LVwG-650396/2/Zo/Bb
Linz, 30.06.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des E L, geb. 1991, vom 4. Mai 2015, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 19. März 2015, GZ 370649-2014, betreffend Abweisung des Antrages auf (Wieder-)Erteilung der Lenkberechtigung der Klassen AM und B mangels gesundheitlicher Eignung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der angefochtene behördliche Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. März 2015, GZ 370649-2014, wurde der Antrag des E L (des nunmehrigen Beschwerdeführers - im Folgenden kurz: Bf) vom 8. September 2014 auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung der Klassen AM und B mangels gesundheitlicher Eignung gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG abgewiesen.
Dieser Bescheid stützt sich im Wesentlichen auf das negative amtsärztliche Gutachten nach § 8 FSG vom 27. Jänner 2015 und die diesem zugrundeliegende lungenfachärztliche Stellungnahme vom 6. November 2014.
2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 10. April 2015, erhob der Bf mit Schriftsatz vom 4. Mai 2015, eingelangt am 7. Mai 2015 bei der belangten Behörde, innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem beantragt wurde, seinem Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klassen AM und B stattzugeben. Ersatzweise beantragte er die Vorlage an den Verfassungsgerichtshof zwecks Aufhebung der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 der FSG-GV als verfassungswidrig.
Zur näheren Begründung seines Rechtsmittels trägt der Bf vor, dass die maßgebliche Bestimmung des § 3 Abs. 1 FSG hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung von der belangten Behörde gleichheitswidrig und somit auch verfassungswidrig interpretiert worden sei.
Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich daraus, dass eine bestimmte Lungenleistung (in diesem Fall 1,5 l) herangezogen werde, ohne dass auf das Volumen bzw. die Masse der Person, die auf diese Lungenleistung angewiesen ist (z. B. Menschen mit Kleinwüchsigkeit – Behinderung), Rücksicht genommen werde. Demzufolge würden alle diese Personen benachteiligt und ungleich behandelt. Es handle sich dabei um eine mittelbare Form der Diskriminierung aufgrund von Behinderung, die in Österreich verfassungsgesetzlich (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 und 4 B-VG) unzulässig sei.
Des Weiteren hält der Bf fest, dass die Behörde offensichtlich in Anwendung der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 FSG-GV zu ihrem Ergebnis gelangt sei. Sollte diese Bestimmung nicht verfassungskonform so ausgelegt werden können, dass für kleinwüchsige bzw. behinderte Menschen eine reduzierte Lungenleistung als ausreichend erachtet werde, sei diese Bestimmung verfassungswidrig, damit aufzuheben und habe die Behörde der Frage der gesundheitlichen Eignung ohne Anwendung dieser Bestimmung zu prüfen.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 20. Mai 2015, GZ 370649-2014, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.
Gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 3 und 4 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels gesonderten Antrages des Bf trotz entsprechenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, entfallen (vgl. VwGH 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007). Dass dem Entfall der Verhandlung Art. 6 EMRK oder Art. 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt werden.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der 1991 geborene Bf beantragte am 8. September 2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die Erteilung der Lenkberechtigung der Gruppe 1, Klassen AM und B.
Am 21. Oktober 2014 wurde der Bf amtsärztlich untersucht und im Zuge dessen zunächst die Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme eines Lungenfacharztes gefordert.
Laut entsprechender Stellungnahme des Facharztes für Lungenkrankheiten, Dr. H-P D vom 6. November 2014 leidet der Bf an einer muskulär bedingten Einschränkung seiner Lungenleistung, wobei diese derzeit 0,84 l beträgt. Da er damit unter der geforderten Grenze von 1,5 l liege, sei aus fachärztlicher Sicht weiterhin keine Führerscheineignung des Bf gegeben.
Gestützt auf diese fachärztliche Stellungnahme beurteilte die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Dr. P S, den Bf im Gutachten gemäß § 8 FSG vom 27. Jänner 2015, GZ San20-51-391-2014/Stp, als zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1, Klasse B, gesundheitlich „nicht geeignet“.
Das Ergebnis des Gutachtens begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Bf aufgrund seiner Grunderkrankung, wonach er seit Geburt an einer ausgeprägten Muskelschwäche leide, derzeit und vermutlich auch dauerhaft nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 geeignet sei. Der Befund des Lungenfacharztes würde wiederum keine ausreichende Lungenleistung (FEV 0,84 l – gefordert: 1,5 l) bescheinigen, sodass die Anforderungen der FSG-GV zum Lenken eines Kraftfahrzeuges weiterhin nicht erfüllt werden.
Dieses amtsärztliche Gutachten bildet schließlich die Grundlage für den nunmehr angefochtenen Bescheid.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
5.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).
Gemäß § 5 Abs. 4 erster Satz FSG ist die Lenkberechtigung zu erteilen, wenn das in den §§ 6 bis 11 angeführte Verfahren ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen.
Gemäß § 8 Abs. 1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.
Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist gemäß § 8 Abs. 2 FSG das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen.
Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund gemäß § 8 Abs. 3 Z 4 FSG zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften ausreichend frei von Behinderungen ist.
Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen gilt gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 FSG-GV eine Person, bei der keine organischen Veränderungen, die eine respiratorische Insuffizienz oder eine Vitalkapazität unter 1,5 l Atemluft verursachen, vorliegen.
5.2. Der Bf leidet seit seiner Geburt an einer ausgeprägten Muskelschwäche; bedingt dadurch ist seine Lungenfunktion eingeschränkt. Nach der vorliegenden Befund- und Gutachtenslage beträgt seine derzeitige Vitalkapazität (= maximales Atemvolumen) 0,84 l. Er erreicht damit bloß etwas mehr als die Hälfte des geforderten Minimalwertes. Wenn daher die Amtsärztin unter Zugrundelegung der schlüssigen fachärztlichen Stellungnahme vom 6. November 2014 schließlich zum Ergebnis der gesundheitlichen Nichteignung des Bf gelangt, ist dies nur plausibel und logisch nachvollziehbar.
Wie allgemein bekannt ist, kann es im Straßenverkehr jederzeit zu Stresssituationen oder auch Konfliktfällen kommen. Solche Situationen können zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf führen (Aufregung), was beim Bf wegen seiner eingeschränkten Lungenfunktion bis hin zu Schwindelanfällen führen und seine Fahrtauglichkeit massiv beeinträchtigen könnte, weshalb ihm die Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges sowohl zum Eigenschutz als auch zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer nicht gestattet werden kann.
Das Lenken eines Kraftfahrzeuges erfordert grundsätzlich ein Mindestmaß an gesundheitlicher Eignung. In § 6 Abs. 1 Z 2 FSG-GV hat der Verordnungsgeber einen im Hinblick auf die erforderliche Vitalkapazität relevanten Mindestwert in Form von 1,5 l Atemluft zwingend festgelegt. Kann der Bewerber um eine Lenkberechtigung diesen Wert aufgrund einer Behinderung nicht erreichen, dann liegt eine Voraussetzung zur Erteilung einer Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 3 FSG – gesundheitliche Eignung) nicht vor. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich kann darin eine Verfassungswidrigkeit – wie der Bf vermeint – nicht erblicken und sieht daher keinerlei Veranlassung für eine Anfechtung der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 FSG-GV beim Verfassungsgerichtshof.
Im Interesse der Sicherheit im Straßenverkehr (Verkehrssicherheit) und damit des Schutzes der Allgemeinheit dürfen nur Personen Inhaber einer Lenkberechtigung sein, die gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen der jeweiligen Klasse ausreichend geeignet sind.
Aufgrund der nicht ausreichenden Lungenleistung ist dies beim Bf – zumindest derzeit - nicht der Fall, sodass es verwehrt war, von der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen auszugehen.
Angesichts der klaren Sach- und Rechtslage konnte der Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid daher kein Erfolg beschieden sein.
Zu II.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gottfried Z ö b l
Beachte:
Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.
VfGH vom 24. Februar 2015, Zl.: E 1606/2015-16