LVwG-750272/5/MZ

Linz, 29.05.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der S.D., geb x, in Bezug auf den von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Zahl Pol18-45093-2015 nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilten, bis 7.6.2016 befristeten Aufenthaltstitel

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ mit 26.3.2018 befristet.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26.3.2015 wurde der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus“, Nr. x, mit einer Geltungsdauer bis zum 7.6.2016 erteilt.

 

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde in einer Stellungnahme vom 18.5.2015 mit dem Wortlaut der §§ 2 Abs 1 Z 12, 20 Abs 1a und 24 NAG sowie der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.1.2011, 2008/21/0249.

 

II. Gegen diese Erledigung erhob die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher sie die Erteilung des genannten Aufenthaltstitels bis zum 26.3.2018 begehrt.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und Einschau in das Zentrale Melderegister. Gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer von der belangten Behörde beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Dass dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.

 

c) Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:

 

Vom Magistrat der Stadt Salzburg wurde der Bf als Gattin des österreichischen Staatsbürgers S.D. ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“, Nr. x, befristet bis 9.6.2013, erteilt, und dieser in Folge mit Erledigung Nr. x bis 7.6.2016 verlängert.

 

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22.1.2015, Zl 41 FAMv41/14 k – 7, wurde die Ehe zwischen S.D. und der Bf einvernehmlich geschieden. Am 11.3.2015 stellte die Bf bei der belangten Behörde einen Zweckänderungsantrag, mit welchem sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ begehrte; eine Einschränkung hinsichtlich der Geltungsdauer beinhaltet dieser Antrag nicht.

 

Mit der nunmehr angefochtenen Erledigung wurde der Bf der beantragte Titel zwar erteilt, dieser jedoch mit 7.6.2016 befristet.

 

Der brasilianische Reisepass der Bf mit der Nr x ist bis 3.3.2020 gültig.

 

Die Bf hat am 19.11.2011 Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfolgreich abgeschlossen und ist seit 6.6.2011 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

a) Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG),  BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2014/40, lauten:

 

„§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. …

12. Zweckänderungsantrag: der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit anderem Zweckumfang während der Geltung eines Aufenthaltstitels (§ 26); …

 

§ 10. (1) …

(3) Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts werden gegenstandslos, wenn

1. dem Fremden eine weitere Aufenthalts- oder Niederlassungsberechtigung nach diesem Bundesgesetz mit überschneidender Gültigkeit erteilt wird; …

 

§ 20. (1) Sofern nicht anderes bestimmt ist, sind befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde

1. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat und

2. in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,

es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(2) …

 

§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) …

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

 

§ 26. Wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, hat er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.“

 

b) Aufgrund der bisherigen Aufenthaltstitel ist davon auszugehen, dass die Bf, die seit 6.6.2011 mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, im Sinne des § 20 Abs 1a Z 2 NAG in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war. Sie hat zudem das über Modul 1 anzusiedelnde (siehe § 14 Abs 2 NAG) der Integrationsvereinbarung erfüllt. Da es sich bei dem nunmehr (im Rahmen einer Zweckänderung) von der Bf beantragten Titel um einen solchen nach § 8 Abs 1 Z 2 NAG handelt, hat die Bf – bei Vorliegen der für die Erteilung des Titels notwendigen Voraussetzungen – gem § 20 Abs 1a NAG Anspruch auf die Erteilung des Titels für die Dauer von drei Jahren.

 

Anderes würde nur gelten, wenn die Bf den Titel für einen kürzeren Zeitraum beantragt hätte oder ihr Reisedokument nicht so lange gültig wäre, was jedoch beides nicht der Fall ist.

 

c) Zur Ansicht der belangten Behörde, dass § 20 Abs 1a NAG für Zweckänderungsanträge keine Geltung entfalte, ist festzuhalten:

 

Zwar kann die Wendung „während der Geltung eines Aufenthaltstitels“ in § 2 Abs 1 Z 12 NAG dahingehend verstanden werden, als die bloße Zweckänderung des bereits in Form eines Titels legitimierten Aufenthaltes die Gültigkeitsdauer des Titels nicht weiter berührt. Der ursprüngliche Titel würde somit de facto weiter bestehen und lediglich in dessen Rahmen eine Änderung vorgenommen.

 

Dieser Auslegungsvariante steht jedoch § 26 NAG entgegen. Satz 2 leg cit zufolge ist eine Änderung des Aufenthaltszweckes nämlich nur zulässig, „wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt … .“ Die Bestimmung ordnet daher an, dass materiell sämtliche Voraussetzungen wie bei einem Verlängerungsantrag von der Behörde zu prüfen sind. Teleologisch betrachtet machte es daher wenig Sinn, ein umfassendes Titelerteilungsverfahren abzuführen, in Folge jedoch den Titel lediglich für einen verkürzten Zeitraum auszustellen.

 

Auch § 26 Satz 3 NAG ist zu entnehmen, dass es sich bei einer Zweckänderung nicht bloß um das Auswechseln des Aufenthaltszweckes im Rahmen einer bereits bestehenden Berechtigung handelt. Der Bestimmung zufolge hat der Fremde, bei Erfüllung aller Voraussetzungen, „einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels“. Wenn jedoch ein Titel erteilt wird und nicht bloß geändert wird, deutet auch dies darauf hin, dass für den neu erteilten Titel die allgemeinen Bestimmungen zur Anwendung gelangen.

 

Die Wendung „während der Geltung eines Aufenthaltstitels“ in § 2 Abs 1 Z 12 NAG ist vor diesem Hintergrund wohl so zu verstehen, als ein Zweckänderungsantrag lediglich zu einem Zeitpunkt gestellt werden darf, in welchem ein (anderer als der nunmehr begehrte) Aufenthaltstitel besteht. Für jene Fälle, in denen der zu ändernde Titel abzulaufen droht, hat der Gesetzgeber hingegen mit § 24 Abs 4 NAG die Möglichkeit geschaffen, einen Verlängerungs- mit einem Zweckänderungsantrag zu kombinieren. § 24 Abs 4 Satz 2 NAG normiert, im Sinne obiger Ausführungen, dass, wenn die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt sind, darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern ist, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen. Auch aus dieser Regelung geht hervor, dass hier zwei voneinander unabhängige Titelverfahren bestehen.

 

Wenn die belangte Behörde zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichthofes vom 27.1.2011, 2008/21/0249, verweist, ist ihr entgegen zu halten, dass der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar ist: Es wurde zwar wie im ggst Fall ein Zweckänderungsantrag während der Geltungsdauer des zu ändernden Titels gestellt; die Entscheidung über diesen Antrag erging allerdings erst nach Ablauf des zu ändernden Titels, wobei die belangte Behörde zu Unrecht zur Auffassung gelangte, dass nunmehr ein Erstantrag vorliege. Im Gegensatz zur geltenden Fassung unterscheidet sich der damals anzuwendende § 24 Abs 1 NAG dadurch, als die Einschränkung, dass Verlängerungsanträge frühestens drei Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden dürfen, nicht bestand.

 

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da es sich bei der Frage, wie lange die Geltungsdauer eines im Wege eine Zweckänderungsantrages erteilten Aufenthaltstitels ist, um eine Rechtsfrage handelt, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, und zu dieser Frage – soweit ersichtlich – eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer