LVwG-600946/9/BR

Linz, 17.09.2015

I M  N A M E N   D E R  R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter         Mag. Dr. Bleier über die Beschwerde der E B, geb. 1977, F,  S M, vertreten durch Dr. P B, Rechtsanwalt, D, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 28.05.2015, GZ: VerkR96-4803-2014,  nach der am 16.9.2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

 

 

 

I.        Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z1 VStG eingestellt.

 

 

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG entfallen sämtliche Verfahrens-kostenbeiträge.

 

 

 

III.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschwerdeführerin wegen des Verstoßes nach § 106 Abs. 5 Z2 KFG gemäß        § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von 70 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt. Es wurde ihr sinngemäß zur Last gelegt, sie habe am 06.02.2014, 07:55 Uhr, in Traun, Untere Dorfstraße x, als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen LL-... nicht dafür gesorgt gehabt, dass zwei beförderte Kinder, welche das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und kleiner als 150 cm gewesen sind, durch eine deren Größe und dem Gewicht entsprechende Rückhalteeinrichtung gesichert waren.

 

 

I.1. Die Behörde führte begründend Folgendes aus:

Gemäß § 106 Abs. 2 KFG sind, sofern ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet, Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet, sofern nicht Abs. 5 Anwendung findet.

 

Gemäß § 106 Abs. 5 Ziffer 2 KFG hat der Lenker dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind, in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern.

 

Wer gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Die Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen wurden im Zuge der Verkehrskontrolle am 06.02.2014 festgestellt und der Behörde zur Anzeige gebracht.

 

Gegen die persönlich am 20.02.2014 zugestellte Strafverfügung haben sie mit Schreiben vom 03.03.2014 unbegründeten Einspruch eingebracht.

 

Aufgrund der Bestimmungen der §§ 40 und 42 VStG wurde mittels Aufforderung zur Rechtfertigung das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet.

 

In Ihrer Rechtfertigung vom 31.03.2014 haben Sie sich gegen die Anlastung ausgesprochen, zumal die Kinder vor Antritt vorschriftsmäßig angegurtet waren. Sollten die Gurte zum Zeitpunkt der Betretung nicht richtig angelegt gewesen sein, so wurde die Position von den Kindern während der Fahrt verändert. Ich habe die Kinder vor Beginn der Fahrt belehrt, dass Sie die Position der Gurte nicht verändern dürfen.

In weiterer Folge wurden im Zuge des Ermittlungsverfahrens die Zeugen niederschriftlich einvernommen, wobei Grlnsp. G mitteilte, dass das 2- jährige Kind in einem gesicherten Kindersitz saß, jedoch verlief der Gurt nicht über die Schultern, sondern locker über den Oberarmen.

 

Das zweite Kind (5 Jahre) saß auf einem Kindersitz und hatte den 3-Punkt-Gurt angelegt. Dieser verlief jedoch nicht über die Schulter, sondern entlang des Halses.

 

Der zweite anwesende Beamte (Insp. T) wurde ebenso niederschriftlich einvernommen, wobei dieser zum selben inhaltlichen Ergebnis kam.

 

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Niederschriften vollinhaltlich verwiesen.

 

Dieser im Ermittlungsverfahren gewonnene Sachverhalt wurde Ihnen mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.07.2014 ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 30.07.2014 haben sie sich erneut gegen die Anlastung ausgesprochen. Sie teilten neuerlich mit, dass sowohl bei der Wegfahrt als auch während der Fahrt die Kinder gesetzeskonform gesichert waren. Die beiden Kinder haben offensichtlich erst nach oder kurz vor der Anhaltung die Gurtenlage verändert.

 

Im Übrigen wird auf die Stellungnahme verwiesen.

 

Der Sicherheitsgurt ist bei jeder Fahrt entsprechend seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch ordnungsgemäß zu benutzen. Dies ist dann der Fall, wenn der Sicherheitsgurt so verwendet wird, dass er die ihm zugewiesene Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich des jeweiligen Fahrzeuginsassen erfüllen kann, was aber nur dann zu bejahen ist, wenn der Schultergurt auch tatsächlich über die Schulter geführt wird, sodass die angestrebte Rückhaltewirkung vollständig erfüllt werden kann. Die Verpflichtung zur Kindersicherung trifft den Lenker.

 

Ein zweijähriges Kind vermag in keiner Weise eine Änderung der Rückhalteeinrichtung, bei vorheriger ordnungsgemäßer Sicherung, herbeizuführen.

 

Hinsichtlich der nichtentsprechenden Rückhalteeinrichtung des zweiten Kindes, wird auf den Inhalt der VStV-Anzeige sowie der getrennten Zeugenniederschriften verwiesen.

 

Die mangelhafte Gurtenlage wurde durch beide Beamte festgestellt.

 

Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht wirksam vorgebracht worden und haben sich auch sonst nicht ergeben.

 

Aufgrund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses erscheint es für die Behörde zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung begangen haben und Ihnen die Taten in objektiver und - da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind -auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen sind.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 AVG hat sich die Behörde bei der Erledigung von Verfahren so viel als möglich einfacher, rascher und kostensparender Erledigungsformen zu bedienen.

Gemäß § 45 Abs. 1 bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind und solche für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

 

Gemäß § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

 

Bezüglich der Angaben der Zeugen ist festzustellen, dass diese verpflichtet sind, die Wahrheit zu sagen, da sie sonst mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen haben.

 

Im Übrigen wird auf die Zeugeneinvernahme und der damit verbundenen dienstrechtlichen Konsequenten einer Falschaussage, verwiesen. Diese sind schlüssig.

 

Hingegen darf sich der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren in jede Richtung verantworten, ohne irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen - VwGH 10.09.1980, Zl.: 1364/80.

 

Weiters wird auf das VwGH-Erkenntnis vom 28.09.1988, Zi. 88/02/0007 verwiesen, wonach es den zur Wahrnehmung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs bestellten und geschulten Organen der Sicherheitswache zugebilligt werden muss, dass sie in der Lage sind, Verkehrssituationen richtig zu erkennen und wiederzugeben bzw. mit Sicherheit über Folgendes Feststellungen treffen und verlässliche Angaben darüber machen zu können: Normale oder ungewöhnliche Geschwindigkeit, Kennzeichennummer, Wagentyp, Wagenfarbe, Vorgänge im Straßenverkehr im Allgemeinen, Art Beschaffenheit, Insassen und Lenkers eines KFZ (siehe VwGH-Erkenntnis vom 30.03.1979, Zl. 1839/77).

 

Straferschwerend ist zu werten, dass Sie bereits einmal einschlägig rechtskräftig bestraft wurden.

 

Hinsichtlich der Bestimmungen, wird auf Ihre Angaben in der Stellungnahme vom 31.03.2014 verwiesen.

 

Strafmildernd wurde Ihre bisherige einschlägige verfahrensrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Strafmildernde Umstände lagen nicht vor.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten gründet sich auf die gesetzlichen Bestimmungen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

II. In der fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Beschwerde wird dem Schuldspruch mit folgenden Ausführungen entgegen getreten:

Gegen das Straferkenntnis der BH Linz-Land vom 28.5.2015 zu VerkR96-4803-
2014-pac/p-Akt SE, zugestellt per 8.6.2015, erhebe ich durch meinen
Rechtsvertreter innerhalb offener Frist

 

Beschwerde

 

an das Landesverwaltungsgericht OÖ.

Das zitierte Straferkenntnis der BH Linz-Land wird seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten.

 

Gem. zitiertem Straferkenntnis hätte ich als Lenkerin nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften des KFG eingehalten wurden, da festgestellt wurde, dass ich Kinder, welche das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und kleiner als 150 cm waren, befördert habe und diese dabei nicht mit einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht der Kinder jeweils entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringert, gesichert hätte. Anzahl der beförderten Kinder: 2.

Dadurch hätte ich § 106 (5) Z 2 KFG verletzt. Gem. § 134 (1) KFG wurde über mich eine GS i.H.v. € 70,- verhängt und im NEF eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Die Kosten des Verfahrens wurden mit € 10,- bestimmt.

Als Beschwerdegründe werden geltend gemacht:

 

1. Unrichtige Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:

 

Die Erstbehörde vermeint, ich hätte Umstände, welche mein Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, im Verfahren nicht wirksam vorgebracht. Dabei übersieht die Erstbehörde, dass ich vorgebracht habe, dass auch beide im Fond mitfahrende Kinder, ebenso wie mein am Beifahrersitz vorschriftsmäßig gesichert mitfahrender Sohn, sowohl bei der Wegfahrt als auch während der Fahrt gesetzeskonform gesichert waren. Ich fügte hinzu, dass beide Kinder offensichtlich erst nach oder kurz vor der Anhaltung die Gurtenlage verändert haben müssen. Dazu bemerkt die Erstbehörde lediglich, lakonisch, dass ein 2-jähriges Kind in keiner Weise eine Änderung der Rückhalteeinrichtung bei vorheriger ordnungsgemäßer Sicherung herbeiführen könne. Diese Auffassung der Erstbehörde bestreite ich. Hinsichtlich meines zweiten im Fond mitfahrenden Kindes (5 Jahre alt) verweist die Erstbehörde auf den Inhalt der VStV-Anzeige sowie auf die getrennten Zeugenniederschriften.

Darüber,  ob  mein  5-jähriges  Kind  in  der  Lage sei, eine Änderung der Rückhalteeinrichtung während  der  Fahrt  bei  vorheriger ordnungsgemäßer Sicherung herbeizuführen, schweigt sich die Erstbehörde aus.

 

Zur Frage, dass es einem zweijährigen Kind möglich ist, die Rückhalteeinrichtung (Gurten) während der Fahrt bei ursprünglich ordnungsgemäßer Sicherung zu verändern, beantrage ich die Einholung eines sicherheitstechnischen Gutachtens.

 

Ich begehre daher die Feststellung, dass meine beiden im Fond mitfahrenden Kinder kurz vor oder kurz nach unserer Anhaltung die Gurtenlage verändert haben. Weiters begehre ich die Feststellung, dass ich sowohl bei Beginn der Fahrt ordnungsgemäß für die Sicherung auch der beiden im Fond mitfahrenden Kinder als auch während der Fahrt, soweit dies unter Wahrung der Verkehrssicherheit eben möglich war, Sorge getragen habe und die Sitzpositionen meiner Kinder im Fond des PKW überprüft habe.

 

Dafür, dass die beiden Kinder die Gurten erst unmittelbar vor unserer Anhaltung verändert haben spricht der Umstand, dass ich den Kindern angekündigt habe, dass wir jetzt anhalten werden. Beide Kinder mögen das so aufgefasst haben, dass wir jeden Augenblick bei uns zu Hause einlangen werden, weshalb sie bereits in kindlicher Weise versucht haben, sich der Gurten irgendwie zu entledigen.

 

Diesen meinen Aussagen konnte die Erstbehörde nichts an Gewicht entgegen halten.

 

2. Unrichtige rechtliche Beurteilung:

 

Mir wird zur Last gelegt, ich hätte am 6.2.2014 meine beiden im Fond beförderten Kinder nicht mit einer jeweils entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringert, gesichert. Dadurch hätte ich die Rechtsvorschrift des § 106 (5) Z 2 KFG verletzt. Aus der gesamten Anzeige der PI Traun geht nicht hervor, dass die Rückhalteeinrichtungen meiner Kinder im Fond des PKW nicht geeignet gewesen wären. Beide verwendeten Rückhalteinrichtungen sind sehr wohl (technisch) geeignet gewesen, die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall zu verringern. Dh., ich war mit geeigneten Rückhalteeinrichtungen für meine beiden Kinder unterwegs. Demnach kann ich die Vorschrift des § 106 (5) Z 2 KFG nicht verletzt haben. Sowohl der verwendete H-Gurt als auch der 3-Punkt-Gurt sind geeignete Rückhalteeinrichtungen und waren beide im Tatzeitpunkt auch voll funktionsfähig.

 

3. Unrichtige Strafbemessung:

 

Von den beiden Meldungslegern wurde bestätigt, dass ich sofort nach der Anhaltung die Gurten meiner beiden im Fond sitzenden Kinder wieder zurechtlegte. Wie die Meldungsleger daher zur Auffassung kommen können, ich hätte alles ignoriert und sei in keiner Weise einsichtig gewesen, ist nicht nachvollziehbar. Jedenfalls zeigt sich durch mein Zurechtrücken dieser Sicherheitsgurte, dass ich gewillt war, dass meine Kinder ordentlich angegurtet sind. Ich habe daher nicht bestritten, dass im Zeitpunkt der Anhaltung die Gurtenlage in Ordnung war. Es gab allerdings sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zwischen mir und den Polizisten.

 

Der Umstand, dass ich sofort die Gurten der im Fond mitfahrenden Kinder zurechtlegte, hätte als mildernd gewertet werden müssen. Mir wäre so ein bloß geringes Verschulden zur Last zu legen, sodass die Voraussetzungen der Erteilung einer Ermahnung i.S.d. § 45 (1) letzter Satz VStG vorliegen.

 

Aus all diesen Gründen stelle ich folgende

 

B e s c h w e r d e a n t r ä g e

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge meiner Beschwerde Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns der BH Linz-Land vom 28.5.2015 zu VerkR96-4803-2014-pac/p-Akt SE dahingehend abändern, dass das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

 

In eventu möge bloß eine Ermahnung i.S.d. § 45 VStG ausgesprochen werden.

 

Es wird die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung i.S.d. §§ 44f VwGVG beantragt.Für meine Vernehmung möge ein Dolmetscher für die mazedonische Sprache beigezogen werden.

Linz, am 6. Juli 2015                                                                         E B“

 

 

 

III: Die Behörde hat den Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht mit Vorlageschreiben vom 7.7.2015 unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses und mit dem Hinweis vorgelegt, dass von einer Beschwerdevorentscheidung mangels eines zu erwartenden anderen Sachausganges abgesehen wurde. 

 

III.1. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war vor dem Landesverwaltungsgericht antragsgemäß durchzuführen (§ 44 Abs. 1 VwGVG).  

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der die Beschwerdeführerin im Beisein deren Schwägerin T B als Sprachhelferin gehört und die einschreitenden Beamten GI G und Insp. T als Zeugen einvernommen wurden. Die Behörde war entschuldigt nicht vertreten.

 

 

 

IV. Der Anzeigeinhalt:

Laut Anzeige wurde von der Beschwerdeführerin ein zweijähriges Kind hinter dem Fahrersitz in einem gesicherten Kindersitz transportiert, wobei jedoch der sogenannte „H-Gurt“ wohl angelegt, jedoch nicht über die Schultern des Kindes  sondern entlang der Oberarme verlief. Das ebenfalls im Fahrzeug transportierte fünfjährige Kind befand sich auf einem Kindersitz (Sitzunterlage) hinter dem Beifahrer und hatte den „3-Punkt-Gurt“ angelegt. Diese verlief jedoch ebenfalls nicht über die Schulter, sondern entlang des Halses. Es war somit kein geeigneter Rückhalt gegeben. Die Lenkerin fuhr auf der unteren Dorfstraße von der Friedhofstraße kommend in Richtung Defreggerstraße.

Des Weiteren wird in der Anzeige dargelegt, dass, nachdem die Lenkerin zur Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten worden war und ihr die Verstöße mitgeteilt wurden, diese aus dem Fahrzeug ausstieg und angegeben habe, sie hätte alles richtig gemacht, dass sie bereits einmal eine Strafe von 70 Euro bekommen habe. Die Angezeigte gab in der Folge gegenüber dem GI G an, dass der „H-Gurt“ sehr wohl über die Schulter laufen müsse und nicht über den Oberarmen. Die H-Gurte waren ziemlich lose, sodass das Band, welches zum Festziehen der Gurte angebracht ist, nicht sichtbar war. Auch dies wurde durch den Beamten der Beschwerdeführerin mitgeteilt.

Diese wurde dann immer aufgebrachter, legte die H-Gurte über die Schultern des Kindes und machte anschließend mit ihrem Handy ein Foto. Beim fünfjährigen Kind, welches auf der Sitzerhöhung mit der Lehne gesessen sei, verlief der Dreipunktgurt nicht über die Schulter, sondern entlang des Halses. Auch da wurde durch den Beamten versucht, der Lenkerin dies zu erklären wie eine richtige Rückhaltemaßnahme auszusehen habe. Auch dies wurde durch die Lenkerin ignoriert. Sie legte wiederum den Gurt über die Schulter des Kindes und machte auch hiervon im Nachhinein ein Foto. Zwischenzeitlich telefonierte sie mit ihrem Gatten. Auf das Ersuchen der Lenkerin, habe GI G mit dem Gatten am Telefon gesprochen und diesem die Übertretungen seiner Ehefrau erklärt. Als dieser schließlich gemeint habe, die Polizei würde dies nur beanstanden um Geld zu bekommen, wurde seitens des Beamten das Gespräch beendet. Die Lenkerin wurde über die Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt.

Diese Wahrnehmungen wurden laut Anzeige ebenfalls vom VB-Beamten T D gemacht.

 

 

 

V.  Erwiesener Sachverhalt und Beweiswürdigung:

 

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin dargetan, dass sie damals im sechsten Monat schwanger war und auch noch ein drittes Kind am Vordersitz beförderte.

Die Zeugen vermeinten in deren subjektiven Einschätzung, dass die Gurten nicht die ausreichende Sicherungswirkung entfalten hätten können, weil diese zu wenig festgezogen waren. Der Meldungsleger glaubte nicht, dass etwa auch durch die Kinder selbst die Gurte gelockert worden sein könnten.

Das Landesverwaltungsgericht folgt angesichts des Umstandes, dass sämtliche Kinder die Gurten angelegt hatten und die Beschwerdeführerin letztlich ihre eigenen Kinder nach bestem Wissen und Gewissen zu sichern geneigt gewesen ist. Es vermag in ihrem Verhalten kein für ein Strafverfahren gesicherter Beweis dafür erblickt werden, dass ihr mit den aus der Wahrnehmung der Meldungsleger nicht über die Schulter, sondern bloß über die Oberarme verlaufenden Gurte  ein schuldhaftes und strafwürdiges Verhalten zur Last zu legen wäre. Es kann auch nicht ausgeschlossen gelten, dass die Kinder während der offenbar nur auf eine kurze Strecke konzipierte Fahrt sich nicht selbst „etwas Freiraum verschafft“ haben könnten. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich die Gurtenpflicht missachten wollen, wären die Kinder wohl eher überhaupt nicht angegurtet worden. Dass allenfalls auf Grund der Umstände der im sechsten Monat doch schon fortgeschrittenen Gravidität der Beschwerdeführerin das Angurten auf den Rücksitzen sich mühevoll gestaltet haben könnte, wird vom Landesverwaltungsgericht ebenfalls nicht übersehen.

Die Zeugen erklärten den Grund der Anhaltung mit den insbesondere zu Schulbeginn vorgesehenen verstärkten Kontrolle in Hinblick auf die Kindersicherung.

Die Einschätzung der hier vorliegenden Kindersicherung durch die Beamten lässt jedenfalls nicht hinreichend gesichert erscheinen, dass auch durch nicht von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Umstände eine Lockerung der Gurten erfolgt sein könnte. Letztlich sei auf das im Sinne eines lebensnahen Gesetzesvollzuges auf das diesem zu Grunde liegende sprichwörtliche Augenmaß im Einzelfall verwiesen.

 

 

 

VI. Rechtlich hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

Im Lichte der obigen Feststellung ist auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes  zu § 45 Abs. 2 AVG über die freie Beweiswürdigung zu verweisen, weil ein faires Verfahren an einen (Schuld-)Beweis einen strengeren Maßstab anzulegen hat (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).

Der Verfassungsgerichtshof geht etwa im Bereich der sogenannten Ungehorsams- und/oder Unterlassungsdelikte ebenfalls davon aus, dass § 5      Abs. 1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986).

Nach § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Z 1 die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

 

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. B l e i e r