LVwG-400119/2/Gf/Mu

Linz, 25.09.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der N A gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. Juni 2015, Zl. VerkR96-10527-2015, wegen Zurückweisung eines Einspruches gegen ein auf Grund des Bundesstraßen-Mautgesetzes ergangenes Straferkenntnis sowie der Abweisung eines damit verbundenen Wiedereinsetzungsantrages

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

Gang des Behördenverfahrens

 

 

1. Mit Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 11. März 2015, Zl. VerkR96-10527-2015, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 120 Stunden) verhängt, weil sie am 10. Oktober 2014 ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; dies deshalb, weil sie eine Vignette, deren Gültigkeit bereits abgelaufen war, am Fahrzeug angebracht gehabt habe. Dadurch habe sie eine Übertretung der §§ 10 und 11 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb sie nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

2. Gegen diese ihr am 16. März 2014 durch Hinterlegung zugestellte Strafverfügung hat die Rechtsmittelwerberin mit e-mail vom 7. April 2014 einen Einspruch erhoben und darin ausgeführt, dass sie das verfahrensgegenständliche KFZ zum Tatzeitpunkt nicht gelenkt habe; hinsichtlich einer allfälligen Verspätung dieses Einspruches wurde nichts vorgebracht.

 

3. Hierauf wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. April 2015, Zl. VerkR96-10527-2015, dazu aufgefordert, sich hinsichtlich des Umstandes, dass sie den Einspruch erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist von zwei Wochen erhoben habe, zu äußern.

 

4. Mit e-mail vom 6. Mai 2015 stellte die Rechtsmittelwerberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und wies zudem darauf hin, dass das in Rede stehende Fahrzeug im Vorfallszeitraum von einer anderen Person (nämlich von ihrem Ehegatten) benützt worden sei; jene habe offensichtlich das Ablaufdatum der aufgeklebten Zwei-Monats-Vignette übersehen.

 

Diesem Schreiben lag eine „Eidesstattliche Erklärung“ jener Person bei, mit der diese das Vorbringen der Beschwerdeführerin bestätigte und darüber hinaus angab, deren Post – darunter auch die Hinterlegungsanzeige hinsichtlich der hier maßgeblichen Strafverfügung – an sich genommen, in der Folge jedoch deren rechtzeitige Behebung übersehen zu haben, weshalb dies schließlich von der Rechtsmittelwerberin erledigt und zudem von ihr umgehend ein Einspruch erhoben worden sei.   

 

5. Daraufhin wurde mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. Juni 2015, Zl. VerkR96-10527-2015, der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 6. Juni 2015 als unbegründet abgewiesen und deren Einspruch vom 7. April 2015 als unzulässig zurückgewiesen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rechtsmittelwerberin ihrer Obliegenheit, von sich aus das Vorliegen eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen, nicht entsprochen habe, weshalb sich der erst am 7. April 2015 eingebrachte Einspruch als verspätet erweist.  

 

6. Gegen diesen ihr am 16. Juli 2015 zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche, am 11. August 2015 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Beschwerde.

 

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass ihr trotz mehrfacher Urgenz das am Vorfallstag von der Überwachungskamera angefertigte Lichtbild von der belangten Behörde bislang noch immer nicht vorgelegt worden sei. Dessen ungeachtet habe eine Nachfrage ihrerseits bei der ASFINAG ergeben, dass auf diesem Foto eindeutig eine männliche Person – nämlich ihr Ehegatte – als Fahrzeuglenker erkennbar sei.

 

7. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat diese Beschwerde samt Bezug
habendem Akt dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 13. August 2015, Zl. VerkR96-10527-2015, vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen. 

 

 

II.

 

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich

und Zulässigkeit der Beschwerde

 

 

1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig zu qualifizieren.

 

2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung

durch das Verwaltungsgericht

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. VerkR96-10527-2015; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der oben unter I. dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt – der im Übrigen insoweit zwischen den Verfahrensparteien auch nicht strittig ist – feststellen ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung – zumal auch ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde – abgesehen werden.

 

 

IV.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1.1. Gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG gelten hinterlegte Dokumente (bereits) mit dem Tag, an dem dies erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt; mit diesem Tag beginnt gemäß § 24 VStG i.V.m. § 32 AVG auch die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 49 Abs. 1 VStG zu laufen.

 

1.2. Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG – der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist – ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist u.a. dann zu bewilligen, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 


 

2. Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Einspruch verspätet erhoben wurde, denn die bekämpfte Strafverfügung wurde laut dem im Akt erliegenden Rückschein erstmals am 16. März 2015 beim Postamt zur Abholung bereitgehalten; davon ausgehend endete die Einspruchsfrist mit Ablauf des 30. März 2015, sodass sich der erst am 7. April 2015 per e-mail bei der Behörde eingebrachte Einspruch als verspätet erweist.

 

3. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat es die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall allerdings nicht unterlassen, tragfähige Gründe für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darzutun:

 

Denn in der ihrer e-mail vom 6. Mai 2015 angeschlossenen „Eidesstattlichen Erklärung“ gab ihr Ehegatte an, im fraglichen Zeitraum die Post – darunter insbesondere auch die beim Versuch der Zustellung der hier in Rede stehenden Strafverfügung zurückgelassene  Hinterlegungsanzeige – an sich genommen, in der Folge jedoch die rechtzeitige Abholung der Strafverfügung beim Postamt übersehen zu haben.

 

Da die Rechtsmittelwerberin objektiv besehen keine Kenntnis vom Zustellversuch bzw. von der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige hatte und im Vorfallszeitraum nicht mit der Zustellung einer behördlichen Sendung rechnen musste, trifft sie sohin auch kein Verschulden daran, dass ihr von ihrem Partner vorerst bzw. insbesondere noch vor dem Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist der Eingang der Hinterlegungsanzeige nicht mitgeteilt wurde.

 

Als sie dann später entsprechend informiert wurde, hat sie aber – wie dies aus der „Eidesstattlichen Erklärung“ ihres Gatten, an deren Richtigkeit zu zweifeln mangels entsprechender Anhaltspunkte und bei lebensnaher Betrachtung keine Veranlassung besteht, hervorgeht – ohnehin „das Schriftstück sofort behoben“.

 

4. Weil damit aber die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG erfüllt sind, war der angefochtene Bescheid sohin aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 50 VwGVG stattzugeben.

 

Ob bzw. in welchem Umfang und gegen welche Person das Verwaltungsstrafverfahren nunmehr fortgesetzt werden wird, hat hingegen die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.  

 

 


 

V.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f