LVwG-300375/8/Py/PP
Linz, 02.07.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde der Frau M.R., x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 27. Mai 2014, SV96-22-2014, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 19. Juni 2015 und mündlicher Verkündung der Entscheidung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Tatzeit auf „27.12.2013, 9:00 bis 11:03 Uhr“ eingeschränkt, der Strafausspruch behoben und der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eine Ermahnung erteilt wird.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 27. Mai 2014, SV96-22-2014, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1995 idgF eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
- Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
- Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
- Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
- gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
§ 111 Abs. 2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bf entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Die Bf bringt vor, die Anmeldungen seien in Absprache mit ihrem Steuerberatungsunternehmen durchgeführt worden. Dieses Vorbringen kann sie jedoch nicht von ihrem Verschulden befreien, da sie gehalten gewesen wäre zu überprüfen, ob vor Arbeitsaufnahme des Herrn I. tatsächlich die Meldung durchgeführt wurde. Es ist daher vom Verschulden der Bf in Form von Fahrlässigkeit auszugehen.
5.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens absehen und die Einstellung verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
Anstatt die Einstellung zu verfügen kann die Behörde dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilten, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Grundsätzlich ist bei der gegenständlichen Fallkonstruktion davon auszugehen, dass zwar objektiv ein Verstoß gegen eine Gebotsnorm vorliegt, jedoch nicht von einer typischen Deliktsverwirklichung, wie sie der Gesetzgeber anlässlich der Novelle des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz in der Fassung des Sozialrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl.I. Nr. 37/2007, zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Auge hatte (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 77BlgNr. XXVIII. GP, 3, wonach wesentlicher Zweck der – vor Arbeitsantritt zu erfüllenden – Meldepflicht gemäß § 33 ASVG die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist), gesprochen werden kann. Gegenständlich wurde die Anmeldung des Dienstnehmers zwar nach Arbeitsbeginn und somit verspätet, aber nicht erst aus Anlass einer Kontrolle durch Organe der Finanzbehörde vorgenommen. Die Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger wurde – wenn auch geringfügig verspätet – am Tag des Dienstantrittes und unabhängig von allfälligen Beanstandungen durchgeführt, was auch im Hinblick auf den Normzweck, die Pflichtversicherung für die Beschäftigten sicherzustellen, zwar als Ordnungswidrigkeit anzusehen ist, jedoch nicht dem typischen Unrechtsgehalt der übertretenen Verwaltungsvorschrift entspricht.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des gegenständlichen Falles ergibt sich daher, dass das Verschulden der Bf und die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat als gering anzusehen sind. Es lag für den Arbeitstag ein Versicherungsschutz vor und war unter Zugrundelegung des nunmehr festgestellten Sachverhaltes nie beabsichtigt, den angeführten Dienstnehmer ohne Abführung der entsprechenden Beiträge und Abgaben „schwarz“ zu beschäftigen. Da somit der wesentliche Schutzzweck der gegenständlichen Norm nicht beeinträchtigt wurde, sind die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG gegeben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
II. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr.in Andrea Panny