LVwG-650456/8/Br

Linz, 14.09.2015

IM   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier  über die Beschwerde des S. V., geb. 1977, M.straße, in G., vertreten durch RA Dr. F.X. B., L., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17.6.2015, GZ: VerkR21-165-2015/LL, nach der am 14.9.2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:  

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG iVm Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als lediglich die Anordnung der Vorlage einer „Haaruntersuchung auf Sucht- bzw. Arzneimittel“ aufgehoben wird.

  

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

I.  Mit dem oben angeführten Bescheid hat die Behörde dem Beschwerdeführer die ihm am 3.3.2011 vom Magistrat M. Ceske Budejovice unter der GZ: EF731942 für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung bis zur „Beibringung der für die Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin, Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie, verkehrspsychologische Stellungnahme, alkoholspezifische Laborparameter, Harnuntersuchung auf Sucht- bzw. Arzneimittel, Haaruntersuchung auf Sucht- bzw. Arzneimittel)“ entzogen.

II.  In der Begründung des Bescheides führte die Behörde folgendes aus:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30.03.2015, obige Zahl, wurden Sie aufgefordert, sich binnen einem Monat ab Rechtskraft dieses Bescheides einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen sowie binnen einer Frist von 4 Wochen ab der amtsärztlichen Untersuchung die für die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen. Dieser Bescheid ist am 05.05.2015 in Rechtskraft erwachsen.

 

Laut Mitteilung des Sanitätsdienstes haben Sie sich am 07.05.2015 der Untersuchung unterzogen. Dabei wurde Ihnen mittels Verfahrensanordnung aufgetragen, eine Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin, eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie, eine verkehrspsychologische Stellungnahme, alkoholspezifische Laborparameter (Blutuntersuchung auf MCV, GOT, GPT, GGT, CD-Transferrin), eine Harnuntersuchung auf Sucht- bzw. Arzneimittel (Harnabgabe spätestens am Tag nach der Aufforderung, sollten sie über den Postweg nicht erreichbar sein, müssen Sie dies vorher dem Sanitätsdienst bekanntgeben unter 0732/69414-66482) und eine Haaruntersuchung auf Sucht- bzw. Arzneimittel (es muss eine Haarlänge von mind. 6 cm vorliegen, wobei das Haar nicht durch Färben, Bleichen oder dgl, geschädigt sein darf, sollte die Haarlänge nicht ausreichen, muss so lange gewartet werden, bis sie erreicht wird. Vorher kann das Gutachten nicht erstellt werden. Bei Erreichen der nötigen Haarlänge bitte tel. einen Termin zur Probenahme vereinbaren) beizubringen.

Dieser Anordnung sind Sie bisher nicht nachgekommen.

Die Beibringung dieser Befunde ist für die Weiterbearbeitung des amtsärztlichen Gutachtens unabdingbar - da die Frist für die Beibringung der Befunde bereits verstrichen ist, ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Rechtliche Grundlagen für die Beurteilung des Sachverhalts:

 

Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBl. Nr. 120/1997, idgF. ist ihnen daher die Lenkberechtigung zu entziehen.“

 

 

II.  Der Beschwerdeführer  wendet sich gegen diesen Bescheid mit der nachfolgend durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen im Wortlaut zitierten Beschwerde, die mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Verfahrenshilfe verbunden wurde:

 

„BESCHEIDBESCHWERDE

 

gem. Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG und §§ 47 ff VwGVG

wegen Verletzung meiner Rechte, weil durch eine unrichtige Anwendung des FSG, und der Verwaltungsverfahrensgesetze zu Unrecht die Lenkerberechtigung vorübergehend entzogen wurde.

Gegen den genannten Bescheid erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Vertreter Bescheidbeschwerde gem. Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG und §§ 47 ff VwGV

an das Landesveraltungsgericht Oberösterreich. Der Bescheid wird in vollem Umfang bekämpft.

 

I. Begründung der Zulässigkeit

 

Der hiermit angefochtene Bescheid vom 17.06.2015 wurde meinem ausgewiesenen Rechtsvertreter am 07.07.2015 zugestellt. Die Bescheidbeschwerde erfolgt sohin binnen offener Frist.

 

II. Relevanter Sachverhalt

 

Mir wird vorgeworfen, dass ich entgegen der Weisung vom 07.05.2015 dem Vorlageantrag von diversen medizinischen Stellungnahmen und Proben nicht nachgekommen bin.

III. Begründung

 

In der Untersuchung des Sanitätsdienstes vom 07.05.2015 wurde mir aufgetragen, diverse Stellungnahmen und Untersuchungsergebnisse vorzulegen. Eine Frist wurde dabei nicht mehr gesetzt.

Entscheidend ist daher nicht die ursprüngliche im Bescheid gesetzte Frist, sondern die Frist des Amtsarztes. Der Amtsarzt wusste sehr wohl, dass nicht binnen 4 Wochen die entsprechenden Gutachten eingeholten werden könnten. Insbesondere stand ich wegen meines Blutkrebses in medizinischer Behandlung. Es ist auch unzumutbar, mir binnen derartig kurzer Frist die Vorlage dieser Untersuchungen aufzutragen, zumal auch meine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen.

 

Der Sanitätsdienst selbst muss erkennen können, ob ich prima vista zum Lenken von Fahrzeugen geeignet bin oder nicht. Soweit im ursprünglichen Bescheid festgehalten ist, dass ich die erforderlichen Befunde beibringen muss, so war damals überhaupt nicht abschätzbar, um welche Befunde es sich handelt.

Die Anforderungen des Sanitätsdienstes gehen viel zu weit. Die Vorlage einer Blutuntersuchung in Bezug auf alkoholspezifische Laborparameter ist zumutbar. Der Sanitätsdienst könnte auch einen ersten Suchtgifttest selbst abwickeln. Alle anderen Aufträge gehen viel zu weit und sind völlig unangemessen. Der Entzug des in Tschechien ausgestellten Führerschein erfolgte somit zu Unrecht.

Ich bin zudem aus gesundheitlichen Gründen auf einem selbstbezahlten Kuraufenthalt in einen Luftkurort im Kosovo. Dieses dortige Klima soll mir insbesondere helfen bei der Heilung oder Linderung meines Blutkrebses.

 

IV. Antrag auf aufschiebende Wirkung

 

Ich stelle auch den Antrag, diesem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass ich seit meiner ursprünglichen Verhaftung im November 2013 Suchtgift konsumiere oder Alkohol missbräuchlich konsumiere. Es ist auch nicht so. dass Menschen mit Blutkrebs per se als verkehrsunzuverlässig gelten.

 

Es spricht daher nichts gegen eine aufschiebende Wirkung, sofern sich der Sanitätsdienst nicht bereits deklariert hat, dass Verkehrsunzuverlässigkeit vorliegen würde. Dies hat er aber nicht.

 

V. Antrag auf Gebührenbefreiung

 

Ich bin völlig vermögenslos, weshalb ich Gebührenbefreiung im Sinne eines Verfahrenshilfe hiermit begehre.

 

VI. Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht

 

Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wird beantragt.

 

Linz, am 2015 S. V.“

 

III. Den Verfahrensakt hat die Behörde mit Vorlageschreiben vom 07.07.2015 unter Anschluss eines Inhaltsverzeichnisses dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit h. Beschluss vom 24.8.2015 abweisend entschieden.

 

 

IV. Im Ergebnis ist zu diesem Verfahren festzustellen, dass von der Behörde betreffend den Beschwerdeführer wegen seines zurückliegenden Suchtgiftkonsumverhaltens Bedenken an dessen gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen begründet gesehen wurden.

Aus diesem Grunde wurde er mit Bescheid vom 30.3.2015 nach § 24 Abs.4 FSG aufgefordert sich binnen Monatsfrist einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Ferner wurde darin in einem weiteren  Spruchpunkt ausgesprochen, binnen einer Frist von vier Wochen ab der amtsärztlichen Untersuchung die zur Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen.

Um welche Befunde es sich dabei handeln sollte, konnte die Behörde naturgemäß nicht vorschreiben.

Im Gutachten der Amtsärztin vom 15.6.2015 wurden die im nun angefochtenen Entzugsbescheid bezeichneten Befunde determiniert.

 

 

IV.1. Die Amtsärztin trifft in deren Gutachten folgende Feststellung und Begründung:

„Anzeige SPK L. 13.5.2013: 13.5.2013 suchtgiftbeeinträchtigt Kfz gelenkt, Polizeiarzt: fahruntauglich, beeinträchtigt durch Amphetamin, Methamphetamin, MDMA. Ergebnis der Blutuntersuchung nicht im Akt. Lenkverbot 1 Monat.

Bericht PI L. 24.7.2013: am 24.7.2013 suchtgiftbeeinträchtigt Kfz gelenkt, fahruntauglich, Blutabnahme. Gerichtsmedizin Salzburg 31.7.2013: Blutprobe vom 24.7.2013 positiv auf Methamphetamin und Amphetamin. Cannabinoide fast gänzlich ausgeschieden.

13.9.2013 neuerlich suchtgiftbeeinträchtigt Kfz gelenkt, massive Beeinträchtigung durch Cannabis und Methamphetamin. Untersuchung bei der Polizeiärztin 5:55 Uhr Blutabnahme verweigert, Harntest positiv auf MET, AMP, MDMA, COC, indifferent THC. Gab an um 3 Uhr eine Nase Crystal konsumiert zu haben, 1 Woche zuvor Joint geraucht. Verwendung des tschechischen FS für 12 Monate in Österreich verboten. Keine begleitenden Maßnahmen, da kein Wohnsitz in Österreich.

Gab an seit der Inhaftierung im November 2013 keine Suchtgifte mehr zu nehmen und an Blutkrebs erkrankt zu sein. Einvernahme 2013: gab an seit 6 Jahren Crystal zu konsumieren

Vorerkrankungen: Stationäre Therapie im AKH Linz 2014 September 2 Wochen, dieses Jahr im Februar 3 Tage sonst nicht. Leukämie,(CML), Tablettentherapie. Sonst keine Erkrankungen derzeitige Beschwerden: keine

Medikamente: Sprycel, Allopurinol immer, fallweise Xefo, Paracetamol, Halcion wurde verordnet wegen Schlafstörungen aber noch nie genommen. Nikotin (Zigaretten/Tag): seit 1 Monat nichts mehr.

Alkohol: keinen seit 2013 nicht ein Schluck, vorher gelegentlich, Räusche im Durchschnitt jedes WE 1-2 x, Kontrollverlust nie, Behandlung wegen Alkohol- oder sonstiger psychischer Probleme nie Suchtgift: Crystal, Amphetamin, manchmal Gras. 2013, in Haft 2.11.2013 bis Oktober 2014, wegen Suchtmittelhandels, es war eine Falschaussage. Ich habe gedacht ich drehe durch, ich habe die Krankheit wegen dem Gefängnis gekriegt, ich bin 1 Monat nach Verhandlung krank geworden. Dann enthaftet worden wegen der Krankheit. Haftaufschub. Suchtgift konsumiert weil ich in schlechten Kreisen war, so bin ich hineingekommen. 2-3 x am Tag eine Line konsumiert. Erstmals im Sommer 2013 bis November, fast gleich täglich. In der Haft keine Therapie, auch nachher keine, ich habe keine probleme mit suchtgift, ich nehme nie wieder etwas, nicht einmal einen Schluck Alkohol.

Führerschein: Klasse B seit 2006 (tschechisch), Unfälle keine, Führerscheinentzüge 2 x, 1x 1 Monat, 1 x Jahr. 2 x mit Gift gefahren, 1 x alkoholisiert. In Österreich seit 1990, ich war 5 Jahre in Tschechien 2007 -2013.

Beruf: Maler

Angaben zum Vorfall: ich hatte nicht viel gedacht. Nachtblindheit verneint, keine Kontaktlinsen, keine Brillen.

 

Begründung:

Herr V. wurde (gemeint wohl: wurde) amtsärztlich untersucht, weil er wiederholt suchtgiftbeeinträchtigt Kfz gelenkt hatte. Bei der Untersuchung wurde der oa. Befund erhoben. Für eine Haaranalyse auf psychotrope Substanzen waren die Haare noch zu kurz. Herr V. wurde hingewiesen, dass eine Haaranalyse nötig ist und dazu eine Haarlänge von mind. 6 cm am Hinterkopf vorliegen muss, wobei das Haar nicht durch Färben, Bleichen oder dgl. geschädigt sein darf. Es wurde ihm auch mitgeteilt, dass so lange gewartet werden, bis die erforderliche Haarlänge erreicht wird. Vorher kann das Gutachten nicht erstellt werden. Wegen des beeinträchtigten Lenkens sind auch eine verkehrspsychologische und eine psychiatrische Stellungnahme unverzichtbar. Ev müssen auch Harntests auf psychotrope Substanzen (incl. Etg) bzw. Bluttests auf alkoholrelevante Parameter gemacht werden. Herr V. ist an Leukämie erkrankt, es ist daher eine int. Stellungnahme vorzulegen, ob durch die Erkrankung bzw. die Therapie neg. Auswirkungen auf die Eignung zum Lenken von Kfz zu erwarten sind. Bis jetzt wurde keine Stellungnahme vorgelegt bzw. waren die Haare für eine Analyse zu kurz, das Gutachten kann nicht weiter bearbeitet werden.“

 

 

IV.2. Die im Zuge des Verfahrens nach § 24 Abs.4 FSG von der Amtsärztin für deren Erstellung eines Gutachtens zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eingeforderten Befunde wurden vom Beschwerdeführer nicht beigebracht.

Dieser Bescheid blieb jedoch unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.

 

Es könnte  daher an sich dahingestellt bleiben, inwiefern von der Behörde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid in dessen zweiten Spruchpunkt  Befundvorlagen ohne zu diesem Zeitpunkt noch amtsärztlicher Anordnung rechtmäßig waren.

 

Die Judikatur dazu besagt, wenn der Inhaber einer Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs.4 FSG 1997 aufgefordert wird, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen  Befunde  zu erbringen, so sind diese  Befunde  im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen (VwGH 23.8.2014, Ra 2014/11/0023 mit Hinweis Beschluss vom 13.8.2004, 2004/11/0063).

Es erweist sich demnach als rechtswidrig, den Inhaber der Lenkberechtigung, wie gegenständlich, zu verpflichten, (die) "erforderliche(n)"  Befunde  beizubringen, weil damit die Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit solcher  Befunde  (die eine von der Behörde zu beurteilende Rechtsfrage darstellt) augenscheinlich an den Amtsarzt/die Amtsärztin delegiert und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen gewesen wären.

Voraussetzung der "Formalentziehung" gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG 1997 ist, dass der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist der Aufforderung, "sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen  Befunde  zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen" keine Folge leistet (VwGH 18.5.2010, 2007/11/0265).

 

Auf die letztlich unterbliebene Befundvorlage – die rechtskräftig angeordnet wurde und von der Amtsärztin letztlich determiniert wurde -  stützt sich nunmehr der Entzug der Lenkberechtigung.

 

Diese Beurteilung scheint, wie bereits im abweisenden Beschluss über die aufschiebende Wirkung festgestellt wurde, grundsätzlich nicht unschlüssig, wobei sich im Grunde dies auch anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht anders darstellte, weil es Sache des Amtsarztes ist zu beurteilen welche Befunde er für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung benötigt. 

 

 

IV.3. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bringt vor, dass sein Mandant an Leukämie leide und er sich zu diesem Zweck in seiner früheren Heimat auf Kur befinde. Von dieser kehre er erst wieder Ende des Monats zurück. Es wurde Einverständnis darüber gefunden, dass einzelne geforderte Befunde erforderlich sind, jedoch hierfür angesichts der gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers  für deren Beibringung eine angemessene Zeitspanne eingeräumt werden sollte. Auch die Frage der Haarlänge für die geforderte Haaranalyse gelangte zur Erörterung.

Diese Fakten würdigt das Landesverwaltungsgericht dahingehend, dass beim Beschwerdeführer wohl von einer Abhängigkeit von Suchtmitteln ausgegangen werden muss. Sein auf Grund seiner evidenten Erkrankung obwaltende gesundheitliche Zustand ist wohl ein weiterer sachlicher Grund zur erweiterten Befundvorlageverpflichtung.

 

 

V. Rechtlich hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

 

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

 

Gesundheitliche Eignung

 

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

 

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen (Hervorhebung in Fettschrift durch das LVwG).

 

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

 

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'.

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

 

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit.

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

 

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. …

…"

Weiters sind folgende Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) von Bedeutung:

 

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

 

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

 

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

 

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)    Alkoholabhängigkeit oder

b)    andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

  …

 

Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

 

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf (…) eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

...

 

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen."

 

Die Einforderung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ergibt sich hier aus § 8 Abs.2 FSG (siehe oben).

 

 

V.1. Was schließlich die Einforderung einer Haaranalyse anlangt, sei auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, die auch auf Fälle überschießender Beweisführung durch eine Haaranalyse übertragbar scheint (Hinweis auf Erkenntnis v. 11.10.2012, B1369/11, VfSlg.19691, auf § 1 Abs1 und 2 sowie § 4 Z12 DSG 2000). Die Anordnung einer Haaranalyse ist gesetzlich als solche nicht vorgesehen, sie kann lediglich auf die Mitwirkungspflicht am Nachweis der gesundheitlichen Eignung und in diesem Zusammenhang nur indirekt auf die Befundvorlagepflicht  gestützt werden.

 

"Artikel 1 (Verfassungsbestimmung)

 

Grundrecht auf Datenschutz

 

              § 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

 

              (2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art8 Abs2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden."

 

 

 

V.3. Im zitierten Fall hatte die belangte Behörde lediglich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die physischen und psychischen Anforderungen zur Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (Hinweis auf § 3 Abs.1 Z3 iVm §§ 8 und 9 sowie iVm § 24 FSG und § 3 Abs.1 Z1, § 5 Abs.1 Z4 und § 13 FSG-GV) abgeleitet, dass diese Regelungen auch dem Eigenschutz des Lenkers gedient hätte und daher die Übermittlung der Gesundheitsdaten unmittelbar auf die "lebenswichtigen Interessen" des Betroffenen gemäß § 1 Abs.2 DSG 2000 gestützt werden hätten können.

Der Verfassungsgerichtshof vermochte sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, weil diese Bestimmungen doch vorrangig dem Schutz (lebenswichtiger) Interessen anderer Verkehrsteilnehmer dienten. Diese Sichtweise lässt sich mit Blick auf die vom Beschwerdeführer seitens der Amtsärztin begehrten und von der Behörde als Bedingung für die Beurteilbarkeit der gesundheitlichen Eignung vorgeschriebenen  Haaranalyse umlegen, mit der ohne sachlich nachvollziehbare Grundlage über einen längeren Zeitraum in die Lebensführung eines Betroffenen zu blicken versucht wird, wobei hier dem Beschwerdeführer zusätzlich aufgetragen wurde sich die Haare in eine Länge wachsen lassen zu müssen um überhaupt diesen Beweis führen zu können. Dies scheint hier mit Blick auf die Behandlung wegen der Leukämieerkrankung besonders problematisch und ein unangemessener Eingriff in die höchst persönliche Interessenssphäre.

Es erscheint insbesondere auch mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot und das Übermaßverbot bedenklich eine derart tiefgreifende Anordnung im Rahmen der Mitwirkungspflicht zur Erstellung eines Gutachtens zu treffen, wenn – wie  auch bisher - es den Amtsärzten möglich gewesen sein muss ohne Haaranalyse die gesundheitliche Eignung festzustellen.

Darin mag auch ein schutzwürdiges Interesse eines Beschwerdeführers an der Geheimhaltung derart erhobener Daten gesehen und deren Übermittlung als Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten gemäß § 1 Abs.1 DSG 2000 erblickt werden (VfGH 11.10.2012, B1369/11; VfSlg. 19691). Es erscheint demnach bedenklich die Haaranalyse gleichsam als „Standardbeweismittel“ in den Vordergrund zu stellen und die Mitwirkungspflicht in diesen Schutzbereich hinein auszudehnen.

Ob letztlich die Gewichtung dieser Schutzinteressen durch die öffentliche Interessenslage im Hinblick auf die Verkehrssicherheit in eine sachliche Relation gebracht werden könnte, wird vor dem Hintergrund, dass dieser Zweck auch mit weniger Informationsinhalten und Eingriffsfolgen in die persönliche Interessenssphäre eines Betroffenen den Zweck ebenfalls (wie bisher auch) erfüllt.  Die Zulässigkeit eines schrankenlosen Einsatzes der Haaranalyse wird daher wohl in Zweifel zu ziehen sein.  Der Eingriff in die höchstpersönliche Lebensführung und die eigene Bestimmung des über die Frisur bedingten äußeren Erscheinungsbildes, steht darüber hinaus in keiner sachbezogenen Relation zum Beweiszweck zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung und den daraus resultierenden Mitwirkungspflichten eines Betroffenen.

 

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einerseits fundiert die Haaranalyse auf keiner konkreten rechtlichen Basis, andererseits besteht keine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der alternativlosen Anordnung dieses Beweismittels.  In diesem konkreten Fall folgt nämlich die Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich die Haare in eine entsprechende Länge wachsen zu lassen um diesen Beweis überhaupt erst erbringen zu können. Darin könnte ein in die Verfassungssphäre reichender bedenklicher Eingriff in die Rechtsposition eines Betroffenen erblickt werden, der insbesondere auch die Frage der Verhältnismäßigkeit dieser Beweisführung im Rahmen der Mitwirkungspflicht aufwirft.

In diesem Beschwerdefall ist das Landesverwaltungsgericht Oö. davon überzeugt, dass der Amtsarzt auch durch die Vorlage der sonstigen Befunde und Fachgutachten, insbesondere durch Harnbefunde – wie auch bisher – eine ausreichende Grundlage zur Erstellung eines Eignungsgutachten zu finden vermöchte.

Mit Blick auf die seitens der Amtsärzteschaft oft schon routinemäßig eingeforderten Haaranalysen in Führerscheinverfahren hat  diese Praxis eine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung, wobei insbesondere auch die Frage nach der am Sachlichkeitsgebot orientierten verfassungskonformen Gesetzesvollziehung durch die höchstgerichtliche Judikatur gesichert werden sollte.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. B l e i e r