LVwG-300331/11/Bm/SH

Linz, 26.05.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn G. M., vertreten durch H./W. Rechtsanwälte OG, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 15. April 2014, BZ-Pol-09073-2013, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die hinsichtlich der Fakten 1, 3 und 4 verhängten Geldstrafen auf jeweils 900 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf jeweils
36 Stunden herabgesetzt werden; hinsichtlich Faktum 2 wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

 

II.      Der Kostenbeitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren wird mit insgesamt 270 Euro (10 % der nunmehr festgesetzten Geldstrafen) bestimmt. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerde­verfahren.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 15.04.2014, BZ-Pol-09073-2013, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) zu den Fakten 1 bis 4 Geldstrafen von jeweils 1.000 Euro, für den Fall der Unein­bringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 40 Stunden, wegen Verwaltungs­übertretungen gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz (ASchG) iVm §§ 58 Abs. 3, 58 Abs. 7 und 65 Abs. 4 BauV verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma G. M. GmbH, x (Arbeitgeberin) zu vertreten, dass am 08.11.2013 (TATZEITPUNKT!) auf der Baustelle LC S., xstr., W (TATORT!) mehrere Arbeitnehmer oben angeführter Firma auf einem Metallgerüst gearbeitet haben, wobei anlässlich einer Baustellenüberprüfung am 08.11.2013 durch Arbeitsinspektor Ing. Mag. P. H., AI W, folgende Mängel des Gerüsts festgestellt wurden:

 

1.   Die Gerüstlagen in der 2. Etage des innenhofseitig aufgestellten Metall­gerüstes waren bei einer Absturzhöhe von ca. 4,0 m mit keinen Fußwehren und in der 3. Etage bei einer Absturzhöhe von ca. 6,0 m ebenfalls mit keinen Fußwehren und auch mit keinen Mittel- und Brustwehren versehen, obwohl bei Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 2 oder 4 (...an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,0 m Absturzhöhe) die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein müssen.

 

2.   Die Gerüstlagen in der 2. und 3. Etage des innenhofseitig aufgestellten Metall­gerüstes waren bei einer Absturzhöhe von ca. 4,0 m und ca. 6,0 m stirnseitig mit keinen Wehren versehen, obwohl bei Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 4 die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein müssen.

 

3.   Für das gefahrlose Begehen und Verlassen der Gerüstlagen des innenhofseitig aufgestellten Gerüstes waren keine sicher begehbaren Aufstiege oder Zugänge angebracht, obwohl für das gefahrlose Besteigen und Verlassen der Gerüstlagen sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge wie Leitergänge, Treppentürme, Außentreppen oder lotrechte, festverlegte Leitern anzubringen sind. Die Aufstiege und Zugänge müssen mit dem Gerüst fest verbunden sein. Aufstiege und Zugänge müssen so angebracht sein, dass alle möglichen Arbeitsplätze auf einer Gerüstlage nicht mehr als 20 m von den Aufstiegen oder Zugängen entfernt sind.

 

4.   Keiner der Steher des freistehend nicht standsicheren, innenhofseitig aufge­stellten Metallgerüstes war verankert, sondern war das Gerüst lediglich mit 3 Holzpfosten seitlich abgestützt, obwohl bei mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüsten jeder Steher zu verankern ist.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf durch seine anwaltliche Ver­tretung innerhalb offener Frist Beschwerde eingebracht und darin ausgeführt, der Bf habe eine ordnungsgemäße Vereinbarung mit seinem Auftraggeber abge­schlossen und habe dieser die Gerüstung zur Verfügung gestellt. Somit habe der Geschäftsführer der Firma M. GmbH davon ausgehen können, dass eine ordnungsgemäße Errichtung des Gerüstes durchgeführt werde, wie dies bereits bei der Firma S. x GmbH seit Jahren auf Grund der vielen Baustellen vorgenommen werde. Auf Grund der Tatsache, dass bisher keinerlei Über­tretungen zu verantworten gewesen seien, habe der Geschäftsführer auch nicht persönlich das Gerüst abnehmen müssen, sondern habe er auf einen ordnungs­gemäßen Aufbau des Gerüstes vertrauen können. Auf Grund der Auftragslage zwischen den beiden Firmen, der ordnungsgemäßen Durchführung in der Vergangenheit und nunmehrigen alleinigen Verantwortung der Firma S. GmbH sei das Strafverfahren gegen den Beschuldigten nicht berechtigt. Er habe oftmals die Gerüste, die von der Firma S. GmbH aufgestellt worden seien, überprüft und sei somit eine ordnungsgemäße Überprüfung nicht in jedem Einzelfall notwendig gewesen. Die Dienstnehmer seien auch nicht mehr vom Geschäftsführer befehligt worden, sondern haben den Anordnungen der Bauleitung, also der Firma S., Folge leisten müssen. Es habe somit keinerlei Überprüfungsverpflichtung des Geschäftsführers bestanden. Auch sei es völlig unberechtigt, vier verschiedene Übertretungen anzunehmen, nachdem einerseits in Punkt 1. vorgeworfen werde, dass verschiedene Mittel– oder Brustwehren nicht vorhanden gewesen seien, in Punkt 2. jedoch das Fehlen allgemeiner Wehren vorgeworfen würde. Damit sei in Punkt 2. jedenfalls Punkt 1. mitenthalten und könnten nicht zwei verschiedene Bestrafungen erfolgen. Ebenso sei die Höhe der Strafen weitaus unangemessen, da einerseits Strafmilderungsgründe vorliegen würden, und zumindest ein Tatsachengeständnis in Teilbereichen vorliege.

 

Es werde daher der Antrag gestellt,

der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen; in eventu

der Beschwerde gegen die Höhe der verhängten Geldstrafen Folge zu geben und diese auf ein tat- und schuldangemessenes Ausmaß zu minimieren.

 

3. Der Magistrat Wels hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) zur Entscheidungsfindung vorgelegt.

 

4. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durch­führung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2014, an der der Bf und sein Rechtsanwalt teilgenommen haben und gehört wurden.

Mit Schreiben vom 19.5.2015 wurde vom Bf die Beschwerde hinsichtlich der Fakten 1, 3 und 4 auf die Strafhöhe eingeschränkt.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 113 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Nach § 58 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) müssen bei Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 2 oder 4 die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein. Abweichend davon kann bei bauartbedingter Notwendigkeit bei System­gerüsten der Abstand von Belagoberfläche zu Brustwehrenoberkante auf 950 mm verringert werden.

 

Nach § 58 Abs. 7 BauV sind für das gefahrlose Besteigen und Verlassen der Gerüstlagen sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge, wie Leitergänge, Treppentürme, Außentreppen oder lotrechte, fest verlegte Leitern anzubringen.

 

Nach § 65 Abs. 4 BauV muss jeder Steher eines mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüstes verankert sein. Die erste Verankerung darf nicht höher als 8 m, bei Randstehern nicht höher als 4 m über der Aufstandsfläche des Gerüstes liegen, sofern dies nach den örtlichen Verhältnissen möglich ist.

 

Nach § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Ab­schnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

5.2. Zu Faktum 2:

Im Spruchpunkt 1. wird dem Bf vorgeworfen, auf der Baustelle LC S. , xstraße, W, mehrere Arbeitnehmer der Firma G. M. GmbH arbeiten haben zu lassen, obwohl die Gerüstlagen in der 2. Etage des innenhofseitig aufgestellten Metallgerüstes bei einer Absturzhöhe von ca. 4,0 m mit keinen Fußwehren und in der 3. Etage bei einer Absturzhöhe von ca. 6,0 m ebenfalls mit keinen Fußwehren und auch mit keinen Mittel- und Brustwehren versehen waren, obwohl bei Absturzgefahr nach § 7 Abs. 2 Z 2 oder 4 die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein müssen.

In Spruchpunkt 2. wird dem Bf vorgeworfen, dass bei dem vorgenannten Gerüst auch stirnseitig keine Wehren vorhanden waren.

Über den Bf wurden deshalb auch zwei Geldstrafen verhängt.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings davon auszu­gehen, dass in einem Fall, bei dem es bei einer Gerüstlage unterlassen worden ist, die zur Absicherung dienenden und vom Gesetz vorgeschriebenen Wehren aller Art anzubringen, der Tatbestand des § 130 Abs. 5 Z 1 iVm § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 58 Abs. 3 erster Satz BauV nur einmal erfüllt ist (VwGH 02.07.1990, 90/19/0109).

Davon ausgehend ist auch nur eine Verwaltungsübertretung zu verantworten und nur eine Strafe zu verhängen. Dementsprechend war das Straferkenntnis hinsichtlich Faktum 2 zu beheben und das Strafverfahren diesbezüglich einzu­stellen.

 

5.3. Hinsichtlich der Fakten 1, 3 und 4 wurde vom Bf die Beschwerde auf die Strafhöhe eingeschränkt und ist demnach der Schuldspruch in Rechtskraft er­wachsen.

 

5.3.1. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

5.3.2. Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeit­nehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, welche durch genau jene Gefährdungen herbei­geführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Durch die Absturzhöhe von 6 m ist dieses Rechtsgut intensiv beeinträchtigt.

 

Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Bf hinsichtlich der Fakten 1, 3 und 4 Geldstrafen von jeweils 1.000 Euro verhängt. Der Strafrahmen für die zur Last gelegten Übertretungen reicht von 166 Euro bis 8.324 Euro. Wiederholungsfall liegt gegenständlich keiner vor. strafmildernde bzw. straferschwerende Umstände wurden von der belangten Behörde nicht angenommen. Bei der Strafbemessung wurden die von der belangten Behörde geschätzten persönlichen Verhältnisse, nämlich ein monat­liches Nettoeinkommen von 2.500 Euro, kein Vermögen und keine Sorge­pflichten, herangezogen.

 

Festzuhalten ist, dass sich die verhängten Geldstrafen im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens bewegen.

 

Im gegenständlichen Fall war jedoch als mildernd zu berücksichtigen, dass der Bf die Erfüllung des objektiven Tatbestandes von vornherein zugestanden und keinerlei Verschleierungshandlungen gesetzt hat. Zudem ist im Verfahren hervor­gekommen, dass das Gerüst von einer hiezu befugten Gerüstfirma aufgestellt wurde, welches die G. M. GmbH am Vortag noch überprüft hat.

Auch konnte der Bf glaubwürdig darlegen, dass er grundsätzlich bemüht ist, die Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzuhalten, weshalb der Herabsetzung der Geldstrafen auch keine spezialpräventiven Aspekte entgegenstehen.

 

6. Weil die Beschwerde teilweise Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

II.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beur­teilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Michaela Bismaier