LVwG-300722/18/KLi/PP

Linz, 27.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 15.5.2015 der V. P.,
geb. x, xstraße 6/1, M., gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshauptmannes vom Braunau am Inn vom 17.4.2015,
GZ: SanRB96-1-25-2015-Sc, wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes (AuslBG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

 

II.      Die Beschwerdeführerin hat weder einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde noch zum Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 17.4.2015, GZ: SanRB96-1-25-2015-Sc, wurde über die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des § 26 Abs. 1 2. Satz AuslBG gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 lit.c AuslBG eine Geldstrafe iHv 2.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 113 Stunden verhängt. Ferner wurde die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet, einen Beitrag iHv
250 Euro zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

Sie haben am 7.2.2015 gegen 14:15 Uhr bei einer Kontrolle der „H. L.“, Haus Nr. 7, A., als Ausländerin gegenüber den Kontrollorganen der Finanzpolizei keine Angaben über die Dauer der Beschäftigung, über die Art der Beschäftigung im Betrieb und sonstige zur Vollziehung des Ausländerbe­schäftigungsgesetzes maßgeblichen Fakten gemacht und sind somit Ihrer Pflicht zur Auskunftserteilung nicht nachgekommen. Obwohl sie verpflichtet sind, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäfts­stellen des Arbeitsmarktservice, den Trägern der Krankenversicherung, den Abgabenbehörden sowie dem Bundesverwaltungsgericht die zur Durchführung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren, haben Sie dies nicht getan.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde der (unver­tretenen) Beschwerdeführerin vom 15.5.2015.

 

Zusammengefasst bringt die Beschwerdeführerin vor, ihr seien die Kontrollen der Finanzpolizei bereits bekannt, zumal für die Dauer ihrer Beschäftigung bereits einige davon stattgefunden hatten. Sie habe nur eine Woche zuvor in M. bei Kontrollorganen alles schriftlich niederlegen müssen. Sie sei sich ihrer Pflichten bewusst und beschäftige sie dieser Vorwurf sehr. Sie würde sich nie mit voller Absicht gegen die Gesetzesorgane stellen.

 

Am 7.2.2015 bei der Kontrolle sei zuerst ihr Ausweis verlangt worden, welchen sie sofort vorgezeigt habe. Nach Einsicht der Polizei sei sie frei gewesen, ihre Arbeit weiter zu verrichten. Kurze Zeit später hätten die Polizisten sie wieder sprechen wollen, diesem Wunsch hätte sie nicht nachgehen dürfen, zumal die Aufsichtsperson meinte, sie würde das alles klären. Sie habe deshalb ihre Arbeit weiter gemacht und sich nichts Schlimmes dabei gedacht, denn wie schon gesagt, würde sie den Verlauf der Kontrollen kennen und sei sich ihrer Sache sicher gewesen, denn sie habe nichts zu verbergen gehabt. Wie aus dem Nichts sei ihr dann ein Zettel gebracht worden, den sie einfach unterschreiben hätte müssen. Auf ihre Frage bekam sie die Antwort, sie solle einfach unterschreiben und müsse nicht mehr mit der Polizei reden. Die Kontrolldame habe die Unterschriften eingesammelt und diese der Polizei gegeben. Die Polizei habe eine Strafe angekündigt. Sie habe gedacht, die Firma bekäme eine Strafe, aber nicht sie.

 

Sie erhebe deswegen Berufung und beantrage sinngemäß, das gegen sie ergangene Straferkenntnis aufzuheben.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Am 7.2.2015 erfolgte eine Kontrolle durch die Finanzpolizei in ., in der „H. L.“. Dabei wurde festgestellt, dass die Beschwerde­führerin zum Zeitpunkt der Kontrolle am Kontrollort arbeitete. Die Finanzpolizei verfasste daraufhin einen Strafantrag vom 18.2.2015, FA-GZ: 071/10064/149/
9515, an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.

 

II.2. Nach einer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 24.3.2015 erging von der belangten Behörde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis vom 17.4.2015, mit dem zu I.1. dargestellten Inhalt. In weiterer Folge erhob die Beschwerde­führerin die Beschwerde vom 20.5.2015 mit dem zu I.2. dargestellten Inhalt.

 

II.3. Der Wohnsitz der Beschwerdeführerin befindet sich im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn. Der Tatort bzw. Kontrollort befindet sich im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Liezen.

 

 

III. Beweiswürdigung

 

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich vollständig aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, insbesondere der Strafantrag der Finanzpolizei, die Aufforderung zur Rechtfertigung, das angefochtene Straferkenntnis und die Beschwerde.

 

III.2. Ebenso geht aus dem Akteninhalt hervor, dass der Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und der Tat- bzw. Kontrollort im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Liezen liegt.

 

III.3. Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Gegenständlich ist der Bescheid der belangten Behörde wegen örtlicher Unzu­ständigkeit aufzuheben, sodass ungeachtet des Parteienantrages die öffentliche mündliche Verhandlung entfallen konnte.

 

 

IV. Rechtslage:

 

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

§ 29a VStG regelt die Möglichkeit der Abtretung des Strafverfahrens: Wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, kann die zuständige Behörde das Verfahren oder den Strafvollzug an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat. Das Strafverfahren darf nur an eine Behörde im selben Bundesland, der Strafvollzug nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion, insoweit diese zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, übertragen werden.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hierzu erwogen:

 

V.1. Gegenstand dieses Verfahrens ist eine der Beschwerdeführerin vorge­worfene Übertretung nach § 26 Abs. 1 2. Satz AuslBG. Der Beschwerdeführerin wird vorgeworfen, sie habe von ihr geforderte Auskünfte nicht erteilt.

 

V.2. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz sieht selbst keine konkrete Regel der örtlichen Zuständigkeit vor, anders als z.B. § 22 Abs. 4 AÜG, welcher die örtliche Zuständigkeit der in Betracht kommenden Bezirksverwaltungsbehörde regelt. Insofern sind die Zuständigkeitsbestimmungen des VStG zugrunde zu legen, um die örtliche Zuständigkeit der im vorliegenden Fall zuständigen Bezirksver­waltungsbehörde zu ermitteln.

 

V.3. Allgemein gilt zunächst, dass jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig ist, in deren Sprengel sich der Tatort befindet. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in der Vergangenheit bereits mit der Frage der örtlichen Zuständigkeit in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten auseinander zu setzen.

 

Bei Unterlassung der Verpflichtung des Arbeitsgebers, die Einhaltung der in Betracht kommenden Arbeitszeiten durch den Arbeitnehmer zu ermöglichen, sie zu überprüfen und alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicher zu stellen, ist der Tatort iSd § 27 Abs. 1 VStG dort anzunehmen, wo der Arbeitgeber hätte handeln sollen, folglich an jenem Ort, an dem die gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde (Hinweis E vom 19.5.1988, 88/08/0075) bzw. dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen (vgl. z.B. das zum Preisauszeichnungsgesetz ergangene E vom 21.12.1998, 98/17/0052, mwN). Dieser Ort wird, wenn eine solche Unterlassung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens (Hinweis E vom 21.11.1984, 81/11/0077), genauer: dem Sitz der Unternehmensleitung zusammenfallen (Hinweis E vom 25.4.1990, 88/08/0143). Es kommt daher in einem Fall, in dem das nach außen berufene Vertretungsorgan des (gesamten) Unternehmens zur Verantwortung gezogen wird, nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes) (Hinweis E vom 26.3.1987, 87/08/0031). Auch der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handels­register eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragenen Geschäfte selbständig besorgt, ändert an der örtlichen Zuständig­keit zur Untersuchung und Bestrafung derartiger Übertretungen nach dem AZG im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG nichts (Hinweis E vom 21.1.1988, 87/08/0027, mwN). [VwGH 10.6.2015, Ra 2015/11/0005].

 

Tatbildlich nach § 111 ASVG ist u.a. die Unterlassung der Erstattung von (rechtzeitigen) Meldungen. § 41 ASVG sieht – im Zusammenhang mit den dazu erlassenen Richtlinien – verschiedene Möglichkeiten vor, wie der Meldepflicht nachgekommen werden kann. Auch wenn primär die Anmeldung mittels elektronischer Datenfernübertragung erfolgen soll, stehen dem Dienstgeber damit verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung. Entscheidend für die Erfüllung der Anmeldepflicht ist, dass die Anmeldung beim Versicherungsträger einlangt; die Meldung ist dann verspätet, wenn sie verspätet beim Versicherungsträger einlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20.11.2002,
Zl. 2000/08/0047). Erfüllungsort der Anmeldung nach § 33 ASVG ist demnach der Sitz des zuständigen Versicherungsträgers, der damit der Tatort der Unterlassung einer (rechtzeitigen) Meldung ist (vgl. – zu § 103 Abs. 2 KFG – das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31.1.1996, Zl. 93/03/0156, VwSlg 14398 A/1996; vgl. allgemein zu Verstößen gegen Melde-, Anzeige-, Auskunfts- oder Ablieferungspflichten N. Raschauer in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, § 27 VStG, Rz 3).

 

Schon aus der bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich insofern ersehen, dass in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nicht der Wohnsitz des Beschuldigten ausschlaggebend für die örtliche Zuständigkeit ist. Vielmehr kommt es auf den Tatort an, der im vorliegenden Fall im Sprengel jener Bezirksverwaltungsbehörde liegt, wo der Auskunftspflicht nicht nachgekommen wurde; dies ist der Kontrollort.

 

V.4. Verstöße gegen Melde-, Anzeige-, Auskunfts- oder Ablieferungspflichten werden grundsätzlich am Sitz jener Behörde oder Dienststelle begangen, bei der die Meldung oder Anzeige zu erstatten, die Auskunft zu erteilen oder ein (behördlich angeforderter) Gegenstand abzuliefern ist (Raschauer, in Raschauer/
Wesserly, VStG, § 27 Rz 3).

 

V.5. Zusammengefasst ist daher die Bezirkshauptmannschaft Liezen am Kontrollort örtlich zuständig für die Strafverfolgung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn war dementgegen örtlich unzuständig.

 

V.6. Eine Sanierung kann im gegenständlichen Fall auch nicht dadurch eintreten, dass eine Delegierung im Sinn des § 29a VStG unterstellt wird. Die Übertragung der Zuständigkeit nach § 29a VStG kann nur durch die gemäß § 27 Abs. 1 VStG örtlich zuständige Behörde erfolgen. Fehlt es an dieser Voraus­setzung, so kann ein Übertragungsakt nach dieser Gesetzesstelle den Übergang der Zuständigkeit an die sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, nicht bewirken (VwGH 28.2.1985, 85/02/0095; VwGH 9.7.1992, 92/10/0006).

 

Ein Übertragungsakt durch die Bezirkshauptmannschaft Liezen an die Bezirks­hauptmannschaft Braunau am Inn hat nicht stattgefunden. Tatsächlich hat vielmehr die Finanzpolizei ihre Anzeige sogleich bei der Wohnsitzbehörde der Beschwerdeführerin eingebracht, wodurch deren örtliche Zuständigkeit aber nicht begründet werden konnte.

 

Außerdem ist noch festzuhalten, dass eine Delegierung nur innerhalb eines Bundeslandes stattfinden kann, im vorliegenden Fall aber von der Steiermark nach Oberösterreich erfolgt wäre, was ebenfalls unzulässig ist.

 

V.7. Im Einklang mit der obigen Rechtsprechung war daher die belangte Behörde zur Entscheidung in gegenständlicher Verwaltungsstrafsache örtlich unzuständig. Vielmehr wäre das Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Liezen durchzu­führen gewesen.

 

Dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht revidiert, schadet nicht, zumal diese nach der Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Amts wegen wahrzunehmen ist.

 

V.8. Aus den angeführten Gründen war daher der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Gemäß § 52 Abs. 8 und
Abs. 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Straf­verfahrens zu leisten.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beur­teilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Dr. Lidauer