LVwG-750260/2/SR/Spe – 750262/2

Linz, 23.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerden von N. T., geb. x, A. T., geb. x und Ar. T., geb. x, alle StA von Kosovo, alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H. B., M-straße 11, L., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. Februar 2015, GZ Sich40-50575, mit dem im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zurückgewiesen wurden,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben wird.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 4. Februar 2015, GZ: Sich40-50575, wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) die Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“ gem. § 68 Abs. 1 AVG zurück.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus:

 

„Sie haben am 02.09.2014 Erstanträge auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG für sich und Ihre beiden minderjährigen Kinder A. T., geb. x und Ar. T., geb. x, im Wege der Österreichischen Botschaft in Skopje eingebracht.

 

Sie haben bereits am 17.12.2013 in gleicher Angelegenheit solche Erstanträge für sich und Ihre beiden minderjährigen Kinder eingebracht. Diese Anträge wurden mit Bescheid vom 02.05.2014 abgewiesen. Diese Entscheidung ist mit 01.07.2014 in Rechtskraft erwachsen.

 

Mit Schreiben vom 06.11.2014 wurde Ihnen mitgeteilt, dass die Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG beabsichtigt Ihre Anträge zurückzuweisen.

 

Mit Eingabe von 16.12.2014 haben Sie dazu wie folgt Stellung genommen:

 

„Richtig ist, dass ich am 17.12.2013 erstmals Anträge auf Erteilung einer Rot-Weis-Rot Karte plus für mich und meine minderjährigen Kinder gestellt habe. Am 02.05.2014 wurden diese abgewiesen. Ich habe dagegen kein Rechtsmittel eingebracht, da dies mein Mann und meine Schwägerin machen wollten, dies aber versäumt haben. Deshalb habe ich am 02.09.2014 neue Anträge gestellt.

 

Ich habe auch im Zuge meines ersten Antrages eine Deutsch Prüfung abgelegt und mir hat das Sprachinstitut mitgeteilt, dass ich die Prüfung bestanden habe und mir wurde ein Sprachdiplom ausgestellt. Mir war zu keiner Zeit bewusst, dass das Diplom und die Karte, die ich meinem Antrag vom 17.12.2013 beigelegt habe Fälschungen sind. Dass ich Interesse habe Deutsch zu lernen um mich in L integrieren zu können habe ich wieder bewiesen mit den neuerlichen Antritt zur Deutschprüfung und dem neuerlichen Bestehen der Prüfung. Diesmal wurde die Echtheit des Diploms anerkannt.

 

Ich habe mich noch nie in meinem Leben eines Vergehens schuldig gemacht. Zum Beweis lege ich ein Leumundszeugnis der Republik Kosovo dieser Stellungnahme bei. Ich war und bin keine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit weder im Kosovo noch in Österreichs.

 

Es gibt keinen Anlass mir aus diesem Grund das Einreisevisum zu versagen. Wie bereits dargelegt, war mir nicht bekannt, dass das Institut bei welchem ich 2013 den Deutschkurs gemacht und die Prüfung abgelegt habe nicht lizenziert war.

 

Ich bin Ehefrau und Mutter minderjähriger Kinder. Ich lebe nun bereits sehr lange von meinem Mann getrennt, sodas ich nicht mehr von einem normalen Eheleben sprechen kann. Ich brauche meinen Ehemann und meine Kinder ihren Vater. Eine Rückkehr meines Mannes in den Kosovo ist unmöglich aufgrund der schweren Wirtschaftsbedingungen hier. Ohne sein Einkommen würden wir hier Hunger leiden. Auch gibt es keine gesetzliche Krankenversicherung im Kosovo, daher müssen wir auch im Falle von Krankheit auf das Einkommen meines Mannes zählen können. Daher haben wir entschieden, dass er weiterhin in Österreich bleibt und ich versuchen werde auf legalem (!) Weg mit meinen Kindern nach zu kommen. Zu keiner Zeit habe ich daran gedacht die Gesetze Österreichs zu umgehen oder zu brechen.

 

Sollte mein Antrag auch diesmal abgewiesen/bzw. zurückgewiesen werden, so werde ich weiterhin im Kosovo bleiben und mein Mann in L, auch wenn dies sehr schwer für mich sein wird. Ohne das Einkommen meines Mannes bin ich nicht fähig für meine Kinder zu sorgen.

 

Ich ersuche daher meinen Antrag positiv zu entscheiden. Sollte die Behörde mich weiterhin als Gefahr einstufen, dann er suche ich den Antrag meiner minderjährigen Kinder positiv zu entscheiden. Meine Kinder stellen jedenfalls keine Gefahr dar und haben ein Recht mit ihrem Vater zusammen zu leben. So schwer er mir fällt, bin ich bereit mich auch von meinen Kindern zu trennen, um diesen ein geordnetes Leben mit ihrem Vater zu er möglichen."

 

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Weder aus Ihren Anträgen noch aus Ihrer Stellungnahme ergibt sich eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts deshalb werden Ihre Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf durch ihren ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsatz vom 16. März 2015 Beschwerde. Darin beantragten die Bf, die Berufungsbehörde möge den ggst. Bescheid dahingehend abändern, dass ihrem quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ stattgegeben werde, in eventu den ggst. Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen. Begründend führten die Bf u.a. aus:

 

„In umseits näher bezeichneter Rechtssache geben wir zunächst bekannt, dass wir Herrn RA Mag. Dr. H. B., M-straße 11/6, L., mit unserer weiteren rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt haben und ersuchen wir das Vollmachtsverhältnis zur Kenntnis zu nehmen und Zustellungen zu seinen Händen vorzunehmen.

 

Unsere Beschwerde begründen wir wie folgt:

 

Richtig ist, dass wir in gleicher Angelegenheit am 17.12.2013 Erstanträge eingebracht haben und diese Anträge mit Bescheid vom 02.05.2014 abgewiesen wurden. Diese Entscheidung ist auch rechtskräftig. Dennoch hätte eine Zurückweisungsentscheidung gemäß § 68 AVG nicht erfolgen dürfen. Ich ersuche zu berücksichtigen, dass die Abweisung der am 17.12.2013 eingebrachten Anträge darauf beruhte, dass das von uns vorgelegte Deutschzertifikat A1 als Totalfälschung qualifiziert wurde und daher gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG unser Antrag in Folge Gefährdung der öffentlichen Interessen abgewiesen wurde. Ich habe die Deutschprüfung nunmehr im Jahr 2014 neuerlich absolviert und wurde das nunmehr vorgelegte Deutschzertifikat als echt qualifiziert. Die Grundlage für die Abweisung des Verfahrens im Jahr 2014 liegt daher nicht mehr vor und liegt sohin ein geänderter Sachverhalt vor, zumal nunmehr nach Vorlage eines als echt qualifizierten Deutschzertifikats sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorliegen und eine Gefährdung der öffentlichen Interessen somit nicht mehr gegeben ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung verliert eine Sache dann ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Voraussetzung für die Zurückweisung wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG die tatsächliche Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, so liegt keine Identität vor. (Vergleiche Entscheidungen 85, 86 zu § 68 AVG in Walter/Thienel Verwaltungsverfahrens)

 

Im Hinblick darauf, dass, wie bereits erwähnt, nunmehr ein als echt qualifiziertes Deutschzertifikat vorgelegt wurde und somit sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels vorliegen, liegt eine wesentliche Änderung und somit keine Identität der Sache vor. Eine Zurückweisung der Entscheidung hätte daher nicht erfolgen dürfen.

 

Weiteres Vorbringen im Zuge des Beschwerdeverfahrens behalten wir uns ausdrücklich vor.“

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1    B-VG iVm § 3 VwGVG).

Gemäß Art 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Dass dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Erst-Bf (N. T., geb. x) brachte am 17. Dezember 2013 Erstanträge auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG für sich und Ihre beiden minderjährigen Kinder (Zweit-Bf [A. T., geb. x] und Dritt-Bf [Ar. T., geb. x]) im Wege der Österreichischen Botschaft in Skopje ein.

 

Bei der Antragstellung legte die Erst-Bf ein Sprachdiplom vor, das sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens als gefälscht herausstellte. Aus diesem Grund wurden die Anträge der Bf abgewiesen und die Entscheidung damit begründet, dass die Erst-Bf durch die Vorlage eines gefälschten Sprachzertifikates eine Gefährdung der öffentlichen Interessen darstelle. Diese Anträge wurden mit Bescheid vom 2. Mai 2014 abgewiesen und sind in der Folge in Rechtskraft erwachsen.

 

Am 2. September 2014 haben die Bf im Wege der Österreichischen Botschaft in Skopje Erstanträge auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG eingebracht.

 

Dem Antrag der Erst-Bf lag ein G-Zertifikat A1 Start 1 bei, in dem vom G Institut bestätigt wird, dass die Bf die Prüfung mit befriedigendem Erfolg bestanden hat (63 von 100 Punkten). Das Sprachzertifikat wurde als echt klassifiziert.

 

Die Erst-Bf ist unbescholten.

 

 

II.

 

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

 

III.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1.1. Die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG lauten in der geltenden Fassung:

 

Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1.         der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

2.         ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a)         einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,

b)         einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat, oder

c)         Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.

 

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) …

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.         der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.         der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.         der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

(3) …

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.         sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.         der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

 

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) …

(4) Abs. 1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,

1.         die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind, …“

 

Die einschlägige Bestimmung der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzdurchführungsverordnung lautet in der geltenden Fassung:

 

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 9b. (1) Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG entsprechen dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin u.a., Langenscheidt 2001).

(2) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von folgenden Einrichtungen:

1.         Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2.         G-Institut e.V.;

3.         T. GmbH;

4.         Österreichischer Integrationsfonds.

(3) Aus dem Sprachdiplom oder Kurszeugnis muss hervorgehen, dass der Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Andernfalls gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht.

 

1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

2. Im Wesentlichen hat sich die belangte Behörde mit der Wiedergabe des § 68 AVG begnügt und ohne nähere Begründung die Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ausdrücklich hat die belangte Behörde festgehalten, dass sich aus den Anträgen und der Stellungnahme keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ergebe.

 

2.1. Die Zurückweisung eines Anbringens nach § 68 Abs. 1 AVG setzt voraus, dass sich der Antrag auf eine rechtskräftig entschiedene Sache bezieht und die Partei einen rechtlichen Anspruch auf neuerliche Entscheidung in derselben Sache geltend gemacht hat.

 

Zutreffend ist, dass die Bf nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens neuerlich einen Antrag nach dem NAG gestellt haben. Die materielle Rechtskraft der vorliegenden Bescheide stünde einer weiteren Entscheidung entgegen, wenn dem getroffenen Abspruch über die verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ein Sachverhalt zugrunde gelegen ist, der mit dem nunmehr vorliegenden im Wesentlichen übereinstimmt. Durch eine Änderung der entscheidungsrelevanten Fakten verliert die Sache ihre ursprüngliche Identität, es liegt eine andere Sache vor, über die bescheidförmig abgesprochen werden muss (vgl.:Hengstschläger 3 Rz 561; Walter/Mayer Rz 482; Walter/Thienel AVG § 68 Anm 12).

 

Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 AVG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (VwGH 26. 2. 2004, 2004/07/0014; 27. 6. 2006, 2005/06/0358; 21. 2. 2007, 2006/06/0085). Bei der Beurteilung der „Identität der Sache“ ist in primär rechtlicher (und nicht etwa in rein technischer oder mathematischer [VwGH 26. 2. 1974, 500/72; 9. 7. 1992, 92/06/0062; 27. 6. 2006, 2005/06/0358]) Betrachtungsweise festzustellen, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 22.11.2004; 2001/10/0035; 21.6.2007, 2006/10/0093; vgl auch Walter/Mayer Rz 483).

 

Bei der Prüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich geändert hat, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid (Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen 286 f), ohne dabei dessen sachliche Richtigkeit (nochmals) zu ergründen (VwGH 26. 2. 2004, 2004/07/0014), weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwSlg 14.248 A/1995; VwGH 25.4.2003, 2000/12/0055; 26.2.2004, 2004/07/0014), auszugehen.

 

2.2. Nach Erlassung der rechtskräftigen Bescheide hat die Erst-Bf das für eine allenfalls positive Antragserledigung erforderliche, und auch von der belangten Behörde nicht beanstandete Sprachzertifikat vorgelegt. Abstellend auf den Sachverhalt, der den rechtskräftigen Entscheidungen zugrunde liegt, führen die Vorlage eines unverfälschten Sprachzertifikates, der Besuch eines Deutschkurses und die bestandene Prüfung, die nach der Erlassung der angesprochenen Bescheide abgelegt worden ist, zu einer entscheidungsrelevanten Änderung der Sachverhaltes.

 

Schon aus diesem Grund wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, eine inhaltliche Prüfung der Anträge vorzunehmen.

 

Vergleichbar ist auf die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen. Dieser geht davon aus, dass ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von der Behörde nur für den Entscheidungszeitpunkt abgewiesen wird und diese Entscheidung einem späteren neuen Antrag nicht entgegen steht (VwGH 5.11.1999, 96/19/0862; vgl auch VwSlg 15.505 A/2000).

 

3. Da bei den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist, war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und der vorliegende Bescheid aufzuheben.

 

Im weiteren Verfahren wird sich die belangte Behörde mit den Anträgen inhaltlich zu befassen haben.

 

IV.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die von der Behörde als Abweisungsgrund herangezogene finanzielle Situation des Zusammenführenden nicht verallgemeinerungsfähig ist. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweist, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Christian Stierschneider