LVwG-650464/2/Bi
Linz, 07.09.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn N J, B, L, vertreten durch H N RAe, G, B, vom 4. August 2015 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 22. Juli 2015, VerkR21-317-2015, wegen der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde dagegen,
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig wird die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid für rechtswidrig erklärt.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß § 24 Abs.4 FSG zum Zweck der Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufgefordert, sich binnen zwei Wochen, gerechnet ab Bescheidzustellung, amtsärztlich untersuchen zu lassen. Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG wurde einer allfälligen Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 24. Juli 2015.
2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht OÖ zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Beschwerde ist am 28. August 2015 h. eingelangt. Die Durchführung einer (beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 Abs.2 Z1 VwGVG.
3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, der gelegentliche Konsum von Cannabis berühre laut VwGH-Rechtsprechung die gesundheitliche Eignung nicht. Er habe ausgesagt, dass er gelegentlich und ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Pkw Cannabis konsumiere und im November 2014, vor 8 Monaten, 5 g und ein weiteres Mal 15 g Speed erworben – nicht dass er es konsumiert – habe und 10 g Kokain erworben habe, wovon er nur 1 g konsumiert habe. Die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb aufgrund dieses einmaligen Probierkonsums von Kokain und des gelegentlichen Cannabiskonsums begründete Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung bestehen sollten. Sie habe lediglich auf den Bericht der PI Laakirchen verwiesen. Er sei außerdem am 6. Juli 2015 beim Amtsarzt gewesen und habe sich untersuchen lassen, eine nochmalige Aufforderung dahingehend sei rechtswidrig.
Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde sei nicht nachvollziehbar, zumal kraft Anordnung gemäß § 24 Abs.4 3. Satz FSG die Rechtskraft des Anordnungsbescheides Voraussetzung für die Entfaltung irgendwelcher Rechtswirkungen (Formalentziehung) sei. Diese Bedingung könne durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht herbeigeführt werden. Beantragt wird seine Einvernahme, Urkunden ua, im Übrigen Aufhebung des Ausspruchs der Aberkennung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und ersatzlose Bescheidbehebung.
4. Das Landesverwaltungsgericht OÖ hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.
Aus dem Abschlussbericht der PI Laakirchen vom 2. Mai 2015 geht hervor, dass der Bf verdächtig sei, im Zeitraum zwischen 1. August 2014 und 16. Jänner 2015 in Laakirchen, B, Suchtgift, nämlich Kokain, Amphetamin (Speed), MDMA, Cannabisharz und –kraut besessen, erworben bzw unentgeltlich weitergegeben zu haben. Bei der Nachschau in der Wohnung wurde im Schlafzimmer eine Indoor-Plantage mit 13 Cannabispflanzen vorgefunden.
Der Bf wurde am 16. Jänner 2015 einvernommen und bestätigte, er habe von D.K. im August/September 2014 Marihuana für 2 Joints geschenkt bekommen und ihm später 2 g Cannabiskraut abgekauft, das er zu Hause konsumiert habe. Der Kauf von 5 g und 1 Woche später 15 g Speed sei im November 2014 gewesen. Von „I“ habe er 10 g Kokain in 10 Stück Alukugeln bekommen und zu Hause 1 g gezogen – es sei von so schlechter Qualität gewesen, dass er nicht mehr habe nehmen wollen. Ein paar Tage danach habe „I“ ihm 40 g Haschisch und 10 g Cannabiskraut verkauft und ihn gefragt, ob er nicht Suchtgift für ihn verkaufen wolle. Die Pflanzen der Indoor-Plantage seien für den Eigenkonsum gedacht gewesen, er habe sie vor 7-8 Wochen – dh Ende November 2014 – erstmals angebaut. Er sei 2009 wegen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden und habe kurz darauf seine Freundin V kennengelernt, mit der er 3,5 Jahre liiert gewesen sei; in dieser Zeit habe er keine Drogen genommen. Er habe sich von ihr im November 2013 getrennt.
Das Landesverwaltungsgericht OÖ hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH (verst. Senat 27.1.2015, 2012/11/0233) sind Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs.4 FSG begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
Wie sich aus § 14 FSG-GV ergibt, berührt ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht mehr in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (vgl auf hiezu das erwähnte E 2011/11/0026, mwN.)
Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl abermals E 2011/11/0026 und die dort zitierte Judikatur).
Der Bericht der PI Laakirchen umschreibt strafbare Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz, die unter bestimmten Voraussetzungen beim Bf den Schluss auf eine Verwirklichung einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z11 FSG, dh auf mangelnde Verkehrszuverlässigkeit, zulassen. Es besteht aber weder ein Anhaltspunkt für einen aktuellen gehäuften Missbrauch von Cannabis oder gar für eine Abhängigkeit. Der geschilderte Konsum beginnt im November 2013 und endet im Herbst 2014. Für einen Konsum seit Jänner 2015 liegen keine ausreichenden Angaben vor, Drogenharnbefunde oder gar Facharzt-Befunde diesbezüglich existieren laut dem vorgelegten Verfahrensakt nicht.
Auf dieser Grundlage ergeben sich keine ausreichenden begründeten Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
Zum Antrag auf Ausspruch, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde rechtswidrig sei, ist zu sagen, dass der Abschlussbericht mit 2. Mai 2015 datiert ist und den BH-Eingangsstempel 5. Mai 2015 trägt. Der Bf hat auf die Ladungen vom 6. und vom 29. Mai 2015, sich innerhalb von 2 Wochen zum Vorwurf des Verdachts des Suchtmittelmissbrauchs persönlich zu äußern und zur Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu erscheinen, nicht reagiert, sodass der in Beschwerde gezogene Bescheid erging.
Gemäß § 13 Abs.2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Die belangte Behörde hat den Ausspruch damit begründet, durch den Bericht der PI Laakirchen vom 2.5.2015 sei sie zur Kenntnis gelangt, dass beim Bf der Verdacht auf Suchtmittelmissbrauch durch den Konsum von Cannabis, Kokain und Amphetaminen vorliege. Sie hat damit offenbar verwechselt, dass nicht der Bf sich freibeweisen muss, sondern die Behörde die Voraussetzungen des § 24 Abs.4 FSG zu prüfen und die dort genannten „begründeten Bedenken“ schlüssig begründet darzulegen hat.
Im Licht der aktuellen Rechtsprechung des VwGH war der Ausspruch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer gegen die Anordnung gemäß § 24 Abs.4 FSG gerichteten Beschwerde daher rechtswidrig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu II.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Bissenberger