LVwG-600862/9/ZO/BC

Linz, 18.06.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde der Frau K E, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.JB vom 28.4.2015, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Kirchdorf, vom 30.3.2015, GZ: VerkR96-243-2015, wegen einer Übertretung der StVO, in der öffentlichen Verhandlung am 11. Juni 2015 eingeschränkt auf die Strafhöhe

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Der Beschwerde gegen die Strafhöhe wird teilweise stattgegeben, die von der Verwaltungsbehörde verhängten Geldstrafen von jeweils 365,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 144 Stunden) werden auf jeweils 150,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 60 Stunden) herabgesetzt.

 

 

II.         Die behördlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 30,00 Euro, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist kein Kostenbeitrag zu bezahlen.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat der Beschwerdeführerin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 7.1.2015 um 10:00 Uhr in Klaus auf der A9 in Fahrtrichtung Graz, Autobahnauffahrt Rampe Klaus, als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen x:

1. auf der Autobahn umgekehrt habe, obwohl dies nicht im Bereich eines Grenzüberganges auf Aufforderung eines öffentlichen Organes erfolgte;

2. die Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren habe, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben hat.

 

Die Beschwerdeführerin habe dadurch zu 1. eine Verwaltungsübertretung gemäß § 46 Abs. 4 lit. b StVO i.V.m. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG sowie zu 2. eine solche gemäß § 46 Abs. 4 lit. a StVO i.V.m. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 365,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 144 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 73,00 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, dass ihr ein Polizeibeamter durch Hilfszeichen die Anordnung gegeben habe, in diesem Bereich umzudrehen und die Autobahnauffahrt entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung zu befahren. Sie habe wegen des roten Ampelsignals vor dem Zubringer Richtung Graz in einer Ausweiche der Auffahrtsrampe angehalten und kurz überlegt, welche Möglichkeiten zum Weiterfahren sie habe. Dabei habe sie den Polizisten bemerkt, welcher in den Mündungsbereich der Auffahrtsrampe gegangen sei. Sie sei daher davon ausgegangen, dass dieser Polizist den von der B138 allenfalls herankommenden Verkehr aufhalten und ihr das Rückwärtsfahren ermöglichen wolle, damit sie die Autobahnauffahrt verlassen könne. Weiters sei im gegenständlichen Bereich eine 50 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung verordnet, was jedenfalls bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müsse.

 

Sofern der Polizeibeamte tatsächlich die von ihr wahrgenommenen Anordnungen getroffen habe, hätte sie überhaupt nicht tatbildmäßig gehandelt und selbst dann, wenn sie derartige Handzeichen des Polizeibeamten nur irrtümlich angenommen hätte, würde sie kein Verschulden treffen. Sie habe den Umstand, dass der Polizeibeamte in den Mündungsbereich der Auffahrt gegangen sei objektiv möglicherweise falsch interpretiert, was ihr aber subjektiv nicht vorgeworfen werden dürfe. Sie habe sich allenfalls über die Bedeutung des Verhaltens bzw. der Handzeichen des Polizeibeamten geirrt, was ihr aber im Sinne eines Schuldausschließungsgrundes nicht vorgeworfen werden dürfe.

 

Zur Strafhöhe machte die Beschwerdeführerin geltend, dass sich der Vorfall nicht auf der eigentlichen Richtungsfahrbahn der Autobahn ereignet habe, sondern im Bereich einer Auffahrtsrampe, für welche eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h verordnet ist. Es handle sich daher bei ihrem Verhalten nicht um eine „klassische Geisterfahrt“ und dieses sei auch tatsächlich nicht gefährlich gewesen. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von 726 Euro seien die von der Behörde verhängten Geldstrafen daher deutlich überhöht.

 

Weiters machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Behörde bei der verletzten Rechtsvorschrift die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG angeführt habe. Offenbar gehe die Behörde davon aus, dass ihr Verhalten zur Herbeiführung besonders gefährlicher Verhältnisse geeignet gewesen sei. Dies sei jedoch aus den oben angeführten Gründen nicht richtig.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 4. Mai 2015 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.6.2015. An dieser haben die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter teilgenommen, die Verwaltungsbehörde war entschuldigt. Als Zeuge wurde der Meldungsleger GI B einvernommen. Im Zuge der Verhandlung schränkte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auf die Strafhöhe ein.

 

4.1. Der für die Strafmessung relevante Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

 

Die Beschwerdeführerin lenkte zur Vorfallszeit den im Spruch angeführten PKW auf der B138 und wollte bei der Autobahnauffahrt Klaus in Richtung Liezen auf die Autobahn auffahren. Im Bereich der Auffahrtsrampe befand sich in Fahrtrichtung Liezen eine rote Verkehrsampel (der auf der A9 in weiterer Folge befindliche Tunnel war gesperrt) weshalb die Beschwerdeführerin ihren PKW vor dieser Ampel anhielt und in weiterer Folge in einer am rechten Rand der Auffahrtsrampe befindlichen Ausweiche wendete. In Fahrtrichtung Linz konnte die Auffahrtsrampe befahren werden. Jene Hinweistafel, welche bereits vor dem Befahren der Auffahrtsrampe auf diese Sperre hinweist, ist aus der Fahrtrichtung der Beschwerdeführerin nach den glaubwürdigen Angaben des Polizeibeamten B nur schlecht einsehbar.

 

Die Beschwerdeführerin bemerkte, dass zwei Polizeibeamte den Verkehr im Bereich der Auf- bzw. Abfahrtsrampe regelten und entschloss sich daher, die Auffahrtsrampe entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung bis zur B138 zu befahren. In diesem Bereich ist eine 50 km/h Beschränkung verordnet und der gesamte Straßenbereich ist gut einsehbar.

 

Die Beschwerdeführerin ist aktenkundig unbescholten, sie verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.800 Euro (12 Mal jährlich), bei keinem Vermögen und keinen Sorgenpflichten. Nach den glaubwürdigen Angaben des Polizeibeamten B kommt es bei Autobahnsperren im Bereich dieser Autobahnauf- und -abfahrt öfters zu ähnlichen Situationen.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oö. in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Vorerst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in der Verhandlung die Beschwerde auf die Strafhöhe eingeschränkt hat. Es ist daher lediglich die Strafbemessung zu überprüfen.

 

5.2. §19.VStG lautet wie folgt:

 (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

 (2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 beträgt die gesetzliche Höchststrafe für die von der Beschwerdeführerin begangenen Übertretungen jeweils 726 Euro.

 

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretungen ist durchaus erheblich, allerdings ist auch die Behörde offenbar nicht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin diese Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 begangen hat. Jedenfalls hat sie diese Strafnorm nicht angewendet. Diese Einschätzung ist im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin die Übertretungen auf einer Auffahrtsrampe und noch nicht auf der eigentlichen Richtungsfahrbahn der A9 begangen hat, sowie die dort verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h nachvollziehbar. Die Behörde hat ihrer Strafbemessung daher zu Recht die Bestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 und die dort vorgesehene Höchststrafe von 726 Euro zugrunde gelegt. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es in jenem Straßenbereich bei einer Sperre der A9 häufiger zu ähnlichen Situationen kommt, was der Zeuge B in der Verhandlung glaubwürdig geschildert hat.

 

Die Beschwerdeführerin ist aktenkundig unbescholten, was einen erheblichen Strafmilderungsgrund bildet. Sonstige Strafmilderungs- oder Straferschwerungsgründe liegen nicht vor. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin konnten die von der Behörde verhängten Geldstrafen deutlich herabgesetzt werden. Die nunmehr herabgesetzten Strafen schöpfen den gesetzlichen Strafrahmen zu ca. 20 % aus und erscheinen ausreichend, in dieser Höhe aber auch notwendig, um die Beschwerdeführerin in Zukunft von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten.

 

Anzuführen ist noch, dass die Anführung des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG im Spruch des Straferkenntnisses nicht nachvollziehbar ist. Diese Bestimmung regelt keinen Verwaltungsstraftatbestand, weshalb sie auch nicht als verletzte Rechtsvorschrift in einem Strafbescheid angeführt werden darf. Soweit die Behörde damit allenfalls auf besonders gefährliche Verhältnisse hinweisen wollte, so ist anzuführen, dass sich derartige Umstände weder aus der Beschreibung des verbotenen Verhaltens im Spruch, noch aus der angewendeten Strafnorm des    § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 ergeben. Die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z 3 FSG hat daher im Straferkenntnis zu entfallen.

 

II.            Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ergibt sich aus § 64 VStG und § 52 VwGVG.

 

III.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl