LVwG-600958/2/KLI/CG
Linz, 17.08.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 9. Juli 2015 des B A,
geb. x 1985, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. Juni 2015, GZ: VerkR96-8508-2015-pac, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO),
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde noch zum Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Juni 2015, GZ: VerkR96-8508-2015-pac wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe als Lenker des Motorrades mit dem Kennteichen x im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liege, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um
50 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei zu seinen Gunsten abgezogen worden. Der Tatort sei die Gemeinde Vöcklabruck, Landesstraße Ortsgebiet, Vöcklabruck Nr. 1 bei km 243.682 in Fahrtrichtung Linz; Tatzeit sei der 28.03.2015, 11.44 Uhr. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 52 lit.a Z.10a StVO verletzt. Über ihn werde gemäß § 99 Abs.2d StVO eine Geldstrafe in Höhe von 235 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung sei ihm mittels Strafverfügung vom 20.04.2015, durch ordnungsgemäße Hinterlegung am 22.04.2015, nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Gegen die Strafverfügung habe er rechtzeitig Einspruch erhoben, wobei er mitteilte, dass er die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Verschiedene Interessierte hätten sich das Motorrad zu einer Probefahrt ausgeliehen. Aufgrund dieser Angaben wurde im Sinne des § 103 Abs.2 KFG eine Lenkererhebung an ihn übermittelt. Im gleichen Verfahrenszug sei in einem getrennten Schreiben gemäß §§ 40 und 42 VStG das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Aufforderung zur Rechtfertigung sei eine Kopie des Aktes sowie ein Radarfoto angeschlossen worden.
Da der Beschwerdeführer der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.05.2015 sich schriftlich zu rechtfertigen oder zur mündlichen Verhandlung bei diesem Amt binnen zwei Wochen ab Zustellung persönlich zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden, keine Folge geleistet habe, werde das Verwaltungsstrafverfahren nunmehr ohne Anhörung durchgeführt. Die Durchführung des Strafverfahrens ohne Anhörung sei angedroht worden.
Gerade bei Geschwindigkeitsüberschreitungen handle es sich um besonders schwere Verstöße im Straßenverkehr, weil diese eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle darstellen würden. Schon aus generalpräventiven Gründen seien derartige Übertretungen daher entsprechend konsequent zu ahnden. Ein bloßes Leugnen der angelasteten Verwaltungsübertretungen sei kein dienlicher Gegenbeweis. Eine allgemein gehaltene Behauptung oder ein bloßes Leugnen reiche für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen habe, befreie die Partei nicht von ihrer Mitverpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, wobei diese Mitwirkungspflicht auch den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren treffe. Die Mitwirkungspflicht habe insbesondere dort eine große Bedeutung, wo ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden könnte. Komme der Beschuldigte diesem Auftrag nicht nach, verletze er seine Mitwirkungspflicht. In diesem Fall sei die Behörde nicht gehalten, weitere aufwendige Ermittlungen durchzuführen. Die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme sei bis zum heutigen Tag nicht genutzt worden. Es sei somit von einer Schutzbehauptung auszugehen.
I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde vom 09.07.2015. Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer vor, sich nicht in der Verantwortung für die verhängte Strafe der Verwaltungsübertretung vom 28.03.2015 zu sehen. Seine Äußerungen dazu sollten einem E-Mail vom 08.06.2015 entnommen werden. Des Weiteren wolle er hinzufügen, dass er zweimal die Möglichkeit einer Stellungnahme nutzen habe wollen. Er habe dieser aber nicht nachkommen können, weil er den zuständigen Sachbearbeiter nicht antreffen habe können. Bei seinem zweiten Versuch einer Rechtfertigung sei er von einer Kollegin angehört worden.
Er habe keinerlei Daten – außer einer E-Mailadresse und einer Telefonnummer oder Sonstiges des Täters Z S. Er sehe die Entscheidung der belangten Behörde zwar als nachvollziehbar, wolle aber hinzufügen, dass er sich weder finanziell noch moralisch in der Pflicht sehe, den geforderten Betrag zur Gänze alleine zu bezahlen.
Er begehre daher mindestens eine, seinen Umständen und Unterhaltspflichten entsprechende, angemessene Strafmilderung.
II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:
II.1. Der Beschwerdeführer ist Halter des Motorrades mit dem behördlichen Kennzeichen x. Mit diesem Motorrad wurde am 28.03.2015, 11.44 Uhr in Vöcklabruck, Landesstraße Ortsgebiet, Vöcklabruck Nr. 1 bei km 243.682 in Fahrtrichtung Linz eine Verwaltungsübertretung begangen. Der Lenker des Motorrades überschritt die in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h, die in Betracht kommende Messtoleranz wurde zu Gunsten des Lenkers abgezogen.
II.2. Der Beschwerdeführer wollte das Motorrad mit dem Kennzeichen x verkaufen, sodass mehrere Interessenten das Motorrad zu einer Probefahrt ausliehen.
Einer dieser Interessenten trug bei der Probefahrt Jeans und Freizeitschuhe. Er verwendete einen Helm, welcher ein anderes Erscheinungsbild als jener des Beschwerdeführers hat.
II.3. Der Beschwerdeführer äußerte sich im Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde zu der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung. Er verfasste dazu eine E-Maileingabe vom 8. Juni 2015. In dieser E-Maileingabe brachte der Beschwerdeführer den zu Punkt II.2. festgestellten Sachverhalt vor.
Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer an, dass es sich bei dem Interessenten, welcher im Tatzeitpunkt am Tatort eine Probefahrt durchgeführt habe um eine Person mit ungarischer Staatsbürgerschaft oder Herkunft handeln müsse, zumal diese mit einem KFZ mit ungarischem Kennzeichen zum vereinbarten Termin gekommen sei. Der Name dieser Person laute entsprechend einer E-Mailkorrespondenz Z S, dessen Telefonnummer laute: 0043/681/x. Genauere Daten könne der Beschwerdeführer nicht angeben.
II.4. Ob der Beschwerdeführer das Motorrad zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat, kann nicht festgestellt werden.
III. Beweiswürdigung:
III.1. Die Daten des Beschwerdeführers sowie des von ihm gehaltenen Motorrades ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und sind unstrittig, sodass weitere Sachverhaltsfeststellungen diesbezüglich nicht notwendig waren.
III.2. Dass der Beschwerdeführer sein Motorrad verkaufen wollte, ergibt sich aus dessen Vorbringen vom 8. Juni 2015, welches auch mit dem Vorbringen in der Beschwerde im Einklang steht. Widersprüche waren nicht ersichtlich und kann das Vorbringen nicht als unglaubwürdig interpretiert werden.
Insbesondere hat der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Behauptungen auch ein Lichtbild seines Motorradhelms vorgelegt, welcher im Vergleich zum vom Täter benutzten Helm deutlich unterscheidbar ist. Zwar könnte auch die Auffassung vertreten werden, dass der Beschwerdeführer lediglich einen anderen Motorradhelm verwendet habe und daher sehr wohl der Lenker gewesen sei, in Zusammenschau mit dem weiteren Vorbringen stellte sich aber als schlüssig dar, dass tatsächlich eine andere Person das Motorrad gelenkt haben könnte.
III.3. Der Beschwerdeführer erstattete in seiner Eingabe vom 8. Juni 2015 darüber hinaus das Vorbringen, dass ein bestimmter Interessent das Motorrad gelenkt habe und konnte zumindest teilweise Namen bzw. Telefonnummer bekanntgeben. Wohl aus diesem Grund wurde von der belangten Behörde nach deren Ausführungen im Straferkenntnis auch eine Lenkerauskunft eingeholt.
III.4. In Zusammenschau aller Umstände konnte keine positive Feststellung dazu getroffen werden, ob tatsächlich der Beschwerdeführer oder eine andere Person das Motorrad gelenkt hat.
IV. Rechtslage:
§ 52 lit.a Z.10a StVO regelt Geschwindigkeitsbeschränkungen bzw. die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometerzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.
Gemäß § 99 Abs.2d StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 70 bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu 6 Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindig-keit um mehr als 30 km/h überschreitet.
V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:
V.1. Fraglich ist verfahrensgegenständlich, ob der Beschwerdeführer selbst oder eine andere Person das Motorrad im Tatzeitpunkt am Tatort gelenkt hat. Der Beschwerdeführer hat dazu eine bestreitende Position eingenommen und vorgebracht, dass mehrere Kaufinteressenten das Motorrad zu einer Probefahrt verwendet hätten. Der Beschwerdeführer machte dazu auch Angaben einer bestimmten Person, wenngleich deren Daten unvollständig geblieben sind.
V.2. Zu beurteilen ist insofern, ob aufgrund dieser Verantwortung unterstellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug tatsächlich selbst gelenkt hat oder ob sich aus diesen Behauptungen ergibt, dass eine andere Person das Fahrzeug verwendet hat.
V.3. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass bloßes Leugnen der angelasteten Verwaltungsübertretung kein dienlicher Gegenbeweis ist bzw. dass eine allgemein gehaltene Behauptung oder ein bloßes Leugnen für eine Glaubhaftmachung nicht ausreicht.
Tatsächlich handelt es sich bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs.1 VStG. Der Beschwerdeführer hatte daher glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Zu einer solchen Glaubhaftmachung ist es erforderlich, dass der Beschuldigte initiativ, von sich aus in substantiierter Form alles darlegt, was für seine Entlastung spricht.
Dazu zählt auch, dass der Beschwerdeführer darlegen kann, wer am Tatort und zur Tatzeit das von ihm gehaltene Motorrad gelenkt hat. Der Beschwerdeführer konnte dazu – wenn auch unvollständige – Angaben machen und nannte eine Person, wobei ihm der Anfangsbuchstabe des Vornamens, der Nachname und (soweit ersichtlich) die Herkunft sowie eine Telefonnummer bekannt waren.
Mit diesem Vorbringen hat sich der Beschwerdeführer aber nicht darauf zurückgezogen, seine Täterschaft bloß zu bestreiten, sondern hat ein entsprechendes Vorbringen dazu erstattet, wer statt ihm das Motorrad gelenkt hat.
Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus auch Argumente ins Treffen geführt, dass diese Person anders gekleidet war, als er sich kleiden würde und dass sein Motorradhelm ganz anders aussehe als jener der Person auf dem Radarfoto.
Damit hat der Beschwerdeführer aber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, um seine Täterschaft zu bestreiten. Aus dem Akteninhalt und der durchgehend gleichbleibenden Verantwortung des Beschwerdeführers lässt sich nicht ableiten, dass sein Vorbringen unrichtig sei.
V.4. Darüber hinaus bedeutet Glaubhaftmachen lediglich, dass der Beschwerdeführer ausreichende Zweifel daran erwecken muss, dass es sich bei ihm um den Täter der Verwaltungsübertretung handelt (Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 5 VStG Anm. 8).
Im gegenständlichen Verfahren konnte nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich beim Beschwerdeführer tatsächlich um den Täter der Verwaltungsübertretung handelt.
V.5. Inwieweit der Beschwerdeführer gegen eine Verpflichtung gemäß § 103 Abs.2 KFG verstoßen hat, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
V.6. Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
VI.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
VI.2. Glaubhaftmachen stellt eine Frage der Beweiswürdigung dar und ist jeweils auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt insofern nicht vor. Außerdem weicht die vorliegende Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Glaubhaftmachung ab, zumal der Beschwerdeführer, wie oben ausgeführt, nicht bloß einen leugnenden Standpunkt eingenommen hat.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Lidauer