LVwG-450079/2/Gf/Mu – 450080/2

Linz, 04.08.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof aus Anlass der Beschwerden 1.) des Dr. O S und 2.) der Mag. G S, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Leonding vom 29. April 2015, Zl. 3-920-2013-2015, wegen Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung einer ergänzenden Kanalanschlussgebühr

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I.            Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den

          Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Leonding vom 12. August 2013, Zl. 3-929-2013, wurden die Anträge der Rechtsmittelwerber auf Aussetzung der Einhebung der ihnen mit Bescheid vom 3. Juli 2013 vorgeschriebenen Kanalanschlussergänzungsgebühr in Höhe von 2.427,26 Euro abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als wenig erfolgversprechend erscheine.

 

2. Gegen diesen ihnen am 14. August zugestellten Bescheid wurde von den Beschwerdeführern rechtzeitig Berufung erhoben.

 

Darin wurde vorgebracht, dass sich die Gebührenvorschreibung auf eine gesetzwidrige Verordnung stütze, weshalb die Berufung keineswegs als offenkundig erfolglos einzuschätzen sei.

 

3. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Leonding vom 29. April 2015, Zl. 3-920-2013-2015, wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid inhaltlich bestätigt.

 

Ergänzend wurde dazu ausgeführt, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 1 Abs. 3 des Oö. Interessenten-Beiträgegesetzes eindeutig sei und die Berufung sohin offenkundig erfolglos bleiben müsse.

 

4. Gegen diesen den Rechtsmittelwerbern am 6. Mai 2015 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 26. Mai 2015 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

Darin wird neuerlich auf die Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Leonding hingewiesen, weshalb sich auch der darauf basierende Bescheid zur Vorschreibung einer ergänzenden Kanalanschlussgebühr als rechtswidrig erweise.

 

5. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015, Zl. 3-920-2013-2015, hat die Gemeinde Leonding dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich den Bezug habenden Akt vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

 

 

II.

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in Verwaltungsakt der Gemeinde Leonding zu Zl. 3-920-2013-2015; da sich bereits aus diesem der oben unter I. dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit der gegenständlichen Beschwerde lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

 

III.

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

 

1. Im Wege des § 1 Abs. 1 lit. a und b des Oö. Interessentenbeiträge-Gesetzes, LGBl.Nr. 28/1958 i.d.g.F. 57/1973 (im Folgenden: OöIntBeitrG) sind die Gemeinden u.a. dazu ermächtigt, im eigenen Wirkungsbereich („auf Grund eines freien Beschlusses der Gemeindevertretung“; vgl. Art. 116 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 8 Abs. 5 F-VG und i.V.m. § 15 Abs. 3 Z. 4 des Finanzausgleichsgesetzes 2008, BGBl I 103/2007 i.d.g.F. BGBl I 17/2015 [im Folgenden: FAG 2008]) von Grundstückseigentümern einen Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanal- und/oder Wasserversorgungsanlage (Kanal- bzw. Wasserleitungsanschlussgebühr) zu erheben; als „gemeindeeigen“ gilt dabei eine Anlage, deren sich die Gemeinde – auch dann, wenn diese nicht oder nicht zur Gänze in ihrem Eigentum steht – zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben bedient.

 

Solche Interessentenbeiträge werden nach § 1 Abs. 4 OöIntBeitrG mit dem Anschluss des Grundstückseigentümers an die gemeindeeigene Anlage fällig.

 

Nähere Bestimmungen hat die Gemeindevertretung gemäß § 2 OöIntBeitrG im Wege einer Beitragsordnung zu regeln, wobei diese und deren Vollzug jeweils eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches verkörpern (vgl. Art. 118 Abs. 2 letzter Satz B-VG i.V.m. § 2a OöIntBeitrG).

 

2. Nach § 1 Abs. 3 OöIntrBeitrG darf an Interessentenbeiträgen jeweils nicht mehr erhoben werden, als den von der Gemeinde geleisteten oder voranschlagsmäßig zu leistenden Aufwendungen entspricht. Die Höhe der Interessentenbeiträge darf ferner nicht in einem wirtschaftlich ungerechtfertigten Missverhältnis zum Wert der die Beitragspflicht begründenden Liegenschaft und überdies zu dem für die Liegenschaft aus der Anlage oder Einrichtung entstehenden Nutzen stehen.

 

Diesbezüglich sind die Beschwerdeführer dem Vorbringen der belangten Behörde, dass die in den Rechnungsabschlüssen für die Wasserver- und -entsorgung ausgewiesenen Einnahmen die hierfür erforderlichen Aufwendungen nicht überstiegen haben, nicht substantiell entgegengetreten.

 

Mit ihrem bloß pauschal gehaltenen Vorbringen, dass die WGebO bzw. die KGebO der Gemeinde Leonding das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip verletzen würde, vermögen die Rechtsmittelwerber sohin keine Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit dieser Normen aufzuzeigen, weshalb sich das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich angesichts der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip (vgl. insbesondere VfGH vom 11. März 1987, G 169/86; vom 11. Dezember 1986, V 5/85; und [speziell zum Ergänzungsbeitrag] VfGH vom 9. Dezember 1986, B 561/86; sowie VwGH vom 16. Februar 2004, 99/17/0319; und [speziell zum OöIntrBeitrG] VwGH vom 21. März 2005, 2004/17/0165 [jeweils m.w.N.]) auch nicht dazu veranlasst sieht, gemäß Art. 139 Abs. 1 B VG bzw. Art. 140 Abs. 1 B VG einen entsprechenden Normenprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

 

Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem – einen der vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fall betreffenden – Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 91/17/0165, u.a. ausgeführt (Hervorhebungen jeweils im Original):

 

„§ 1 Abs. 3 zweiter Satz IBG [stellt] ohne Ausnahme auf das Verhältnis zwischen der Höhe der Interessentenbeiträge einerseits, dem Wert der LIEGENSCHAFT sowie dem für die LIEGENSCHAFT aus der Anlage oder Einrichtung entstehenden Nutzen andererseits ab, ohne dass für den Fall eines auf die Errichtung eines Aus-, Zu-, Ein- oder Umbaus zurückzuführenden Ergänzungsbeitrages eine Ausnahme vorgesehen wäre. In einem so gelagerten Fall kann daher ein sachgerechtes Ergebnis nur erzielt werden, wenn SÄMTLICHE für eine bestimmte Liegenschaft bereits entrichteten bzw. zu entrichtenden Interessentenbeiträge einer Gattung (Kanal-Anschlussgebühren, Wasserleitungs-Anschlussgebühren) zusammengerechnet und dem nunmehrigen Wert der Liegenschaft bzw. dem oben definierten Nutzen gegenübergestellt werden. So wäre etwa durchaus der Fall denkbar, dass ein zunächst zu entrichtender Interessentenbeitrag noch in einem wirtschaftlich gerechtfertigten Verhältnis zum Wert der Liegenschaft und zum ‚Nutzen‘ steht, derselbe Interessentenbeitrag ZUZÜGLICH eines auf Grund der genannten Umstände fällig werdenden Ergänzungsbeitrages jedoch in ein wirtschaftlich ungerechtfertigtes Missverhältnis zu den genannten Werten gerät.

 

In einem Fall wie dem vorliegenden ist es daher erforderlich, die Summe sämtlicher auf die Liegenschaft entfallenden Interessentenbeiträge dem Wert der Liegenschaft und dem wiederholt genannten ‚Nutzen‘, beides NACH Errichtung des Zubaus, gegenüberzustellen, um der Vorschrift des § 1 Abs. 3 zweiter Satz IBG Genüge zu tun. Hierbei wird rechnerisch der Betrag der in der Vergangenheit allenfalls geleisteten Interessenbeiträge durch entsprechende Valorisierung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches für den Zubau aufzuwerten und dieser Betrag dem nunmehrigen Wert der GESAMTEN Liegenschaft einerseits, den fiktiven Kosten der Errichtung eines Brunnens bzw. einer Abwasserbeseitigungsanlage andererseits für die GESAMTE Liegenschaft im selben Zeitpunkt gegenüberzustellen sein. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Vielmehr werden im Berufungsbescheid lediglich die ERGÄNZENDEN Anschlussgebühren einerseits, die auf den NEUBAU anteilig entfallenden fiktiven Errichtungskosten andererseits gegenübergestellt.“

 

Auf den gegenständlichen Fall übertragen bedeutet dies, dass hier zwar fiktive Kosten für die Errichtung eines Brunnens bzw. einer Abwasserbeseitigungsanlage ermittelt, jedoch weder der nachmalige Wert der Liegenschaft noch anteilige fiktive Errichtungskosten für den Neubau festgestellt noch entsprechende Valorisierungen vorgenommen wurden, weshalb der gegen die Vorschreibung der ergänzenden Kanalanschlussgebühr erhobenen Beschwerde mit hg. Beschluss vom heutigen Tag, LVwG-450077/2/Gf/Mu – 450078/2, insoweit stattgegeben wurde, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache an den Gemeinderat der Gemeinde Leonding zurückverwiesen wurde.

 

 

3. Entscheidung

 

 

Da sich die Einbringung der Rechtsmittel durch die Beschwerdeführer sohin – entgegen der Auffassung der belangten Behörde – nicht als offenkundig erfolglos erwies, war den gegenständlichen Beschwerden gemäß § 279 BAO stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

 

IV.

 

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, da eine Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. des Verwaltungsgerichtshofes zu den im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen weder fehlt (vgl. oben, III.2.) noch uneinheitlich ist noch mit der gegenständlichen Entscheidung von dieser abgewichen wurde.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f