LVwG-650419/2/MZ

Linz, 29.06.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des C. M., geb x, vertreten durch RA Mag. G. H., W.gasse 14, W., gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.6.2015, GZ: FE-470/2015, betreffend eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nach dem Führerscheingesetz den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die Landespolizeidirektion Oberösterreich zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Mandatsbescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 7.5.2015, GZ: FE-470/2015 wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) unter Berufung auf § 24 Abs 4 und § 8 FSG aufgefordert, sich binnen zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Einem allfälligen Rechtsmittel wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Dem Mandatsbescheid zugrunde liegt ein Abschlussbericht der PI Nietzschestraße, wonach der nunmehrige Beschwerdeführer (in Folge: Bf) am 7.3.2015 mit 0,3 g Marihuana und 0,7 Gramm Marihuana-Tabakgemisch betreten worden sei. Der Bf habe im Zuge der polizeilichen Einvernahme angegeben, seit ca fünf Jahren an den Wochenenden Marihuana zu konsumieren.

 

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Formular „Beschuldigtenvernehmung“, welches – wie dem Schriftbild zu entnehmen ist – von der Meldungslegerin ausgefüllt und vom Bf unterzeichnet wurde. Ua beinhaltet dieses Formular einen Abschnitt, in welchem durch Ankreuzen anzugeben ist, seit wann, in welcher Häufigkeit welches Suchtmittel konsumiert wird.

 

Dem genannten Formularabschnitt kann entnommen werden, dass der Bf seit ca fünf Jahren wöchentlich Marihuana konsumiert, wobei der letzte Konsum am 7.3.2015 stattgefunden hat.

 

b) Gegen den Mandatsbescheid erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Vorstellung.

 

In seinem Rechtsmittelschriftsatz macht der Bf geltend, die formularhafte Darstellung seines Suchtmittelkonsums sei irreführend bzw entspreche nicht der Wirklichkeit. Bei der Befragung habe er wahrheitsgemäß angegeben, vor ca fünf Jahren erstmalig Kontakt mit Marihuana gehabt zu haben. Im Anschluss habe er drei Jahre lang kein Suchtgift konsumiert. Erst in den letzten zwei Jahren habe er begonnen, gelegentlich an den Wochenenden Marihuana zu konsumieren. Die Meldungslegerin habe aufgrund der Verwendung des Formblattes, die dort möglichen Antworten angekreuzt, ohne differenziert das tatsächliche Konsumverhalten darzulegen. Die Aussage des Bf betreffend des Erstkonsums vor fünf Jahren sei mit einem Konsum „seit“ dieser Zeit gleichgesetzt worden, die Angabe „an Wochenenden“ zu konsumieren dem Feld „wöchentlich“ zugeordnet worden. Aufgrund der für ihn als unbescholtenen Bürger vorhandenen außerordentlichen Belastungssituation bei der polizeilichen Einvernahme habe der Bf das Formular vor Unterfertigung lediglich überflogen, ansonsten hätte er auf eine Klar- bzw Richtigstellung gedrungen.

 

Aus rechtlicher Sicht führt der Bf in Folge aus, dass ein lediglich gelegentlicher Konsum von Marihuana wie von ihm dargestellt eine Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nicht rechtfertigt.

 

c) Mit dem nunmehr ggst Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.6.2015, GZ: FE-470/2015, wurde der og Mandatsbescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und des Verfahrensganges wie folgt:

 

„In der Beschuldigtenvernehmung vom 07.03.2015 beim Stadtpolizeikommando Linz zum oben angeführten Sachverhalt geht folgender Sachverhalt hervor:

 

Sie zeigten sich dabei geständig seit ca. 5 Jahren an den Wochenenden Marihuana zu konsumieren. Zum Konsumverhalten befragt gaben Sie an, dass dieses wöchentlich sei und der letzte Konsum am 07.03.2015 … stattgefunden hätte. …

 

Aufgrund des oben zitierten Sachverhaltes, insbesondere unter Bedachtnahme auf den langen Zeitraum der Konsumation ist nicht bloß von einem gelegentlichen Konsum auszugehen, zumal unter diesen Umständen auch ein gewisses Suchtverhalten nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

 

Somit steht nunmehr der Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit bzw. ein problematischer Umgang mit Suchtmittel im Raum, weshalb die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 FSG als gegeben erachtet werden und der Mandatsbescheid daher vollinhaltlich zu bestätigen war.

 

Aufgrund allgemeiner Verhaltensgrundsätze erscheint es unlogisch, ein Schriftstück in einer derart gravierenden Angelegenheit ohne Durchlesen zu unterschreiben. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es sich bei Ihrer Argumentation um eine Schutzbehauptung handelt.“

 

II. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bf rechtzeitig im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen die Argumentation des Vorstellungsschriftsatzes wiederholt.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 23.6.2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG schon deshalb abgesehen werden, weil sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

IV.a) Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

b) § 24 Abs 4 FSG sieht vor, dass bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen ist.

 

Beabsichtigt eine Behörde, aufgrund § 24 Abs 4 FSG einer Person bescheidmäßig eine amtsärztliche Untersuchung vorzuschreiben, muss sie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge begründete Bedenken hegen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (VwGH 20.4.2004, 2003/11/0243; 17.3.2005, 2004/11/0014).

 

Im ggst Fall wurde der belangten Behörde ein polizeilicher Abschlussbericht sowie ein Formular über eine Beschuldigteneinvernahme zur Kenntnis gebracht. Im weiteren Verfahren hat der Bf den von der belangten Behörde diesen Unterlagen entnommenen Sachverhalt in Abrede gestellt.

 

Die belangte Behörde hat in Folge jegliche Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es erfolgte weder eine behördliche Befragung der Meldungslegerin hinsichtlich der konkret vom Bf gemachten Angaben im Zuge der Einvernahme, noch hat die belangte Behörde den Bf vorgeladen, um sich selbst einen persönlichen Eindruck von ihm und von seiner Gesundheit zu verschaffen.

 

c) Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

 

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde – wie dargelegt – jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und lediglich aufgrund eines ihr übermittelten Abschlussberichtes bzw eines Formulares den angefochtenen Bescheid erlassen.

 

Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht, was auch aus der Beschwerdeschrift hervorgeht. Fraglich ist für eine Anwendung des Abs 3 Satz 2 leg cit daher lediglich, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Da von der belangten Behörde jegliche Ermittlungen unterlassen wurden, ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung / Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

Die Voraussetzungen für eine Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde liegen somit vor, weshalb spruchgemäß entschieden wurde.

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da hinsichtlich der Grundsätze, wann eine Zurückverweisung an die belangte Behörde zu Recht erfolgt, nicht von der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird und die Frage, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung erfüllt sind, nicht verallgemeinerungsfähig ist und somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer