LVwG-150636/3/RK/FE
Linz, 18.08.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Roland Kapsammer über die Beschwerde des Herrn Ing. F B, x W, vertreten durch Dr. H M, Rechtsanwalt, xstraße x, x M (im Folgenden Beschwerdeführer, kurz: "Bf" genannt), gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauthausen vom 9.2.2015, Zl. 030/0/2014 (im Folgenden belangte Behörde), betreffend die Entscheidung über die Berufung des Bf gegen die ursprüngliche Zurückweisung des ursprünglichen Antrages auf Gewährung von Akteneinsicht,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt, Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Mauthausen vom 27.11.2014, Zl. 030/0/2014, wurde der Antrag des Bf vom 14.10.2014 auf Akteneinsicht in die „Bauakte der B AG" (x M, H x) als unzulässig zurückgewiesen.
Als Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wurde überblicksweise ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem Nachbarn grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG 1991), und zwar, auch in einem abgeschlossenen Bauverfahren, zustehe und dieses Recht auch auf den jeweiligen Rechtsnachfolger übergehe.
Jedoch wäre Akteneinsicht nur dann zu gewähren, wenn der Rechtsvorgänger im abgeschlossenen Bauverfahren Parteistellung gehabt hätte und diese nicht etwa durch Präklusion verloren gegangen wäre.
Nachdem dies aber gerade der Fall wäre, weil der Rechtsvorgänger im abgeschlossenen Bauverfahren keine Einwendungen erhoben hätte, hätte im Ergebnis auch der Bf „das Recht auf Akteneinsicht verloren“, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung machte der Bf mangelhafte und unrichtige Tatsachenfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und führte dazu überblicksweise aus:
Im bekämpften Bescheid wäre die Feststellung, dass der Bf Grundnachbar der B AG wäre, dies auf Grund seiner Eigentümerschaft an den Grundstücken Nr. x und x, KG x H, EZ x, unterlassen worden und würde auch die Feststellung fehlen, dass der Berufungswerber unmittelbarer Rechtsnachfolger der S S‑B GmbH & Co KG (Rechtsvorgänger) wäre.
Es würde ferner der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen, dass einer Partei eines, wenn auch bereits abgeschlossenen, Verfahrens, Akteneinsicht ohne Rücksicht darauf zu gewähren sei, zu welchem Zweck die Einsicht begehrt würde.
Dies machte der Berufungswerber unter dem Titel "unrichtige rechtliche Beurteilung" geltend.
Mit der Argumentation der gegebenen unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die Erstbehörde führte der Berufungswerber sodann sinngemäß weiter aus, dass insbesondere auf Grund einer Novellierung des § 17 AVG mit der Novelle x nach dem aus den Materialien sich ergebenden Willen des Gesetzgebers die Beschränkung der Akteneinsicht weitestgehend entfallen sollte.
Den Parteien sollte die Akteneinsicht unter den sonstigen Beschränkungen unabhängig davon eingeräumt werden, zu welchem Zweck sie benötigt würde, weshalb der Anspruch des Bf offenkundig wäre.
Auch wäre die Rechtsansicht der belangten Behörde falsch, wenn sie die Verweigerung der Akteneinsicht im Ergebnis auf § 42 AVG stützt, weil die Beschränkung einer Akteneinsicht, gestützt auf die soeben genannte Bestimmung, im völligen Widerspruch zu § 17 AVG stünde.
Ein allfälliger Verlust der Parteistellung gemäß § 42 AVG könnte schon prinzipiell nur hinsichtlich des kundgemachten Verhandlungsgegenstandes eintreten (unter Zitierung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.6.2013, Zl. 2010/07/0183).
Auch würden sich entsprechende Rechte des Bf, und zwar, zur Erteilung der gewünschten Auskünfte, spätestens binnen acht Wochen - aus den Bestimmungen der „§§ 1 bis 3 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987 i.d.g.F“., ergeben, wonach Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung einerseits verpflichtet wären, über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen. Im Gesetz sei andererseits festgelegt, dass jedermann schriftlich, mündlich oder telefonisch Auskunft erteilt werden müsse. Auch wenn jemand nicht Verfahrenspartei wäre, müssten diese Auskünfte erteilt werden.
In dem folglichen Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauthausen vom 9.2.2015 wurde der Berufung des Bf nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.
Begründend wurde hiezu überblicksweise ausgeführt, dass in der Berufung vorerst zu Unrecht ein Feststellungsmangel der belangten Behörde geltend gemacht worden wäre, da die abstrakte Rechtsfolge des Eintretens des Berufungswerbers in die Rechtsnachfolge des Rechtsvorgängers ohnehin eine Tatsache wäre, von der die Berufungsbehörde ausgegangen wäre.
Auch bedürfe es keiner expliziten Feststellung, dass der Bf Grundnachbar der Fa. B AG sei, weil davon ebenfalls im angefochtenen Bescheid ausgegangen worden wäre.
Jedoch sei im Weiteren die vom Bf aufgeworfene Frage des Umfanges der Akteneinsicht im gegenständlichen Verfahren deswegen gar nicht zu klären gewesen, weil (mit Verweis auf die Begründung der Erstbehörde) diese mit dem Verlust der Parteistellung durch Präklusion des Rechtsvorgängers eben auch für den Bf verloren gegangen wäre.
Wie es im Übrigen auch der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.9.2014, Ra 2014/04/0025, entspreche, stehe dem Rechtsnachfolger einer in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren präkludierten Partei das Recht auf Akteneinsicht in diesem Verfahren eben nicht zu.
Genau dieser Fall des Unterlassens von Einwendungen des Rechtsvorgängers im gegenständlichen rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sei jedoch anzunehmen und somit Akteneinsicht für den Bf jedenfalls nicht mehr gegeben. Auch wurde in der Begründung des Bescheides zum weiters angeführten Argument, wonach Akteneinsicht auf Grund der näheren Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes zu gewähren sei, unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 17.9.2002, Zl. 2000/01/0267, und die dort zitierte Judikatur) ausgeführt, dass diese Argumenation auf Grund der eindeutigen Rechtslage ins Leere gehe, weshalb somit zusammenfassend der Berufung nicht stattzugeben und die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen gewesen wäre.
Mit rechtzeitig eingebrachter Beschwerde vom 11.3.2015 beantragte der Bf, den angefochtenen Bescheid abzuändern und auszusprechen, dass dem Bf Akteneinsicht in den „Bauakt B AG“ erteilt werde, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde.
In der Beschwerdebegründung führte der Bf überblicksweise aus:
Die Bescheidbeschwerde wäre zulässig, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 17 AVG 1991 einer Partei Akteneinsicht uneingeschränkt zustehe; dies gemäß der Entscheidung des VwGH vom 21.2.2005, Zl. 2004/17/0173, auch nach Abschluss eines Verfahrens.
Die Behörde wäre somit auch wegen der nicht bestehenden Begründungspflicht für einen die Akteneinsicht begehrenden Antragsteller gar nicht berechtigt, weiter zu prüfen, aus welchen Gründen Akteneinsicht begehrt werde.
Würde man die entgegenstehende Rechtsansicht vertreten, so könnte ein Nachbar, der nur überprüfen wollte, ob ein Bauvorhaben so, wie eingereicht, ausgeführt wurde, mangels Akteneinsicht nur vage Behauptungen aufstellen um eine Überprüfung zu erreichen.
Auch wäre in der Regierungsvorlage zur Novellierung des AVG, welche jedoch nicht eins zu eins zu Gesetz geworden wäre, vorgesehen gewesen, dass unter bestimmten Voraussetzungen „auch nicht als Partei beteiligten Personen“ ein Recht auf Akteneinsicht zukommen sollte.
Von der belangten Behörde wäre in deren Bescheid nie schlüssig begründet worden, weshalb dem Grundnachbarn und Rechtsnachfolger im Bauverfahren keine Akteneinsicht zu gewähren sei, wenn doch die einschränkende Bestimmung des § 17 Abs. 3 AVG 1991 im gegenständlichen Fall wegen des Nichtvorliegens einer Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder einer Gefährdung der Aufgaben einer Behörde weder herbeigeführt noch der Zweck des Verfahrens beeinträchtigt würde.
Auch könne nicht davon gesprochen werde (dies im Zusammenhang mit dem Hinweis der belangten Behörde auf § 42 AVG 1991), dass kein Einwand gegen das eingereichte Projekt bedeute, dass der Nachbar mangels Einwendungen darauf verzichtet hätte, nach Fertigstellung des Baues zu überprüfen, ob der Bau auch tatsächlich in Entsprechung der genehmigten Einreichunterlagen errichtet wurde, weshalb auf diese Bestimmung die Beschränkung einer Akteneinsicht nicht gestützt werden könne.
„Das Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987“, würde eine entsprechende Verpflichtung der Organe des Bundes sowie jener der durch Bundesgesetze zu regelnden Selbstverwaltung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auch für die belangte Behörde ableitbar machen, dies im Übrigen binnen einer bestimmten Frist.
Schließlich würde durch dieses Recht auf Akteneinsicht in keinster Weise in ein Verfahren eingegriffen.
Der Bf fühle sich auch durch ein derartiges Vorgehen der belangten Behörde in seinem Recht auf Eigentum gemäß Art. 5 Staatsgrundgesetz verletzt und wäre somit Akteneinsicht vorbehaltslos zu bewilligen gewesen.
Mit Schreiben vom 1.4.2015 legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich zur
Behandlung zuständigkeitshalber vor.
Zum Sachverhalt und zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde auf ihre Bescheidbegründung.
II.
In der Angelegenheit ist zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt, wie er sich nach fernerer Einholung von Grundbuchsauszügen und Einsicht in Grundbuchsurkunden sowie angeforderten Unterlagen der Gemeinde darstellt, auszuführen:
Der Bf ist Eigentümer der EZ x, KG x M, bestehend aus den Grundstücken Nr. x und x.
Mit Kaufvertrag vom 20.6.2014 ist die gegenständliche Liegenschaft vom Rechtsvorgänger S S-B GmbH & Co KG, Heinrichsbrunn 3, 4310 Mauthausen, rechtsgeschäftlich an den Bf veräußert worden. Am 30.6.2014 erfolgte sodann die Einverleibung der Anmerkung der Rangordnung bis 30.6.2015 für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft, weshalb ab diesem Zeitpunkt der Bf als außerbücherlicher Grundeigentümer zu bezeichnen war. Sodann erfolgte mit Einverleibung vom 10.10.2014 die Einverleibung des Eigentumsrechtes laut schon erwähntem Kaufvertrag vom 20.6.2014 (die schon erwähnte Anmerkung der Rangordnung für die Veräußerung bis 30.6.2015 trägt die Tagebuchzahl 2919/2014, jene der Einverleibung des Eigentums trägt die Tagebuchzahl 4328/2014).
Das sich auf das Akteneinsichtsbegehren beziehende Bauverfahren betreffend Firma BauMax Mauthausen (somit das Objekt der begehrten Akteneinsicht) wurde mit Bescheid vom ........ genehmigt und ist am ........ in Rechtskraft erwachsen.
II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat neben diversen Grundbuchsabfragen und Einholung von Mappendarstellungen der gegenständlichen Grundstücke Unterlagen von der Baubehörde angefordert und in den gesamten gegenständlichen Beschwerdevorgang eingesehen. Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den erwähnten ergänzenden Ermittlungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich. Dort, wo auf weitergehende Ermittlungen mangels direkter Relevanz verzichtet werden konnte, wurden solche aus prozessökonomischen Gründen auch nicht durchgeführt. Auch war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen klar gegebenem Sachverhalt nicht erforderlich.
III. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 8 AVG 1991 sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte, und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.
§ 17 AVG 1991 lautet:
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.(BGBl I 2013/33)
§ 42
(1)
Wurde"
§ 42 Abs. 1 AVG 1991 lautet:
"(1) Wurde
Bundesverfassungsgesetz:
Art. 20
(4)
Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes-und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch Bundesgesetzgebung zu reglnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.
Auskunftspflichtgesetz:
§ 1
(1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheit dem nicht entgegensteht.
§ 6
Soweit nach anderen Bundesgesetzen besondere Auskunftspflichten bestehen, ist dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden.
Oö. Auskunftspflicht -, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz:
§1
(1) Die Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltungskörper haben über angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches jedermann Auskunft zu erteilen.
(2) Unter einer Auskunft ist die Mitteilung von Tatsachen über Angelegenheiten zu verstehen, die dem Organ, das zur Auskunft verpflichtet ist, zum Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft bekannt sind oder bekannt sein müssen.
§ 7
In anderen Landesgesetzen besondere Auskunftspflichten gelten unabhängig von diesem Landesgesetz.
§ 23
Die der Gemeinde und den Gemeindeverbänden und ihren Organen nach diesem Landesgesetz zukommenden Aufgaben mit Ausnahme jener nach § 20 Abs. 2 sind solche des eigenen Wirkungsbereichs. Die Vollziehung kommt der Bürgermeisterin bzw. dem Bürgermeister zu.
OÖ Gemeindeordnung:
§ 95
Soweit gesetzlich nicht etwa anderes bestimmt ist, entscheidet der Gemeinderat über Berufungen gegen Bescheide anderer Gemeindeorgane in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Er übt auch die in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.
Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (mit Ortsaugenschein) war aus folgenden Gründen nicht erforderlich:
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen würden. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im gegenständlichen Beschwerdefall geklärt. In dem vorliegenden Beschwerdeschriftsatz wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. zum Gesagten VwGH 15.5.2014, 2012/05/0089, mit Bezugnahme auf die oben wiedergegebene Judikatur des EGMR).
Schließlich wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ausgeführt, dass der gegenständliche Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 9.2.2015 in der Präambel des Spruches die Wortfolge aufweist:
"Aus Baubehörde (wohl gemeint im Sinne von "Als Baubehörde") zweiter Instanz entscheidet nunmehr der Gemeinderat der Gemeinde Mauthausen infolge des Gemeinderatsbeschlusses vom 5. Februar 2015 in seiner Funktion als Berufungsbehörde im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde mit folgendem Spruch: ..."
Gezeichnet ist der gegenständliche Bescheid mit "Der Bürgermeister T P".
In dieser Vorgangsweise wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine gewisse Mangelhaftigkeit erblickt, weil gemäß den näheren Bestimmungen der Gemeindeordnung diese Klausel zu lauten gehabt hätte: "Für den Gemeinderat, der Bürgermeister".
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich musste sodann in eine weitere Prüfung der Angelegenheit in jene Richtung einsteigen, welche rechtlichen Folgen eine derartige Mangelhaftigkeit für den angefochtenen Bescheid bildet. Hiezu ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3.10.1996, Zl. 96/06/0111, u.ä., zu verweisen, wonach es für die Zurechnung eines Bescheides zum Gemeinderat nicht ausschlaggebend ist, wenn nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat die Fertigungsklausel nicht, wie dies jeden Zweifel ausschließen würde, lautet: "Für den Gemeinderat, der Bürgermeister", sondern der Bürgermeister nur unter Angabe seiner Funktion unterzeichnet, sofern nur aus dem Bescheid sonst ersichtlich ist, dass er auf der Willensbildung im Gemeinderat beruht (Hinweis E 18.6.1991, Zl. 90/05/0198, 0199, 0200 und 0202).
Es ist somit bei diesem Umstand (der Bürgermeister ist nicht nur Vorsitzender des Gemeinderates, sondern auch ein eigenes Gemeindeorgan im Sinn des Art. 117 B‑VG) eine Prüfung weiterer Gesichtspunkte dieses Bescheides für die Beurteilung, ob der Bescheid dem Gemeinderat tatsächlich zugerechnet werden kann, vonnöten.
Gerade angesichts der in der Präambel des Spruches jedoch gewählten Formulierung - wie oben ausgeführt - ("Als Baubehörde zweiter Instanz entscheidet nunmehr der Gemeinderat der Marktgemeinde Mauthausen zufolge des Gemeinderatsbeschlusses vom 5. Februar 2015 in seiner Funktion als Berufungsbehörde im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ...") ist somit für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich evident, dass tatsächlich der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende und als solche angerufene Oberbehörde in diesem vollen Bewusstsein erwogen hat.
Somit ist in diesem Bescheid trotz dieses formalen Fehlers nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ausreichend klargestellt, dass es sich um eine Entscheidung des Gemeinderates handelt, weshalb diese Mangelhaftigkeit keinerlei weitere Rechtswirkungen entfaltet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Roland Kapsammer