LVwG-700114/2/MB
Linz, 10.09.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des A M, geb. x, vertreten durch die Rechtsanwältin Mag. S S, W gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 01. Juli 2015, GZ: VStV/915300873455/2015,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm. § 28 VwGVG ist der Beschwerde stattzugeben, das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors zu beheben und das Verfahren einzustellen.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 1. Juli 2015, GZ: VStV/915300873455/2015, wurde über Herrn A M (Beschwerdeführer, im Folgenden: Bf), geb. x, mit nachfolgendem Spruch wegen Verletzung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden NAG) eine Geldstrafe idHv. 1.000 Euro bzw. 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie ein Kostenbeitrag idHv. 100 Euro verhängt:
Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:
geb. x, StA. von S, vor österreichischen Behörden erwirken können. Sie haben dabei am 18.04.2003 unter einer gefälschten Identität einen Asylantrag eingebracht um Ihren Aufenthalt in Österreich zu sichern. Weiters haben Sie wieder unter der gefälschten Identität mehrmals einen Erstantrag auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Rot-Weiß-Rot-Plus" bei der BH Linz-Land eingebracht. Ihnen ist es dabei durch Ihr geschicktes Vorgehen gelungen, die Behörde zu täuschen und der Aufenthaltstitel wurde für den Namen M S bewilligt. Dieser Aufenthaltstitel ist war bis zum 03.06.2015 gültig. Am 13.05.2015 gaben Sie ihre wahre Identität bekannt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf durch seine ausgewiesene Vertreterin binnen offener Frist die Beschwerde vom 29. Juli 2015 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
In der Beschwerde wird Folgendes ausgeführt:
„I. In umseits bezeichneter Rechtssache gibt die Beschwerde führende Partei bekannt, dass sie Frau Mag. S S, Rechtsanwältin, W, mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt hat und wird ersucht, Zustellungen zukünftig zu ihren Handen vorzunehmen.
II. Gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 01.07.2015, GZ: VStV/915300873455/2015, zugestellt am 01.07.2015, erhebt die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist durch ihre bevollmächtigte Vertreterin
BESCHWERDE
und stellt die
ANTRÄGE
die Beschwerdeinstanz möge
a) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen,
b) das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 01.07.2015, GZ: VStV/915300873455/2015, zugestellt am 01.07.2015, dahingehend abändern, dass dieses ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird, in eventu
c) das gegenständliche Strafverfahren aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.
III. Meine Beschwerde begründe ich wie folgt:
Der Beschwerdeführer erhebt sein gesamtes bisheriges Vorbringen zum integrierenden Bestandteil dieses Beschwerdeschriftsatzes und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine inhaltlich anderslautende Entscheidung getroffen werden müssen.
Der Beschwerdeführer hat aus eigenem Antrieb seine bislang unrichtig angegebene Identität korrigiert und eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, wobei das Verfahren zur Zahl 46BAZ 229/15i eingestellt wurde. Der Richtigkeit halber sei angemerkt, dass im Straferkenntnis unter dem Punkt „Angaben in der Rechtfertigung" vom 30.06.2015 sich nicht die in der Rechtfertigung vorgebrachten Gründe befinden, sondern Ausführungen der Behörde.
Insbesondere war seitens des Beschwerdeführers nie davon die Rede, dass seiner Meinung nach mit einer korrekten Identität die Gewährung von Asyl nicht möglich gewesen wäre. Es wird nochmals, wie bereits in der Stellungnahme ausgeführt, darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer aus S stammt und er den Aufenthaltstitel in Österreich aufgrund der prekären Situation im Heimatstaat und der damit zusammenhängenden Probleme erhalten hat. Es mag zwar verwerflich sein - auch auf Anraten der Schlepper - eine unrichtige Identität anzugeben, jedoch hat dies im gegenständlichen Fall nicht dazu beigetragen, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich den Aufenthalt damit erschlichen hat. Nicht nachvollziehbar ist dabei ins-besondere die Formulierung der erlassenden Behörde, dass es dem Beschwerdeführer gelungen sei, die Behörde zu täuschen und er dadurch seinen Plan realisieren konnte. Im abgeführten Asylverfahren wurde die Herkunft des Beschwerdeführers aus S. eindeutig festgestellt - dies aufgrund der Sprach- und Ortskenntnisse - und wurde trotz des falschen Namens und des falschen Geburtsdatums der Aufenthaltstitel aus diesem Grund nicht fälschlicherweise erschlichen.
Dass der Beschwerdeführer seine Identität so spät richtig gestellt hat ist zwar verwerflich, er bereut dieses Verhalten jedoch und ist bei vielen Asylsuchenden die Angst wieder in das Heimatland abgeschoben zu werden, welche von den Schleppern sehr nachdrücklich eingebläut wurde, so groß, dass oft lange Zeit eine Korrektur der Daten nicht erfolgt. Diese wesentliche psychische Komponente ist bei der Beurteilung des Verschuldens mit ein zu beziehen, ein weiterer Milderungsgrund ist die Tatsache, dass der Beschwerdeführer von sich aus eine Selbstanzeige erstattet hat und dieses Verfahren eingestellt wurde sowie dass der Aufenthaltstitel aufgrund der Situation in seinem Herkunftsstaat S. gewährt wurde und der Herkunftsstaat und die sonstigen Angaben zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes immer korrekt gemacht wurden.
Weiteres Vorbringen im Zuge des Verfahrens wird ausdrücklich vorbehalten.“
3. Mit Schreiben vom 20. August 2015 (eingelangt am 25. August 2015) legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II.
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nahm Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde. Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal sich bereits aus dem Akteninhalt unstrittig ergab, dass der Beschwerde des Bf stattzugeben ist.
2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I. dieses Erkenntnisses dargestellten, relevanten und unstrittigen Sachverhalt aus.
3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat gem. §§ 9 iVm 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid nur aufgrund der Beschwerde zu überprüfen.
4. Gem. § 2 VwGVG iVm FPG 2005 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch Einzelrichter zu entscheiden.
III.
1. Gemäß § 120 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I
Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 144/2013 (in der Folge: FPG), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen wer als Fremder
1. in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, oder
2. in einem Asylverfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht wissentlich falsche Angaben über seine Identität oder Herkunft macht, um die Duldung seiner Anwesenheit im Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen,
2. § 120 Abs. 2 Z 1 FPG fordert, dass in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben gemacht werden.
Insofern ist aus dem Wortlaut ersichtlich, dass das Tatbild sowohl hinsichtlich des Verfahrens als auch hinsichtlich der Behörde spezifische Voraussetzungen verlangt. Daher hat sich auch der Spruch in diesem Punkten ausreichend zu konkretisieren.
Weiters ergibt sich, dass das Tatsubjekt eine besondere Qualifikation haben muss – er muss ein Fremder sein und ist § 120 Abs. 2 Z 1 FPG nicht als Allgemeindelikt anzusehen.
Auch ist § 120 Abs. 2 Z 1 FPG mit einer überschießenden Innentendenz ausgestattet. Es wird – zusätzlich zur Wissentlichkeit der falschen Angaben – ein erweiterter Vorsatz dahingehend verlangt, dass der Täter die Tathandlung mit dem Vorsatz - hier reicht mangels anderer Regelung im Tatbestand dolus eventualis – setzt sich, wenn auch nur vorübergehend, einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen.
Es erweist sich soher das grundsätzlich weite Tatbild des § 120 Abs. 2 FPG als sehr stark subjektiv eingeschränkt. Der Täter muss es einerseits für subjektiv gewiss halten, dass er falsche Angaben macht und muss es zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass er dies zur Erschleichung eines in gewisser Weise ausgestalteten Aufenthaltes in Österreich tut.
3. Insofern ist zu erkennen, dass sowohl die Verfolgungshandlung als auch der Spruch des Straferkenntnisses die notwendige Konkretisierung (§ 48 VStG) vermissen lassen. Weiters sind sämtliche der zuvor angeführten Tatbestands- und Schuldelemente im Straferkenntnis der belangten Behörde ungeprüft geblieben und war dem Bf auch der Rechtsgrund seiner Bestrafung aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht ersichtlich (§ 48 Z 4 VStG).
4. Hinzutritt, dass es dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch verwehrt ist, die vorliegenden Mängel zu beheben, da die belangte Behörde es schließlich unterlässt einen Tatzeitpunkt festzustellen, da sich aus dem Spruch alleine ergibt, dass sie am 15.6.2015 um 9.00 Uhr etwas festgestellt hat. Wann jedoch der festgestellte Lebenssachverhalt verwirklicht wurde, wird nicht angeführt.
Dem Landesverwaltungsgericht war es zudem verwehrt hier eine Änderung vornehmen, da dies als unzulässiger Austausch der Tat zu werten wäre. Die dem Spruch der belangten Behörde anhaftende Konturenlosigkeit des Tatvorwurfes würde jede Änderung/Konkretisierung der Tat als Austausch der selbigen darstellen.
6. In diesem Sinn war dem Bf auch kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen (vgl. § 52 VwGVG).
IV.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Brandstetter