LVwG-680008/5/BR
Linz, 27.05.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch den Richter Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde des F K, vertreten durch
zu Recht:
I. Gemäß § 28 Abs.1 und 6 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; die Untersagung der Weiterfahrt als Lenker eines PKW am 8.4.2015 wird als rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung 2013, BGBl. II Nr. 517, hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer insgesamt 795,00 Euro an Aufwandersatz (Schriftsatz- u. Vorlageaufwand), binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I. Mit Schriftsatz vom 16.4.2015, zur Post zur Beförderung gegeben am 17.4.2015 und beim Landesverwaltungsgericht eingelangt am 20.4.2015 (Eingangsstempel), erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund eine ohne Hinweis auf die Rechtsnorm auf Art. 130 Abs.1 Z2 B-VG gestützte Beschwerde wegen
II. Gemäß Art. 130 Abs.1 Z2 B-VG iVm § 7 Abs.4 (letzter Satz) VwGVG kann wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- u. Zwangsgewalt binnen sechs Wochen eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erhoben werden.
III. Die Beschwerde wurde fristgerecht erhoben (Eingangsstempel).
III.1. Die belangte Behörde wurde mit h. Schreiben vom 21.4.2015 zur Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift aufgefordert.
Die Behörde erstattete in der Folge fristgerecht mit Schriftsatz vom 21. Mai 2015 nachfolgende Gegenschrift und legte gleichzeitig den Verfahrensakt unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses vor:
III.2. Da von keiner der Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt und der Sachverhalt unbestritten feststeht, war auf Grund der Aktenlage über die Maßnahmenbeschwerde zu entscheiden.
Dem Verfahrensakt findet sich die Anzeige gegen den Beschwerdeführer von der Polizeiinspektion Eberschwang vom 8.4.2015 mit einer Kopie des abgenommenen Führerscheins angeschlossen. Laut Anzeige verantwortete sich der Beschwerdeführer gegenüber den einschreitenden Beamten dahingehend, dass er sich sicher wäre mit dem ungarischen Führerschein in Österreich fahren zu dürfen. Sonst hätte er den Führerschein in Ungarn erst gar nicht gemacht. Der österreichische Führerschein sei ihm vor ein paar Jahren abgenommen worden und daher habe er ihn in Ungarn neu gemacht.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die ihm im Zuge des Entzuges der österreichischen Lenkberechtigung aufgetragenen begleitenden Maßnahmen nicht absolviert hat.
Mit Bescheid vom 14.4.2015 entzog die Behörde dem Beschwerdeführer die in Ungarn erworbene Lenkberechtigung für die Klassen A, B, T und K.
Dies im Ergebnis mit der Begründung, weil der Beschwerdeführer trotz entzogener Lenkberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 6 lit.a Führerscheingesetz angesichts des Lenkens ohne Lenkberechtigung als nicht verkehrszuverlässig zu erachten gewesen wäre.
Dagegen erhob der ausgewiesene Rechtsvertreter Vorstellung und stellte gleichzeitig den Antrag auf Wiederausfolgung des ungarischen Führerscheins, im Ergebnis mit dem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, aus welcher sich im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 die Anerkennungsvoraussetzung einer in einem Mitgliedsstaat erteilten Lenkberechtigung ergebe.
IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die Behörde zeigt in ihrer Gegenschrift auf, dass die für sie handelnden Organe vor dem Hintergrund einer durchaus vertretbaren Rechtsmeinung die Weiterfahrt untersagten. Es kann den Organen kein subjektiv schuldhaftes Verhalten in deren Organhandeln vorgeworfen werden, indem ihnen die jüngste Rechtsprechung des EuGH und in Anlehnung daran in der Folge des Verwaltungsgerichtshofes, vor Ort nicht evident war. Dies würde im Falle einer behördlichen Anordnung wohl ebenso auf das journaldienstversehende Behördenorgan zutreffen.
Letztlich erweist sich aber die Untersagung der Weiterfahrt zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt dennoch als rechtswidrig.
Zur Frage der Gültigkeit der dem Beschwerdeführer von einer ungarischen Behörde erteilten Lenkberechtigung und dem Recht davon in Österreich Gebrauch zu machen, ist auf das EuGH-Urteil v. 1.3.2012, C‑467/10 (Baris Akyüz) zu verweisen, welches aus Anlass eines Vorabentscheidungsersuchens des Landgerichts Gießen ergangen ist.
Dieses Urteil nimmt Bezug auf die Richtlinien 91/439/EWG und 2006/126/EG über die gegenseitige Anerkennung der Führerscheine – Weigerung eines Mitgliedstaats, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen.
Es bringt in den Rz 41 u. 42 unmissverständlich zum Ausdruck, dass es Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats ist, zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (vgl. Urteile Schwarz, Randnr. 76, und Grasser, Randnr. 20).
Es ist daher auch nicht zulässig die Gültigkeit dieser Berechtigung in Österreich davon abhängig zu machen, ob im Zusammenhang mit einer entzogenen österreichischen Berechtigung eine begleitende Maßnahme nicht absolviert wurde. Dies schränkt eine, nach Ablauf der Entzugsdauer der ursprünglichen Lenkberechtigung, zwischenzeitig von einem Mitgliedsstaat auf Grund dessen Rechtslage erteilte Lenkberechtigung nicht ein.
Es war daher unzulässig dem Beschwerdeführer wegen der nicht absolvierten Nachschulung die Weiterfahrt mit seinem PKW zu untersagen.
Dieser Rechtsauffassung schloss sich jüngst auch der Verwaltungsgerichtshof an (VwGH 16.12.2014, Ra 2014/11/0084). Das Höchstgericht verwies darin ebenfalls auf das Urteil Akyüz, Rz 76, unter Hinweis auf das Urteil vom 9. März 1999, Centros, C-212/97, Slg. I-1459, Rz 27).
Abschließend wird in diesem Erkenntnis angemerkt, es treffe zu, „dass gemäß § 1 Abs. 4 FSG eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates erteilte Lenkberechtigung einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3, mithin einer von einer österreichischen Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung, gleichgestellt ist. Daraus folgt aber nicht, dass mithilfe einer solchen gesetzlichen Gleichstellungsanordnung der dargestellte unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz derart unterlaufen werden dürfte, dass im Wege der gesetzlichen Gleichstellung die dann gleichsam als österreichische Lenkberechtigung geltende ausländische Lenkberechtigung ohne Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Unionsrechts unter ausschließlich im nationalen Recht umschriebenen Voraussetzungen entzogen werden dürfte.“
Diese Sichtweise gilt gleichsam analog betreffend die hier ausgesprochene Untersagung der Weiterfahrt, welche de facto der ungarischen Lenkberechtigung (Führerschein) die Gültigkeit abgesprochen hat, wobei der Beschwerdeführer durch diese Zwangsmaßnahme in seinem Recht, von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, verletzt wurde.
V. Da sich die Beschwerde als begründet erwies, waren dem Beschwerdeführer als obsiegende Partei auch die gesetzlich vorgesehenen und beantragten Kosten zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung 2013, BGBl. II Nr. 517 in folgender Aufgliederung:
„§ 1. Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:
1. | Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei | 737,60 Euro | ||||||||
……. |
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3. | Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei | 57,40 Euro |
Demnach waren dem Beschwerdeführer insgesamt 795,00 Euro zuzusprechen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. B l e i e r