LVwG-300319/12/PY/PP
Linz, 26.05.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde der Finanzpolizei Team 46 für das Finanzamt Grieskirchen Wels, gegen den mit 27. Februar 2012 datierten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, SV96-108/3-2013, mit dem das gegen Herrn C. P., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J. G., x eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes eingestellt wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. April 2015
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde keine Folge gegeben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit dem mit 27. Februar 2012 datierten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, SV96-108/3-2013, wurde das gegen Herrn C. P., x, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J G, x, A, eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1950 (VStG) eingestellt. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, dass nach Auskunft der OÖ. Gebietskrankenkasse das dort anhängige Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wurde, da keine Dienstnehmereigenschaft festgestellt wurde.
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 31. März 2014. Darin wird vorgebracht, dass seitens der Behörde kein ordentliches Verfahren geführt wurde und lediglich aufgrund einer Auskunft der Gebietskrankenkasse die Einstellung des Verfahrens verfügt wurde. Dies könne allein nicht als Grundlage einer behördlichen Entscheidung ausreichen und auch keinesfalls als Vorfrage für die angezeigte Übertretung herangezogen werden. Vielmehr habe die Bezirksverwaltungsbehörde als Strafbehörde diesbezügliche Ermittlungsschritte selbst zu setzen. Aus der aufgenommenen Niederschrift könne entnommen werden, dass Herr C. P. als Subunternehmer des Herrn H. K. drei Zustelltouren übernommen habe, wovon eine ab 1. August 2013 von dessen Bruder V. P. durchgeführt wurde. Er sei diesbezüglich vom Beschuldigten wie ein Mitarbeiter eingeschult worden und erhalte für seine Arbeit eine gleichbleibende monatliche Entlohnung von 1.500 Euro. Herr V. P. werde vom Beschuldigten vertreten, wenn er seine Tour nicht machen könne und benutze Herr V. P. ein Fahrzeug des Beschuldigten für seine Zustellfahrten. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt.
3. Mit Schreiben vom 28. April 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem OÖ. Landesverwaltungsgericht vor. Dieses ist zur Entscheidung gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.
4. Das Landesverwaltungsgericht erhob Beweis durch Akteneinsicht. Des Weiteren wurde dem Beschuldigten mit Schreiben vom 15. Mai 2014 Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen abzugeben. In weiterer Folge wurde am 15. April 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, zu der ein Vertreter der beschwerdeführenden Organpartei sowie der Beschuldigte erschienen ist. Als Zeugen wurden Herr H. K. sowie das an der gegenständlichen Kontrolle beteiligte Organ der Finanzpolizei geladen.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschuldigte betreibt ein Zustellunternehmen und führt unter anderem für die Firma K., W, Zeitungszustellungen durch. Der dieser Tätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarung entsprechend werden die Zeitungspakete dazu bei der Firma M. in P abgeholt und aufgrund eines vereinbarten Tourenplans innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens zugestellt. Im Jahr 2013 fragte Herr K. beim Beschuldigen an, ob er eine zusätzliche Tour im Raum K übernehmen könne. Mangels ausreichender Kapazität wurde dies vom Beschuldigten verneint, allerdings war dessen Bruder, Herr V. P., an dieser Tätigkeit interessiert. Da Herr K. diese Tour jedoch nicht Herrn V. P. übergeben wollte, da dieser keine UID-Nummer aufwies, übernahm der Beschuldigte die Tour und gab sie anschließend zu den gleichen Bedingungen an seinen Bruder, der seit 1. August 2013 das Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt, angemeldet hatte und bei der gewerblichen Sozialversicherung versichert war, weiter. Da Herr V. P. (noch) nicht im Besitz eines behördlich zugelassenen Transportmittels war, wurde ihm vom Bf das auf ihn zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen x gegen eine monatliche Gebühr überlassen. Als Entgelt wurde das ursprünglich zwischen dem Beschuldigten und Herrn K. vereinbarte Honorar in Höhe von monatlich 1.500 Euro vereinbart, wovon noch die Kosten für die Anmietung des Kraftfahrzeugs in Abrechnung gebracht wurde. Die Treibstoffkosten wurden ebenfalls von Herrn V. P. getätigt.
Anlässlich einer Kontrolle durch Beamte der Finanzpolizei am 26. November 2013, 23:20 Uhr in P, x, am Gelände der Firma M wurde Herr V. P., geb. x, beim Beladen des auf den Bf zugelassenen Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x im Beisein seiner Ehegattin angetroffen. Dieses Fahrzeug wurde ihm für den Auslieferungstag aufgrund einer Fahrzeugreparatur des angemieteten KFZ von seinen Bruder geliehen.
Im Rahmen des Beweisverfahrens konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Tätigkeit des Herrn V. P. am 26. November 2013 in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Beschuldigten durchgeführt wurde.
4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen des Bf in seiner Stellungnahme vom 3. Juni 2014 sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2015. Darin schilderte der Beschuldigte sehr glaubwürdig und nachvollziehbar, welche Vereinbarungen den Zustellvorgängen zugrunde liegen. Insbesondere trat hervor, dass er hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Zustellauftrages nur als Zwischenunternehmer auftrat, sein Bruder jedoch im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie er selbst als Gewerbetreibender tätig wurde. Zur zweifelsfreien Abklärung der Rahmenbedingungen, unter denen Herr V. P. tätig wurde, wäre – wie vom Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung beantragt – eine Befragung des Bruders des Beschuldigten erforderlich, zumal eine solche Befragung des Herrn V. P. zu den persönlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen er seine Tätigkeit ausführte, bislang weder von der anzeigenden Organpartei noch im Rahmen des behördlichen Verfahrens erfolgte.
5. Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
5.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF sind in der Kranken-. Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.
§ 33 Abs. 1a ASVG lautet: Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar
1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und
2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).
Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
- Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
- Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
- Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
- gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
§ 111 Abs. 2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf
365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht können Verpflichtungen nach dem ASVG, besonderes die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden
(§ 539a Abs. 2 ASVG). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a Abs. 3 ASVG).
5.2. Zur rechtlichen Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes ist es erforderlich, die Kriterien, unter denen die Tätigkeit durchgeführt wurde, anhand ihres wahren wirtschaftlichen Gehalts einer Bewertung zu unterziehen (vgl. § 539a Abs. 1 ASVG). Inwieweit die gegenständliche Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit durchgeführt wurde, konnte im Beweisverfahren jedoch nicht abschließend geklärt werden. Zudem wäre im gegenständlichen Fall auch zu beurteilen, ob gemäß § 4 Abs. 4 ASVG vom Vorliegen eines freien Dienstvertrages auszugehen ist. Sofern sich eine Person aufgrund eines freien Dienstvertrages auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einem qualifizierten Dienstgeber verpflichtet, sofern sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt bezieht, die Dienstleistung im Wesentlichen persönlich erbringt und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt, ist vom Vorliegen eines freien Dienstnehmers auszugehen. Wenn diese Person aufgrund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1
Z 1 – 3 GSVG versichert ist, liegt keine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG vor. Im gegenständlichen Fall ist Herrn V. P. Inhaber eines Gewerbescheines der die von ihm bei der Kontrolle ausgeführte Tätigkeit umfasst. Als solcher unterliegt er der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 2 Z 1 GSVG und bei dieser Konstellation wäre das Erfordernis einer Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG zu verneinen (vgl. VwGH v. 16.10.2014, RO2014/08/0074).
Da somit auch nach eingehender Beweiswürdigung nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass Herr V. P. die Tätigkeit in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zum Beschuldigten durchführte, kann der Einstellungsbescheid der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erachtet werden.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr.in Andrea Panny