LVwG-750243/3/MB

Linz, 27.04.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des L.G., geboren am xx, Staatsangehöriger Kosovo, vertreten durch RA Mag. S.S., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Statutarstadt Wels, GZ: BZ-Auf-8835-2013, mit dem im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich der Erstantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG gemäß §§ 3, 11, 21, 27, 47 abgewiesen wurde,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.       Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 47 Abs. 2 NAG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach dem NAG für den Zweck "Familienangehöriger" für zwölf Monate erteilt.

 

 

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Statutarstadt Wels vom 25. November 2014, GZ: BZ-Auf-8835-2013, wurde der Erstantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß §§ 3, 11, 21, 27, 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG abgewiesen.

 

Begründet führt die belangte Behörde wie folgt aus:

Sie haben am 01.08.2013 persönlich einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" bei der österreichischen Botschaft in Skopje eingebracht, der am 13.08.2013 bei der hs. Behörde eingelangt ist.

 

Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen stellt sich folgender maßgeblicher Sachverhalt dar:

 

Als Aufenthaltszweck haben Sie die Familienzusammenführung mit Ihrer Gattin A.G., einer österreichischen Staatsbürgerin, angegeben. Sie sind somit gem. § 2 Abs. 1 Z 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz NAG Familienangehöriger.

 

Gem. § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz NAG ist Familienangehörigen von Österreichern ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gem. § 11 Abs. 2 NAG (1. Teil, allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel) dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn 1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

 

Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet gem. § 11 Abs. 4 NAG dem öffentlichen Interesse, wenn 1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

 

Mit Schreiben der hs. Behörde vom 20.08.2013 wurde die Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Wels, als damals zuständige Fremdenbehörde aufgefordert, eine fremdenpolizeiliche Stellungnahme zu Ihrem beabsichtigten Aufenthalt in Österreich abzugeben, insbesondere, ob der Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

 

Am 12.11.2013 langte bei der hs. Behörde die angeforderte Stellungnahme ein, in der von der Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Wels festgestellt wurde, dass Ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Begründet wird dies zusammenfassend damit, dass Sie sich mehrere Jahre unter einer falschen Identität im Bundesgebiet aufgehalten haben und sich mit einem gefälschten tschechischen Reisepass im Zuge eines Festnahmeauftrages (Hauserhebung am 25.03.2013) ausgewiesen haben um der Festnahme zu entgehen.

 

Dies lässt auf Ihre völlig uneinsichtige Haltung schließen und stellt ein besonders starkes Indiz der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar.

 

Sie haben sich bereits mehrere Jahre unter der Identität O.A., geb. am xx. tschechischer Staatsbürger, illegal und ohne amtliche Anmeldung im Bundesgebiet aufgehalten, waren über einen Zeitraum von ca. 1 Vz Jahren und ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis bei einer Reinigungsfirma unselbständig erwerbstätig. Sie waren bei der Gebietskrankenkassa weder angemeldet noch krankenversichert, es wurden somit auch keine Finanzamts-Abgaben entrichtet.

 

Ihre Gattin wurde von der LPD , Polizeikommissariat Wels vorgeladen und hat am 06.11.2013 bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme niederschriftlich angegeben, dass die o. a. Angaben der Wahrheit entsprechen.

 

Die Erteilungsvoraussetzung, dass ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden darf, wenn der Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht gefährden würde, kann somit nicht erfüllt werden.

 

Dieser Sachverhalt war Ihrer Gattin, Frau A.G., die mehrmals bei der hs. Behörde vorgesprochen hat und Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung als Vertreter nach § 10 AVG im Wege der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 12.12.2013 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, insbesondere die Absicht der Behörde, den gegenständlichen Antrag abzuweisen.

 

Innerhalb der Ihnen gewährten Frist wurde von Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eine Stellungnahme abgegeben:

 

„Dem Antragsteller Herrn L.G. wird vorgeworfen, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde, er sich über mehrere Jahre unter einer falschen Identität im Bundesgebiet aufgehalten hätte und sich mit einem gefälschten tschechischen Pass im Zuge eines Festnahmeauftrages ausgewiesen hätte, um einer Festnahme zu entgehen. Dies würde auf eine völlig uneinsichtige Haltung des Antragstellers schließen lassen und ein besonders starkes Indiz der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellen.

 

Mein Mandant rechtfertigt sich bezüglich der Vorwürfe der aktuellen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wie folgt:

 

Er sieht die Unrechtmäßigkeit dieses Verhaltens ein und bereut dieses zutiefst. Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich hat er das Bundesgebiet im Mai 2013 verlassen und hält er sich seitdem in seinem Heimatland auf. Mein Mandant ist nun mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und möchte er mit seiner Gattin A.G. ein dementsprechendes Familienleben in Österreich führen. Eine gemeinsame Ehewohnung ist bereits vorhanden und hätte Herr L.G. bei Erhalt des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" sofort die Möglichkeit einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit bei einer Reinigungsfirma nachzugehen und wäre seine Erwerbstätigkeit damit auf eine legale Basis gestellt und könnte er auch zum Familieneinkommen entsprechend beitragen. Mein Mandant hat sein unrechtmäßiges Verhalten eingesehen und er ersucht höflich ihm nochmals eine Chance in Österreich zu geben, um hier mit seiner Ehegattin A.G. zusammenleben und einer ordnungsgemäßen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Es kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine besonders uneinsichtige Haltung des Antragstellers vorliegen würde, was ein besonders starkes Indiz der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen darstellen würde, da Herr L.G. ausgereist ist und sich nunmehr rechtmäßig im Ausland aufhält und von dort die Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" abwartet."

 

Am dargestellten Sachverhalt hat sich jedoch aus Sicht der hs. Behörde keine Veränderung ergeben.

 

Laut Judikatur des VwGH (ZI. 2008/22/0711) muss bei der Beurteilung nicht auf das Vorliegen rechtskräftiger Verurteilungen bzw. Bestrafungen abgestellt werden, auch das sonstige Fehlverhalten des Fremden ohne erfolgter Bestrafung ist in der Prognosebeurteilung der Behörde relevant.

 

Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung wurde am 15.05.2014 eine neuerliche Verständigung vom Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme übermittelt:

 

Aufgrund eines weiteren Datenabgleiches wurde von der Landespolizeidirektion am 14.05.2014 bestätigt, dass Sie sich unter der Identität L.G. geb. xx, bereits in Österreich aufgehalten haben und am 02.02.2009 einen Asylantrag gestellt haben, über den am 12.08.2009 rechtkräftig negativ entschieden wurde (09 01.366-BAI / Bundesasylamt Außenstelle Innsbruck, Bescheid § 3/8 Negativbescheid inkl. Ausweisung rechtskräftig seit 29.08.2009).

 

Innerhalb der Ihnen gewährten Frist wurde von Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eine Stellungnahme abgegeben:

 

„In der obigen Angelegenheit entgegne ich bezugnehmend auf Ihre Vorhaltungen im Ergebnis der Beweisaufnahme, dass Herr G. zum aktuellen Zeitpunkt keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Er hat sein - unwidersprochen vorliegendes - Fehlverhalten eingesehen und bereut seine diesbezüglichen Fehler zutiefst. Herr G. hat die Konsequenzen daraus gezogen und Österreich im Mai 2013 ordnungsgemäß verlassen und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wie gesetzlich vorgesehen vom Ausland aus gestellt und wartet die Entscheidung auch dort ab. Es wurde eine verbindliche Einstellungsbestätigung vorgelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es meinem Mandanten negativ angelastet werden sollte, dass er im Jahr 2009 einen Asylantrag gestellt hat, welcher negativ abgeschlossen wurde.

Da Herr G. niemals verwaltungs- oder strafrechtlich verurteilt wurde und keine Anzeigen oder Verfahren gegen ihn anhängig sind bzw. über ihn ein Einreiseverbot verhängt wurde, ersuche ich Sie höflich, die gegenständliche Angelegenheit nochmals zu prüfen und Herrn G. den Aufenthaltstitel Familienangehöriger zu erteilen."

 

Die hs. Behörde gab der rechtsfreundlichen Vertretung die Gelegenheit zu einer neuerlichen Stellungnahme bezüglich der Diskrepanz des Geburtsdatums, diese ist am 11.06.2014 bei der hs. Behörde eingelangt:

 

„In obiger Angelegenheit halte ich fest, dass Herr G. nach seinen Angaben in Österreich noch nie einen Asylantrag gestellt hat, insbesondere nicht im vorgehaltenen Zeitraum. Es muss sich dabei um eine Verwechslung handeln.

Ich übermittle Ihnen beiliegend eine Bestätigung über die Meldung und die Arbeitstätigkeit im besagten Zeitraum zu Ihrer weiteren Verwendung."

 

Am 02.07.2014 wurde hs. Behörde durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung eine Kopie der Aufenthaltskarte aus dem ungarischen Asylverfahren vorgelegt, wonach Herr G. von 26.02.2010 bis 26.02.2011 in U. ein Asylverfahren hatte.

 

Diese Angaben wurden von der hs. Behörde verifiziert. Am 28.10.2014 ist der Erhebungsbericht der LPD Burgenland, PKZ Nickelsdorf bei hs. Behörde eingelangt, dass die Erhebung der ungarischen Polizei ergeben hat, dass Sie nicht mit der Person L. G. geb. xx ident sind.

 

Am obigen Sachverhalt hat sich somit aus Sicht der hs. Behörde verändert, dass nun kein Zweifel mehr über Ihre Identität laut NAG-Antrag besteht.

 

Am bescheidbegründenden Sachverhalt hat sich jedoch aus Sicht der hs. Behörde insofern nichts geändert, als dass Ihr illegaler Aufenthalt über mehrere Jahre im Bundesgebiet mit der falschen Identität eines EU-, EWR-Bürgers und Ihre mindestens

 

1jährige illegale unselbstständige Erwerbstätigkeit als Indiz zu werten ist, dass Ihre Haltung völlig uneinsichtig ist und Sie das österreichische Rechtssystem nicht anerkennen. Dies stellt ein besonders starkes Indiz der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar.

 

Gemäß Art. 8 EMRK ist die Verweigerung des Aufenthaltstitels, sofern damit das Privat- und Familienleben des Antragstellers angegriffen würde nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK notwendigen Ziele notwendig ist.

 

Im Sinne der damit geforderten Notwendigkeit darf ein Aufenthaltstitel nicht verweigert werden, wenn die Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Nichterteilung des Aufenthaltstitels.

 

Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Antragstellers und seiner Familienangehörigen sowie die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

 

Sie sind Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin. Aus der Aktenlage bzw. aus Ihrer Stellungnahme ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass sich Ihre Ehegattin in einer Ausnahmesituation befindet, die bei Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels an Sie bedeuten würde, dass der Zusammenführende de facto gezwungen wäre das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Vielmehr ist Ihr Vorbringen als bloßer Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich zu werten, bzw. liegen Ihrem Begehren nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich wirtschaftliche Überlegungen zu Grunde. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich, noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen jedoch für sich genommen die Annahme eines de facto-Zwanges im oben genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die in Ihrem Fall auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, haben Sie weder vorgebracht, noch ergeben sich diese unmittelbar aus dem Akteninhalt.

 

Bei Abwägung Ihrer privaten Interessen mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die hs. Behörde sehr wohl berücksichtigt, dass durch den Aufenthalt Ihrer Gattin familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestehen. Der frühere gemeinsame Wohnsitz bestand laut Angaben Ihrer Gattin von Dezember 2011 bis Mai 2013 hat sich jedoch nur auf Ihren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet begründet.

 

Es musste im Hinblick auf das Vorliegen der oben erläuterten Abweisungsgründe den öffentlichen Interessen gegenüber Ihren privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Innerhalb offener Frist wurde gegen den oben dargestellten Bescheid ein Rechtsmittel eingebracht und zuvorderst folgende Anträge gestellt:

 

Das Landesverwaltungsgericht möge

a)    eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen,

b)    den Bescheid des Magistrates der Stadt Wels, Verwaltungspolizei, vom 25.11.2014, GZ: BH-Auf-8835-2013, zugestellt am 27.11.2014, dahingehend abändern, dass meinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs.2 NAG stattgegeben wird, in eventu

c)    den gegenständlichen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.

 

Nachfolgend begründet der Bf seine Beschwerde wie folgt:

 

Ich erhebe mein gesamtes bisheriges Vorbringen zum integrierenden Bestandteil dieses Beschwerdeschriftsatzes und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine inhaltlich anderslautende Entscheidung, insbesondere keine zurückweisende Ent­scheidung, getroffen werden müssen.

 

Die erstinstanzliche Behörde stützt sich auf die Stellungnahme der Landespolizei-direktion , Polizeikommissariat Wels, vom 12.11.2013, wonach der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Begründet wird dies damit, dass sich der BF mehrere Jahre mit einer gefälschten Identität im Bundesgebiet aufgehalten hätte und sich mit einem gefälschten tsche­chischen Reisepass im Zuges eines Festnahmeauftrages (Hauserhebung am 25.3.2013) ausgewiesen hätte, um der Festnahme zu entgehen.

 

Dem Beschwerdeführer sind die Vorwürfe bestens bekannt und er bereut die Din­ge, die vorgefallen sind, zutiefst. Er und seine Ehegattin haben die Vorwürfe bei der Polizei nicht bestritten, hat der Beschwerdeführer Österreich im Mai 2013 ver­lassen und hält er sich seit diesem Zeitpunkt in seinem Heimatland auf.

 

Natürlich sind die Vorwürfe schwerwiegend, jedoch ist mittlerweile ein relativ lan­ger Zeitraum vergangen und hat der BF durch seine Ausreise und seinen Verbleib im Heimatland bewiesen, dass er sich an die gesetzlichen Vorschriften der Repub­lik Österreich hält.

 

Der BF ist mit Frau A.G. verheiratet und möchten diese ihr Familienle­ben weiter in Österreich führen. Frau G. hat ein entsprechendes Einkommen und wurde auch der BF nach seiner rechtmäßigen Einreise nach Österreich einer rechtmäßigen Arbeitstätigkeit nachgehen, um seinen Unterhalt in Österreich abzu­sichern.

 

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer in Öster­reich strafrechtlich unbescholten ist und gegen ihn kein Rückkehr- bzw. Aufent­haltsverbot gesetzt wurde. Es liegt somit kein absolutes Erteilungshindernis vor. Es ist zwar der erstinstanzlichen Behörde nicht entgegenzutreten, wenn diese vom Vorliegen eines sonstigen Fehlverhaltens ausgeht, jedoch ist in einem derartigen Fall wohl ein milderer Maßstab bei der Beurteilung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzusetzen. Die Zeit des mittlerweile erfolgten Wohlverhaltens nimmt hier eine zentrale Rolle ein. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag am 1.8.2013 gestellt wurde und in der Entscheidung allein auf die Stellungnahme vom 12.11.2013, welche bereits mehr als ein Jahr zurückliegt, Be­zug genommen wird. Neuere Erkenntnisse zugunsten oder zulasten des Be­schwerdeführers liegen nicht vor.

 

In weiterer Folge gab es zwar umfangreiche Ermittlungen hinsichtlich einer dop­pelten Identität in einem Asylverfahren, es kam dabei jedoch nicht zu einem Er­gebnis zulasten des Beschwerdeführers, sondern wurden vielmehr die Angaben über die Identität im NAG-Verfahren bestätigt.

 

Der Beschwerdeführer hat sich zudem nicht jahrelang illegal im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten, sondern über einen Zeitraum von in etwa 1, 5 Jahren. Die Ehegattin ist österreichische Staatsangehörige und ist beruflich und sozial hier fest verankert.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher keine abweisende Entscheidung getroffen werden dürfen, sondern dem BF der beantragte Aufenthaltstitel „Fami­lienangehöriger" erteilt werden müssen.

Weiteres Vorbringen im Zuge des Verfahrens behalte ich mir ausdrücklich vor.

 

3. Die belangte Behörde hat das Rechtsmittel samt Beilagen dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 15. Jänner 2015 zur Entscheidung übermittelt.

 

4. Mit Schreiben vom 23. bzw. 30. März 2015 und übermittelte der Bf den Bezug seiner Gattin, ein Schreiben der Oö-GKK – worin die Voraussetzungen für eine Mitversicherung des Bf bei seiner Gattin dargelegt werden, eine Arbeitsplatzzusage von Herrn F.S. als Außenanlagenbetreuer im Rahmen eines Hausbesorgerdienstes bei Vorliegen einer Arbeitsbewilligung und einen aktuellen Mietvertrag für eine Wohnung (50,87 qm; Nettomiete 330 Euro inkl. 10 % MwSt + BK 120 Euro). Der Gehalt seiner Gattin für die Monate: Dezember 2014, Jänner 2015 und Februar 2015 wird mit 1019,14/1243,03/1159,08 Euro angeführt. Als laufender Bezug ist auf den jeweiligen Lohn/Gehaltsauswesen ein Betrag von 1500 Euro Brutto zu finden. Daher ergibt sich unter Hinzuziehung des 13. und 14. Monatsbezuges mit der entsprechend niedrigeren Lohnsteuerbelastung ein durchschnittlicher Einkommensbezug von 1409 Euro.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, das Beschwerdevorbringen und die nachträglich vorgelegten Dokumente. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da die mündliche Erörterung der Sache keine weitere Klärung der Rechtssache herbeiführen kann. Die entsprechend ausstehenden Nachweise wurden vom Bf schriftlich beigebracht. Aufgrund der Wohnsitznahme der Ehepartner war auch im Rahmen des Art 8 EMRK keine öffentliche mündliche Verhandlung indiziert.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht daher bei seiner Entscheidung im Wesentlichen von dem unter dem Punkt I. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus. Ergänzend waren folgende Feststellungen zu treffen:

 

Das Bestehen (ausländischer oder inländischer) fremdenpolizeilicher Maßnahmen oder Bescheide (Rückkehrentscheidungen oder aufrechte Rückkehr- oder Aufenthaltsverbote) gegen den Bf konnte nicht festgestellt werden. Der Bf ist zudem unbescholten.

Den Lebensunterhalt in Österreich bestreitet der Bf im Falle seines Aufenthaltes aus den Einkünften seiner Ehegattin und deren Ersparnissen und seinem (hypothetischen) Bezug als Außenanlagenbetreuer.

Auf Grund der vom Bf beigebrachten Unterlagen konnte ein verfügbares Einkommen von 1409 Euro seiner Gattin pro Monat ermittelt werden. Der nach dem NAG aus dem ASVG heranzuziehende Richtsatz für Ehepaare ist 1307,89. Von diesem Betrag sind die Kosten für die Wohnungsnahme (= Nettomiete: 330 Euro inkl. 10 % MWSt + 120 Euro = 450 Euro) abzüglich des Wertes der freien Station (= 278,72 Euro) zu subtrahieren. Im Ergebnis liegt somit ein wertbares Einkommen der Gattin von 1237,72 Euro vor. Dies ergibt, dass das Einkommen 70,17 Euro unter dem Richtsatz des § 293 ASVG liegt.

Da der Bf die Herkunft der Einkünfte seiner Ehegattin glaubhaft machen konnte, ist die Sparbucheinlage in der Höhe von 800 Euro in die Berechnung miteinzubeziehen. Dies findet auch Bestätigung darin, als die Sparsumme aus den vorgelegten Kontoauszügen, mit den daraus ersichtlichen Kontobewegungen realistisch nachvollziehbar ist und die Gattin des Bf sowohl eine Lebensversicherung (S-Versicherung Leb 64564131) und einen Bausparvertrag (VTR.NR. 331438394-5) bedient. Auch die KSV-Privatinformation führt zu keinem gegenläufigen Ergebnis.

Im Hinblick auf das mit zwölf Monaten befristete Aufenthaltsrecht, den monatlichen Fehlbetrag von 70,17 Euro, das derzeit bestehende Sparguthaben in der Höhe von 800 Euro und das Einkommen der Gattin des Bf aufgrund deren Anstellungsverhältnis liegt ein ausreichend verfügbares monatliches Einkommen vor.

Im Falle eines Aufenthaltstitels hat der Bf einen Anspruch auf Mitversicherung bei seiner Ehegattin. Der Bf ist daher, solange er seinen rechtmäßigen Aufenthalt (gestützt auf einen Aufenthaltstitel) im Inland hat, bei seiner Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert.

Die vom Bf vorgebrachten Wohnverhältnisse sind als ausreichend zu befunden.

Zudem ist zu erkennen, dass der Bf ein Deutschzertifikat A1 positiv absolviert hat.

Aufgrund der Berufstätigkeit der Gattin des Bf samt deren Versicherungsschutz kann der Bf in Österreich bei seiner Gattin mitversichert werden.

Weiters gilt festzustellen, dass der Bf mit seiner Gattin auch während seiner Wohnsitznahme im Ausland regen Kontakt hat. Die Gattin besucht den Bf in regelmäßigen Abständen. In der Zeit des laufenden Verfahrens hat die Gattin den Bf ca. 15mal besucht. Der Bf möchte mit seiner Gattin in Österreich eine Familie gründen.

 

 

III.

1. Gem. § 47 Abs 1 NAG idgF sind Zusammenführende im Sinne der § 47 Abs. 2 bis 4 NAG Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

Gem. § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gem. § 11 Abs. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn:

1.   gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.   gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.   (aufgehoben)

4.   eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.   eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.   er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Gem. § 47 Abs. 2 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn:

1.   der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.   der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.   der Fremde über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.   der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.   durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.   der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gem. § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß §291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

2. Auf Grundlage des als erwiesen angenommenen Sachverhalts ist der Bf Familienangehöriger eines Zusammenführenden im Sinne der Definitionen des § 47 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 NAG.

Der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels stehen keine Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1 NAG) entgegen; auch sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs. 2 NAG) erfüllt.

2.1. Der Bf ist unbescholten. Es liegen weder fremdenpolizeiliche noch internationale Maßnahmen oder Rechtsakte vor, die seinem Aufenthalt im Inland entgegenstünden, noch hat er in der Vergangenheit die zulässige Höchstdauer seiner visumspflichtigen Aufenthalte überschritten.

Die belangte Behörde begründet mit dem mehrjährigen Aufenthalt unter falscher Identität in Österreich und der Identifizierung mit einem gefälschten Reisepass im Zuge eines Festnahmeauftrages die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Diesbezüglich ist zu erkennen, dass der Bf seit der Erkenntnis seiner unrechtmäßigen Vorgehensweise im Ausland weilt. Konkret hat der Bf im Mai 2013 das Gebiet der Republik Österreich verlassen. Insofern ist zum Entscheidungszeitpunkt ein Zeitraum von beinahe 2 Jahre verstrichen, in denen sich der Bf wohlverhalten hat. Hinzutritt, dass der Bf in seinen Stellungnahmen das Unrecht seiner Tat eingesehen hat und nunmehr gewillt ist, seinen Aufenthalt in Österreich auf eine solide, rechtmäßige Basis zu stellen. Weiters ist festzustellen, dass sich der Bf keine weiteren Verfehlung zu Schulden hat kommen lassen. Insofern ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Bf nun nicht mehr gegen die öffentliche Ordnung verstoßen wird.

Eine Gefahr für das öffentliche Interesse durch seinen Aufenthalt (bzw. die wesentliche Beeinträchtigung völkerrechtlicher Beziehungen mit anderen Staaten) ist nicht erkennbar.

Eine ortsübliche Unterkunft liegt vor. Im Übrigen sind seine Mitbenützungsrechte an einer Wohnung auch auf Grund familienrechtlicher Titel zur Erfüllung dieser Erteilungsvoraussetzung ausreichend (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 5. Mai 2011, 2008/22/0508).

Das Einkommen der Ehegattin des Bf liegt zwar nicht über dem erforderlichen Ehegatten-Richtsatz. Eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft ist im Hinblick auf das vorliegende Sparguthaben (Höhe: 800 Euro), den geringen Fehlbetrag und die Dauer des Aufenthaltstitels (vgl. § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG) nicht gegeben.

Die Mitversicherung des Bf bei seiner versicherten Ehegattin ist gewährleistet, sodass ein alle Risiken abdeckender Krankenversicherungsschutz mit Leistungspflicht im Inland bestehen wird (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG).

Ob der vom Bf vorgelegte Reisepass als Fälschung zu werten war, konnte zudem schon von der belangten Behörde nicht festgestellt werden.

2.2. Da alle Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 NAG erfüllt sind, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Bf der begehrte Aufenthaltstitel zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels von zwölf Monaten ergibt sich aus § 20 Abs. 1 NAG.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Markus Brandstetter