LVwG-410103/4/MK/Ka
Linz, 10.02.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde Finanzamtes Grieskirchen Wels, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Wels-Land vom 17.12.2013, GZ: Pol96-76-2013,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 17.12.2013, Pol96-76-2013, der sowohl der Berufungswerberin (im Folgenden: Bf) als auch dem Finanzamt zugestellt wurde, wurde das gegen die Bf unter obiger Zahl geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt und dies wie folgt begründet:
Am 22.05.2013 wären im Zuge einer von Organen des Finanzamtes Grieskirchen Wels (als Organe der öffentlichen Aufsicht) durchgeführten Kontrolle gemäß § 50 Abs.4 Glücksspielgesetz (GSpG) im Lokal „K“ drei näher bezeichnete elektronische Walzenspielgeräte und ein Glücksspielgerät für die Durchführung virtueller Hundewetten zu Testzwecken bespielt worden. Dabei hätte beim
· Gerät mit der FA-Nr. 1 (Walzenspiel „Classic Seven“) ein Mindesteinsatz von 0,20 Euro bei einer in Aussicht gestellten Gewinnsummen von 2,00 Euro bzw. einem theoretischen Maximaleinsatz von 5,00 Euro bei einem in Aussicht gestellten Gewinn von 20,00 Euro (+ 3 Supergames), beim
· Gerät mit der FA-Nr. 2 (Walzenspiel „Ring of Fire XL“) ein Mindesteinsatz von 0,20 Euro bei einer in Aussicht gestellten Gewinnsummen von 20,00 Euro bzw. einem theoretischen Maximaleinsatz von 5,50 Euro bei einem in Aussicht gestellten Gewinn von 20,00 Euro (+ 898 Supergames), beim
· Gerät mit der FA-Nr. 3 (Walzenspiel „Classic Seven“) ein Mindesteinsatz von 0,20 Euro bei einer in Aussicht gestellten Gewinnsummen von 2,00 Euro bzw. einem theoretischen Maximaleinsatz von 6,00 Euro bei einem in Aussicht gestellten Gewinn von 20,00 Euro (+ 3 Supergames), und beim
· Gerät mit der FA-Nr. 5 virtuelle Hundewetten mit einem Einsatz zwischen 0,50 und 10,00 Euro bei einem dabei in Aussicht gestellten Gewinn je nach Quote bis zur 81fachen des Einsatzes festgestellt werden können.
Da die für die Durchführung von Glücksspiel erforderliche Konzession nicht vorgelegen habe und die Geräte nach § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen gewesen wären, sei ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden.
Nach Zitat der Strafbestimmungen des § 52 Abs.1 GSpG und des § 168 StGB führte die Belangte Behörde weiter aus, dass der Verfassungsgerichtshof zu diesen Glücksspieltatbeständen in seinem Erkenntnis B422/2013 festgestellt habe, dass der Übergang vom verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand zu zur gerichtlichen Strafbarkeit bei der Ermöglichung von Einsätzen über 10 Euro in einem Spiel oder von Serienspielen stattfinde. Die Verwaltungsübertretung erschöpfe sich diesfalls vollständig in dem nach § 168 Abs.1 StGB strafbaren Verhalten.
Bei den angebotenen Walzenspielen müsse der Spieler nach Wahl des Einsatzes lediglich die Start-Taste betätigen. Bei dem dadurch ausgelösten Walzenlauf für die Dauer von etwa einer Sekunde die am Bildschirm dargestellten Symbole ausgetauscht oder in ihrer Lage verändert. Wenn die neue Symbolkombination einer im Gewinnplan dargestellten Kombination entspräche, sei ein Gewinn eingetreten, andererseits sei der Einsatz verloren.
Zudem bestehe bei diesen Spielen eine außergewöhnlich günstige Relation zwischen Einzeleinsatz und möglichen Gewinn bis zu einem Faktor von 1:100 und somit ein besonderer Anreiz für Serienspiele in gewinnsüchtiger Absicht.
Darüber hinaus würden die Geräte über eine Automatik-Funktion verfügen, welche die Spiele in Endlosschleife starte bis diese Funktion wieder deaktiviert würde oder das vorhandene Guthaben verbraucht sei.
Bei den Wetten auf virtuelle Hunderennen müsse der Spieler nach Wahl des Einsatzes und Wahl der Nummer oder Farbe eines so gekennzeichneten Hundes auf ein vermutetes Rennergebnis wetten und dann das Ergebnis abwarten, das nach Wiedergabe des Rennvideos sichtbar würde.
Bei all diesen Spielen handle es sich um Serienspiele, bei denen das Motiv des Zeitvertreibs hinter ein Gewinnstreben zurücktrete, und Einsätze von mehr als 10,00 Euro für eine Spielserie möglich wären. Es liege daher die Zuständigkeit der Strafgerichte vor.
Das von der belangten Behörde deshalb anhängig gemachte Gerichtsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft Wels am 02.09.2013 gemäß § 190 Z1 StPO eingestellt worden.
Da eine gerichtlich strafbare Handlung keine Verwaltungsübertretung (mehr) darstelle, sei das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG nicht weiter fortzuführen und einzustellen. In diesem Fall bleibe nach der Judikatur des VfGH kein Raum für eine verwaltungsrechtliche Sanktionierung nach dem GSpG.
I.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Abgabenbehörde (im Folgenden: Bf) mit Schriftsatz vom 02.01.2014 innerhalb offener Frist Beschwerde an das Oö. Landesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die belangte Behörde habe die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahrens auf der Grundlage bloßer Vermutungen eingestellt, da aus den dem Strafantrag zu Grunde liegenden Unterlagen tatsächlich mögliche Einsätze über 10,00 Euro pro Spiel nicht festgestellt werden könnten. Dies sei ohne (weitere) Testspiele auch nicht möglich.
Aus den vorgelegten Dokumentationen wären im Zuge der Testspiele beim Gerät mit der FA-Nr. 1 ein Höchsteinsatz von 5,00 Euro, beim Gerät mit der FA-Nr. 2 ein Höchsteinsatz von 5,50 Euro, beim Gerät mit der FA-Nr. 3 ein Höchsteinsatz von 6,00 Euro und beim Gerät mit der FA-Nr. 5 ein Höchsteinsatz von 10,00 Euro ersichtlich. Andere Anhaltspunkte zu den möglichen Höchsteinsätzen seien der Bf nicht bekannt und von der belangten Behörde auch nicht dargelegt worden.
Es sei Pflicht der Verwaltungsbehörde zu ermitteln, ob auf der Grundlage der Judikatur des VfGH die Zuständigkeit der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden bestehe.
Um dem zu entsprechen hätte die belangte Behörde den Veranstalter zur neuerlichen Inbetriebnahme der Geräte und zur Gewährung weiterer Testspiele verhalten müssen. Im Falle der Weigerung wäre auch dieser Umstand entsprechend zu würdigen.
In der Begründung des bekämpften Einstellungsbescheides würden darüber hinaus sämtliche Feststellungen zur Funktionsweise der dort angeführten „Automatik-Funktion“ bzw. zur außergewöhnlich günstigen „Einsatz-Gewinn-Relation“ fehlen. Es sei auch nicht festgestellt worden, ob die Rahmenbedingungen einen Spieler dazu verleiten, dass die Summe der von ihm im Verlaufe einer ganzen Spielveranstaltung eingesetzten Vermögenswerte nicht mehr gering sei bzw. ob Spieler vorsätzlich zu „Serienspielen“ veranlasst werden sollten.
Es würde daher die Behebung des angefochtenen Bescheides im Wege einer Berufungsvorentscheidung [gemeint: Beschwerdevorentscheidung] und die strafantragsgemäße Fortführung des Verfahrens beantragt, in eventu möge die Berufungsbehörde [gemeint: das Landesverwaltungsgericht] den bekämpften Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung auf der Grundlage des Strafantrages bzw. der noch durchzuführenden Erhebungen an die belangte Behörde zurückverweisen.
I.3. Zum Zweck der Verifizierung dieser Grundsatzdaten wurde im Rahmen einer telefonischen Rückfrage am 23.01.2014 bei dem von der Beschuldigten in der anlässlich der Kontrolle aufgenommenen Niederschrift namhaft gemachten Ansprechpartner des Gerätebetreibers C AG, Herrn H H (Mobiltelefonnummer im Akt), hinsichtlich der Höhe der tatsächlich leistbaren Einsätze bzw. der Möglichkeit von Serienspielen angegeben, dass Auskünfte dieser Art ausschließlich über die rechtsfreundliche Vertretung der C AG, Herrn Dr. F M, eingeholt werden könnten.
Am 06.02.2014 wurde von dort mitgeteilt, dass sich im Rahmen eines Spiels der Höchsteinsatz auf unterschiedliche Hunde setzen und somit ein Einsatz pro Spiel von weit über 10 Euro realisieren ließe. Diese Beurteilung würde im Übrigen der mittlerweile ständigen Judikatur des LVwG Salzburg entsprechen.
II. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verfahrensakt, insbesondere in den darin enthaltenen Strafantrag samt Fotodokumentation, sowie die Einholung ergänzender Auskünfte.
Im Rahmen der ergänzenden Beweiswürdigung ist festzuhalten, dass sich – anders als bei finanzpolizeilichen Erhebungen in der Vergangenheit, die aber offenkundig von einer anderen Feststellungsintention geleitet waren – aus den nunmehr vorgelegten Gerätedokumentationen (Formular GSp26) keine expliziten Angaben über eine „Automatik-Funktion“ (mehr) entnehmen lassen. Die aber sowohl der Bf als auch dem erkennenden Gericht seit langem bekannte und bislang unveränderte Bau- und Funktionsweise der in der Fotodokumentation dargestellten Geräte lässt jedoch diesbezüglich keine Zweifel offen.
Da die Bf in diesem Zusammenhang den Bescheidfeststellungen auch nicht grundsätzlich widersprochen sondern lediglich gerügt hat, dass Ausführungen über die tatsächliche Funktionsweise der Betriebsoption „Serienspiel“ fehlten, wird bei der weiteren Beurteilung des Sachverhaltes von der angebotenen Möglichkeit von Serienspielen ausgegangen.
Zur Funktionsweise der „Auto-Start-Taste“ darf auf eine von der Bf selbst in zahlreichen anderen aber gleich gelagerten Verfahren entwickelte Definition im Zusammenhang mit virtuellen Walzenspielen zurückgegriffen werden, wonach "[b]ei Auslösung des Spiels im Wege der Automatic-Start-Taste [...] diese Taste nur einmal betätigt werden [muss] um die beschriebenen Abläufe sehr rasch kontinuierlich hintereinander ablaufen zu lassen. Der wechselnde Vorgang von Einsatzabbuchung vom Spielguthaben und Walzenlauf erfolgt so lange fortgesetzt nacheinander, bis das Spielguthaben verbraucht ist, der Einsatz höher als das Spielguthaben ist oder die Taste erneut betätigt wird.".
Bei Wetten auf virtuelle Hunderennen stellt sich dieser Vorgang als eine in kurzen Intervallen startenden Abfolge aufgezeichneter Rennen dar, die für sich eine nur kurze Einspieldauer von etwa 30 Sekunden aufweisen. So können – ähnlich rasch wie auf Glücksspielgeräten mit Walzenspielen – zahlreiche Glücksspiele in Form von "Wetten auf aufgezeichnete Rennergebnisse" innerhalb nur sehr kurzer Zeiträume ablaufen. Die Funktionsweise von Hunderenn-Geräten für aufgezeichnete Rennen ist offenkundig darauf angelegt, einen besonderen Anreiz für den gewinnsüchtigen "Wettkunden" zu Serienspielen zu bieten.
Bei den virtuellen Hundewetten waren Einsätze über 10 Euro pro Spiel möglich.
Schließlich darf zum Beweisantrag des Finanzamtes auf neuerliche Inbetriebnahme und testweisen Bespielung der gegenständlichen Geräte , auf die (bei anderer Interessenslage) von der Finanzbehörde wiederholt selbst angezogenen Argumentation verwiesen werden, dass „im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Eingriffsgegenstände durch den Veranstalter bei einer neuerlichen Kontrolle aufgrund der nicht überwachbaren Internetverbindung zu unbekannten externen elektronischen Einrichtungen ein anderer Inhalt sichtbar gemacht werden könnte, als er zuvor in den Geräten vorhanden war“. Daraus lässt sich für die weitere Sachverhaltsfeststellung nichts gewinnen.
III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:
III.1. In der Sache:
Gemäß § 52 Abs.1 Z1 Glücksspielgesetz (GSpG) begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 40.000 Euro zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs.4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs.2 daran beteiligt".
Nach § 168 Abs.1 StGB ist derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der "ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, […] es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird".
Werden gemäß § 52 Abs.2 GSpG in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs.2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt.
III.2. Verfahrensrecht:
Gemäß § 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat […] keine Verwaltungsübertretung bildet.
In § 24 Abs.5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird normiert, dass, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten […] noch der Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union […] entgegenstehen.
IV. Das Oö. Verwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1 Zur Abgrenzungsregel des § 52 Abs.2 GSpG und zu den Anwendungsumfängen des § 168 StGB sowie des § 52 Abs.1 Z1 GSpG hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2012, zu B 422/2013-9, wie folgt ausgesprochen:
„1. Gemäß Art. 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK (in seiner deutschen Übersetzung) darf ‚niemand […] wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.‘
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 14.696/1996 und diesem folgend VfSlg. 15.128/1998 sowie 15.199/1998) widerspricht eine Regelung, wonach durch eine Tat unterschiedliche Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), nicht zwingend dem Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK. Die Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen ist daher grundsätzlich zulässig, sofern diese sich in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VfSlg. 18.833/2009 und 19.280/2010 im Hinblick auf EGMR 10.2.2009 [GK], Fail Zolothukin, Appl. 14.939/03). Eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinne des Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK liegt dann vor, wenn eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, also der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt daher, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mit umfasst. "Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird" (VfSlg. 14.696/1996). Eine gesetzliche Strafdrohung widerspricht Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft (VfSlg. 15.128/1998), sich also die Entscheidung des Strafgerichts einerseits und der Verwaltungsbehörde andererseits auf das "gleiche Verhalten" gründen (EGMR 23.10.1995, Fall Gradinger, Appl. 15.963/90).
2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.199/1998 zu §52 Abs. 1 GSpG in der Fassung BGBl. 695/1993 feststellte, ist es nicht ausgeschlossen (sondern vielmehr die Regel), dass eine an sich unter die Strafdrohung des §52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) fallende Handlung ("wer Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol unterliegen, außerhalb einer Spielbank betreibt [Veranstalter] oder zugänglich macht [Inhaber]") in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des § 168 Abs. 1 erster Fall StGB fallenden Handlung ("wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet […], um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden") begangen wird. Der Verfassungsgerichtshof ging davon aus, dass "Veranstalten" eines Glücksspiels im Sinne des § 168 Abs.1 (erster Fall) StGB heißt, "einem bestimmten oder unbestimmten Kreis von Interessenten Gelegenheit zum Glücksspiel zu geben". In diesen Fällen wird - so der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15.199/1998 zur Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz in der Fassung BGBl. 695/1993 - in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt des Glücksspiels gemäß §168 Abs. 1 {erster oder zweiter Fall) StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 52 Abs.1 Z 5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) vollständig erschöpft. Zu einem möglichen Verstoß des §52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG (in der Fassung BGBl. 695/1993) gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Weder aus dem Wortlaut des §52 GSpG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des GSpG ergibt sich, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 52 GSpG die Annahme einer Scheinkonkurrenz nicht zulässig wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer -soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten (vgl. VfSlg. 12469/1990, 13336/1993, 13805/1994, 14631/1996; VfGH 11.3.1998, G 262/97 ua.). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (69 BlgNR XVIII GP, S. 8) zur Novelle des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 344/1991, mit der die Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs.1 eingeführt wurde (die Vorläuferbestimmung normierte lediglich - nicht eigens nach dem Glücksspielgesetz sanktionierte - 'Verbote'), wurde zwar festgehalten, dass ‚(d)er Übergang zu einem kumulativen Verwaltungsstraftatbestand deshalb erforderlich (ist), weil Abgrenzungsprobleme zwischen Gerichten und Verwaltungsstrafbehörden bisher zu einer unbefriedigenden Ahndung von Eingriffen in das Glückspielmonopol führten'. Diese - offensichtliche - Absicht des Gesetzgebers, eine kumulative Bestrafung nach dem GSpG und dem StGB vorzusehen, hat jedoch nicht in einer -eine verfassungskonforme Interpretation ausschließenden - Weise Niederschlag im Wortlaut des Gesetzes gefunden, wie dies vergleichbar mit der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 14696/1996 aufgehobenen Wortfolge des § 99 Abs. 6 lit.c StVO 1960 erfolgt ist. Ist aber eine verfassungskonforme Auslegung möglich, dann ist diese vorzunehmen, selbst dann, wenn in den Materialien der Gesetzwerdung entgegenstehende Aussagen enthalten sind (vgl. VfSlg. 10066/1984,11576/1987). § 52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG ist daher - für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung - einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach § 168 Abs.1 erster oder auch zweiter Fall StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens (im Sinne eines weitgehend identen Sachverhaltes im Lichte der angewendeten bzw. in Betracht kommenden materiellen Strafbestimmungen) nach § 52 Abs.1 Z5 erster Fall GSpG aus."
Dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgte auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. VwGH 22.3.1999, 98/17/0134 und VwGH 8.9.2009, 2009/17/0181).
3. Mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBL I 54/2010 wurde unter anderem § 52 Abs.1 und 2 GSpG geändert. Es entfiel § 52 Abs.1 Z 5 GSpG, der das Veranstalten von Glücksspielen mittels Glücksspielapparaten oder Glücksspielautomaten außerhalb einer Spielbank unter Strafe gestellt hatte. Der Grund dürfte darin liegen, dass bereits mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I 126/2008 in §52 Abs. 1 ZI GSpG der Straftatbestand des ‚Veranstaltens‘ von Glücksspielen gesetzlich verankert wurde, welcher auch die bisherige Regelung betreffend das Veranstalten von Glücksspielen mittels Glücksspielautomaten abdeckte (vgl. Strejcek/Bresich, GSpG2, § 52 GSpG, Rz 10). Mit der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I 54/2010 verankerte der Gesetzgeber zum einen ausdrücklich die Abgrenzung der Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz gegenüber jener nach § 168 StGB; zum anderen präzisierte der Gesetzgeber mit dieser Novelle das Zurücktreten einer allfälligen Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB: Gemäß § 52 Abs. 2 GSpG sind nun Einsätze von über € 10,- für (Automaten)Spiele nicht mehr als ‚geringe Beträge‘ zu qualifizieren, sodass in diesen Fällen die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz "hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt]". (Vor der Novelle BGBl. I 54/2010 lag nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein "geringer Betrag" im Sinne des § 168 StGB dann vor, wenn der Gesamteinsatz eines Spielers im Zuge einer Spielveranstaltung die Summe von ATS 200 - nicht überstieg [vgl. z.B. OGH 9 Os 137/82]).
3.1. Die Erläuterungen zu § 52 GSpG - speziell zum neu gefassten Abs.2 - in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010 besagen, dass die ‚Strafzuständigkeit der Verwaltungsbehörden […] ausschließlich bei Einsätzen pro Spiel bis zu 10 Euro gegeben [ist]. Mit Abs.2 wird auch der unbestimmte Gesetzesbegriff der geringen Beträge im Sinne des § 168 Abs.1 letzter Halbsatz StGB legal definiert. Nur bei Vorliegen solcher geringen Beträge ist eine Strafbarkeit nach § 168 Abs.1 letzter Halbsatz ausgeschlossen, gleichgültig ob bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Ab Übersteigen dieses Betrages ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln und besteht Gerichtszuständigkeit‘ (RV 658 BlgNR24.GP, 8).
3.2. Auf Grund der Glücksspielgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 54/2010 sah sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, seine Rechtsprechung zu § 52 GSpG zu ändern. So führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. August 2012, 2012/17/0156 - nach der Wiedergabe der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zur (verfassungskonformen) Auslegung des §52 Abs.1 Z5 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 54/2010 und des § 168 StGB - aus:
„‚[…]‘
Mit BGBl I Nr. 54/2010 hat der Bundesgesetzgeber in § 52 Abs.2 GSpG eine Vorschrift eingefügt, derzufolge dann, wenn in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet werden, es sich nicht mehr um geringe Beträge handle und insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrete.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I Nr. 54/2010, 658 BlgNR, 24. GP, 8, wird zu dieser Neufassung des § 52 Abs.2 GSpG ausgeführt:
'[…]'
Der Gesetzgeber hat damit nunmehr ausdrücklich die bis zum Inkrafttreten der genannten Novelle BGBl. I Nr. 54/2010 nur im Wege verfassungskonformer Auslegung zu ermittelnde Subsidiarität 'eine(r) allfällige(n) Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz' gegenüber einer ‚allfälligen Strafbarkeit‘ nach § 168 StGB festgelegt.
Da § 52 Abs.2 GSpG auf die Leistung eines Einsatzes von mehr als 10 Euro in einem einzelnen Spiel abstellt, hat die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden nach den für die Spiele geleisteten Einsätzen zu erfolgen.
Eine Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand ergibt sich daher nur für die Veranstaltung von Spielen, bei denen der Einsatz 10 Euro überstieg. Im Übrigen verbleibt die Zuständigkeit bei den Verwaltungsstrafbehörden.
2.4. Da somit im Falle des Betreibens eines Glücksspielgeräts (unabhängig davon, ob es sich um einen Glücksspielautomaten oder um elektronische Lotterien handelt) die Zuständigkeit des Gerichts nur für jene Spiele gegeben ist, bei denen der geleistete Einsatz 10 Euro überstieg, im Übrigen aber die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden gegeben ist, durfte die belangte Behörde aus der Feststeilung, dass an den gegenständlichen Apparaten auch mit Einsätzen über 10 Euro gespielt worden sei, nicht ableiten, dass hinsichtlich sämtlicher, mit den Apparaten durchgeführter Spiele eine Zuständigkeit des Gerichts nach § 168 Abs.1 StGB gegeben gewesen sei.
2.5. Die belangte Behörde war daher auf dem Boden ihrer Sachverhaltsfeststellungen schon deshalb nicht befugt, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."
3.3. Diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch VwGH 27.2.2013, 2012/17/0342, zuletzt VwGH 15.3.2013, 2012/17/0365), welche auch dem angefochtenen Bescheid des LVWG Niederösterreich zugrunde liegt, widerspricht jedoch dem Doppelbestrafungsverbot gemäß Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK:
Gemäß dem im Beschwerdefall präjudiziellen - und auch in den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes maßgeblichen -Verwaltungsstraftatbestand des §52 Abs.1 Z1 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010 ist zu bestrafen, ‚wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs.4 [GSpG] veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs.2 [GSpG] daran beteiligt‘.
Daran anknüpfend grenzt § 52 Abs.2 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010 die Strafbarkeit nach § 52 Abs.1 (Z1) GSpG und jene nach § 168 StGB sowie damit auch die Zuständigkeit der Verwaltungs- (§ 52 Abs.1 GSpG) und Strafgerichtsbarkeit (§ 168 StGB) voneinander ab: ‚Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen Vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10,-- Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück.‘
Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs.2 GSpG (iVm dem Straftatbestand des § 52 Abs.1 Z1 GSpG) kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen (höchstens oder über 10 Euro) abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs.1 Z1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs.4 GSpG. Die Strafbarkeit knüpft somit nicht - wie dies aus der Textierung des § 52 Abs.2 GSpG missverstanden werden könnte - an das Verhalten des konkreten Spielers - also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter 10 Euro an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet - an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ("wer … veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht …"- § 52 Abs.1 Z1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs.1 (Z1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit - bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg. 15.199/1998 mwN) - darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens 10 Euro oder mehr als 10 Euro ermöglicht. Würde auf die tatsächlichen Einsätze des jeweiligen Spielers abgestellt {wie dies der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Rechtsprechung und die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid tun), würde eine Tat, also ein Lebenssachverhalt bzw. dasselbe Verhalten einer Person (nämlich des in § 52 Abs.1 [Z1] GSpG und § 168 StGB umschriebenen Täterkreises), in mehrere strafbare Handlungen zerlegt, obwohl diese strafbaren Handlungen dieselben wesentlichen Elemente ("essential elements") aufweisen und die eine strafbare Handlung den Unrechtsgehalt der anderen in jeder Beziehung mit umfasst. Das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu 10 Euro pro Spiel geleistet werden können, erschöpft sich vollständig in dem gemäß § 168 Abs.1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf (Automaten-)Glücksspiele bzw. die darauf installierten Spielprogramme mit Einsätzen über 10 Euro.
Bei einer verfassungskonformen Interpretation des § 52 Abs.2 (iVm § 52 Abs.1 Z1) GSpG hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden von jener der Strafgerichte darf es somit nur darauf ankommen, ob eine "Glücksspielveranstaltung" (also das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen mit Spielautomaten über einen bestimmten Zeitraum) mit einem Einsatz von über 10,-- Euro pro Spiel ermöglicht wird, und nicht darauf, ob der jeweilige Spieler Einsätze von höchstens 10 Euro oder mehr als 10 Euro tatsächlich leistet. Dabei umfasst das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen jeweils nur einen konkreten Spielautomaten und nicht mehrere Spielautomaten (gemeinsam).
3.4. Die belangte Behörde hat somit dem § 52 Abs.2 (iVm § 52 Abs.1 Z1) GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der vom Beschwerdeführer betriebenen Glücksspielautomaten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte. Da der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen Ausspielungen mit zwei Glücksspielautomaten, welche einen Höchsteinsatz von 10,50 Euro pro Spiel ermöglichten, veranstaltete und deswegen auch in erster Instanz strafgerichtlich gemäß § 168 StGB verurteilt wurde, scheidet eine doppelte Bestrafung wegen ein und derselben Tat nach § 52 Abs.1 Z1 (iVm § 52 Abs.2) GSpG aus.
3.5. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des § 52 Abs.2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde - auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich gewähr-leisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B-VG bzw. Art. 2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs.2 B-VG - stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs.1 GSpG besteht.“
IV.2. Zusammenfassend ist der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu entnehmen, dass – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – nicht die tatsächlich geleisteten Einsätze für ein Spiel für die Beurteilung der behördlichen oder der gerichtlichen Zuständigkeit herangezogen werden dürfen. Vielmehr ist darauf abzustellen, welcher Einsatz möglich gewesen wäre bzw. ob ein Serienspiel durchgeführt hätte werden können.
Entsprechend der umfangreichen stRsp des Obersten Gerichtshofes kommt bei der Beurteilung eines konkreten Speilablaufes als Serienspiel in objektiver Hinsicht der Minimierung der Hemmschwelle zum „Weiterspielen“ generelle Bedeutung zu, wobei rasche Spielabläufe (gerade) in Kombination mit relativ geringen Einsätzen, die vor dem Hintergrund eines präsenten Restspielkapitals die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Spielentscheidung emotional verharmlosen und dadurch ein Anreiz geschaffen wird, kurzfristig auftretenden Verlustszenarien durch Beharrlichkeit entgegenzuwirken, als wesentliches Begriffsbestimmungselement entwickelt wurden.
Die Verwerflichkeit des strafbarkeitsindizierenden Handlungsanreizes liegt also in der subtilen Stimulierung beider Extremvarianten des tendenziell suchtbestimmten Verhaltens, welches gleichermaßen im möglichen Steigern der Einsätze (über 10 Euro) wie in der Erhöhung der „Schlagzahl“ (Serienspiel) gelegen sein kann und – in beiden Fällen – von günstigen Einsatz-Gewinn-Relationen unterstützt wird. In beiden Varianten übersteigt der Vermögenswert der (Gesamt-)Einsätze die Geringfügigkeitsgrenze des gesetzlichen Schutzinteresses.
IV.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat (nach bisheriger Diktion) die Verwaltungsbehörde im Falle einer Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen (vgl. ua VwGH 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH 22.3.1999, Zl. 98/17/0134). Diese Verpflichtung trifft im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren somit seit 01.01.2014 das Oö. Landesverwaltungsgericht.
Aufgrund der Ausgestaltung des Geräts mit einer „Automatik-Start-Taste“ und der beschriebenen Funktionsweise dieser Taste bzw. des Serienspiele ermöglichenden Spielablaufes beim Hundewett-Terminal werden nach Auffassung des erkennenden Richters erwerbsmäßig Serienspiele ermöglicht.
Im gegebenen Zusammenhang liegt daher der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor, da allein schon das unternehmerische Zugänglichmachen ebenso wie das Aufstellen bzw. zur Verfügungstellen von Glücksspielgeräten eine Versuchshandlung iSd § 15 Abs.2 StGB hinsichtlich des Tatbildes der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (vgl. dazu § 168 Abs.1 StGB 2. Tatbildvariante) und überhaupt das vorsätzliche Verschaffen einer Spielgelegenheit – etwa durch den "Spielautomatenaufsteller" oder einen "die Gewinnabgeltung besorgenden Gastwirt" (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 168 Rz 14 uHa Rainer, SbgK § 168 Rz 12) – auf mit "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten schon vor dem ersten Spielgeschehen den strafbaren Versuch der Veranstaltung von Serienglücksspielen im Sinne der 1. Tatbildvariante des § 168 Abs.1 StGB darstellt (vgl. allgemein zu den Begehungsweisen Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 168 Rz 14 ff, die etwa die Förderung einer Glücksspielzusammenkunft schon "durch Beistellung entsprechender Räume oder Spielutensilien, durch Werbung oder durch sonstige Dienstleistungen" bejahen, und Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 §168 Rz 9 ff). Allein der Umstand des zur Verfügung Stellens derartiger Geräte stellt (bei entsprechendem Tatvorsatz) in objektiver Hinsicht somit jedenfalls schon den strafbaren Versuch der Förderung einer Glücksspielzusammenkunft (§ 168 Abs.1 2. Tatbildvariante) sowie allenfalls auch die strafbare Beteiligung am Versuch der Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 168 Abs.1 1. Tatbildvariante) dar.
Mit anderen Worten: Bereits durch die Beistellung, betriebsbereite Aufstellung und öffentliche Zugänglichmachung eines mit "Automatic-Start-Taste" bzw. der Möglichkeit zur Durchführung von Serienspielen ausgestatteten Glücksspielgeräts, bei dem sämtliche der angezeigten Spiele mit dieser Taste ausgelöst werden können, wird der strafbare Versuchsbereich der Tatbilder des § 168 Abs.1 StGB als Ausführungshandlung oder zumindest ausführungsnahe Handlung in Bezug auf die Veranstaltung von Serienglücksspielen und die Förderung der Abhaltung von Serienglücksspielen beschritten.
Darüber hinaus ist nach den gegebenen Umständen zu erkennen, dass der Bf im Sinne des § 5 Abs.1 2. Halbsatz StGB die Verwirklichung des Tatbildes ernstlich für möglich gehalten und sich damit auch abgefunden hat:
Schon die Tatsache, dass auf den mit "Automatic-Start-Taste" ausgestatteten Glücksspielgeräten Glücksspiele im Sekundentakt ablaufen zeigt ganz offensichtlich, dass solche Ausspielungen sowohl vom Veranstalter als auch vom Lokalbetreiber und Inhaber ebenso wie von sonstigen unternehmerisch Beteiligten (etwa dem beteiligten Geräteeigentümer) in gewinnbringender Absicht beigestellt, betrieben bzw. veranstaltet werden. Dies indiziert mindestens den erforderlichen dolus eventualis in Bezug auf die beiden Tatbilder des § 168 Abs.1 StGB. So ist im Regelfall davon auszugehen, dass Veranstalter und/oder Lokalbetreiber ebenso wie sonstige unternehmerisch Beteiligte (etwa der beteiligte Geräteeigentümer) es für möglich halten und sich auch damit abfinden, dass mit der Verschaffung einer Spielgelegenheit bzw. der Zugänglichmachung von entgeltlichen Glücksspielen auf entsprechend ausgestatteten Geräten ebenso wie schon mit der erwerbsmäßigen Beistellung solcher Geräte auf unrechtmäßige (monopolwidrige) Art und Weise Geld verdient wird. Dementsprechend gehen auch Kirchbacher/Presslauer im Wiener Kommentar zum StGB (vgl. dieselben in WK² § 168 Rz 13) unter Hinweis auf eine "realistische Sicht" davon aus, dass wohl "jedem Automatenbetreiber, der keine Vorkehrung gegen 'Serienspiele' trifft, ein entsprechender dolus eventualis unterstellt werden" müsse. Beim Einsatz von Glücksspielgeräten mit "Automatic-Start-Taste" werden aber sogar nicht nur keine Vorkehrungen gegen Serienspiele getroffen, sondern solche Serienspiele geradezu provoziert. Im Fall der Betätigung der "Automatic-Start-Taste" durch den Spieler wird – wie oben dargelegt – der wechselnde Vorgang der Einsatzabbuchung mit anschließendem Walzenlauf so lange selbsttätig fortgesetzt, bis das gesamte Spielguthaben verbraucht, der Einsatz höher als das (verbleibende) Spielguthaben ist oder die Taste erneut betätigt wird.
IV.4. Die für die Beurteilung der im gegenständlichen Zusammenhang wesentlichen Frage durch das Verwaltungsgericht heranzuziehende und oben ausführlich dargestellte Judikatur der Höchstgerichte lässt ob ihrer Klarheit keinen Spielraum für abweichende Tatbestandskonstruktionen: wenn Einzeleinsätze über 10 Euro oder Serienspiele möglich sind, liegt ausschließliche Gerichtszuständigkeit vor. Für eine Pönalisierung auf verwaltungsrechtlicher Ebene bleibt kein Raum.
Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ist daher nach der selbstständigen Beurteilung dem Tatbestand des § 168 Abs.1 StGB zu unterstellen und nach dem § 168 Abs.1 iVm. § 15 Abs.2 StGB gerichtlich strafbar.
V. Auf Grund der – in § 52 Abs.2 GSpG teilweise normierten bzw. sich im Lichte des verfassungsgesetzlich verankerten Doppelbestrafungs- und ‑verfolgungsverbots gemäß Art. 4 des 7. ZPEMRK stillschweigend ergebenden – Subsidiarität hat eine Verfolgung wegen des verdrängten Verwaltungsstraftatbestands des § 52 Abs.1 Z 1 GSpG zu unterbleiben.
Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bf gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Markus Kitzberger