LVwG-650360/8/Sch/Bb
Linz, 17.08.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde des Manfred M G, geb. 1961, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H B, vom 23. März 2015, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 6. März 2015, GZ 14/477054, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung der Klassen AM und B durch zeitliche Befristung und Erteilung von Auflagen aufgrund des Ergebnisses durchgeführter ergänzender Erhebungen,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde im Anfechtungsumfang stattgegeben, die verfügte zeitliche Befristung und die Auflage der amtsärztlichen Nachuntersuchung unter Vorlage eines Facharztbefundes für Innere Medizin behoben und festgestellt, dass die Auflage der Verwendung eines Sehbehelfes beim Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Klassen auch durch das Tragen von Kontaktlinsen erfüllt ist.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 6. März 2015, GZ 14/477054, wurde die Lenkberechtigung des M M G (des nunmehrigen Beschwerdeführers – im Folgenden kurz: Bf) der Führerscheinklassen AM und B bis 3. März 2020 zeitlich befristet und durch folgende Auflagen eingeschränkt:
- Tragen einer geeigneten Brille beim Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B und
- amtsärztliche Nachuntersuchung bis spätestens 3. März 2020 unter Vorlage eines Facharztgutachtens für Innere Medizin.
Der Bescheid stützt sich im Wesentlichen auf das polizeiärztliche Gutachten nach § 8 FSG vom 3. März 2015, in welchem dem Bf eine bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Klassen attestiert wurde.
2. Gegen diesen am 6. März 2015 mündlich verkündeten Bescheid erhob der Bf durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 23. März 2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 26. März 2015, innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Führerscheinbefristung ersatzlos gestrichen werde und die Auflage dahingehend modifiziert werde, dass beim Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B das Tragen einer geeigneten Brille oder von geeigneten Kontaktlinsen erforderlich sei.
Zur näheren Begründung seines Rechtsmittels trägt der Bf dem Grunde nach im Wesentlichen vor, dass dem augenärztlichen Befund des Dr. E zu entnehmen sei, dass der für das Lenken von Kraftfahrzeugen erforderliche Visus sowohl durch Tragen einer Brille, als auch durch Tragen geeigneter Kontaktlinsen gewährleistet sei.
Hinsichtlich der zeitlichen Befristung seiner Lenkberechtigung führt der Bf an, dass der ihn behandelnde Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Dr. R J am 17. März 2015 bestätigt habe, dass sein Gutachten vom 24. Februar 2014 so zu verstehen sei, dass eine Führerscheinbefristung nicht notwendig sei. Er leide zwar unter einer CCP-Antikörperpositiven chronischen Polyarthritis, die eine laufende Basistherapie mit MTX 25 mg 1x pro Woche erfordere, er sei aber medikamentös bestens eingestellt, sodass es keine medizinische Rechtfertigung für eine Befristung der Lenkberechtigung wegen dieser Erkrankung gebe.
3. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 2. April 2015, GZ FE-14/477054, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und Einholung einer ergänzenden fachärztlichen internistischen Stellungnahme als auch einer polizeiärztlichen Stellungnahme und Einsichtnahme in diese Gutachten.
Gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels gesonderten Antrages des anwaltlich vertretenen Bf (VwGH 28. April 2004, 2003/03/0017) und der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der nunmehr vorliegenden Gutachtenslage hinreichend geklärt vorliegt und sich daraus ergibt, dass der behördliche Bescheid im Anfechtungsumfang aufzuheben ist, unterbleiben.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der am 15. Jänner 1961 geborene Bf unterzog sich laut Aktenlage am 17. Februar 2015 beim Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie, Dr. C E, einer augenfachärztlichen Untersuchung. Der begutachtende Augenfacharzt verwies in seiner darüber erstatteten Stellungnahme vom 17. Februar 2015 darauf, dass der Bf mit entsprechender Korrektur die für die Führerscheinklasse 1 erforderliche Sehschärfe erreiche. Entsprechend der Visusbestimmung weist der Bf ohne Korrektur auf dem rechten Auge einen Visus von 0,32 und links 0,16 auf. Mit Korrektur beträgt sein Visus rechts 1,0 und links 0,32.
Die folgende internistische Begutachtung durch den Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Dr. R J ergab, dass der Bf seit 2008 an einer seropositiven chronischen Polyarthritis mit Beteiligung großer und kleiner Gelenke leide. Laut entsprechender fachinternistischer Stellungnahme vom 24. Februar 2015 komme es beim Bf zum Auftritt von Arthralgien vorwiegend im Bereich des rechten Schulter- und rechten Kniegelenks. Klinisch seien derzeit keine Zeichen einer aktiven Entzündung fassbar, insbesondere keine Gelenksveränderungen, die das Lenken eines Kraftfahrzeuges beeinträchtigen würden. Die Erkrankung werde mit dem Medikament „MTX 25 mg“ einmal pro Woche behandelt. Aus internistischer/rheumatologischer Sicht bestehe kein Einwand bezüglich des Lenkens von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1. Laut Facharzt seien regelmäßige internistische Kontrollen vorgesehen.
Das vom Polizeiarzt der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Dr. F G, nachfolgend erstattete Gutachten nach § 8 FSG vom 3. März 2015, das die Grundlage für den nunmehr angefochtenen Bescheid bildet, beurteilt den Bf als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führscheingruppe 1, Klassen AM und B, „befristet geeignet“, und zwar auf die Dauer von fünf Jahren und unter den Auflagen der Verwendung einer Brille beim Lenken von Kraftfahrzeugen und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung samt Vorlage eines Facharztbefundes für Innere Medizin vor Befristungsablauf. Der Polizeiarzt begründet das Ergebnis des Gutachtens mit der beim Bf seit sieben Jahren bestehenden chronischen Polyarthritis und dessen Sehleistung. Der Polizeiarzt erläuterte, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestvisus mit Brille erreicht werde.
4.2. Aufgrund des Vorbringens des Bf in seinem Rechtsmittel und einer vom Bf diesem beigeschlossenen Stellungnahme des Facharztes Dr. R J vom 17. März 2015, wonach eine Führerscheinbefristung beim Bf nicht erforderlich sei, wurde der Facharzt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens um entsprechende Konkretisierung der fachärztlichen Stellungnahme gebeten, wobei dieser in Ergänzung zur fachärztlichen Stellungnahme vom 24. Februar 2015 am 6. Juli 2015 schriftlich festhielt, dass eine sichere, langfristige Prognose nicht möglich und eine FS-Befristung beim Bf aus internistischer Sicht nicht erforderlich sei.
Im Hinblick auf diese gutachtliche Aussage kam der Polizeiarzt der Landespolizeidirektion Oberösterreich Dr. F G in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2015 nunmehr zum Schluss, dass aufgrund der seitens des Facharztes angefügten Ergänzung, wonach aufgrund der bestehenden Erkrankung beim Bf keine weitere Nachkontrolle im Hinblick auf die Verkehrstauglichkeit als notwendig erachtete werde, polizeiärztlicherseits somit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klassen AM und B, das Tragen einer Brille bzw. Kontaktlinsen vorausgesetzt, auszusprechen sei.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
5.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG bildet die gesundheitliche Eignung eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung.
Gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Gemäß § 8 Abs. 1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.
Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist gemäß § 8 Abs. 2 FSG das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen.
Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund gemäß § 8 Abs. 3 Z 2 FSG zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten “bedingt geeignet” für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind.
Gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 FSG-GV liegt mangelhaftes Sehvermögen vor, wenn nicht erreicht wird ein Visus mit oder ohne Korrektur für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 beim beidäugigen Sehen von mindestens 0,5.
Wird der in § 7 Abs. 2 Z 1 lit. a geforderte Visus von Lenkern von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nur mit Korrektur erreicht, so ist gemäß § 8 Abs. 1 FSG-GV die Verwendung eines entsprechenden Sehbehelfes beim Lenken eines Kraftfahrzeuges vorzuschreiben.
Fehlt ein Auge oder ist eine funktionelle Einäugigkeit gegeben, so kann gemäß § 8 Abs. 4 FSG eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden, wenn durch eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt wird, dass beim normal sehenden Auge kein im § 7 Abs. 2 Z 2, 3 und 4 angeführtes mangelhaftes Sehvermögen und der in § 7 Abs. 2 Z 1 genannte Visus ohne oder mit Korrektur vorhanden ist.
5.2. Nach den Feststellungen der aktuellen polizeiärztlichen Stellungnahme vom 14. Juli 2015 ist der Bf unter der Auflage des Tragens einer Brille bzw. von Kontaktlinsen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klassen AM und B gesundheitlich geeignet. Diese Einschätzung erscheint schlüssig und nachvollziehbar und steht in Einklang mit den fachinternistischen Ausführungen des Facharztes Dr. R J.
Ausgehend davon kann sohin zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, das die Änderungen der Sach- und Beweislage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, grundsätzlich von der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B unter der Voraussetzung der Verwendung eines entsprechenden Sehbehelfes beim Lenken dieser Führerscheinklassen ausgegangen werden.
Nach verwaltungsgerichtlicher Judikatur (z. B. VwGH 15. September 2009, 2009/11/0084; 25. April 2006, 2006/11/0042 uvm.) ist nämlich eine Befristung der Lenkberechtigung und eine Nachuntersuchung im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG nur dann zulässig, wenn eine "Krankheit" vorliegt bzw. festgestellt wurde, welche sich auf die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen auswirkt und bei der ihrer Natur nach mit einer Verschlechterung gerechnet werden muss. Solche Fakten sind aus den fachärztlichen Darstellungen und der nunmehr vorliegenden polizeiärztlichen Stellungnahme nicht abzuleiten, sodass in diesem Sinne daher die durch die belangte Behörde verfügte zeitliche Befristung der Führerscheinklassen AM und B und die Auflage der amtsärztlichen Nachuntersuchung samt Vorlage eines Facharztgutachtens für Innere Medizin aufzuheben waren.
Bezüglich der Auflage der Verwendung eines Sehbehelfes beim Lenken von Kraftfahrzeugen ist anzumerken, dass aus den polizeiärztlichen Feststellungen abzuleiten ist, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestvisus durch das Tragen einer Brille als auch durch die Verwendung von Kontaktlinsen erreicht wird, sodass die diesbezügliche behördliche Bescheidauflage dahingehend entsprechend zu modifizieren war.
II.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
S c h ö n