LVwG-300646/8/Kl/SH

Linz, 13.05.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn Mag. M A W, vertreten durch P Rechtsanwälte GmbH, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. Februar 2015, Ge96-69-2014/DJ, wegen einer Verwaltungs­übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs­strafverfahren eingestellt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 9. Februar 2015, Ge96-69-2014/DJ, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatz­freiheitsstrafe von fünf Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 AM-VO verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeit­geberin P, Geschäftsanschrift: T, folgende Übertretung der Arbeitsmittel­verordnung (AM-VO) zu verantworten hat:

 

Der Arbeitsinspektor R P und Arbeitsinspektorin Ing. N haben bei einer Unfallerhebung am 21.05.2014 festgestellt, dass

 

am 21.05.2014

 

in der Arbeitsstätte P, an der Produktionsanlage zur Herstellung von PUR-Sandwich-Paneelen der Arbeitnehmer

 

B F, geb. x,

 

mit Einstell- bzw. Störungsbeseitigungsarbeiten an einer in Betrieb befind­lichen Maschine (Arbeitsmittel) beschäftigt wurde. Es wurden keine geeigneten Maß­nahmen gegen ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel getroffen, vielmehr wurde der Arbeitnehmer bewusst im Gefahrenbereich an der sich in Betrieb befindlichen Maschine beschäftigt.

 

Dadurch wurde § 17 Abs. 1 AM-VO übertreten, wonach Einstell-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden dürfen. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bean­tragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerde­führer nur mehr formell als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma P im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Tatsächlich habe das Dienstverhältnis zu diesem Unternehmen bereits am 31.01.2014 geendet. Gleichzeitig sei er auch per 31.01.2014 von seiner Organfunktion als Geschäftsführer dieses Unternehmens zurückgetreten. Der Beschwerdeführer habe daher den Arbeitsunfall nicht mehr rechtlich oder faktisch verhindern können. Warum die Löschung seiner Geschäftsführerfunktion im Firmenbuch erst im September 2014 durch die Firma P erfolgt sei, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Die Auflösung des Dienstverhält­nisses mit 31.01.2014 sei vom Beschwerdeführer der belangten Behörde bereits am 20.06.2014 per E-Mail mitgeteilt worden und sei die Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses samt Rücktritt von seiner Geschäftsführerfunktion beigeschlossen. Die verwaltungsstrafrechtliche Verant­wortlichkeit bestehe jedoch immer nur für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeitpunkt der wirksamen Bestellung bis zu deren wirksamen Beendigung. Auf eine allfällige Firmenbucheintragung komme es – infolge deren bloß deklarativen Wirkung – nicht an.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesver­waltungsgericht vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat und der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war
(§ 44 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG).

 

Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest und wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Am 21.05.2014 wurde in der Arbeitsstätte der P GmbH mit Sitz in T, an der Produktionsanlage zur Her­stellung von PUR-Sandwich-Paneelen ein namentlich genannter Arbeitnehmer mit Einstell- bzw. Störungsbeseitigungsarbeiten an einer im Betrieb befindlichen Maschine (Arbeitsmittel) beschäftigt, wobei keine geeigneten Maßnahmen gegen ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel getroffen wurde.

Laut Firmenbuchauszug war der Beschwerdeführer seit 30.06.2012 als handels­rechtlicher Geschäftsführer eingetragen. Diese Funktion wurde mit 10.09.2014 gelöscht. Mit 19.06.2014 wurde Dipl.-BW A S als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen.

Einzige Gesellschafterin der P GmbH ist seit 19.04.2008 die A GmbH. Handelsrecht­licher Geschäftsführer letztgenannter Gesellschaft war von 01.12.2010 bis 04.09.2014 P S; seit 09.07.2014 ist Dipl.-BW S als handels­rechtlicher Geschäftsführer eingetragen.

Im Zentralen Gewerberegister ist als gewerberechtlicher Geschäftsführer für die P GmbH von 10.10.2011 bis 31.12.2013 P S, ab 18.09.2014 A S eingetragen. Der Beschwerdeführer ist als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A GmbH seit 03.02.2012 bis 31.01.2014 eingetragen, seit 26.05.2014 laufend A S.

Im Verfahren erster Instanz legte der Beschwerdeführer eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses, abgeschlossen zwischen A GmbH und dem Beschwerdeführer, datiert mit 22.01.2014, vor, wonach das seit 01.02.2012 bestehende Dienstverhältnis zum 31.01.2014 einvernehmlich aufgelöst wird. Gemäß Punkt III. dieser Vereinbarung tritt der Beschwerdeführer „mit sofortiger Wirkung von seiner Organfunktion als Geschäftsführer der P GmbH zurück“.

Weiters wurde im Beschwerdeverfahren die Abmeldung des Beschwerdeführers bei der Sozialversicherung GKK mit 31.01.2014 nachgewiesen. Weiters wurde die Meldung des Ausscheidens des Beschwerdeführers als gewerberechtlicher Geschäftsführer mit Wirksamkeit vom 31.01.2014 für die A GmbH bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land nachge­wiesen.

Die weiters vorgelegte Meldung an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land betreffend „Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers für die P GmbH“ mit Wirksamkeit vom 31.12.2013, betrifft hingegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer P S. Dies ist eindeutig aus der Information aus dem Zentralen Gewerberegister ersichtlich. Hingegen ist der Beschwerdeführer niemals zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der P GmbH gemeldet gewesen.

Weitere Erhebungen des Oö. Landesverwaltungsgerichtes bei der GKK haben ergeben, dass der Beschwerdeführer nie als Dienstnehmer der P GmbH gemeldet war. Die Abmeldung besteht für die A GmbH per 31.01.2014. Seit Februar 2014 ist der Beschwerdeführer beim AMS Niederösterreich gemeldet.

 

Dieser Sachverhalt ist aus den vorgelegten Unterlagen sowie eingeholten Informationen aus dem Firmenbuch und Zentralen Gewerberegister sowie des Sozialversicherungsträgers erwiesen.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwort­liche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde richtig ausführt, besteht die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nach außen vertretungs­befugten Organs immer nur für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeit­punkt der wirksamen Bestellung bis zu deren Beendigung. Auf eine Firmenbuch­eintragung kommt es nicht an (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 1293, RZ 21a).

Die ordnungsgemäße Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer einer GmbH ist sofort wirksam und von der Eintragung im Handelsregister unabhängig. Einer Person kann daher trotz anderslautendem Registerstand die Geschäfts­führereigenschaft fehlen. Die Behörde darf sich nicht mit dem bloßen Hinweis darauf begnügen, der Beschuldigte sei deshalb als das gemäß § 9 VStG zur Ver­tretung nach außen berufene Organ der betreffenden GmbH zur jeweiligen Tat­zeit anzusehen, weil er zu diesem Zeitpunkt im Handelsregister als Geschäfts­führer derselben eingetragen war (VwGH 20.12.1991, 90/17/0112 und 04.03.1994, 93/02/0194).

 

5.2. Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist erwiesen, dass der Beschwerdeführer zwar zum Tatzeitpunkt 21.05.2014 noch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P GmbH aufrecht im Firmenbuch eingetragen war, tatsächlich aber seine Organfunktion mit einvernehmlicher Auf­lösung des Dienstverhältnisses mit Wirksamkeit 31.01.2014 ausdrücklich zurück­gelegt hat. Dies wurde auch mit Vereinbarung nachgewiesen. Zum Tatzeitpunkt hatte daher der Beschwerdeführer keine tatsächliche Einflussmöglichkeit und daher keine Organfunktion inne. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes war der Beschwerdeführer daher nicht verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Es war daher mangels verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers das Straferkenntnis aufzuheben und das gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, war gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor. Auf die unter Punkt 5.1. zitierte Rechtsprechung wird hingewiesen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt