LVwG-400117/2/Gf/Mu
Linz, 28.09.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Z D, vertreten durch RA Mag. H J F, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 3. Juli 2015, Zl. VerkR96-218-2015, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
II. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich ist gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG kein Kostenbeitrag zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach § 25a VwGG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Gang des Behördenverfahrens;
entscheidungswesentlicher Sachverhalt
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 3. Juli 2015, Zl. VerkR96-218-2015, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 30 Euro) verhängt, weil er am 16. Dezember 2014 ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; denn er habe sich nicht vor Fahrtantritt über die technische Funktionsfähigkeit des Abbuchungsgerätes vergewissert, sodass keine Abbuchungen vorgenommen worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 6, des § 7 Abs. 1 und des § 8 Abs. 1 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 2 BStMG zu bestrafen gewesen sei.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die ihm angelastete Tat aufgrund einer mit Lichtbildern untermauerten Anzeige der ASFINAG sowie des von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei; danach müsse insgesamt davon ausgegangen werden, dass die im KFZ angebrachte GO-Box bereits zum Tatzeitpunkt mit spannungslosen Batterien ausgestattet und somit völlig funktionslos gewesen sei.
Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen.
2. Gegen dieses ihm am 8. Juli 2015 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. August 2015 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Beschwerde.
In dieser wird im Wesentlichen eingewendet, dass die GO-Box vor jeder Auffahrt auf die Autobahn überprüft, jedoch nie ein Defekt, sondern stets grünes Licht und damit deren Funktionsfähigkeit angezeigt worden sei. Erst bei einer Kontrolle durch ein Aufsichtsorgan am 22. Dezember 2014 habe er Kenntnis von der völligen Funktionsunfähigkeit des Gerätes erlangt, während diese der ASFINAG schon zuvor, nämlich bereits am 11. Dezember 2014, hätte auffallen müssen, da seither keine Abbuchungen mehr erfolgten. Weil im vorliegenden Fall jedoch – entgegen den sonst üblichen Gepflogenheiten – keine entsprechenden e-mail-Verständigungen erfolgt seien, könne dem Beschwerdeführer auch nicht die Nichteinhaltung einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht angelastet werden.
Im Übrigen liege auch eine unzulässige Mehrfachbestrafung vor, weil gegen den Rechtsmittelwerber hinsichtlich jener im Zeitraum zwischen dem 11. und dem 22. Dezember 2014 zurückgelegten Fahrtstrecken (zumindest) acht Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden seien.
Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
3. Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 4. August 2015 den Bezug habenden Akt zu Zl. VerkR96-218-2015 vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen.
II.
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich
und Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen ein Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig anzusehen.
2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.
III.
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Wels-Land zu Zl. VerkR96-218-2015; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Vorbringen der Verfahrensparteien der entscheidungswesentliche, oben unter I. dargestellte Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.
IV.
Rechtliche Beurteilung
In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:
1. Nach § 20 Abs. 2 i.V.m. § 6 BStMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, die fahrleitungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet.
Gemäß § 8 Abs. 1 und 2 BStMG haben die Lenker solcher KFZ u.a. ihr Fahrzeug vor der Benützung von Mautstrecken mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten und sich vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden. Die näheren Bestimmungen über die Pflichten der Fahrzeuglenker sind in der Mautordnung zu treffen (§ 8 Abs. 3 BStMG).
In diesem Zusammenhang legt Teil B, Pkt. 8.2.4.2. der „Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs“ (in der hier maßgeblichen Version 40[1], im Folgenden kurz: MautO) u.a. fest, dass sich der Kraftfahrzeuglenker vor dem Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes über die technische Funktionstüchtigkeit der GO-Box durch einmaliges Drücken (kürzer als zwei Sekunden) der Bedientaste zu vergewissern hat, wobei diese Statusabfrage ausschließlich der Überprüfung der technischen Funktionstüchtigkeit der GO-Box dient.
2.1. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer – allseits unbestritten – zum Tatzeitpunkt mit einem KFZ, das ein Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen aufweist, die Autobahn A 1 in Fahrtrichtung Salzburg benutzt. Da die Autobahn A 1 gemäß Teil B, Pkt. 3.1. der MautO zum mautpflichtigen Straßennetz zählt, unterlag er sohin nach § 6 BStMG der Verpflichtung, hierfür eine fahrleistungsabhängige Maut zu entrichten.
2.2. Weiters steht außer Streit, dass im Zuge einer von einem Mautaufsichtsorgan am 22. Dezember 2014 durchgeführten Kontrolle festgestellt wurde, dass die vom Rechtsmittelwerber verwendete GO-Box mit einer spannungslosen Batterie ausgestattet und somit völlig funktionslos war, d.h. weder optische noch akustische Signale abgegeben hat.
2.3. Hinsichtlich des Tatzeitpunktes (16. Dezember 2014) liegt allerdings keine gleichartige Feststellung vor.
Diesem Umstand kommt jedoch vor dem Hintergrund, dass die Bestrafung des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zufolge dezidiert nicht wegen des Grunddeliktes des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 BStMG (Nichtentrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut infolge Nichtabbuchung von Mautguthaben) – was im Hinblick auf den Tatzeitraum (11. bis 22. Dezember 2014) ein Dauerdelikt bzw. ein fortgesetztes Delikt verkörpert hätte –, sondern wegen des (während des Tatzeitraumes mehrfach begangenen) Spezialdeliktes des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 4 BStMG (Nichtentrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut durch Verwendung eines nicht den Bestimmungen der MautO entsprechenden Gerätes) erfolgte, maßgebliche Bedeutung zu.
Wenn nämlich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einwendet, dass er – bezogen auf den hier in Rede stehenden Tatzeitpunkt (16. Dezember 2014, 21:21 Uhr) – vor Fahrtantritt ohnehin eine Überprüfung durchgeführt habe und dabei das Gerät dem Pkt. 8.2.4.2. des Teiles B der MautO entsprechend grün aufgeleuchtet hätte (sog. Statusabfrage), so resultieren daraus in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Tatanlastung zwei diametrale Alternativen:
Entweder unterstellt man das Vorbringen des Rechtsmittelwerbers als zutreffend und geht dementsprechend davon aus, dass die GO-Box erst zum Kontrollzeitpunkt, nicht aber auch schon zum Tatzeitpunkt infolge spannungsloser Batterien völlig funktionsunfähig war – mit der weiteren Konsequenz, dass die feststehende Nichtabbuchung auf Grund einer anderen Ursache unterblieben ist –, oder man qualifiziert diesen Einwand als unzutreffend und nimmt an, dass die ex post, nämlich erst am 22. Dezember 2014 getroffene Feststellung der völligen Funktionsuntauglichkeit de facto in gleicher Weise auch schon drei Tage zuvor gegeben war.
Davon ausgehend, dass es sich insoweit nicht um eine auf der Ebene des Verschuldens angesiedelte Problematik handelt – sodass eine Heranziehung der in § 5 Abs. 2 VStG normierten Beweislastumkehr schon von vornherein ausscheidet –, kommt sohin als allgemeiner Grundsatz zum Tragen, dass die Strafbehörde die Tatbestandsmäßigkeit des deliktischen Handelns nachzuweisen hat, widrigenfalls gemäß Art. 6 EMRK vom Nichtvorliegen einer Straftat auszugehen ist.
Unterstellt man aber vor diesem Hintergrund unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles, wonach die tatsächliche Feststellung der völligen Funktionsuntauglichkeit der GO-Box erst einige Tage nach dem Tatzeitpunkt erfolgte, dass die in dieser befindlichen Batterien in gleicher Weise auch schon am 16. Dezember 2014 um 21:21 Uhr keine Spannung mehr aufgewiesen haben, ohne für diese Annahme über einschlägige weitere Nachweise zu verfügen, erhebt sich damit die grundsätzliche Frage nach den rechtlichen Grenzen der Verbindlichkeit eines bloßen Indizienbeweises. Diese Schranken sind aber bei (kombinierten) Unterlassungsdelikten – ein solches verkörpert § 20 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 und Abs. 4 BStMG und i.V.m. Teil B, Pkt. 8.2.4.2. MautO (Benutzung des mautpflichtigen Straßennetzes unter Nichtabbuchung der fahrleistungsabhängigen Maut infolge unterlassener Vergewisserung hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit der GO-Box) – wegen der regelmäßig vielfältigeren Möglichkeiten eines erfolgsbezogenen hypothetischen Kausalverlaufes vergleichsweise höher anzusetzen als bei reinen Tätigkeitsdelikten. Davon ausgehend erweist sich somit ein Indizienbeweis i.d.R. als nicht hinreichend, um das zweifelsfreie Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung begründet voraussetzen zu können, wenn sogar in der Gebotsnorm selbst mehrere Ursachen als für den Erfolgseintritt gleichwertig angeführt sind – wie z.B. nach der MautO, in der neben der völligen Funktionsuntüchtigkeit der GO-Box auch andere Gründe bzw. Möglichkeiten einer Funktionsstörung genannt werden (vgl. die Punkte 8.2.4.2. bis 8.2.4.4. des Teiles B der MautO) – und das Zutreffen einer solchen Alternative nicht verlässlich ausgeschlossen werden kann.
2.4. Da auf Grund der im gegenständlichen Fall konkret vorliegenden Umstände nicht mit Sicherheit verneint werden kann, dass der Rechtsmittelwerber vor Antritt der konkret am 16. Dezember 2014 vorgenommenen Fahrt ohnehin die in Pkt. 8.4.2.2. des Teiles B der MautO vorgesehene Statusabfrage durchgeführt hat, sodass die Nichtabbuchung der fahrleistungsabhängigen Maut nicht in einer anderen Funktionsstörung oder Ursache begründet ist, war im Zweifel nach Art. 6 Abs. 2 EMRK von der Nichterwiesenheit der Tatanlastung auszugehen.
2.5. Dem entsprechend war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis – mit dem der Rechtsmittelwerber dezidiert wegen einer Benutzung des mautpflichtigen Straßennetzes unter Nichtabbuchung der fahrleistungsabhängigen Maut infolge unterlassener Vergewisserung hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit der GO-Box bestraft wurde – aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.
3. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG kein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.
V.
Revision an den Verwaltungsgerichtshof
Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.
Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich
Dr. G r o f
[1] Downloadbar unter: http://www2.asfinag.at/web/guest/maut/mautordnung/archiv.