LVwG-550416/2/SE
Linz, 12.06.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Sigrid Ellmer über die Beschwerde der Ö B AG, N K, x, x, vom
15. Dezember 2014 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11. November 2014, GZ: ForstR10-44-2014-Eb, wegen eines forstpolizeilichen Auftrages
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtenen Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtsgesetz - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf (kurz: belangte Behörde) vom 11. November 2014, GZ: ForstR10-44-2014-Eb, wurde der Ö B AG, N K, x, x, (kurz: Beschwerdeführerin), aufgetragen, „auf ihre Kosten, zur Wiederherstellung des forstrechtlich gesetzesmäßigen Zustandes im Bereich eines namenlosen, nicht ständig wasserführenden Gerinnes, welches ca. 300 m nordwestlich des sogenannten „M-A“ in der K S mündet, auf der Waldparzelle Nr. x, KG I, Marktgemeinde M, folgende Maßnahmen zu setzen:
Das knapp aufwärts der Brücke der B-Gemeindestraße im Bachbett des genannten Gerinnes befindlichen Schadholz ist vollständig aus dem Hochwasserabflussbereich des Gerinnes zu räumen und außerhalb des Grabens so zu lagern, dass eine Gefährdung des Hochwasserabflusses nicht erfolgt.
Betroffen ist der Grabenbereich, welcher im Lageplan der Marktgemeinde M vom 10. Juni 2014, welcher Bestandteil des Spruches bildet, gelb markiert und blau umrandet dargestellt ist.
Diese Maßnahmen sind bis spätestens 31. Dezember 2014 umzusetzen. Die Durchführung ist der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems umgehend und unaufgefordert bekannt zu geben.“
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Marktgemeinde M auf dem Waldgrundsstück Nr. x, KG I, schriftlich ihre Befürchtung bekannt gab, dass es im Starkregenfall durch das Lawinenholz, das einen rechtsufrigen Graben zur K S knapp aufwärts der Brücke der B-Gemeindestraße blockiert, zu einer Verklausung und einer damit einhergehenden Beeinträchtigung der Brücke bzw. der Gemeindestraße kommen könnte. Die Verwaltung des N Oö. K GesmbH hätte sich geweigert, die Gefahrensituation zu entschärfen.
Die Ö B AG kam dem Auftrag der belangten Behörde vom 23. Juni 2014 zur Räumung des Grabens nicht nach. Die N Oö. K GesmbH teilte mit, dass eine Verfrachtung des Holzes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist und Totholz im Natura 2000-Gebiet Lebensgrundlage für viele Organismen und Schutzgüter darstellt.
In der von der belangten Behörde eingeholten forstfachlichen Stellungnahme vom 21. Oktober 2014 wird die vollständige Räumung des Schadholzes aus dem Graben gefordert, da eine erhebliche Wahrscheinlichkeit eines Hochwasser- ereignisses bestehe und davon eine Gefährdung für die B-Gemeindestraße ausgeht.
Der Bezirksbeauftrage für Natur- und Landschaftsschutz führte in seiner Stellungnahme vom 2. September 2014 aus, dass durch eine Lagerung des Lawinenholzes außerhalb des Bachbettes bzw. Grabens das Totholz zur Gänze im Bestand belassen wird und die minimale Veränderung des Standortes weder qualitative noch quantitative Auswirkungen auf das Totholz als Lebensraumgrundlage hat. Eine erhebliche Beeinträchtigung von Schutzgütern wird dadurch nicht bewirkt.
Als Rechtsgrundlage wurde § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 herangezogen.
I. 2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom
15. Dezember 2014 fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammenfassend wird darin ausgeführt:
· Bei der Annahme der möglichen Heranziehung des § 101 Abs. 6 Forstgesetz 1975 sei zu beachten, dass die Gemeinde die Pflicht zur Beseitigung der vorgefundenen Übelstände grundsätzlich treffe. Es sei keine Ermächtigung der betroffenen Gemeinde, aber auch keine der Forstbehörde ableitbar, mittels Bescheid Wildbachräumungsaufträge an Dritte zu erteilen. Es könne nicht begründet werden, dass zu Lasten einer anderen Person als der Gemeinde die Räumungspflichten im Falle des Vorliegens spezieller Anordnungen des Forstgesetzes oder des Landesausführungsgesetzes begründet werden könne. Eine Ermächtigung zur generellen Belastung der Grundeigentümer ist nicht erteilt. Es wäre Angelegenheit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zunächst Begehungen unter nach allenfalls erforderliche Wildbachräumungen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Die belangte Behörde sei daher zur Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrags in Verbindung mit § 101 Abs. 6 Forstgesetz 1975 im derzeitigen Verfahrensstadium unzuständig, weshalb der forstpolizeiliche Auftrag an die Beschwerdeführerin unzulässig sei.
· Die R Ö (Ö B AG) sei Eigentümerin der gegenständlichen Parzelle. Die ö B AG sei aber Adressat des gegenständlichen Auftrages. Die belangte Behörde habe Feststellungen nicht getroffen über die Eigenschaft der ö B als Verwalterin und Fruchtgenussberechtigte betreffend Republikgrund.
· Voraussetzung der Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 sei, dass es sich bei der betreffenden Fläche zum Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstrechtliche Vorschriften und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes handle. Tatbestandsvoraussetzung sei weiters ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften. Die belangte Behörde habe verabsäumt, einen Verstoß der Beschwerdeführerin gegen forstrechtliche Vorschriften aufzuzeigen.
· Der derzeitige Zustand sei nicht durch die Beschwerdeführerin veranlasst worden, da es sich beim gegenständlichen Schadholz um Lawinenholz handle. Hinsichtlich der Ablagerung des Holzes komme der Beschwerdeführerin keine Verfügungsmacht zu und könne auch sonst in keiner Weise zugerechnet werden. Die Beschwerdeführerin habe keine Verpflichtung zur Wildbachräumung.
· Dem angefochtenen Bescheid mangle es an Feststellungen zum Tatbestand, zur Zuständigkeit der belangten Behörde, zur Zulässigkeit des Behördenauftrages, zum Vorliegen einer Verursachung sowie zum Vorliegen eines Verstoßes gegen forstrechtliche Vorschriften, weshalb verfahrensrechtliche Mangelhaftigkeit und inhaltliche Rechtswidrigkeit vorliege. Die belangte Behörde hätte bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften den angefochtenen Bescheid nicht erlassen dürfen oder zu einem anders lautenden Spruch kommen müssen.
Die Beschwerdeführerin beantragte weiters die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu in der Sache selbst im Sinne des Beschwerdevorbringens zu entscheiden, in eventu die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an die belangte Behörde zurück zu verweisen.
I. 3. Der Verfahrensakt ist gemeinsam mit der Beschwerde am 13. Jänner 2015 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt.
II. 1. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht fest:
Die belangte Behörde erteilte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom
11. November 2014, GZ: ForstR10-44-2014-Eb, den forstpolizeilichen Auftrag, auf ihre Kosten, zur Wiederherstellung des forstrechtlich gesetzesmäßigen Zustandes im Bereich eines namenlosen, nicht ständig wasserführenden Gerinnes, welches ca. 300 m nordwestlich des sogenannten „M-A“ in der K S mündet, auf der Waldparzelle Nr. x, KG I, Marktgemeinde M, unter folgenden Maßnahmen zu setzen:
„Das knapp aufwärts der Brücke der B-Gemeindestraße im Bachbett des genannten Gerinnes befindlichen Schadholz ist vollständig aus dem Hochwasserabflussbereich des Gerinnes zu räumen und außerhalb des Grabens so zu lagern, dass eine Gefährdung des Hochwasserabflusses nicht erfolgt.
Betroffen ist der Grabenbereich, welcher im Lageplan der Marktgemeinde M vom 10. Juni 2014, welcher Bestandteil des Spruches bildet, gelb markiert und blau umrandet dargestellt ist. Diese Maßnahmen sind bis spätestens
31. Dezember 2014 umzusetzen. Die Durchführung ist der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems umgehend und unaufgefordert bekannt zu geben.“
Als Rechtsgrundlage wurde ausschließlich § 172 Abs. 6 lit. c Forstgesetz 1975 herangezogen.
Eigentümerin des gegenständlichen Grundstücks ist die R Ö (Ö B).
II. 2. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
III. 1. Maßgebliche Rechtslage:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975,
BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 189/2013, lauten:
„Vorbeugungsmaßnahmen in Einzugsgebieten;
Räumung von Wildbächen
§ 101 (1) Droht im Einzugsgebiet eines Wildbaches oder einer Lawine eine Verschlechterung des Zustandes einzutreten oder ist eine solche bereits im Zuge, sodass eine wirksame Bekämpfung der Wildbach- oder Lawinengefahr erschwert oder unmöglich gemacht wird, so hat die Behörde, sofern es sich nicht bereits um ein Arbeitsfeld gemäß § 1 des Gesetzes vom 30. Juni 1884, RGBl. Nr. 117, in der Fassung der Wasserrechtsnovelle 1959, BGBl. Nr. 54, handelt, festzustellen, welche Vorbeugungsmaßnahmen erforderlich erscheinen.
(2) Vorbeugungsmaßnahmen gemäß Abs. 1 können insbesondere sein: ....
....
(6) Jede Gemeinde, durch deren Gebiet ein Wildbach fließt, ist verpflichtet, diesen samt Zuflüssen innerhalb der in ihrem Gebiet gelegenen Strecken jährlich mindestens einmal, und zwar tunlichst im Frühjahr nach der Schneeschmelze, begehen zu lassen und dies der Behörde mindestens zwei Wochen vorher anzuzeigen. Die Beseitigung vorgefundener Übelstände, wie insbesondere das Vorhandensein von Holz oder anderen den Wasserlauf hemmenden Gegenständen, ist sofort zu veranlassen. Über das Ergebnis der Begehung, über allfällige Veranlassungen und über deren Erfolg hat die Gemeinde der Behörde zu berichten.
...
Forstaufsicht
§ 172 .....
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer Acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
...
c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie Wildbachräumung, ...
dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr in Verzug unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.“
III. 2. Voraussetzung der Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 ist, dass es sich bei der betreffenden Fläche zum Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstliche Vorschriften und zum Zeitpunkt der Entlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 gehandelt hat. Tatbestandsvoraussetzungen des § 172
Abs. 6 Forstgesetz 1975 ist weiters ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften, z. B. das Rodungsverbot, das Verbot der Waldverwüstung oder das Verbot der rechtzeitigen Wiederbewaldung (vgl. dazu VwGH vom 13. Dezember 2010, Zl: 2009/10/0075 oder auch VwGH vom 27. Mai 2014, Zl: 2012/10/0163).
Die belangte Behörde hat keine Feststellungen darüber getroffen, worin ein Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften vorliegt. Sie hat lediglich eine Vorkehrung entsprechend § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 vorgeschrieben.
Auch aus den in der Begründung gemachten Ausführungen lässt sich kein konkreter Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften ableiten.
§ 101 Forstgesetz 1975 regelt Vorbeugungsmaßnahmen in Einzugsgebieten und die Räumung von Wildbächen. Bei Vorliegen der geforderten Tatbestands-elemente hat die Behörde die Möglichkeit festzustellen, welche Vorbeugungsmaßnahmen wie etwa in § 101 Abs. 2 Forstgesetz 1975 beispielhaft angeführt, erforderlich erscheinen. Jedoch hat sich die belangte Behörde weder auf § 101 Forstgesetz 1975 bezogen noch Feststellungen darüber getroffen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 101 Abs. 1 Forstgesetz 1975 vorliegen. Es kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid „bloß“ eine unrichtige Rechtsgrundlage herangezogen hat und die der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Maßnahmen grundsätzlich rechtmäßig gewesen wären.
Überdies wird noch angemerkt, dass § 101 Abs. 6 2. Satz Forstgesetz 1975 vorsieht, dass die Gemeinde die Beseitigung vorgefundener Übelstände, wie insbesondere das Vorhandensein von Holz oder anderen den Wasserlauf hemmende Gegenstände, zu veranlassen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den oben ausgeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos zu beheben. Auf das darüberhinausgehende Beschwerdevorbringen musste nicht mehr eingegangen werden.
IV. Gemäß Tarifpost 6 Gebührengesetz 1957 hat die Beschwerdeführerin eine Eingabegebühr von 14,30 Euro zu tragen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Maga. Sigrid Ellmer