LVwG-450084/2/Gf/Rt LVwG-450085/2/Gf/Rt

Linz, 18.08.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K !

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerden des R M E, xstr. 7, W, vertreten durch die RAe Dr. W H und Mag. S W, x-Str. 3, W, gegen die Bescheide des Stadtsenates der Stadt Wels vom 23. Juni 2015, Zl. MD-StV-153-2012 und vom selben Tag, Zl. MD-StV-138-2012, mit denen der Rechtsmittelwerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung für deren auf Grund des Kommunalsteuergesetzes offene Steuerschuld in einer Höhe von insgesamt 26.394,14 Euro herangezogen bzw. dessen Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Steuerschuld abgewiesen wurde,

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO dahin stattgegeben, dass die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

 

I.

 

 

1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wels vom 28. November 2014, Zl. FD-StV-153-2012, wurde der Beschwerdeführer „als selbständiger vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer“ seiner GmbHwegen schuldhafter Nichtbezahlung für die noch offene Kommunalsteuerschuld für die Kalenderjahre 2011 und 2012 (einschließlich Nebengebühren) in Gesamthöhe von € 26.394,14 haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen“ sowie zusätzlich dazu verpflichtet, den Betrag binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides zur Einzahlung zu bringen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die GmbH des Rechtmittelwerbers im fraglichen Zeitraum zwar Löhne und Gehälter ausbezahlt, allerdings die dafür fällige Kommunalsteuer nicht entrichtet habe. Weil nach Aufhebung des über diese GmbH eröffneten Konkursverfahrens mangels Kostendeckung beim Landesgericht Wels seit dem 31. Oktober 2013 feststehe, dass diese Abgabenschuld bei der GmbH uneinbringlich ist, sei sohin die subsidiäre Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 9 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung, BGBl 194/1961 i.d.g.F. BGBl I 105/2014 (im Folgenden: BAO), i.V.m. § 80 Abs. 1 BAO geltend zu machen und dieser zur Abgabenentrichtung heranzuziehen gewesen; dies deshalb, weil ihm jedenfalls insoweit eine schuldhafte Verletzung der ihn treffenden gesetzlichen Obsorgepflicht anzulasten sei, als er dadurch, dass er in dem hier in Rede stehenden Zeitraum wohl die Löhne und Gehälter noch in vollem Umfang ausbezahlt, die hierfür fällige Kommunalsteuer jedoch nicht entrichtet habe, hinsichtlich der Tilgung der Abgaben nicht bzw. zumindest nicht dem Grundsatz der gleichmäßigen Aufteilung der vorhandenen Mittel auf sämtliche Verbindlichkeiten entsprechend Sorge getragen habe.

 

Außerdem entspreche es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH vom 7. Dezember 2000, 2000/16/0601), dass sich die Haftung des handelsrechtlichen Gesellschafters auch auf solche Verbindlichkeiten erstrecke, deren Zahlungstermin bereits vor dessen Eintritt in die GmbH (hier: am 16. Mai 2012) gelegen sei.

 

2. Gegen diesen ihm am 3. Dezember 2014 zugestellten Bescheid hat der Rechtsmittelwerber am 30. Dezember 2014 – und damit fristgerecht – Berufung erhoben sowie einen Antrag auf Aussetzung der Abgabeneinhebung gestellt.

 

Darin brachte er vor, dass die verfahrensgegenständliche GmbH bereits vor der  Erlassung des angefochtenen Bescheides, nämlich am 14. Februar 2014, wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei; damit sei nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. z.B. OGH vom 20. Mai 1999, 6 Ob 330/98t, und vom 28. Juni 2007, 3 Ob 113/07z) auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung des Beschwerdeführers verbunden gewesen, sodass die Nachforderungsverfahren einzustellen gewesen wären (vgl. z.B. Bundesfinanzgericht vom 28. April 2014, RV/7103101/2012). Außerdem sei der Rechtsmittelwerber vor seiner Bestellung zum handelsrechtlichen Geschäftsführer ausschließlich im Produktionsbereich tätig gewesen, sodass ihn – weil ihm auf Grund des überraschenden Ablebens des früheren Geschäftsführers bloß ein kurzer Zeitraum zur Einarbeitung in eine für ihn völlig neue Tätigkeit verblieb – mangels entsprechenden Verschuldens eine Verpflichtung gemäß § 80 Abs. 1 BAO überhaupt erst für die Zeit nach dem 16. Mai 2012 treffen könne (vgl. z.B. VwGH vom 16. Dezember 1999, 97/15/0051). Ab Juni 2012 seien aber ohnehin keine Dienstnehmerforderungen mehr beglichen, sondern diese – wie auch vom Masseverwalter bestätigt – vollumfänglich im Konkursverfahren angemeldet worden.

 

3. Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom 23. Juni 2015, Zl. MD-StV-153-2012, wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt; mit weiterem Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom selben Tag, Zl. MD-StV-138-2012, wurde zudem der Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Abgabeneinhebung abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu – über die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides hinaus – ausgeführt, dass sich die Abgabennachforderungen ohnehin nur auf das Kalenderjahr 2011 sowie auf den Zeitraum von Jänner 2012 bis Mai 2012 bezogen hätten. Davon abgesehen hätte sich der Beschwerdeführer  – wie sich aus den Erkenntnissen des VwGH vom 19. April 2006, 2003/13/0111, und vom 7. Dezember 2000, 2000/16/0601, ergebe – vor der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit über die tatsächlichen Verbindlichkeiten der GmbH mit entsprechender Sorgfalt informieren müssen, um ein entsprechendes Verschulden auszuschließen.

 

4. Gegen diesen ihm am 1. Juli 2015 zugestellten Bescheid hat der Rechtsmittelwerber am 20. Juli 2015 – und damit rechtzeitig – eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erhoben.

 

In dieser wird nochmals darauf hingewiesen, dass sein Vater am 8. Mai 2012 verstorben und der Rechtsmittelwerber diesem bereits am 16. Mai 2012 in dessen Funktion als GmbH-Geschäftsführer nachgefolgt sei, um nicht die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich zu machen. Die hierauf notwendige Prüfung der Frage, ob eine Fortsetzung der GmbH überhaupt möglich ist, habe naturgemäß einige Zeit in Anspruch genommen, wobei ohnehin bereits am 13. Juli 2012 ein Konkursantrag gestellt worden sei. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liege sohin nicht vor, zumal de facto bereits ab Juni 2012 ohnehin keine Dienstnehmerforderungen mehr erfüllt worden seien. Dementsprechend seien auch weder von der Oö. Gebietskrankenkasse noch vom zuständigen Finanzamt irgendwelche Haftungsansprüche gegen den Beschwerdeführer (als bloßen „Kurzzeitgeschäftsführer“) geltend gemacht worden. Im Übrigen hätte eine Begleichung der offenen Kommunalsteuerschuld sogar zu einer ungerechtfertigten Begünstigung der Stadt Wels im Verhältnis zu den übrigen Konkursgläubigern geführt.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

5. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 31. Juli 2015 die Bezug habenden Akten vorgelegt.

 

 

 

II.

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Magistrates der Stadt Wels zu Zln. MD-StV-153-2012 und MD-StV-138-2012; von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte angesichts des Umstandes, dass der entscheidungswesentliche, oben unter I. dargestellte Sachverhalt zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig ist und mit den vorliegenden Beschwerden lediglich Rechtsfragen geltend gemacht werden, abgesehen werden (vgl. zuletzt auch VwGH vom 5. März 2013, Zl. 2013/05/0131, unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des EGMR).

 

 

 

III.

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich über die gegenständliche Beschwerde erwogen:

 

1.1. Gemäß § 1 des Kommunalsteuergesetzes, BGBl 819/1993 i.d.g.F. BGBl I 76/2011 (im Folgenden: KommStG), unterliegen jene Arbeitslöhne, die jeweils den Dienstnehmern einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt wurden, der Kommunalsteuer.

 

Die Bemessungsgrundlage für diese Abgabe bildet nach § 5 Abs. 1 erster Satz KommStG die Summe dieser Arbeitslöhne, und zwar ungeachtet dessen, ob die Löhne bei deren Empfängern der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterliegen.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 KommStG entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt worden sind. Die Kommunalsteuer ist nach § 11 Abs. 2 KommStG vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und jeweils bis zum 15. Tag des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Erweist sich diese Selbstberechnung als unrichtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, so hat die Gemeinde gemäß § 11 Abs. 3 KommStG einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.

 

Nach § 11 Abs. 3 i.V.m. § 12 KommStG verkörpert die bescheidmäßige Einhebung der Kommunalsteuer eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.

 

1.2. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Organe alle jene Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen; insbesondere haben die Vertreter dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften diese Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die jene treffenden Abgabeverpflichtungen insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

 

1.3. Nach § 224 Abs. 1 BAO ist eine in einer Abgabenvorschrift geregelte persönliche Haftung im Wege der  Erlassung eines Haftungsbescheides geltend zu machen; in einem solchen Bescheid ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

 

2. Im vorliegenden Fall wird weder das Bestehen der Abgabenforderungen und deren Uneinbringlichkeit bei der verfahrensgegenständlichen GmbH, noch in Zweifel gezogen, dass diese im Jahr 2011 bis einschließlich Mai 2012 Dienstnehmerforderungen erfüllt – d.h. Lohnzahlungen vorgenommen –, jedoch keine Kommunalsteuer entrichtet und damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger des Unternehmens verstoßen hat.

 

Vielmehr ist zwischen den Parteien des Verfahrens in erster Linie die Frage strittig, ob der Außenvertretungsbefugte einer GmbH auch für vor dem Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit entstandene Abgabenverbindlichkeiten haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann und bejahendenfalls, innerhalb welcher Zeitspanne er sich Kenntnis über die diesbezüglichen Forderungen an seine Gesellschaft verschaffen muss.

 

2.1.1. Grundsätzlich hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in seinem von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen Erkenntnis vom 7. Dezember 2000, 2000/16/0601, ausgesprochen, dass sich die Haftung des Außenvertretungsbefugten zwar vor allem auf Abgaben erstreckt, deren Zahlungstermin in die Zeit seiner Vertretertätigkeit fällt, darüber hinaus aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten besteht, weil die Pflicht zu deren Entrichtung erst mit der tatsächlichen Abstattung endet (vgl. auch VwGH vom 12. November 1997, Zl. 95/16/0155); außerdem muss sich der haftende Vertreter bei der Übernahme seiner Tätigkeit darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Im Übrigen ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH vom 19. April 2006, 2003/13/0111, m.w.N.) auch Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, warum er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, verletzt, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

 

2.1.2. Im Erkenntnis vom 25. Juni 1990, 89/15/0063, hat der VwGH konkretisierend Folgendes festgestellt:

 

„Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass für den Beschwerdeführer auch dann nichts gewonnen wäre, wenn die Abgabenschulden vor seiner Bestellung als Geschäftsführer fällig geworden wären. Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten endet nämlich nicht mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern erst mit ihrer Abstattung. Die Gesellschaft bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr bzw. Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist gemäß § 80 BAO der Geschäftsführer verhalten. Dieser muss sich bei der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Juli 1989, 89/15/0021).

 

Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, dass ihm die die Steuerpflicht (im Jahr 1982) begründenden Sachverhalte ohne Verschulden unbekannt gewesen wären; dies kann seiner Behauptung, die strittigen Umsätze habe sein Vorgänger getätigt, nicht entnommen werden. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde berechtigt, von der oben dargelegten Beweislastverteilung ausgehend eine Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen durch den Beschwerdeführer anzunehmen.“

 

E contrario ergibt sich daraus, dass die Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß § 80 i.V.m. § 9 BAO dann nicht in Betracht kommt, wenn der Außenvertretungsbefugte begründet vorzubringen vermag, dass ihm jene die Steuerpflicht auslösenden Sachverhalte ohne sein Verschulden unbekannt waren.

 

In diese Richtung weist auch die Entscheidung des VwGH vom 28. Juni 2012, 2009/16/0244, wonach sich die haftungsrechtliche Inanspruchnahme bei mehreren potenziell Haftenden danach richtet, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist: Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen (s.a. VwGH vom 22. Dezember 2011, 2011/16/0027, mwN), es sei denn, dass dieser seine eigenen Pflichten dadurch grob verletzt, dass er trotz Unregelmäßigkeiten im Verhalten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen.

 

In vergleichbarer Weise hat der VwGH schließlich in seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, 92/17/0178, ausgesprochen, dass die unverzüglich nach dem Ausscheiden eines Geschäftsführers erfolgte Beauftragung einer Steuerberatungskanzlei zur Feststellung von eventuellen Abgabenrückständen und die daraufhin erfolgte Verarbeitung der ihm mitgeteilten Informationen – bei Zutreffen dieser Behauptungen – so zu bewerten ist, dass der Haftungspflichtige alles ihm Zumutbare getan hat, um etwaige Abgabenrückstände festzustellen und zu begleichen.

 

2.2. Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er – nachdem er zuvor ausschließlich im Produktionssektor des Unternehmens tätig war – seinem am 8. Mai 2012 verstorbenen Vater bereits am 16. Mai 2012 in dessen Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer nachgefolgt ist und umgehend einen Steuerberater mit der Prüfung dahin beauftragt hat, ob eine Fortsetzung der GmbH überhaupt möglich ist, ebenso wenig entgegen getreten wie dem Umstand, dass die Klärung dieser Frage etwa zwei Monate in Anspruch genommen hat, in der Zwischenzeit jedoch bereits ab Juni 2012 Dienstnehmerforderungen nicht mehr erfüllt – d.h. keine Lohnzahlungen vorgenommen – und schließlich am 13. Juli 2012 ein Konkursantrag gestellt wurde(n).

 

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des Umstandes, dass auch weder von der Oö. Gebietskrankenkasse noch vom zuständigen Finanzamt irgendwelche Haftungsansprüche gegen den Beschwerdeführer geltend gemacht worden sind, kann das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im Hinblick auf die zuvor angeführten Erkenntnisse des VwGH vom 25. Juni 1990, 89/15/0063, vom 11. Dezember 1992, 92/17/0178, und vom 28. Juni 2012, 2009/16/0244, aber insgesamt besehen nicht finden, dass dem Rechtsmittelwerber im vorliegenden Fall eine schuldhafte Verletzung der ihn treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO anzulasten ist.

 

3. Daher war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO stattzugeben und der angefochtene Haftungsbescheid (vom 23. Juni 2015, Zl. MD-StV-153-2012) ersatzlos aufzuheben.

 

4. Davon ausgehend war sohin auch der Bescheid (vom selben Tag, Zl. MD-StV-138-2012), mit dem der Antrag auf Aussetzung der Abgabeneinhebung abgewiesen wurde, gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.

 

 

 

IV.

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal hierzu – wie unter III., 2.1.1. und 2.1.2., aufgezeigt – eine höchstgerichtliche Judikatur weder fehlt noch von dieser abgewichen wurde.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

 

 LVwG-450084/2/Gf/Rt

LVwG-450085/2/Gf/Rt  vom 18. August 2015

 

Erkenntnis

 

Normen:

§ 11 KommStG;

§ 9 BAO;

§ 80 BAO;

§ 224 BAO

 

Rechtssätze:

 

* Im gegenständlichen Fall ist die Behörde dem Vorbringen des Bf., dass er – nachdem er zuvor ausschließlich im Produktionssektor des Unternehmens tätig war – seinem am 8. Mai 2012 verstorbenen Vater bereits eine Woche später in dessen Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer nachgefolgt ist und umgehend einen Steuerberater mit der Prüfung dahin beauftragt hat, ob eine Fortsetzung der GmbH überhaupt möglich ist, ebenso wenig entgegen getreten wie dem Umstand, dass die Klärung dieser Frage etwa zwei Monate in Anspruch genommen hat, in der Zwischenzeit jedoch bereits ab Juni 2012 Dienstnehmerforderungen nicht mehr erfüllt – d.h. keine Lohnzahlungen vorgenommen – und schließlich am 13. Juli 2012 ein Konkursantrag gestellt wurde(n);

 

* Vor diesem sachverhaltsmäßigen Hintergrund sowie im Hinblick auf die Erkenntnisse des VwGH vom 25. Juni 1990, 89/15/0063 (aus dem sich e contrario ergibt, dass die Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß § 80 i.V.m. § 9 BAO dann nicht in Betracht kommt, wenn der Außenvertretungsbefugte begründet vorzubringen vermag, dass ihm jene die Steuerpflicht auslösenden Sachverhalte ohne sein Verschulden unbekannt waren), vom 11. Dezember 1992, 92/17/0178 (dem zufolge eine unverzüglich nach dem Ausscheiden eines Geschäftsführers erfolgte Beauftragung einer Steuerberatungskanzlei zur Feststellung von eventuellen Abgabenrückständen und die daraufhin vorgenommene Verarbeitung der mitgeteilten Informationen – bei Zutreffen dieser Behauptungen – so zu bewerten ist, dass der Haftungspflichtige alles ihm Zumutbare getan hat, um etwaige Abgabenrückstände festzustellen und zu begleichen), und vom 28. Juni 2012, 2009/16/0244 (wonach sich die haftungsrechtliche Inanspruchnahme bei mehreren potenziell Haftenden danach richtet, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut, d.h., das der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen ist),  kann das LVwG insgesamt besehen nicht finden, dass dem Bf. im vorliegenden Fall eine schuldhafte Verletzung der ihn treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO anzulasten ist.

 

* Daher war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO stattzugeben und der angefochtene Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben; davon ausgehend war sohin auch der Bescheid, mit dem der Antrag auf Aussetzung der Abgabeneinhebung abgewiesen wurde, aufzuheben.

 

 

Schlagworte:

 

Haftungsbescheid; Gleichbehandlung aller Gläubiger; GmbH; Geschäftsführerwechsel; Prüfung des Unternehmensstatus durch Steuerberater; Einstellung aller Lohnzahlungen; Konkursanmeldung; Insolvenz; mangelndes Verschulden.