeziehen ist. Sie hat es aus diesem Grund unterlassen, sich näher mit den Einwendungen der Bf auseinanderzusetzten. Es wäre zu erheben gewesen, welche Geschoßflächenzahl durch den projektierten Zubau erreicht wird und ob die im Bebauungsplan vorgeschriebene Festlegung überschritten wird.

 

Damit erweist es sich, dass für eine Kontrolle des angefochtenen Bescheides durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht, weil die belangte Behörde in entscheidungswesentlichen Punkten gar nicht ermittelt hat.

 

Eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung ist zulässig, wenn die Behörde ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl. zur wortgleichen Bestimmung in Art. 130 Abs. 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 99f; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat: Chance oder Risiko, 316f).

 

Es ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) oder eine Verfahrensbeschleunigung bewirken könnte. Diesbezüglich wird auch auf die zu LVwG-150646 und 150647 protokollierten Bescheidbeschwerden weiterer Nachbarn des Baugrundstücks verwiesen, die bislang dem Bauverfahren gar nicht beigezogen wurden und deren allfällige Einwendungen ebenfalls zu berücksichtigen sein werden.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.6 Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die bislang versäumten Erhebungen nachzuholen haben. Erweist es sich, dass die Geschoßflächenzahl entsprechend dem Beschwerdevorbringen überschritten wird, ist gegebenenfalls mit Aufforderung zur Projektänderung vorzugehen.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die in dieser Entscheidung zitierte höchstgerichtliche Judikatur). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter