LVwG-600769/10/Kof/BD
Linz, 22.04.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde der Frau C M,
geb. 1969, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt
Dr. A P gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 28.01.2015, VStV/914300147127/2014, wegen Übertretung des § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO nach der am 16. April 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses,
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II.
Gemäß § 52 Abs.1 und Abs.2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von
20 Euro zu entrichten.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG absolut unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die belangte Behörde hat über die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf) das
in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
Gegen dieses Straferkenntnis hat die Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben.
Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Betreffend die Lenkereigenschaft ist auf die Lenkerauskunft der Bf vom 23.09.2014 zu verweisen, wonach sie selbst am 10. April 2014 um 18.40 Uhr
das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen L-..... gelenkt hat.
Am 16. April 2015 wurde beim LVwG OÖ. eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Rechtsvertreter der Bf sowie die Zeugin, Frau S.E. teilgenommen haben.
Zeugenaussage der Frau S. E.:
Am 18. April 2014 um ca. 18:40 Uhr fuhr ich mit dem auf meine Großmutter zugelassenen PKW auf der Altenberger Straße von der Universität kommend in Richtung Autobahnauffahrt. Meine Geschwindigkeit hat ca. 50 km/h betragen.
Ich habe den vor der Kreuzung Altenberger Straße/Leopold-Figl-Straße angebrachten Zebrastreifen passiert und musste unmittelbar danach eine Vollbremsung einlegen, da ein PKW aus der Leopold-Figl-Straße kommend links in die Altenberger Straße – also in meine Fahrtrichtung – eingebogen ist.
Als ich zum Stillstand gekommen bin, war dieser PKW – vorsichtige Schätzung – ca. 5 m von mir entfernt. Ohne diese von mir vorgenommene Vollbremsung hätte es mit Sicherheit einen Verkehrsunfall gegeben.
Auf der Übersicht über die entsprechende Straßenstelle kann ich nicht genau angeben, wo ich mit meinem Fahrzeug zum Stillstand gekommen bin.
Das einbiegende Fahrzeug könnte sich ca. 30 m nach dem Zebrastreifen befunden haben.
Dieses einbiegende Fahrzeug ist ebenfalls zum Stillstand gekommen.
Ich habe gesehen, dass der Lenker/die Lenkerin einen Kurzhaarschnitt hatte.
Ich konnte jedoch nicht feststellen, ob es sich um eine männliche oder
eine weibliche Person gehandelt hat.
Es gab einen sehr kurzen Blickkontakt, ich konnte jedoch auch da nicht exakt erkennen, ob es sich um eine männliche oder eine weibliche Person gehandelt hat.
Das einbiegende Fahrzeug stand zu diesem Zeitpunkt schräg zur Fahrbahn.
Nach dem kurzen Blickkontakt bedeutete ich dem Lenker/der Lenkerin,
sie möge weiterfahren.
Ich gebe nochmals an, ich habe einen Teil des Gesichtes gesehen, kann jedoch nicht angeben, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hat.
Vor dem Schutzweg war es der rechte Fahrstreifen, anschließend weitet sich die Fahrbahn auf insgesamt drei Fahrstreifen, da bin ich dann anschließend auf dem mittleren dieser drei Fahrstreifen weitergefahren.
Das vom Herrn Rechtsanwalt vorgelegte Foto (Farbkopie) gibt die örtliche Situation richtig wieder.
Vor dem Zebrastreifen existiert in Fahrtrichtung A7-Mühlkreisautobahn nur ein einziger Fahrstreifen in diese Richtung und auf dem habe ich mich befunden.
Vor dem Zebrastreifen habe ich mich eher näher zur Verkehrsinsel als zum Gehsteig befunden.
Ich kann auch auf diesem Foto nicht exakt angeben, wo ich zum Stillstand gekommen bin, ungefähr bei jenem Verkehrszeichen, welches die Vorankündigung für die Weiterfahrt angibt.
Im Zuge der Annäherung an die Kreuzung war weder vor mir, noch hinter mir ein Fahrzeug. Während des Bremsvorganges habe ich gehupt.
Warum das andere Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist, weiß ich nicht – diesbezüglich müsste ich spekulieren.
Ich habe vom anderen Fahrzeug einen Teil der Bremslichter gesehen und glaube, dass die Bremsung erfolgte, nachdem ich gehupt habe.
Schlussäußerung des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin und
Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin:
Im Hinblick darauf, dass das Entscheidungsorgan nach seinen eigenen Angaben außerhalb der Verhandlung einen Beweis in der Form aufgenommen hat, dass ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde ohne die Beschwerdeführerin oder deren Rechtsvertreter dazu beizuziehen, liegt ein erheblicher Verfahrensmangel vor, zumal die Beschwerdeführerin im Verfahren mehrfach die Durchführung eines Lokalaugenscheins beantragt hat.
Beweisaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung sind gesetzlich nicht vorgesehen bzw. wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einzuräumen, zu diesen Beweisen Stellung zu nehmen.
Dafür wäre es erforderlich, dass über die Beweisaufnahme ein Protokoll angefertigt wird, welches das entscheidende Organ in diesem Fall unterlassen hat.
Diese Vorgangsweise, außerhalb der Verhandlung Beweise aufzunehmen und die Beweisanträge der Beschwerdeführerin zu ignorieren, weckt erhebliche Zweifel daran, dass das Entscheidungsorgan tatsächlich unbefangen ist.
Demgemäß wird hiermit die Ablehnung des zuständigen Richters erklärt und beantragt, die Sache einem anderen Richter zuzuweisen.
Im Übrigen bleiben die gestellten Beweisanträge insbesondere die Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die Angaben der Zeugin technisch nicht möglich sind, aufrecht.
Der unterfertigte Richter hat am Tag vor der mVh den – ihm schon seit langem bekannten – „Tatort“ besichtigt.
Bei dieser „Besichtigung“ handelte es sich jedoch – entgegen den Behauptungen des Rechtsvertreters der Bf – nicht um einen Ortsaugenschein iSd § 54 AVG.
Diese vom unterfertigten Richter vorgenommene „Besichtigung“ wird im Verfahren
· nicht als Beweismittel nach § 46 AVG herangezogen bzw.
· in keiner Weise verwendet.
Betreffend den „Tatort“ werden ausschließlich
· der im behördlichen Verfahrensakt enthaltene Auszug aus dem Digitalen Oberösterreichischen Raum-Informations-System – DORIS (ON 30) sowie
· das vom Rechtsvertreter der Bf selbst vorgelegte Foto (Farbkopie)
verwertet.
Der vom Rechtsvertreter der Bf behauptete „Befangenheitsgrund“
liegt somit nicht vor.
Der Rechtsvertreter der Bf vermeint in der Beschwerde, beim Entscheidungsorgan der belangten Behörde bestehen erhebliche Bedenken an dessen Unbefangenheit.
Dieses Entscheidungsorgan habe die Lenkereigenschaft der Bf bejaht, obwohl
die Bf – so deren Vorbringen – „im Zuge des Verfahrens mehrfach und in wohl kaum zu überbietender Deutlichkeit ausdrücklich bestritten habe, zum angegebenen Zeitpunkt ihr Fahrzeug in diesem Bereich gelenkt zu haben.“
Diesem Vorbringen des Rechtsvertreters der Bf ist entgegenzuhalten, dass die Tatsache der Durchführung einer Beweiswürdigung keine Befangenheit begründet; VwGH vom 25.06.2010, 2009/02/0156.
Betreffend die Zeugin Frau S.E. ist auszuführen:
Frau S.E. hat bei der „verfahrensgegenständlichen Fahrt“
den auf ihre Großmutter zugelassenen PKW gelenkt.
Der Rechtsvertreter der Bf führt dazu – siehe Einspruch vom 06.06.2014 gegen die Strafverfügung – folgendes aus:
„Letztlich wird angeregt, hinsichtlich der Anzeigerin zu prüfen, ob durch die offensichtlich dauernde Verwendung eines auf jemand anderen zugelassenen Fahrzeuges eine Übertretung des KFG vorliegt.“
Aufgrund der von Frau S.E. vorgenommenen Fahrt mit dem auf ihre Großmutter zugelassenen PKW behauptet der Rechtsvertreter der Bf die „offensichtlich dauernde Verwendung eines auf jemand anderen zugelassenen Fahrzeuges“. –
Einen Beweis oder auch nur ein Indiz für diese Behauptung
bringt der Rechtsvertreter der Bf jedoch nicht vor.
Weiters war der Rechtsvertreter der Bf auch nicht in der Lage, eine konkrete Bestimmung des KFG zu benennen, welche Frau S.E. übertreten haben könnte.
Unabhängig davon ist festzustellen:
Selbst wenn Frau S.E. tatsächlich – wie dies der Rechtsvertreter der Bf behauptet – dauernd das auf ihre Großmutter zugelassene Fahrzeug verwenden würde, liegt keine Übertretung des KFG vor. –
Diese Rechtslage müsste dem Rechtsvertreter der Bf – als Rechtsanwalt –bekannt sein.
Das Vorbringen des Rechtsvertreters der Bf
„letztlich wird angeregt, hinsichtlich der Anzeigerin zu prüfen, ob durch die offensichtlich dauernde Verwendung eines auf jemand anderen zugelassenen Fahrzeuges eine Übertretung des KFG vorliegt“
grenzt daher an Mutwilligkeit.
§ 19 Abs.4 StVO lautet auszugsweise:
„Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben“ angebracht,
so haben sowohl die von rechts, als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang.“
§ 19 Abs.7 lautet auszugsweise:
„Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) darf durch ….. Einbiegen ..…
die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.“
Entscheidungswesentlich ist einzig und allein, ob die Bf durch das Einbiegen
von der – abgewerteten – Leopold-Figl-Straße nach links in die – bevorrangte –Altenberger Straße die vorrangberechtigte Frau S. E. zum unvermittelten Bremsen genötigt hat oder nicht.
Die Zeugin Frau S.E. hat bei der mVh einen sehr glaubwürdigen und kompetenten Eindruck hinterlassen, den Ablauf des Geschehens ausführlich und detailliert geschildert und im Übrigen in keiner Weise bei der Einvernahme den Anschein erweckt, die Bf in irgendeiner Art und Weise ungerechtfertigt belasten zu wollen;
VwGH vom 23.01.2009, 2008/02/0247; vom 31.05.2012, 2012/02/0082.
Gemäß § 45 Abs.1 AVG bedürfen offenkundige Tatsachen keines Beweises.
Dies sind z.B. Tatsachen, welche aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnitts- menschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können;
siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I, 2. Auflage,
E29 zu § 45 AVG (Seite 648) zitierte Judikatur.
Aus den – bereits zitierten – Unterlagen über den „Tatort“ ist folgendes offenkundig ersichtlich:
Fährt ein Fahrzeug auf der – bevorrangten – Altenberger Straße in Fahrtrichtung Autobahn auf Höhe des Schutzweges vor der Kreuzung mit der Leopold-Figl-Straße mit einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h und biegt zur selben Zeit von der – abgewerteten – Leopold-Figl-Straße ein Fahrzeug in die Altenberger Straße in die gleiche Fahrtrichtung ein, so kann das bevorrangte Fahrzeug einen Verkehrsunfall – wenn überhaupt – nur durch eine Vollbremsung verhindern.
Unabhängig von dieser „offenkundigen Tatsache“ iSd § 45 Abs.1 AVG ist festzustellen:
Die Zeugin, Frau S.E. hat angegeben, sie sei auf der – bevorrangten – Altenberger Straße mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h gefahren.
Unmittelbar nachdem die Zeugin den vor der Kreuzung Altenberger Straße/ Leopold-Figl-Straße angebrachten Zebrastreifen passiert hatte, musste sie eine Vollbremsung durchführen, da ein PKW aus der Leopold-Figl-Straße kommend nach links in die Altenberger Straße – also in ihre Fahrtrichtung – eingebogen ist.
Dieses einbiegende Fahrzeug könnte sich ca. 30 m nach dem Zebrastreifen befunden haben.
Als die Zeugin Frau S.E. – bedingt durch die Vollbremsung – zum Stillstand gekommen ist, war dieser einbiegende PKW – dieser ist ebenfalls zum Stillstand gekommen – ca. 5 m vom PKW der Zeugin entfernt.
Der Anhalteweg der Zeugin S.E. hat somit (30 m – 5 m =) ca. 25 m betragen.
Der Rechtsvertreter der Bf hat – sowohl im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 06.06.2014, als auch in der Rechtfertigung vom 31.07.2014 – ausgeführt,
dass der Anhalteweg bei einer Vollbremsung aus 50 km/h nicht einmal 27 m (Einspruch) bzw. knapp 28 m (Rechtfertigung) beträgt.
Die Aussage der Zeugin einerseits sowie dieses Vorbringen des Rechtsvertreters der Bf andererseits stimmen somit überein!
Anders ausgedrückt:
Die Richtigkeit der von der Zeugin Frau S.E. getätigten Aussage wurde vom Rechtsvertreter der Bf mit seinen Ausführungen, wonach bei einer Vollbremsung aus 50 km/h die Anhaltestrecke nicht einmal 27 m bzw. knapp 28 m beträgt, bestätigt!
Das Tatbild des § 19 Abs.7 StVO ist verwirklicht, wenn der Vorrangberechtigte zur Vermeidung eines Zusammenstoßes jäh bzw. rasch bzw. stark bzw. plötzlich bremsen musste; VwGH vom 23.10.1986, 86/02/0081.
Die Zeugin Frau S.E. musste – um einen Verkehrsunfall zu verhindern –
eine Vollbremsung vornehmen.
Die Bf hat somit – durch das Einbiegen von der Leopold-Figl-Straße kommend nach links in die Altenberger Straße – die Zeugin Frau S.E. iSd § 19 Abs.4 iVm
§ 19 Abs.7 StVO zum unvermittelten Abbremsen genötigt.
Aufgrund dieser eindeutigen Tatsachen war weder die Durchführung eines Lokal-augenscheines, noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich.
Die Beschwerde war somit hinsichtlich des Schuldspruch als unbegründet abzuweisen.
Die Strafhöhe – welche von der Bf in der Beschwerde gar nicht bekämpft wurde – beträgt ca. 14% der möglichen Höchststrafe (= 726 Euro gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO) und ist daher als angemessen zu bezeichnen.
Die Beschwerde war somit auch hinsichtlich des Strafausmaßes abzuweisen.
II.
Gemäß § 52 Abs.1 und Abs.2 VwGVG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem LVwG OÖ. 20% der verhängten Geldstrafe (= 20 Euro).
III. Absolute Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO beträgt der Strafrahmen bis zu 726 Euro und wurde über die Bf eine Geldstrafe von 100 Euro verhängt.
Gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist daher eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof absolut unzulässig;
VwGH vom 30.09.2014, Ra 2014/02/0054; vom 10.10.2014, Ra 2014/02/0093;
vom 21.11.2014, Ra 2014/02/0122; vom 10.02.2015, Ra 2015/02/0023.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde hat durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin zu erfolgen.
Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Josef Kofler