LVwG-780037/13/ER

Linz, 07.07.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des R. S., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S. G., x, wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am
8. Februar 2015, in x, durch der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis zurechenbare Organe den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit Schreiben vom 23. März 2015 übermittelte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) eine Richtlinien- und Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß
Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG iVm Art 132 Abs 2 B-VG, beantragte die Rechtswidrigerklärung der Amtshandlung, Kostenersatz und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Begründend führte der Bf aus, dass am angegebenen Tag Sicherheitsorgane der PI Waldzell auf der angegebenen Liegenschaft, wo der Bf und ein Mieter der Liegenschaft, Herr H., anwesend gewesen seien, erschienen seien. Wie sich nachträglich herausgestellt habe, seien die Sicherheitsorgane aufgrund einer Anzeige des Vaters des Bf vom 5. Februar 2015 erschienen, wonach der Bf verdächtig sei, Cannabis konsumiert zu haben. Den beiden Sicherheitsorganen sei mitgeteilt worden, dass eine Hausdurchsuchung nicht freiwillig gestattet werde. Daraufhin sei die Amtshandlung eskaliert, die Sicherheitsorgane seien aggressiv geworden, einer habe sich vor die offene Tür gestellt, sodass diese nicht mehr verschließbar gewesen sei. Ferner habe einer der Sicherheitsorgane den Mieter der Liegenschaft an der Kleidung gepackt, ihn gegen die Türe gestoßen und mit dem Unterarm gegen die Türe gedrückt, weshalb der Mieter später wegen Bandscheibenproblemen einen Arzt aufgesucht habe.

Bei einer darauffolgenden Diskussion seien die Sicherheitsorgane verbal entgleist und hätten eine „spezielle Durchsuchung“ der Liegenschaft angedroht. Danach hätten die Sicherheitsorgane telefonisch die Staatsanwaltschaft kontaktiert und um eine Hausdurchsuchung angesucht. Diese sei von der Staatsanwaltschaft genehmigt worden. Die weitere – im Auftrag der Staatsanwaltschaft vorgenommene – Amtshandlung sei unproblematisch verlaufen.

 

I.2. Mit Schreiben vom 6. Mai 2015 forderte das Oö. Landesverwaltungsgericht den Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis (im Folgenden: belangte Behörde) zur Vorlage der entsprechenden Akten und Übermittlung einer Gegenschrift bis spätestens 29. Mai 2015 auf. Ferner wurde die Richtlinienbeschwerde an die zuständige Oö. Landespolizeidirektion weitergeleitet.

 

Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 übermittelte die belangte Behörde den vorhandenen Akt und erstattete nachfolgende Gegenschrift, worin die Zurück- bzw Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Amtshandlung auf eine Anzeige des Vaters des Bf vom 5. Februar 2015 zurückzuführen sei, wonach dieser den Verdacht gehabt habe, sein Sohn hätte mit Suchtgift zu tun. Er habe in seinem Haus den Geruch von Cannabis wahrgenommen und Cannabis gefunden. Der Bf habe sich zu dieser Zeit häufig bei seinem Bruder in
x, aufgehalten, daher habe der Vater den Verdacht gehegt, dort werde Suchtgift konsumiert.

Am 8. Februar 2015 sei abends eine Polizeistreife zur angegebenen Adresse gefahren, nachdem eine freiwillige Nachschau verweigert worden sei, hätten die Sicherheitsorgane telefonisch bei der Staatsanwaltschaft eine Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung gemäß §§ 117 ff StPO eingeholt. Im Zuge der Durchsuchung seien Suchtgiftutensilien und eine Waffe samt Munition vorgefunden und sichergestellt worden. Der Bf sei zur Einvernahme zur PI Ried mitgenommen und im Anschluss wieder zum Wohnhaus seines Bruders gebracht worden.

Mit Beschluss der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis vom 10. Februar 2015 sei die Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung schriftlich bestätigt worden. Diese Anordnung habe sich auf den Verdacht gestützt, der Bf und sein Bruder hätten das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG begangen. Dieser Verdacht sei aufgrund der Anzeige des Vaters, sowie der Verweigerung der freiwilligen Nachschau entstanden. Die Anordnung der Durchsuchung sei daher zur Aufklärung einer Straftat erforderlich gewesen.

Es liege daher eine Amtshandlung nach der StPO vor, gegen die eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht nicht das zulässige Rechtsmittel darstelle. Davon abgesehen hätten sich die Sicherheitsorgane vor der Einholung der mündlichen Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung durch die Staatsanwaltschaft keinen zwangsweisen Zutritt zur Liegenschaft verschafft. Grundlage für die Amtshandlung sei der Verdacht des Vorliegens einer gemäß § 27 Abs 1 Z 1 SMG gerichtlich strafbaren Handlung gewesen, dieser Verdacht habe aus der Anzeige des Vaters resultiert. Die Verweigerung der freiwilligen Nachschau durch den Bf habe diesen – von Anfang an bestehenden –  Verdacht erhärtet.

 

I.3. Mit Schreiben vom 3. Juni 2015 brachte das Oö. Landesverwaltungsgericht dem Bf die Gegenschrift der belangten Behörde und den bezughabenden Verfahrensakt zur Kenntnis und gab Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 langte beim Oö. Landesverwaltungsgericht folgende Stellungnahme ein:

 

Zunächst versuchte die belangte Behörde darzulegen, dass es sich im gegenständlichen Fall um Anordnungen der Staatsanwaltschaft im Sinne der StPO gehandelt hat und demgemäß eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen ist.

Diesbezüglich wird auf Basis der Ausführungen der Polizei vom 22.5.2015 dargelegt, dass der Beschwerdeführer um Durchführung einer freiwilligen Nachschau ersucht wurde und infolge Ablehnung durch den Beschwerdeführer Gl G. das Haus verlassen habe und telefonische per Mobiltelefon die Anordnung der Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft eingeholt habe. In der Folge sei es - insgesamt sei alles ruhig und sachlich verlaufen - zur Hausdurchsuchung gekommen.

Diese Angaben sind unrichtig.

Der Beschwerdeführer hat bereits in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass beim Einschreiten der Polizeibeamten um 19:00 Uhr und Mitteilung, dass eine Hausdurchsuchung nicht freiwillig gestattet wird, die Situation eskaliert ist. Erst nach dieser völlig grundlosen Eskalation sei telefonisch die Staatsanwaltschaft kontaktiert und um Hausdurchsuchung angesucht worden. Dieser zutreffende Sachverhalt wird im Rahmen der Stellungnahme der Polizisten falsch dargestellt. Diesbezüglich kann schon auf den Abschlussbericht verwiesen werden. Dort ist ausdrücklich angeführt, dass um 19:00 Uhr das Haus in x aufgesucht wurde und von der STA Ried um 19:49 Uhr eine Durchsuchung angeordnet wurde. Genau in dieser Zwischenzeit haben sich die in der Beschwerde angeführten Vorfälle ereignet. Nach Vorliegen der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft ist die Amtshandlung unproblematisch verlaufen (siehe Ausführungen in der Beschwerde). Demgemäß liegt für diesen Zeitraum - auf welchen sich die Beschwerde stützt - keine gerichtliche Zuständigkeit vor, sondern verwaltungsbehördliche Zuständigkeit, zumal zu diesem Zeitpunkt keinerlei staatsanwaltschaftliche Anordnung vorgelegen ist.

Auch im Übrigen wird der Sachverhalt falsch dargestellt. Die Polizei führt aus, dass nach Läuten an der Wohnungstüre ein Mieter, D. H., die Türe geöffnet habe und die Beamten ihn nach R. S. gefragt haben. Schon diese Ausführungen sind falsch. Zum damaligen Zeitpunkt wurde nicht gegen R. S., sondern gegen Herrn P. S. ermittelt. Schon aus der Anordnung der Durchsuchung und der Sicherstellung ist ersichtlich, dass die Wohnung samt Wohn- und Nebenräumlichkeiten des Beschuldigten P. S. zu durchsuchen waren. Tatsächlich wurde seitens der Beamten nach P. S. gefragt und war dieser tatsächlich nicht vor Ort und die Angaben des Herrn H. daher richtig.

Beweis: (...)

Schon zu diesem Zeitpunkt ist die Amtshandlung eskaliert. Da Herr H. nicht mehr in den Keller zurückkehrte, ist Herr R. S. nach oben gegangen und hat nachgesehen, was los ist. Zu diesem Zeitpunkt konnte er sehen, dass Gruppeninspektor G. (nach Kenntnisstand des Beschwerdeführers handelt es sich um Herrn G.) Herrn H. beim Leiberl am Hals gepackt hat, das Leiberl in der Faust umgedreht hat und Herrn H. aus dem Vorhaus hinausgerissen und gegen die offene Türe gedrückt hat. Dabei hat er fest mit dem Unterarm gegen den Halsbereich des Herrn H. gedrückt.

Dabei hat Herr G. geschrien, weshalb Herr H. lüge, weil Herr S. ohnedies da wäre. Nachdem Herr H. Herrn G. vorgeworfen habe, warum er ihn attackiert, schrie Herr G. wörtlich folgendes: ‘Bei da Jackn hab i die gnumma. Deppada!’

Nachdem Herr R. S. sich über die Vorgangsweise der Beamten beschwerte (zu diesem Zeitpunkt haben die Beamten noch immer den Unterschied zwischen Herrn R. S. und Herrn P. S. nicht erhoben und vermeinten, dass es sich bei R. S. um P. handle) und es um die Frage des Hausdurchsuchungsbefehles gegangen ist, schrie - nach Kenntnisstand des Beschwerdeführers - Herr H.: ‘Wir werden einen 42/40er machen’ (dabei dürfte es sich um eine polizeiinterne Spezialbezeichnung für rüde Hausdurchsuchungen handeln) und man werde Herrn S. ‘die Bude über dem Kopf umdrehen’.

Über weiteren Vorhalt durch Herrn S., dass man einen Durchsuchungsbefehl benötige, erklärte - nach Kenntnisstand - Herr H.: ‘Den bekommen wir eh.’ Daraus ist klar ersichtlich, dass der Durchsuchungsbefehl zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen hat.

Herr S. hielt den Polizisten dann vor, weshalb sie so gewalttätig auftreten, wobei die Polizisten dann bemerkten, dass Herr S. mit dem Handy gefilmt hat und ab sofort wesentlich ruhiger geworden sind.

Einer der Polizisten erklärte Herrn S. noch, dass das Filmen der Amtshandlung unzulässig wäre und Herr S. diesbezüglich Probleme bekommen werde. Nachdem der Polizist derart mit den Händen vor dem Handy herumgefuchtelt hat, dass die Gefahr bestand, dass er Herrn S. das Handy aus der Hand schlägt, musste Herr S. das Handy dann einschieben und konnte nicht weiterfilmen.

Das alles hat sich im Vorhaus des Hauses abgespielt. Herr S. konnte die Türe nicht schließen, weil diese von den Polizisten blockiert wurde.

Erst nachdem sich dieser Vorfall im Vorhaus ereignet hat, ist Herr Inspektor G. zum Auto gegangen und hat offenkundig die STA wegen des Durchsuchungsbefehls angerufen. Er dürfte dann etwa 15 Minuten später zurückgekommen sein, mit der telefonischen Anordnung der Hausdurchsuchung. Er erklärte, dass er jetzt einen Hausdurchsuchungsbefehl hat. Während dieses gesamten Zeitraumes wurde die Tür so blockiert, dass sie nicht geschlossen werden konnte.

In der Folge hat Herr H., welcher Gewalttätigkeiten ausgesetzt war, seine Eltern und seinen Bruder angerufen, welche dann vor Ort gekommen sind.

Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Namensverwechslung aufgeklärt. In ihrer Aggression haben die Beamten diesbezüglich überhaupt nichts mitbekommen. Die Auskunft des Herrn H. - welchen Gl G. zu solchen Aggressionen veranlasste - wonach Herr P. S. nicht zu Hause ist, war vollkommen zutreffend. Zu Hause war lediglich Herr R. S..

In weiterer Folge ist die Hausdurchsuchung ohne weitere Komplikationen verlaufen. Die Ausführungen der Polizei im Rahmen der Gegenschrift sind daher unrichtig.

Beweis: (...)

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Aggressionen der Beamten vollkommen unerklärlich sind. Zunächst einmal ist schon unerklärlich, weshalb derartige Aggressionen gegen Herrn H. gesetzt wurden, obwohl dieser die völlig richtige Auskunft erteilt hat, dass Herr P. S. nicht vor Ort ist. Die Beamten hätten sich gefälligst darum kümmern müssen, um welche konkrete Person es sich handelt, wo damals zwei Brüder vor Ort gewohnt haben. Anwesend war Herr R. S. und nicht Herr P. S.. Weiters ist völlig unerklärlich, weshalb Beamte im Exekutivdienst auf das Recht eines Staatsbürgers eine Hausdurchsuchung vor Vorliegen eines Durchsuchungsbefehls zu verweigern, derartig aggressiv reagieren (‘42/40er’, ‘Bude über dem Kopf umdrehen’ usw.).

Auf Basis dieses Sachverhaltes ergibt sich, dass keine gerichtliche Zuständigkeit vorliegt und auch eine Rechtsverletzung im Zuge der oben geschilderten Amtshandlung vom 8.2.2015.“

 

I.4. Gemäß § 24 Abs 2 VwGVG konnte die Verhandlung trotz des darauf gerichteten Antrags des Bf entfallen, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

 

Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Akt, einschließlich der Schriftsätze der Parteien und in das Zentrale Melderegister.

 

Es steht folgender entscheidungsrelevanter  S a c h v e r h a l t  fest:

 

Am 5. Februar 2015 erstattete der Vater des Bf Anzeige bei der Polizei, da er den Verdacht hegte, der Bf hätte mit Suchtgift „zu tun“. Diesen Verdacht gründete der Vater auf wahrgenommenen Cannabisgeruch und den Fund einer Cannabisknolle auf seinem Küchentisch, welche er der Polizei übergeben hat. Der Bf hatte zu dieser Zeit seinen Hauptwohnsitz beim Vater gemeldet, hielt sich aber häufig bei seinem Bruder an der Adresse x, auf. Diese Liegenschaft steht im Eigentum des Bf, zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt hatte der Bf an dieser Adresse jedoch keinen Wohnsitz gemeldet.

Am 8. Februar 2015 erschien an der oa Adresse eine Polizeistreife, der vom Mieter der Liegenschaft, Herrn H., die Tür geöffnet wurde. Später erschien auch der Bf, der sich zu diesem Zeitpunkt dort aufhielt, an der Türe. Von den Sicherheitsorganen wurde um eine freiwillige Nachschau ersucht, die verweigert wurde. Später hatten die einschreitenden Sicherheitsorgane bei der Staatsanwaltschaft telefonisch eine Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung gemäß §§ 117 ff StPO eingeholt.

Mit Schriftsatz vom 23. März 2015 erhob der Bf Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 iVm Art 132 Abs 2 B-VG wegen Verletzung der Rechte des Bf auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilichen Einschreitens sowie Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten von Polizeibeamten. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015 legte der Bf dem Oö. Landesverwaltungsgericht eine Stellungnahme wegen Verletzung von Rechten durch Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt, einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister und den Schriftsätzen des Bf.

 

 

III. Gemäß § 1 Abs 2 Strafprozessordnung – StPO, BGBl Nr 631/1975 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 71/2014, beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs 3 StPO) nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§ 48 Abs 1 Z 2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

 

Gemäß § 1 Abs 3 StPO liegt ein Anfangsverdacht vor, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist.

 

Gemäß § 18 Abs 1 StPO besteht die Kriminalpolizei in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG).

 

Gemäß § 18 Abs 2 StPO obliegt den Sicherheitsbehörden die Kriminalpolizei, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten.

 

Gemäß § 18 Abs 3 StPO versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 Abs 2 SPG) den kriminalpolizeilichen Exekutivdienst, der in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes besteht.

 

Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

·         ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

·         eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

 

Gemäß § 106 Abs 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

Gemäß § 88 Abs 1 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG).

 

Gemäß § 16 Abs 1 SPG besteht eine allgemeine Gefahr

1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs 2 und 3)

(...)

Ein gefährlicher Angriff ist gemäß Abs 2 leg.cit. die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

(...) 4. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl I Nr 112/1997, ausgenommen der Erwerb oder Besitz von Suchtmitteln zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs 2, 30 Abs 2 SMG), (...) handelt.

 

Gemäß § 16 Abs 3 SPG ist ein gefährlicher Angriff auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

 

Gemäß § 21 Abs 1 SPG obliegt den Sicherheitsbehörden die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Gemäß § 21 Abs 2 SPG haben die Sicherheitsbehörden gefährlichen Angriffen unverzüglich ein Ende zu setzen. Hiefür ist dieses Bundesgesetz auch dann maßgeblich, wenn bereits ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist.

 

Gemäß § 33 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem gefährlichen Angriff durch Ausübung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ein Ende zu setzen.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1.1. Entsprechend dem Verfahrensakt wurde bei der verfahrensgegenständlichen Handlung der Sicherheitsorgane der PI Ried im Innkreis am 8. Februar 2015 eine Durchsuchung der Liegenschaft x vorerst erbeten und nach deren Verweigerung diese, sowie die Sicherstellung von Suchtgiftutensilien und einer Waffe samt Munition aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung vollzogen. Grundlage hierfür war der Verdacht des vorschriftswidrigen Erwerbs und Besitzes von Suchtgift gemäß § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, also mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen. Dieser Verdacht ist aufgrund einer Anzeige vom
5. Februar 2015 entstanden.

 

Entsprechend den zitierten Bestimmungen des SPG haben Sicherheitsorgane allgemeine Gefahren, zu denen gefährliche Angriffe zählen, abzuwehren und gefährlichen Angriffen unverzüglich ein Ende zu setzen. Als gefährlichen Angriff definiert das SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung eines der taxativ in § 16 Abs 2 SPG aufgezählten Straftatbestände.

Der „gefährliche Angriff“ ist somit der zentrale Anknüpfungspunkt für das Einschreiten von Sicherheitsorganen nach dem SPG. Im zentralen Interesse steht dabei die Rechtsgutbedrohung.

Schon aus der gesetzlichen Definition der allgemeinen Gefahr und insbesondere des gefährlichen Angriffs ergibt sich, dass dieser eine Bedrohung eines Rechtsguts durch rechtswidriges Verhalten darstellt. Dem Begriff des gefährlichen Angriffs wohnt somit ein unmittelbarer Aktualitätsbezug inne, die Abwehr bzw Beendigung eines gefährlichen Angriffs stellt also eine Präventivmaßnahme dar, wogegen nach bereits erfolgter Vollendung einer Straftat die Bestrafung der Täter im Vordergrund steht, zumal in diesem Fall in das geschützte Rechtsgut bereits eingegriffen wurde und aufgrund des bereits eingetretenen Schadens keine Bedrohungssituation mehr vorliegt, die noch abgewehrt werden könnte. Ein gefährlicher Angriff endet somit dann, wenn die Rechtsgutbeeinträchtigung bereits geschehen ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, S 198).

 

Entsprechend der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (17 Os 13/13k v 27.6.2013) beginnt das Strafverfahren, „sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln (...) Ermitteln bedeutet also: Tätigwerden aufgrund eines zur Kenntnis gebrachten Sachverhalts“.

 

Die Änderung des § 1 StPO, wonach das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (...) ermitteln, trat am 1. Jänner 2015 in Kraft. Abs 3 dieser Bestimmung stellt klar, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen – also objektiv vollendet – worden ist.

Anders als die Abwehr allgemeiner Gefahren nach dem SPG mit deren inhärentem Präventivcharakter (vgl VwGH 24.2.2004, 2002/01/0280), stellt die StPO auf das Vorliegen (des Verdachts) einer bereits vollendeten Straftat und deren Bestrafung ab.

 

IV.1.2. Aufgrund der Anzeige des Vaters des Bf vom 5. Februar 2015 entstand bei den Sicherheitsorganen der Verdacht des vorschriftswidrigen Erwerbs und Besitzes von Suchtgift gemäß § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG. Der Vater des Bf legte den Sicherheitsorganen bei Anzeigelegung eine Cannabisknolle, die er in seinem Wohnhaus gefunden hat und von der er annahm, sie gehöre dem Bf, vor und berichtete über die Wahrnehmung von Haschischgeruch. Durch diese Anzeigelegung entstand bei den Sicherheitsorganen aufgrund der Schilderungen des Vaters und der vorgelegten Cannabisknolle der Anfangsverdacht, dass vom Bf der Tatbestand des vorschriftswidrigen Erwerbs und Besitzes von Suchtgift bereits vollendet wurde. Ein gefährlicher Angriff, der von den Sicherheitsorganen durch unmittelbares Einschreiten noch abgewehrt werden hätte können, lag somit nicht mehr vor.

 

Dass die Sicherheitsorgane aufgrund eines Anfangsverdachts Ermittlungen iSd StPO aufgenommen und nicht iSd SPG einem gefährlichen Angriff unverzüglich ein Ende zu setzen suchten, äußert sich ferner darin, dass zwischen der Anzeigelegung durch den Vater und dem Einschreiten der Sicherheitsorgane mehrere Tage vergangen sind. Während ein gefährlicher Angriff nach dem SPG unverzüglich zu beenden ist, setzen Ermittlungen iSd StPO entsprechend der Rechtsprechung des OGH das Tätigwerden bloß aufgrund eines zur Kenntnis gebrachten Sachverhalts voraus.

 

Aus der Gegenschrift der belangten Behörde, den Polizeiberichten und schließlich der Anordnung der Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft geht unbestritten hervor, dass die Sicherheitsorgane aufgrund der Anzeige des Vaters tätig geworden sind und der Verdacht bestanden hat, der Bf habe das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG begangen.

 

Insofern gelangt das Oö. Landesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass es sich im verfahrensgegenständlichen Prüfbereich um Handlungen, die Organe der Sicherheitsbehörden im Rahmen eines aufrechten Strafprozesses (§ 1 Abs 2 StPO) durchgeführt haben, handelt. Dass die Anordnung der Hausdurchsuchung erst nach dem Beginn der Ermittlungstätigkeit eingeholt wurde, ändert nichts daran, dass die Sicherheitsorgane aufgrund eines Anfangsverdachts und somit im Rahmen eines Strafverfahrens iSd StPO und nicht – erst mehrere Tage nach der Anzeigenlegung – zur Abwehr einer allgemeinen Gefahr in Form der Beendigung eines gefährlichen Angriffs einschritten.

 

IV.1.3. Personen, die behaupten, in einem derartigen Ermittlungsverfahren in subjektiven Rechten verletzt worden zu sein, steht gemäß § 106 StPO binnen einer Frist von sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Rechtsverletzung Einspruch an das Gericht zu (vgl VwGH 15.3.2012, 2012/01/0004 im Umkehrschluss).

 

Eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht ist dagegen nicht zulässig, denn sowohl Handlungen der Kriminalpolizei ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft oder richterlichen Beschluss, als auch Handlungen der Kriminalpolizei mit Anordnung der Staatsanwaltschaft oder richterlichen Beschluss sind im Wege des Einspruches mit Rechtsschutz versehen
(s grundlegend Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO, JAP 2014/2015/7 mwN).

 

Die Maßnahmenbeschwerde war daher zurückzuweisen.

 

IV.2. Ferner geht sowohl aus der Beschwerde als auch aus der Stellungnahme vom 22. Juni 2015 eindeutig hervor, dass die vorgebrachten körperlichen Übergriffe nicht dem Bf widerfahren sind, sondern einem Dritten. Der Bf könnte sowohl im Fall einer Maßnahmenbeschwerde nach dem SPG als auch einer Beschwerde gemäß § 106 StPO nur subjektive Rechtsverletzungen geltend machen, nicht aber solche, die einer anderen Person widerfahren sind.

 

IV.3. Die vorgebrachten verbalen Entgleisungen werden im Zuge der gleichzeitig eingebrachten Richtlinienbeschwerde von der zuständigen Oö. Landespolizeidirektion zu beurteilen sein.

 

IV.4. Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) sowie die im Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß § 53 VwGVG (Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Die Bestimmungen des § 35 VwGVG sind gemäß § 53 VwGVG auf Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze sinngemäß anzuwenden.

Nach Abs 6 ist die Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird.

Gemäß Abs 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Die Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandsersatzverordnung) idF BGBl I Nr 122/2013 regelt die Höhe der zu leistenden Aufwandersätze.

 

Im vorliegenden Fall kann die belangte Behörde als obsiegende Partei angesehen werden, da die Beschwerde, die den Kostenersatz gemäß § 35 bzw § 53 VwGVG begründen würde, als unzulässig zurückgewiesen wurde. Jedoch mangelt es für einen Aufwandersatz am diesbezüglichen Antrag der belangten Behörde.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz konnte daher entfallen.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

                        Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r