LVwG-650434/2/Bi

Linz, 27.07.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn M S P, vom 17. Juni 2015 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. Mai 2015, GZ:0011195/2015, wegen Entziehung der Fahrlehrerberechtigung

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) die mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 22. März 1989, VerkR-13.542/7-1989-I/Tau, erteilte Fahrlehrerberechtigung für die Führerschein­klassen A, B, C und E gemäß § 117 Abs.1 KFG 1967 entzogen.

Begründet wurde dies damit, dass bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit iSd § 109 Abs.1 lit.b KFG ein besonders strenger Maßstab anzuwenden sei und auch lange zurückliegende Vorstrafen herangezogen werden könnten, wobei die Begehung einer Verwaltungsübertretung bereits für die Annahme eines Mangels an Vertrauenswürdigkeit ausreichen könne. Der Bf biete nach den vorliegenden Unterlagen keine Gewähr dafür, dass er die mit der Genehmigung über­nommenen rechtlichen Pflichten gegenüber dem allgemeinen öffentlichen Interesse nach jeder Richtung entspreche. Ob der Entzug der Berechtigung existenzbedrohend sei, habe keine Relevanz, weil es allein auf die Zuverlässigkeit ankomme. Die fehlende Qualifikation als Gewaltdelikt sei unerheblich, weil für einen Mangel an Vertrauenswürdigkeit bereits eine Verwaltungsübertretung ausreiche. Aufgrund seiner Vorstrafen und der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen sei beim Bf das Tatbestandselement der Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 3. Juni 2015.

 

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 Abs.2 Z1 VwGVG.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, seine Vorstrafen lägen schon Jahre zurück und seien auch schon abgelaufen. Wenn er nicht von Linz nach Kirchdorf hätte wechseln wollen, wäre nichts passiert. Auch bei seinen Verurteilungen hätten die Richter immer wieder begründet, dass das Ganze nichts mit seiner Arbeit zu tun hätte und er nie gewalttätig geworden sei. Da auch seine Chefs immer gesagt hätten, dass er zuverlässig sei und seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit erledige, seien ihm weder der Führerschein für C, E und D noch die Fahrlehrerberechtigung entzogen worden, alles wegen der sozial guten Prognose für seine Zukunft. Er bitte, ihn nicht zu einem weiteren Sozialfall zu machen, da er 59 Jahre alt sei und keine andere Arbeit mehr bekomme. Er beantragt, den Bescheid außer Kraft zu setzen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

Daraus lässt sich ersehen, dass dem Bf mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ. vom 22. März 1989, VerkR-13.542/5-1989-I/Tau, gemäß § 117 Abs.1 KFG 1967 die Berechtigung erteilt wurde, als Fahrlehrer für die Klassen A, B, C und E an einer Fahrschule praktischen Unterricht zu erteilen.

Zu diesem Zeitpunkt bestanden laut Strafregister der Republik Österreich zwei rechtskräftige Verurteilungen nach § 12 Abs.1/1 U2 und Abs.1/2MilStG.

 

1993 und 2005 folgten rechtskräftige Verurteilungen wegen § 107 Abs.1 und 2 StGB, 2002 und 2005 solche wegen §§ 159 Abs.1 iVm 161 Abs.1 StGB und 2003 eine solche wegen § 198 Abs.1 StGB. 2005 scheint eine Verurteilung wegen     §§ 105 Abs.1 iVm 108 Abs.1 und 15 StGB auf, die letzte Verurteilung erfolgte 2008 wegen § 107a Abs.1 und 2/2 StGB.

Daraus folgt, dass sich der Bf seit 2008, also seit inzwischen mehr als 7 Jahren,  wohlverhalten hat.

 

Der Bf weist bei der LPD rechtskräftige Vormerkungen wegen § 38 Abs.5 und Abs.1 lit.a StVO vom 15. Juli 2014 und wegen § 24 Abs.1 lit.d StVO vom 29. Mai 2014 auf.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 darf die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, nur Personen erteilt werden, die ua die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen.

Gemäß § 109 Abs. 1 lit. b KFG haben Fahrlehrer vertrauenswürdig im Sinne des 1967 zu sein, gemäß § 109 Abs.1 lit.g KFG dürfen sie nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften bestraft worden sein. Die Fahrlehrerberechtigung ist nach dem letzten Satz der zuerst genannten Bestimmung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Berechtigung nicht mehr gegeben sind.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 30.5.1995, 95/11/0051, ausgesprochen, es nicht zutrifft, dass nur ein unmittelbar bei der Ausübung der jeweiligen Lehrtätigkeit gesetztes Fehlverhalten zum Wegfall der Vertrauenswürdigkeit führen kann. Dies kann vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Folge selbst eines außerberuflichen Fehlverhaltens sein, wie etwa der Begehung von Alkoholdelikten (E 5.11.1986, 86/11/0066, und 28.9.1993, 93/11/0101) oder von sonstigen schweren Verstößen gegen Verkehrsvorschriften (E 5.3.1986, 85/11/0185) oder von Gewaltdelikten (vgl E 23.5.1984, 83/11/0168, Slg. 11450/A).  

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 23.5.1984, 83/11/0168) ist bei dem im § 109 Abs.1 lit.b KFG 1967 verwendeten Begriff der „Vertrauenswürdigkeit" – da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zur näheren Bestimmung dieses Begriffes enthalten – von der Bedeutung auszugehen, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dem Wort „vertrauen" kommt demnach inhaltlich die gleiche Bedeutung zu wie einem „sich verlassen". Verlässlich ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag. Schon eine einzige strafbare Handlung, die in auffallendem Gegensatz zu dem sonstigen jahrelangen Verhalten eines Fahrlehrers steht, kann sein gesamtes Charakterbild so verändern, dass gesagt werden kann, dass die bis dahin nie in Zweifel gezogene Vertrauenswürdigkeit nicht mehr vorhanden ist (vgl E 21.3.1980, 3139/78).

 

In seinem Erkenntnis vom 24.10.2000, 2000/11/0220, hat der VwGH, bezogen auf Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a und c und Abs.5 StVO, ausgeführt, er habe zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass auch außer­beruflich begangene Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit nach sich ziehen können; dies könne sogar schon bei einem einzigen Delikt der Fall sein, wie etwa bei einem Alkoholdelikt oder dem Befahren einer Autobahn gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung, letzteres jedenfalls in Verbindung mit der gerichtlich strafbaren Handlung der Gefährdung der körperlichen Sicherheit unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 89 (§ 81 Z.1) StGB (vgl E 28.9.1993, 93/11/0101, und 5.3.1986, 85/11/0185). Die Annahme des Wegfalls der Vertrauenswürdigkeit wegen einer StVO-Übertretung wäre dann nicht rechtswidrig, wenn ein Entziehungstatbestand nach § 116 Abs.5 in Verbindung mit Abs.1 und § 109 Abs.1 lit.g KFG 1967 vorläge. In dieser lit. g ist aber davon die Rede, dass die betreffende Person "schwere Verstöße" u.a. gegen die StVO 1960 begangen hat. Bei einem schweren Verstoß gegen straßenpolizeiliche Regelungen steht im Vordergrund, dass es sich insgesamt um einen Vorfall handelt, bei dem der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und sein Verhalten danach nicht dem Gesetz entsprechend eingerichtet hat. In § 4 Abs. 6 FSG wird im Übrigen nur die Fahrerflucht nach § 4 Abs.1 lit.a StVO als schwerer Verstoß (eines Besitzers eines Probeführerscheines) bezeichnet; die anderen vom Beschwerdeführer begangenen Übertretungen weisen diese Qualifikation nicht auf. Ein Entziehungs­tatbestand in Verbindung mit der lit.g des § 109 Abs. 1 KFG liegt aber erst bei einer Mehrzahl von derartigen Verstößen vor (vgl E 9.11.1999, 98/11/0301: „Die Verwendung der Mehrzahl in dieser Gesetzesstelle hat zur Folge, dass die Bestrafung wegen nur eines schweren Verstoßes noch nicht zum Wegfall der Erteilungsvoraussetzung gemäß § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967 führt.“).

 

Die im Juli 2014 vom Bf begangene Übertretung gemäß § 38 Abs.5 iVm Abs.1 lit.a StVO 1960 stellt zwar einen schweren Verstoß nach § 4 Abs.6 lit.f FSG dar, führt aber als einzige derartige Verwaltungsübertretung noch nicht zum Wegfall der Vertrauenswürdigkeit eines Fahrlehrers.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl E 23.5.1984, 83/11/0168) haben die Entziehung der Lenkberechtigung einerseits und die Entziehung der Fahrlehrer­berechtigung andererseits verschiedene gesetzliche Regelungen erfahren und weder im § 117 KFG noch im § 109 KFG oder in einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes ist eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Entziehung der Lenkberechtigung für die Fälle einer Entziehung der Fahrlehrer­berechtigung normiert.

 

Aus dieser Überlegung ist es irrelevant, ob eine Verurteilung des Bf zur Entziehung seiner Lenkberechtigung geführt hat bzw hätte, sondern die einzelnen Straftaten sind danach zu beurteilen, ob ihre Begehung das gesamte Charakterbild des Bf so verändern kann, dass der Wegfall der Vertrauens­würdigkeit anzunehmen ist, wobei es auf den Zeitpunkt der Tilgung nicht ankommt. 

Unter dem Gesichtspunkt der seit der letzten Straftat – aus einer „beharrlichen Verfolgung“ dritter Personen iSd § 107a Abs.1 iVm Abs.2/2 StGB lässt sich keine Neigung zu körperlicher Gewalt des Bf ableiten (vgl E 21.9.2010, 2010/11/0105) – verstrichenen Zeit erscheint es unangemessen, auch noch nach über sieben Jahren, in denen nach der Aktenlage nichts gegen den Bf Sprechendes vorgefallen ist – dessen Vertrauenswürdigkeit zu verneinen.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.   

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger