LVwG-600788/19/KLi/Bb
Linz, 27.07.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 12. März 2015 des A S, geb. 1962, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. A M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 9. Februar 2015, GZ VerkR96-1487-2014, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und dem Führerscheingesetz 1997 (FSG), aufgrund des Ergebnisses der am 27. April 2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten (§ 52 Abs. 9 VwGVG).
III. Gegen dieses Erkenntnis ist in Bezug auf Tatvorwurf 1) und 3) gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
IV. Bezüglich Tatvorwurf 2) ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) hat A S (dem nunmehrigen Beschwerdeführer - im Folgenden kurz: Bf) mit Straferkenntnis vom 9. Februar 2015, GZ VerkR96-1487-2014, unter Tatvorwurf 1) die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO, unter Tatvorwurf 2) eine Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO und unter Tatvorwurf 3) eine Übertretung gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG vorgeworfen und über ihn Geldstrafen in Höhe von 1) gemäß 99 Abs. 2 lit.a StVO 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden), 2) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) und 3) gemäß § 37 Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 FSG 750 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 150 Stunden), verhängt. Weiters wurde er von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von insgesamt 145 Euro verpflichtet.
Dem Schuldspruch liegen folgende Tatvorwürfe zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):
„1) Sie sind als Lenker des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
2) Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.
3) Sie haben das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, waren, da Ihnen diese mit Bescheid entzogen war. Behörde: Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Bescheid vom 12.11.2013, VerkR21-211-2013.
Tatort: Gemeinde Linz, Gemeindestraße Ortsgebiet, H.
Tatzeit: 03.03.2014, 20.15 Uhr.
Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, VW Golf, schwarz.“
Die belangte Behörde stützte in ihrer Entscheidung die Täterschaft des Bf im Wesentlichen auf die Aussage des Zeugen M K, der den gegenständlichen Verkehrsunfall beobachtete und den Bf aufgrund eines Fotos mit 90%i-ger Sicherheit als Lenker des Verursacherfahrzeuges identifizierte. Die verhängten Geldstrafen wurden unter Hinweis auf § 19 VStG, dem Vorliegen eines Erschwerungsgrundes, dem Nichtvorliegen von mildernden Umständen und den persönlichen Verhältnissen des Bf begründet.
2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 12. Februar 2015, erhob der Bf durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schreiben vom 12. März 2015 binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die Einvernahme des Zeugen A L, L, die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, in eventu die Erteilung einer Ermahnung bzw. eine außerordentliche Strafmilderung beantragt wurde.
In seinen Einwendungen bestreitet der Bf im Ergebnis seine Lenkereigenschaft. Er bringt dazu vor, dass der VW Golf mit dem behördlichen Kennzeichen x am 3. März 2014 am Nachmittag von Herrn A L in der Straße vor der Wohnung des P D, abgestellt worden sei. Den Autoschlüssel habe er im Handschuhfach abgelegt. Um den Pkw auf dem Parkplatz von Herrn D abzustellen, habe dieser den damaligen Freund seiner Tochter, Herrn M H, gebeten, das Auto auf den der Wohnung zugehörigen Parkplatz umzustellen und den Schlüssel wieder im Handschuhfach abzulegen.
Der Pkw sei daher am 3. März 2014 nachmittags, jedenfalls aber ab 16.30 Uhr, mehrere Stunden unverschlossen auf dem Parkplatz des Mehrparteienhauses in der L gestanden. Zumal es sich eben dort um kein Einfamilienhaus handle, sei die Möglichkeit, dass jemand fremder den unversperrten Pkw am Parkplatz gesehen und diesen verwendet habe, keinesfalls ausgeschlossen. Darüber hinaus hätten auch mehrere Personen, so beispielsweise Herr L und Herr H, gewusst, dass sich der Schlüssel im Handschuhfach befinde.
Der Bf erläuterte weiters, dass er am 3. März 2014 gegen 16.30 Uhr in die Wohnung des Herrn D gekommen sei. Zumal er am 1. März Geburtstag hatte, habe er zusammen mit P D und dessen nunmehriger Lebensgefährtin auf den Geburtstag angestoßen und Alkohol konsumiert. Aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums sei er bereits zwischen 19.00 und 20.00 Uhr auf der Wohnzimmercouch des Herrn D eingeschlafen. Herr D und Frau S seien erst gegen 24.00 bzw. 00.30 Uhr zu Bett gegangen. Die beiden wären die ganze Zeit hindurch mit ihm, also auch zum Tatzeitpunkt, im selben Zimmer aufhältig gewesen.
Seine diesbezügliche Aussage stimme mit den Angaben der Zeugen D und S völlig überein. Sofern die belangte Behörde deren Glaubwürdigkeit in Frage stelle, sei anzumerken, dass die Zeugen Alkohol in Maßen getrunken hätten, sodass Erinnerungslücken ausgeschlossen seien. Darüber hinaus hätten diese ihre Aussagen nach Wahrheitsbelehrung unter Strafdrohung getätigt. Der Umstand, dass er selbst bereits gegen 19.00 Uhr „ausgefallen“ sei, hänge hauptsächlich mit seinem Gesundheitszustand aufgrund einer schweren Erkrankung zum damaligen Zeitpunkt zusammen. Der Bf rügt überdies, dass die belangte Behörde dem Zeugen M K Glauben geschenkt habe, obwohl dieser keine nachvollziehbare Aussage getätigt und ihn bloß zu 90 % erkannt haben wolle.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben zu GZ VerkR96-1487-2014-OJ/SCH, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.
II.
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. April 2015, an welcher der Bf und dessen Rechtsvertreterin, ein Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen E W, wohnhaft in P, M S, wohnhaft W, sowie M K, P D und Erika S (alle wohnhaft in Linz) teilgenommen haben und zum Sachverhalt gehört und befragt wurden.
Die Vernehmung des vom Bf zur Einvernahme beantragten, zur Verhandlung geladenen und auch erschienen Zeugen A L, 4040 Linz, stellte sich im Rahmen der Verhandlung letztlich ohne Beiziehung eines Dolmetscher als wesentlich erschwert dar, weshalb der Bf den Beweisantrag auf dessen zeugenschaftliche Vernehmung anlässlich der Verhandlung zurückzog, sodass dessen Einvernahme schließlich unterbleiben konnte, wobei bemerkt wird, dass dieser Zeuge zum Beweisthema der Lenkereigenschaft zur konkreten Tatzeit ohnehin keine Wahrnehmungen gemacht hat.
2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:
Am 3. März 2014 gegen 20.17 Uhr erstattete E W als geschädigter Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen x telefonisch bei der Polizei Anzeige über einen soeben, um 20.15 Uhr stattgefundenen Verkehrsunfall mit Sachschaden in L, . Beim Eintreffen an der Unfallstelle fanden die Exekutivorgane der Verkehrsinspektion Linz den Pkw des Anzeigers in Endstellung mit Schäden am linken Fahrzeugheck vor. Herr W schilderte den Unfallhergang gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten dahingehend, dass er im Fahrzeug gesessen und auf seine Frau gewartet habe, als der Lenker des Pkw, VW Golf, mit dem Kennzeichen X, auf das Heck seines Fahrzeuges auffuhr und in der Folge die Unfallstelle ohne anzuhalten verließ und die Fahrt fortsetzte. Zum Lenker des gegnerischen Fahrzeuges konnte er gegenüber den Exekutivbeamten keine konkreten Angaben machen.
Als Zulassungsbesitzerin des Verursacherfahrzeuges wurde in der Folge Frau M S, 4073 Wilhering, ermittelt, wobei anlässlich dieser Erhebungen bekannt wurde, dass diese den auf sie zugelassenen VW Golf an den Bf verliehen hatte, welcher jedoch von Anfang an behauptete, den in Rede stehenden Pkw nicht gelenkt zu haben.
Strittig ist damit, wer zum fraglichen Tatzeit am 3. März 2014 um 20.15 Uhr den Pkw gelenkt hatte. Der Bf selbst betonte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung abermals den Pkw damals nicht gelenkt zu haben. Er gab dazu an, dass der besagte Pkw mit dem Kennzeichen X am Nachmittag des 3. März 2014 von Herrn A L auf der Fahrbahn vor der Wohnung des P D in Linz, L., abgestellt und der Fahrzeugschlüssel von diesem in das Handschuhfach des Pkw gelegt worden sei. Um den Pkw auf dem Parkplatz des Herrn D abzustellen, habe dieser den damaligen Freund seiner Tochter, Manuel H, wohnhaft in 4040 Linz, welcher gegen 16.30 Uhr die Wohnung verlassen habe, gebeten, das Fahrzeug auf dem der Wohnung zugehörigen Parkplatz umzustellen und den Schlüssel wieder im Handschuhfach abzulegen. Der Bf beteuert, nicht gewusst zu haben, dass das Fahrzeug nach dem Einparken am Stellplatz noch immer unversperrt gewesen und der Schlüssel wiederum im Handschuhfach abgelegt worden sei. Es sei ihm nur bekannt gewesen, dass A L den Schlüssel in das Handschuhfach gab, als dieser den Pkw zunächst auf der Fahrbahn vor der Wohnung von P D abgestellt habe. Der Bf gab weiters an, dass er am Vorfallstag gegen 16.30 Uhr in der Wohnung des Herrn D eingetroffen sei. Da er einige Tage davor Geburtstag hatte, habe er zusammen mit P D seinen Geburtstag gefeiert und dabei Alkohol konsumiert. Später sei auch noch dessen Lebensgefährtin E S dazu gestoßen. Aufgrund seines Alkoholkonsums sei er gegen 19.00 Uhr auf der Couch des P D eingeschlafen. Seine Erinnerung setzte dann erst wieder am darauffolgenden Tag ein. Er habe erst am nächsten Tag, als er nach Hause gekommen sei, vom Vorfall mit dem Pkw erfahren.
Der unfallbeteiligte Zeuge E W wiederholte anlässlich der Befragung im Wesentlichen seine zum Unfallhergang gegenüber den Polizeibeamten gemachten Angaben. Zur Person des Lenkers des gegnerischen Fahrzeuges gab er an, nur gesehen zu haben, dass es sich um einen männlichen Fahrer mit dunklen kurzen Haaren gehandelt habe, er diesen aber zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr beschreiben könne. Die Frage, ob der Lenker so ausgesehen habe wie der Bf, verneinte der Zeuge.
Der Zeuge M K, der den Verkehrsunfall beobachtet hatte, gab zu dessen Zustandekommen an, dass der VW Golf den abgestellten Passat gestreift habe und dann weggefahren sei. Beim Lenker habe es sich um einen Mann mittleren Alters mit wenig bis gar keinen Haaren, allenfalls ganz kurzen Haaren gehandelt. Über Befragen, ob der Fahrer der Bf gewesen sein könnte, führte er an, dass damals jedenfalls eine Ähnlichkeit zwischen dem Bf und der Person auf dem ihm gezeigten Foto bestanden habe. Er könne aber nicht 100%ig sagen, dass er auch damals der Fahrer war.
M S, die Zulassungsbesitzerin des den Verkehrsunfall verursachenden Pkws erläuterte im Wesentlichen, dass sie das Fahrzeug dem Bf zur Verfügung gestellt habe, wobei auch ihr Bruder P D die Erlaubnis zum Lenken des Pkws gehabt habe.
Der Zeuge P D führte aus, dass A L den Pkw zu seiner Wohnung gebracht und er ihn angewiesen habe, entweder den Schlüssel stecken zu lassen oder ins das Handschuhfach zu geben. Der Freund seiner Tochter, M H, habe den Pkw schließlich auf dem zur Wohnung gehörigen Stellplatz abgestellt. Er habe diesem gesagt, dass der Schlüssel stecke oder im Handschuhfach sei und er ihn wieder dorthin zurückgeben solle, weil er ihn dann hole. Befragt zur Geburtstagsfeier gab er an, dass er zunächst nur mit dem Bf gefeiert habe. Sie hätten dabei Wodka getrunken und zwar ziemlich viel. Später sei noch E S dazu gekommen, diese habe nur ganz wenig getrunken. Der Bf sei dann gegen 18.30 oder 19.00 Uhr „weggekippt“, wobei sie diesen dann auf die Wohnzimmercouch gelegt hätten. Frau S und er hätten sich dann noch unterhalten und miteinander gefeiert bis halb elf, elf oder zwölf Uhr nachts. Der Bf sei mit Sicherheit dabei die ganze Zeit auf der Couch gelegen.
E S sagte aus, dass sie nach der Arbeit um ca. halb fünf zu P D in die Wohnung gekommen sei. Der Bf sei damals auch dort gewesen. Da er Geburtstag hatte, hätten sie gefeiert. Sie hätten Schnaps getrunken und gegessen. Sie sei bis zum nächsten Tag um ca. halb neun bei Herrn D und dem Bf geblieben. Den Bf habe sie damals zum ersten Mal getroffen. Ungefähr um halb sieben sei der Bf ins Bett gegangen, er habe sich im Wohnzimmer hingelegt, sodass sie gesehen hätte, wenn er weggegangen wäre. Er sei aber die ganze Zeit dort gelegen. Um ca. halb eins seien dann auch sie und der Zeuge D schlafen gegangen. Als sie am nächsten Morgen ins Wohnzimmer gekommen seien, habe der Bf dort immer noch gelegen. Die Zeugin fertigte im Rahmen der Verhandlung eine Skizze des Wohnzimmers des Zeugen P D an. Daraus ergibt sich, dass damals in einer Ecke des Zimmers ein Tisch stand, an dem P D und die Zeugin S sich offensichtlich gegenüber saßen und in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes wurde die Couch, auf der der Bf gelegen sei, angedeutet.
3. In Bezug auf die entscheidungswesentliche Frage, ob der Bf den genannten Pkw zur fraglichen Tatzeit am Tatort gelenkt hat, ob also die im angefochtenen Straferkenntnis angelasteten Tathandlungen seiner Person als unmittelbarem Täter (Lenker) zuzurechnen sind, stellt sich die Beweislage nunmehr wie folgt dar:
Aufgrund des dargestellten Beweisverfahrens im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung bestehen Zweifel an der Lenkereigenschaft des Bf. Für den Bf spricht nämlich, dass er sogleich von Anbeginn seine Lenkereigenschaft zum Tatzeitpunkt ausgeschlossen hat. Schon dieser Umstand spricht für die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung so wesentliche Einwände gegen einen Tatvorwurf, wie zur Täterschaft, bei erster sich bietender Gelegenheit erhoben werden. Erstangaben kommen erfahrungsgemäß der Wahrheit in der Regel am nächsten (VwGH 25. Juni 1999, 99/02/0076; 27. Februar 1992, 92/02/0084 uvm.). Ihnen kommt in diesem Sinne auch eine hohe Glaubwürdigkeit zu (VwGH 16. November 1988, 88/02/0145).
Der Bf hat auch während des gesamten behördlichen Verwaltungsstrafverfahren sowie in seiner Beschwerde als auch der Vernehmung vor dem Landesverwaltungsgericht seine Verantwortung aufrechterhalten und seine Lenkereigenschaft stets verneint. Er konnte sich zwar aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Position als „Beschuldigter“ in jeder Hinsicht verantworten, jedoch hinterließ er im Rahmen seiner Vernehmung einen durchaus glaubwürdigen Eindruck und seine Aussagen wurden von den Zeugen P D und E S im Ergebnis vollinhaltlich gestützt. Auch wenn diese Zeugen in einem gewissen Naheverhältnis zum Bf stehen, so haben sie doch in getrennter Vernehmung - nicht unglaubwürdig - in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Aussage des Bf dargelegt, dass dieser zum Tatzeitpunkt auf der Wohnzimmercouch geschlafen habe und sie, da sie sich im selben Zimmer mit ihm befunden haben, gemerkt, wenn der Bf die Wohnung verlassen hätte. Es ist zu bedenken, dass die beiden Zeugen bei ihren Angaben unter Wahrheitspflicht standen, auf welche sie am Beginn ihrer Befragung auch dezidiert hingewiesen wurden, und sie im Falle der Verletzung mit strafrechtlichen Sanktionen zu rechnen hätten. Hinzu kommt, dass die Zeugin E S im Rahmen der Verhandlung von sich aus zur Untermauerung ihrer Aussage eine Zeichnung anfertigte, woraus hervorgeht, dass sie und der Zeuge D bei Tisch sitzend stets Sichtkontakt auf den auf der Couch liegenden Bf hatten. Es lässt sich damit kein wie immer gearteter Hinweis oder Anhaltspunkt finden, um an den Schilderungen der Zeugen D und S zu zweifeln.
Der einzige Hinweis darauf, dass der Bf den fraglichen Pkw zur Tatzeit gelenkt haben könnte, ist die Angabe des Zeugen M K im Zuge der Unfallerhebungen bzw. im behördlichen Verfahren. Anlässlich der mündlichen Verhandlung konnte dieser Zeuge den Bf jedoch nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit als Lenker (wieder-)erkennen. Auch der unfallbeteilige Zeuge E W verneinte über Befragen, dass der Bf der Lenker des den Verkehrsunfall verursachenden Fahrzeuges gewesen sei. Es gibt damit kein eindeutig objektives Beweismittel für die Lenkereigenschaft des Bf zur konkreten Tat. Aus dem bloßen Umstand, dass die Zulassungsbesitzerin des VW Golf, M S, diesen an den Bf verliehen hatte, vermag nicht zwingend auf dessen Lenkereigenschaft geschlossen werden. Nach der sich darstellenden Aktenlage waren mit Ausnahme des Zeugen P D auch A L und M H in Kenntnis des am Parkplatz vor der Wohnung des P D unversperrt abgestellten VW Golfs und den Verbleib der Fahrzeugschlüssel, sodass eine Inbetriebnahme des Fahrzeuges und ein anschließender Lenkvorgang durch eine andere Person zumindest nicht undenkbar erscheint.
Eine Gesamtschau der Umstände im konkreten Verfahren führt daher zum Ergebnis, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Bf am 3. März 2014 gegen 20.15 Uhr das Unfallfahrzeug tatsächlich gelenkt hat.
Die vorgebrachten Aussagen und auch der Eindruck, den sämtliche Zeugen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit hinterließen, ergaben keinen zwingenden Beweis für die Täterschaft des Bf zur fraglichen Tatzeit. Dem Grundsatz „in dubio pro reo“ Rechnung tragend wird daher dem Grunde von der Richtigkeit der Angaben des Bf ausgegangen.
III.
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
1.a) Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben gemäß § 4 Abs. 5 StVO die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
§ 1 Abs. 3 erster Satz FSG lautet:
„Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, ist nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt.“
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.
1.b) Wie sich aus den Feststellungen zum Sachverhalt und Überlegungen zur Beweiswürdigung ergibt, ist nicht bewiesen, dass der Bf zur fraglichen Tatzeit am 3. März 2014 um 20.15 Uhr den Pkw, VW Golf, mit dem Kennzeichen X, tatsächlich am fraglichen Tatort in L, gelenkt und damit die ihm vorgeworfenen Übertretungen begangen hat.
Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" reicht es für eine Bestrafung nicht aus, wenn die Begehung einer Verwaltungsübertretung durch einen Beschuldigten wahrscheinlich ist, sondern es müssen so eindeutige Beweise vorliegen, dass kein vernünftiger Grund verbleibt, an der Begehung der Übertretung durch den Beschuldigten zu zweifeln.
Es war daher der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bf gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.
2. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG sind, wenn ein Strafverfahren eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird, die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.
Wird gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG eine verhängte Strafe infolge Beschwerde aufgehoben, so sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie aber schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.
Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung des Bf zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen für das Verfahren vor der belangten Behörde als auch gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.
IV.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Bezüglich Tatvorwurf 1) und 3) ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Bezüglich Tatvorwurf 2) ist die ordentliche Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung hinsichtlich Tatvorwurf 2) gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ex lege ausgeschlossen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Tatvorwurf 1) und 3):
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Tatvorwurf 2):
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Karin L i d a u e r