LVwG-650406/2/MZ

Linz, 10.06.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des R S, geb  x 1931, vertreten durch L Rechtsanwaltspartnerschaft, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.4.2015, GZ: VerkR21-209-2015pl, betreffend eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nach dem Führerscheingesetz den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.        Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zurückverwiesen.

 

II.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.4.2015, GZ: VerkR21-209-2015pl, wurde der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) unter Berufung auf §§ 24 Abs 4 und 8 Abs 2 FSG aufgefordert, sich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen.

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde wie folgt:

„Von der Landespolizeidirektion St. Pölten wurde zur Anzeige gebracht, dass Sie am 6.3.2015 gegen 20.58 Uhr den PKW x in Ybbs auf der B 25 lenkten und dabei bei km 5,155 direkt im Kreisverkehr angehalten haben. Sie wurden von der Polizei mittels eingeschaltetem Blaulicht und durch Betätigen der Lichthupe aufgefordert, Ihr Fahrzeug anzuhalten. Weiters wurden Sie auch durch den Lautsprecher mehrmals aufgefordert, anzuhalten. Es folgte jedoch durch Sie keinerlei Reaktion. Anschließend fuhren Sie auf die Autobahn auf. Sie wurden neuerlich mehrmals aufgefordert, Ihr Fahrzeug anzuhalten. Sie konnten erst durch Unterstützung einer weiteren Streife bei der Autobahnabfahrt Amstetten West angehalten werden.

 

Im Zuge der Amtshandlung haben Sie mehrmals angegeben, dass Sie sich nicht betroffen gefühlt haben und sehen die Kontrolle als Schikane, da Sie nichts falsch gemacht haben. Im Kreisverkehr haben Sie deshalb angehalten, da Sie sich erst orientieren und lesen mussten, in welche Richtung Sie fahren müssen. Weiters wussten Sie nicht, dass mit dem Blaulicht Sie gemeint waren. Dann haben Sie gedacht, die Polizei würde Ihnen nachfahren um zu sehen, ob Sie alkoholisiert sind. Dass die Beamten mit den Händen Haltezeichen gegeben haben, haben Sie ebenfalls nicht gesehen. Die mehrmaligen Aufforderungen zum Anhalten über den Lautsprecher haben Sie nicht gehört.“

 

Es folgt die Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften. Danach setzt die belangte Behörde fort:

„Da Sie die Anhaltezeichen der Polizei weder optisch noch akustisch wahrgenommen haben, bestehen begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, weshalb eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen war.“

 

II. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bf rechtzeitig im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher er den von der Behörde angenommenen Sachverhalt in Abrede stellt und zum Nachweis dafür verschiedene Zeugen namhaft macht.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 28.5.2015, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG schon deshalb abgesehen werden, weil sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

IV.a) Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

b) § 24 Abs 4 FSG sieht vor, dass bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen ist.

 

Beabsichtigt eine Behörde, aufgrund § 24 Abs 4 FSG einer Person bescheidmäßig eine amtsärztliche Untersuchung vorzuschreiben, muss sie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge begründete Bedenken hegen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (VwGH 20.4.2004, 2003/11/0243; 17.3.2005, 2004/11/0014).

 

Im ggst Fall wurde der belangten Behörde von einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde „zur weiteren Veranlassung“ eine polizeiliche Anzeige übermittelt, welcher der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid als wahr angenommene Sachverhalt entnommen werden kann.

 

Die belangte Behörde hat in Folge jegliche Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es erfolgte weder eine behördliche Einvernahme des Bf noch wurde dieser aufgefordert, zu den Vorwürfen bzw hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ Stellung zu nehmen. Die Behörde hat auch davon abgesehen, den Bf vorzuladen und sich selbst einen persönlichen Eindruck von seiner Gesundheit zu verschaffen. Ebenso wenig hat die belangte Behörde es für notwendig erachtet, die Meldungsleger sowie die Mitfahrer des Bf einvernehmen zu lassen bzw einzuvernehmen.

 

c) Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

 

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde – wie dargelegt – jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und lediglich aufgrund einer ihr übermittelten Anzeige den angefochtenen Bescheid erlassen. Selbst eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem in der Anzeige enthaltenen Vorbringen des Bf lässt der in Beschwerde gezogene Bescheid gänzlich vermissen.

 

Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht, was auch aus der Beschwerdeschrift hervorgeht. Fraglich ist für eine Anwendung des Abs 3 Satz 2 leg cit daher lediglich, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Da von der belangten Behörde jegliche Ermittlungen unterlassen wurden, ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung / Gesamtverfahren) bewirken könnte, zumal die zu vernehmenden Zeugen ihren Wohnsitz im örtlichen Wirkungsbereich der belangten Behörde haben bzw die Meldungsleger im Wege der Amtshilfe einvernommen werden können. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

Die Voraussetzungen für eine Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde liegen somit vor, weshalb spruchgemäß entschieden wurde.

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da hinsichtlich der Grundsätze, wann eine Zurückverweisung an die belangte Behörde zu Recht erfolgt, nicht von der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird und die Frage, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung erfüllt sind, nicht verallgemeinerungsfähig ist und somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer