LVwG-650424/2/MZ

Linz, 29.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des F. M., geb x, J. F. Straße 1/2, S., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24.6.2015, VerkR21-741-2-2014pl, wegen einer Entziehung der Lenkberechtigung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24.6.2015, VerkR21-741-2-2014pl, wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) die am 29.3.2004 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Zahl VerkR20-298-2004/BR, ausgestellte Lenkberechtigung für die Klassen AM und B gem §§ 24 Abs 1, 7 Abs 3 Z 6 und 25 Abs 1 und 3 FSG „auf die Dauer von weiteren 3 Monaten, gerechnet ab 7.6.2015, das ist bis zum Ablauf des 7.9.2015, entzogen.“ Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem § 13 Abs 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen.

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde wie folgt:

 

„Von der Landespolizeidirektion Wels wurde am 22.5.2015 zur Anzeige gebracht, dass Sie am 10.5.2015 um 8.32 Uhr das Motorfahrrad VB-x in Wels auf der Salzburger Straße bis auf Höhe des Hauses Nr. x trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt haben. Mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 19.12.2014, VerkR21-741-2014pl, wurde Ihnen die Lenkberechtigung bis einschließlich 6.6.2015 entzogen, da Sie in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 0,83 mg/l Atemluftalkoholgehalt ein Kraftfahrzeug lenkten. In diesem Bescheid wurde Ihnen auch die Lenkberechtigung für die Klasse AM entzogen.

 

Aufgrund dieser Anzeige wurde am 1.6.2015 ein neuer Entzugsbescheid erlassen und die Lenkberechtigung aufgrund des Lenkens eines Kraftfahrzeuges während der Entzugszeit um weitere 3 Monate entzogen. Die Entzugszeit endet somit am 7.9.2015. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie das Rechtsmittel der Vorstellung und begründen diese damit, dass Sie seit Dezember 2014 immer mit einem Arbeitskollegen in die Arbeit nach V. mitfahren können. Dieser hatte jedoch zuletzt eine Operation an der Hand, weswegen Sie nicht mitfahren konnten. Andere Arbeitskollegen haben Ihnen dann gesagt, dass Sie mit einem Moped mit rotem Taferl fahren dürfen. Da Sie die Arbeit auf gar keinen Fall verlieren wollten, haben Sie sich ein Moped gekauft. Sie haben 3 Kinder und dürfen die Arbeit nicht verlieren. Sie haben Ihren Kollegen vertraut und haben sich nicht über die Rechtslage in Österreich informiert. Sie bereuen dies zutiefst. Sie stellen daher den Antrag, dass der Bescheid vom 1.6.2015 zurückgezogen wird und es bei einer Verwarnung belassen wird.“

 

Es folgt die Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften. Im Anschluss setzt die belangte Behörde fort:

 

„Für die Behörde erscheint es zweifelsfrei erwiesen, dass Sie während des Führerscheinentzuges ein Kraftfahrzeug gelenkt haben. Sie wurden deshalb auch bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck rechtskräftig bestraft. Gemäß § 7 Abs. 3 Z 6 liegt die Verkehrszuverlässigkeit dann nicht vor, wenn jemand trotz entzogener Lenkberechtigung oder trotz Lenkverbotes ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Die Mindestentzugszeit in diesem Fall beträgt 3 Monate.

 

Da aus gesetzlichen Gründen diese Entzugszeit nicht abgeändert werden kann und Sie auch im ersten Entzugsbescheid ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurden, dass Sie auch kein Motorfahrrad lenken dürfen, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Private und berufliche Umstände haben bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses unter anderem verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen außer Betracht zu bleiben (VwGH 24.8.1999, 99/11/0166).

 

Aus diesem Grund konnte Ihrer Vorstellung keine Folge gegeben werden und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Es ist Ihnen daher aus Gründen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung für die festgesetzte Zeit zu entziehen.“

 

II.            Mit am 29.6.2015 persönlich bei der belangten Behörde abgegebenem Schreiben erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der – fälschlicherweise als Vorstellung bezeichneten – Beschwerde.

 

Er macht im Wesentlichen die schon im angefochtenen Bescheid genannten Gründe geltend und lässt erkennen, eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu begehren.

 

III.           a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 29.6.2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG schon deshalb abgesehen werden, weil sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass im Entzugsbescheid vom 19.12.2014 begleitende Maßnahmen, ua die Absolvierung einer Nachschulung, angeordnet wurden. Der Bf hat der belangten Behörde am 23.6.2015 eine Bestätigung vorgelegt, wonach er im Zeitraum vom 29.5. bis 19.6.2015 eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker absolviert hat. Die übrigen begleitenden Maßnahmen wurden innerhalb der Entzugsdauer absolviert.

 

IV.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten idgF auszugsweise:

 

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die: ...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7), ...

 

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. …

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand: ...

6. ein Kraftfahrzeug lenkt;

a) trotz entzogener Lenkberechtigung oder Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines oder

b) wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist. …

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder …

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. … Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. …

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. …

 

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. …

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. …

 

b) Es steht außer Streit, dass der Bf eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs 3 Z 6 FSG verwirklicht hat.

 

Die belangte Behörde vertritt deshalb unter Berufung auf die in § 25 Abs 3 FSG normierte Mindestentzugsdauer von drei Monaten die Auffassung, dass der Bf jedenfalls bis zum 7.9.2015 verkehrsunzuverlässig sei. Sie übersieht dabei, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit ab Begehung der Tat – im ggst Fall also ab 10.5.2015 – zu beurteilen ist. Weiters übersieht die Behörde, dass der Bf die im Bescheid vom 19.12.2014 angeordnete Nachschulung erst mit 19.6.2015 absolviert hat, und somit der Entzug wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gem § 24 Abs 3 FSG nicht vor diesem Zeitpunkt geendet hat. Als Bemessungszeitpunkt für einen Anschlussentzug ist daher nicht der 7.6.2015 sondern der 19.6.2015 heranzuziehen.

 

c) Entgegen der ausdrücklichen behördlichen Annahme bedeutet die Verwirklichung einer bestimmten Tatsache jedoch nicht, dass – wie bei einem Sonderfall der Entziehung gem § 26 FSG – ein Entzug der Lenkberechtigung zu erfolgen hat. Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs 1 FSG genügt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach nämlich nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs 4 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde – im konkreten Fall – wegen seiner Sinnesart die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit zufolge § 25 Abs 3 FSG weiters nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde annehmen durfte, es liege die Verkehrsunzuverlässigkeit des Betroffenen vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten wieder eintreten (vgl nur VwGH 23.4.2002, 2001/11/0149; 17.10.2006, 2006/11/0120; 26.1.2010, 2009/11/0207). Da somit gem § 25 Abs 3 FSG eine Mindestdauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von (noch) drei Monaten im Entscheidungszeitpunkt bzw im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Entzugs der Lenkberechtigung gegeben sein muss, um einen Entzug überhaupt zu rechtfertigen, würde dies im ggst Fall bedeuten, dass der Bf – gerechnet ab Verwirklichung der Tat – vom 10.5.2015 bis zum 19.9.2015, daher in Summe ca 4 Monate und eine Woche verkehrsunzuverlässig sein müsste.

 

d) Diese Ansicht wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht vertreten:

 

Unter dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit ist zwar ins Treffen zu führen, dass das Lenken eines Motorfahrrades während eines aufrechten Entzuges der diesbezüglichen Lenkberechtigung unzweifelhaft als rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr und Gefährdung der Verkehrssicherheit anzusehen ist. Es hat allerdings auch das – von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogene – Vorbringen des Bf, er habe die „Schwarzfahrt“, in der Meinung das Motorfahrrad lenken zu dürfen und um in die Arbeit zu gelangen, begangen, sowie die sich durch Geständnis in beiden Strafverfahren gezeigte Einsicht des Bf entsprechend in eine Wertung einzufließen. Zudem ist auf § 24 Abs 1 vorletzter und letzter Satz FSG hinzuweisen, wonach bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden kann, was im Fall des Bf eventuell in Betracht hätte kommen können.

 

Vor diesem Hintergrund ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Auffassung, dass der Bf zwar zum derzeitigen Zeitpunkt noch als verkehrsunzuverlässig anzusehen ist, jedenfalls aber, gerechnet ab 19.6.2015, knapp nicht mehr von einer länger als dreimonatigen Verkehrsunzuverlässigkeit ausgegangen werden kann, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verfahren einzustellen ist.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da der Frage, wie lange der konkret der Bf aufgrund der von ihm verwirklichten „Schwarzfahrt“ allenfalls verkehrsunzuverlässig sein dürfte, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und im Übrigen die Entscheidung der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht widerspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer