LVwG-300561/8/PY/BC

Linz, 30.06.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn D.R.,  x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 1. Dezember 2014, GZ. SV-2/13, wegen Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            
1.         Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 1. Dezember 2014, GZ: SV-2/13, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 und 2 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 96 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 75 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben es als verantwortlicher Beschäftiger verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass Sie Hrn. Z.R., geb. am x, am 2.5.2012 in S., x, als Dienstnehmer mit dem Ausmalen eines Raumes im Erdgeschoß beschäftigten, ohne dass dieser Dienstnehmer vor Arbeitsantritt von Ihnen als verantwortlichem Dienstgeber beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Hrn. Z.R. lag – bei Annahme einer kollektivvertraglichen Entlohnung – über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Hr. Z.R. arbeitete gemäß Ihren Anweisungen. Er war somit Dienstnehmer.

 

Da die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben stellt dies eine wiederholte Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversiche­rungsgesetzes (ASVG) dar.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrens­ganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass aufgrund einer Anzeige des Finanzamtes Steyr gegen den Beschuldigten wegen des im Spruch angeführten Tatbestandes ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde. Von diesem wurde als Rechtfertigung vorgebracht, dass Herr Z.R. sein Cousin wäre und ohne Auftrag einen Freundschaftsdienst erledigt hätte. Die erkennende Behörde gehe vom angezeigten Tatbestand aus und sei der Beschuldigte als verantwortlicher Beschäftiger gegenständlichen Dienstnehmers für die Verwal­tungsübertretung verantwortlich.

 

Abschließend legt die Behörde ihre für die Strafbemessung maßgeblichen Gründe dar.

 

2.         Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in der vorgebracht wird, dass es sich bei Herrn Z.R. um den Cousin des Bf und um keinen Maler, sondern einen LKW-Fahrer handelt, der auf der Durchreise mit seinem LKW einen Zwischenstopp einlegte um die Ehegattin des Bf sowie dessen Kind im Landeskrankenhaus S. zu besuchen. Er habe ohne Absprache Verschönerungsarbeiten im der Wohnung durchgeführt und könne dies nicht als Verwaltungsübertretung bezeichnet werden.

 

3.         Mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Gemäß § 2 VwGVG ist dieses zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.

 

4.         Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme. Dem Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr als am Verfahren beteiligte Organpartei wurde Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwer­deverfahren abzugeben. In der dazu am 19. Februar 2015 eingelangten Stellungnahme wird das Beschwerdevorbringen bestritten und unter Vorlage weiterer Beweismittel auf die Wahrnehmung anlässlich der Kontrolle verwiesen.

 

5.         Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1.      Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundes­gesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.    Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.    Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.    Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.    gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs. 2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbe­stimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf
365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienst­vertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungs­möglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden
(§ 539a Abs. 2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen recht­lichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs. 3 ASVG).

 

Gemäß § 38 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F. sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs. 1 B-VG in Verwal­tungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des 2. Teiles und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bundes- oder Landesgesetzen sinn­gemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwal­tungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist von diesem Zeitpunkt.

 

Gemäß § 31 Abs. 2 1. und 2. Satz VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwal­tungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt.

 

5.2.      Dem Bf wird im angefochtenen Straferkenntnis eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes am 2. Mai 2012 zur Last gelegt. Er verantwortete sich – bereits im Verfahren vor der belangten Behörde – damit, dass es sich bei der gegenständlichen Tätigkeit um einen freiwilligen und unentgeltlichen Gefälligkeitsdienst seines Cousins gehandelte hat. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind insbesondere kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden (vgl. VwGH v. 14. März 2013, Zl. 2010/08/0229). Die Rechtfertigungs­angaben des Bf sind somit dahingehend zu beurteilen, ob aufgrund dieser atypischen Umstände das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses zu verneinen ist. Dazu sind jedoch die vom Bf angebotenen Beweismittel einer näheren Beurteilung zu unterziehen.

 

Von der belangten Behörde wurde dem Bf zwar eine Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt, zu der vom Bf ergangenen Rechtfertigung wurden jedoch keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt und erst kurz vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung das gegenständliche Straferkenntnis erlassen. Zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wären jedoch weitere Erhebungen, insbesondere auch eine Einvernahme des gegenständlichen Dienst­nehmers über die getroffenen Vereinbarungen und allfällige Beweggründe seiner Tätigkeit erforderlich gewesen. Im Hinblick auf den entfernten Aufenthaltsort des Zeugen wäre dafür jedoch eine entsprechende Vorbereitungszeit erforderlich. Dem Oö. Landesverwaltungsgericht war es daher nicht mehr möglich in der noch verbleibenden Zeit ein den Anforderungen des Artikel 6 Abs. 2 EMRK gerecht werdendes Ermittlungsverfahren durchzuführen, weshalb Zweifel an der Täter­schaft des Bf verbleiben und ausreichende Beweise für einen Schuldspruch nicht vorliegen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.            Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in den zitierten Gesetzes­stellen begründet.

 

 

III.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Andrea Panny