LVwG-350153/2/GS/JB
Linz, 21.09.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde von Frau P.C., geb. x, vertreten durch E. & P. OG, Rechtsanwälte und Strafverteidiger, x, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn, vom 1.4.2015, GZ. BHBR-2014-91167/39-Sch, wegen Vorschreibung eines Kostenersatzes nach § 48 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 (Oö. SHG)
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 1.4.2015, GZ. BHBR-2014-91167/39-Sch, wurde zum Antrag des Sozialhilfeverbands B. vom 25.3.2015 iVm dem Aktenvermerk vom 1.4.2015 betreffend die Festsetzung eines Kostenersatzes für die Heimunterbringung und -betreuung der Frau E.L., geb. x, verstorben x, wohnhaft gewesen im Seniorenheim A., entschieden, dass aufgrund einer Schenkung im Sinne des § 48 Oö. SHG Frau P.C. dem Sozialhilfeverband B. Kostenersatz in der Höhe von 10.625 Euro zu leisten hat. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, dass Frau E.L. von 1.5.2013 bis 30.1.2015 auf Kosten des Sozialhilfeverbands B. im Seniorenheim A. betreut worden sei. Sie habe einen Kostenbeitrag geleistet, der nicht kostendeckend gewesen wäre. Mit Übergabevertrag vom 9.2.2012 hätten Frau P.C. und Frau B.L. einen Viertelanteil der Liegenschaft EZ x, KG x, zu gleichen Teilen von Frau E.L. übergeben erhalten. Daraus ergebe sich, dass Frau P.C. einen Achtelanteil der betreffenden Liegenschaft erhalten habe. Da die Übergabe innerhalb von fünf Jahren vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe, der sogenannten „Pensionsteilung“, stattgefunden habe, träfen zum Zeitpunkt, als die Sozialhilfe beantragt worden wäre, die Voraussetzungen des § 48 Oö. SHG zu. Um ein Kostenersatzverfahren zu vermeiden, habe Frau P.C. die Schenkung, resp. die Übergabe, rückabwickeln wollen. Deshalb wäre der Behörde ein Wertermittlungsgutachten der V. vom 8.5.2012 vorgelegt worden, in dem ein Liegenschaftswert von 46.312 Euro (bzw. 9.500 Euro für einen Viertelanteil) skizziert worden. Der Wert eines Viertelanteils der Liegenschaft hätte demnach also zwischen rund 9.500 Euro und rund 11.500 Euro betragen. Letztendlich habe Frau P.C. 5.000 Euro auf ein Sparbuch der Frau L. überwiesen, wodurch ein Kostenersatzverfahren nach § 48 Oö. SHG damals abgewendet worden wäre. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass der Behörde im Zuge des Verfahrens zur Prüfung auf Anspruch der Sozialhilfe im Jahr 2012 offenbar ein falscher Verkehrswert der Liegenschaft bekannt gegeben worden wäre. Einer anonymen Anzeige zu Folge sei die Liegenschaft nämlich um 41.000 Euro verkauft worden. Laut Kaufvertrag wäre ein Verkaufspreis von 125.000 Euro erzielt worden. Der tatsächliche Verkaufswert eines Viertels der Liegenschaft belaufe sich demnach auf 31.250 Euro, der eines Achtelanteils auf 15.625 Euro. Abzüglich des Betrages von 5.000 Euro zur Rückabwicklung der Schenkung von Frau C. an Frau L. verbleibe daher schließlich eine restliche Geschenksumme von 10.625 Euro. Zu § 48 Oö. SHG (sonstige Ersatzpflichtige) sei festzustellen:
- Frau E.L. habe Frau P.C. den Liegenschaftsanteil innerhalb von fünf Jahren vor der Inanspruchnahme der Sozialhilfe übergeben;
- das Achtfache des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende betrage aktuell 6.978,48 Euro;
- der Geschenkwert betrage 15.625 Euro; abzüglich einer teilweisen Rückabwicklung in Höhe von 5.000 Euro verbleibe aktuell restliche 10.625 Euro; - die offenen Kosten des Sozialhilfeverbands würden sich für die Zeit von 1.5.2013 bis 31.12.2014 auf 23.097,32 Euro belaufen; von 1.5.2013 bis einschließlich 30.1.2014 würden sie sich auf 25.533,82 Euro.
Die Voraussetzungen des § 48 Oö. SHG wären demnach erfüllt. Da der ungedeckte Aufwand die Kostenersatzforderung übersteige, sei der Kostenersatz sofort in vollem Umfang geltend zu machen. Ein Vergleichsversuch entsprechend § 52 Abs. 1 Oö. SHG wäre im gegenständlichen Verfahren unternommen worden. Ein Vergleich wäre nicht zustande gekommen.
I.2. In der gegenständlichen Beschwerde vom 30.4.2015 wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, weil es entgegen den Ausführungen in der Begründung sehr wohl einen rechtskräftigen Vergleich zwischen der Beschwerdeführerin (Bf) und der belangten Behörde gäbe. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Behörde im Zuge des Verfahrens zur Prüfung über den Anspruch auf Sozialhilfe im Jahr 2012 offenbar ein falscher Verkehrswert der Liegenschaft bekannt gegeben worden sei. Die Problematik des Liegenschaftsanteiles der zwischenzeitig verstorbenen E.L. wäre anlässlich eines Besprechungstermins bei der Bezirkshauptmannschaft (BH) Braunau mit dem zuständigen Sachbearbeiter am 30.7.2012 erörtert worden. Es wäre bei dieser Gelegenheit über den Liegenschaftsanteil der Mutter und darüber gesprochen worden, dass beabsichtigt wäre, das Haus zu veräußern, woraus die Bf und ihre Schwester niemals einen Hehl daraus gemacht hätten. Die Bf und ihre Schwester hätten dem Sachbearbeiter der BH bei diesem Gespräch ein Gutachten der V. A.-B. über den Verkehrswert der Liegenschaft mitgenommen. Es wäre der Sachbearbeiter der BH gewesen, der darauf hingewiesen habe, dass es möglicherweise ein unnötiger Aufwand wäre, ein Schätzgutachten in Auftrag zu geben und ein Bankgutachten vorgelegt werden könne. Dieses Gutachten wäre dann tatsächlich am 8.5.2012 von der V. A.-B. erstellt worden. In der Niederschrift bei der BH über die Vergleichsverhandlungen vom 30.7.2012, GZ. SO10-689407-HE-BR, wäre ausdrücklich festgehalten: „Da Banken, im Hinblick auf die Belehnung von Grundstücken, Liegenschaften sehr vorsichtig und im Bereich des Minderwertes schätzen, ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Verkehrswert der Liegenschaft höher ist, als im Gutachten ausgewiesen ist.“ Einvernehmlich wäre dann das Gutachten der V. A.-B. für die Vergleichsverhandlungen herangezogen worden, welches grundsätzlich einen Verkehrswert der Liegenschaft von 46.312 Euro ausweise, wobei unter anderem ein Abzug von 25 % für im ganzen Haus vorhandene Feuchtigkeitsschäden getätigt worden sei. Der Verkehrswert ohne diese Schäden wäre daher mit 61.749 Euro beurteilt worden. Ausgewiesen wäre im Gutachten auch, dass für einen Liegenschaftsanteil, konkret den Viertelanteil der gemeinsamen Mutter, ein 18%-iger Abschlag wegen der schlechteren Verwertbarkeit vorzunehmen sei. Basierend auf diesen Umständen, die dem Leiter der Amtshandlung vollumfänglich bekannt gewesen wären, habe die belangte Behörde mit der Bf und ihrer Schwester dann einen rechtsgültigen Vergleich abgeschlossen. Der Vorwurf, der Behörde sei offenbar ein falscher Verkehrswert der Liegenschaft bekannt gegeben worden, entbehre sohin jeglicher Grundlage. Es könne auch keinesfalls darauf ankommen, welcher Kaufpreis von der Bf und ihrer Schwester zu einem viel späteren Zeitpunkt erzielt worden wäre, sondern lediglich welchen Verkehrswert die Liegenschaft zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses mit der BH Braunau aufgewiesen habe. Es ergebe sich in keiner Weise, dass die Bf dem Sozialhilfeverband B. etwas verschleiert hätte. Vielmehr wäre sogar darauf hingewiesen worden, dass das dem Vergleich zugrundeliegende Bankschätzungsgutachten als im unteren Bereich angesiedelt zu betrachten sei. Aus der Niederschrift der BH Braunau am Inn vom 30.7.2012 ergebe sich auch eindeutig, dass es die belangte Behörde gewesen wäre, die sich die Kosten einer eigenen Schätzung ersparen hätte wollen und daher den abgeschlossenen Vergleich über den Betrag von je 5.000 Euro initiiert habe. Zumal habe die belangte Behörde im Vergleich vom 30.7.2012 rechtsgültig bei Bezahlung von je 5.000 Euro durch die Bf und ihre Schwester auf weitere Ansprüche aus dem Titel des Schenkungsvertrages vom 9.2.2012 verzichtet. Somit sei der bekämpfte Bescheid völlig verfehlt und rechtswidrig. Selbst wenn die belangte Behörde der Ansicht sei, dass der am 30.7.2012 abgeschlossene Vergleich anzufechten sei, habe die belangte Behörde dies vor den ordentlichen Gerichten durchzuführen. Wie bereits ausgeführt, gäbe es jedoch keinerlei Grundlage den Vergleich vom 30.7.2012 anzufechten, weil die Bf und ihre Schwester ja ohnehin einen Vergleichsbetrag von je 5.000 Euro bezahlt hätten, obwohl laut Schätzgutachten der V., wie dies in der Niederschrift festgehalten worden sei, die Freibetragsgrenze laut § 48 Oö. SHG noch nicht erreicht gewesen wäre.
I.3. Mit Schreiben vom 26.5.2015, eingegangen beim Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) am 29.5.2015, übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Braunau dem Oö. LVwG die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt.
I.4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.
II. Folgender entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest:
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides ausdrücklich das Wertermittlungsgutachten der V. vom 8.5.2012 an, in dem für die betreffende Liegenschaft ein Wert von 46.312 Euro ermittelt wurde. Im genannten Bescheid der belangten Behörde ist außerdem der von Frau P.C. tatsächlich überwiesene Betrag von 5.000 Euro angeführt. Unstrittig basiert der am 30.7.2012 vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau geschlossenen Vergleich auf dem genannten Schätzgutachten der V., in dem ein Verkehrswert für die genannte Liegenschaft von 46.312 Euro festgestellt wurde.
IV. Rechtliche Beurteilung:
(6) ...
Ob der Sozialhilfeverband B. als Träger sozialer Hilfe im gegenständlichen Fall seine Ansprüche gegenüber der Bf aus dem Grund eines Teiles der Übergabe der Liegenschaft EZ X, KG W., gegenüber der Bf geltend machen kann, richtet sich nach § 52 Oö. SHG.
Nach Abs. 3 leg.cit. hat die Behörde nur dann mit Bescheid auf Antrag des Trägers sozialer Hilfe abzusprechen, wenn entweder ein Vergleichsversuch nicht unternommen wurde oder ein Vergleich nicht zustande gekommen ist.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde wurde betreffend die Übergabe eines Anteiles der genannten Liegenschaft an die Bf sehr wohl ein Vergleich geschlossen. Dieser Vergleich ist in der Niederschrift von der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 30.7.2012, GZ. SO10-689407-HE-BR, festgehalten. Gegenstand dieses Vergleiches war ein durch die Übergabe eines Teiles der betreffenden Liegenschaft allenfalls ausgelöster Kostenersatz. Dem Vergleich lag ein Schätzungsgutachten der V. zu Grunde, in dem ein Liegenschaftswert von 46.312 Euro ausgewiesen ist. Durch die tatsächlich erfolgte Bezahlung eines Vergleichsbetrages von 5.000 Euro durch die Bf, ist im Vergleich ausdrücklich festgehalten, dass der Sozialhilfeverband aus dem Titel der angeführten Schenkung des Liegenschaftsanteiles keine weiteren Ansprüche mehr stellt. Somit wurde über den gegenständlichen Liegenschaftsanteil, der für die Auslösung einer Kostenersatzpflicht herangezogen wurde, unstrittig am 30.7.2012 in einer öffentlichen Urkunde (Niederschrift) ein Vergleich geschlossen. Dies wird auch von der belangten Behörde im in Beschwerde gezogenen Bescheid grundsätzlich nicht bestritten. In der Begründung ist anfangs nämlich festgehalten, dass durch die Überweisung von 5.000 Euro von Frau P.C. damals ein Kostenersatzverfahren nach § 48 OÖ. SHG abgewendet wurde. Das von der Behörde eingefügte Wort „damals“ ist im gegenständlichen Fall jedoch irreführend.
Da das Oö. SHG keine Begriffsbestimmung des Vergleiches enthält, ist dieser Begriff nach § 1380 ABGB zu bestimmen. Darnach heißt ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet, Vergleich. Ein Vergleich ist somit die unter beiderseitigem Nachgeben unverständliche neue Festlegung streitiger oder zweifelhafte Rechte. Ein Vergleich bereinigt sohin ein strittiges oder zweifelhaftes Rechtsverhältnis (vgl. z.B. VwGH vom 21.3.2012, 2011/16/0122).
Durch den am 30.7.20212 geschlossenen Vergleich wurde somit die Kostenersatzpflicht aufgrund der Übergabe des genannten Liegenschaftsanteiles an die Bf endgültig bereinigt. Eine allfällige Anfechtung des genannten Vergleiches würde in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen (siehe z.B. OGH, 8.10.2008, GZ 9 Ob 30/08i).
Aus den angeführten Gründen steht somit fest, dass in der gegenständlichen Angelegenheit entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sehr wohl ein Vergleich zu Stande gekommen ist.
Folglich kommt der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 3 Oö. SHG keine Zuständigkeit zu, mit schriftlichen Bescheid über einen Kostenersatz betreffend die Übertragung des genannten Liegenschaftsanteiles abzusprechen. Die belangte Behörde hätte vielmehr den Antrag des Sozialhilfeverbandes auf Kostenersatz wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen. Sofern nunmehr der Antrag des Sozialhilfeverbandes nicht zurückgezogen wird, hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren dies bescheidmäßig zu erledigen.
Aus den angeführten Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Hinweis
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag.a Gabriele Saxinger