LVwG-400093/2/FP

Linz, 12.05.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl aus Anlass der Beschwerde von E V, geb. x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 2. April 2015, GZ. VerkR96-42864-2013-pac/p-Akt SE, wegen einer Übertretung des BStMG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 27 iVm § 50 VwGVG wird das bekämpfte Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos aufgehoben.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit einer der Beschwerdeführerin (Bf) am 20. November 2013 zugestellten Strafverfügung, verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe (Ersatz­freiheitsstrafe 120 Stunden) iHv 300 Euro über die Bf und warf ihr vor, am
20. April 2013 um 17:59 Uhr ein Kfz an einem näher angegebenen Ort auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt zu haben, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.

 

I.2. Die Bf erhob mit Schreiben vom 27. November 2013 Einspruch und führte wie folgt aus:

„Ich, E V, erlaube mir die Möglichkeit Einspruch zu erheben. Ich machte es nicht absichtlich. Am Vortag, dem 19.4.015, fuhr ich auf der Bezirksstraße zum Semenarhof x. Auf dem Weg dorthin hatte ich eine Fahrzeugkontrolle. Blieb dort über Nacht. Da ich mich als Mühlviertlerin im Hausruckviertel überhaupt nicht auskenne – war ich plötzlich auf der Autobahn. Ich wusste nicht wo ich abfahren sollte. So kam dieses Vergehen zustande. Um Erkenntnis bittet E V“.

 

I.3. Nach Einholung einer Stellungnahme und eines Fotos von der Asfinag und Stellungnahme der Bf zu ihren Vermögensverhältnissen entschied die belangte Behörde mittels Straferkenntnis und sprach wie folgt aus:

 

Straferkenntnis

 

Sehr geehrte Frau V!

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Strafverfügung vom 18.11.2013, VerkR96-42864-2013, über Sie wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 BStMG gemäß § 20 Abs. 1 Bundesstraßen - Mautgesetz BGBl.109/2002 eine Geldstrafe von 300,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden verhängt.

 

Sie haben dagegen in offener Frist Einspruch gegen das Strafausmaß eingebracht, über welchen die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Organ der mittelbaren Bundesver­waltung wie folgt entscheidet:

 

Spruch

 

Dem Einspruch gegen das Strafausmaß vom 27.11.2013 wird keine Folge gegeben und die in der Strafverfügung vom 18.11.2013 festgesetzte Verwaltungsstrafe bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 56 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG §§ 49 Abs. 2 und 19 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 -VStG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

30,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 330,00 Euro.

 

Zahlungsfrist:

Wird keine Beschwerde erhoben, so ist dieses Straferkenntnis sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag ist in diesem Fall binnen zwei Wochen entweder mit dem beiliegenden Zahlschein zu überweisen oder bei uns einzuzahlen. Bitte bringen Sie in diesem Fall dieses Straferkenntnis mit.

 

Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann der Gesamtbetrag eingemahnt werden, in diesem Fall ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Erfolgt dennoch keine Zahlung, wird der ausstehende Betrag vollstreckt und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die diesem Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen.

 

Begründung:

 

Auf Grund des eingebrachten Einspruchs, mit welchem das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wurde, war zu prüfen, ob die Bestimmungen des § 19 VStG 1991 eingehalten wurden.

 

Die Behörde gelangte zu der Ansicht, dass bei der Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung richtig angenommen wurden.

 

Festgehalten wird, dass gemäß § 20 Abs. 1 des Bundesstraßen - Mautgesetzes eine Mindeststrafe von 300,00 Euro vorgesehen ist.

 

Außerordentliche Milderungsgründe gemäß § 20 VStG liegen nicht vor. In diesem Fall müssten die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.

 

Am Fahrzeug war überhaupt keine Vignette angebracht. Die Ersatzmaut wurde ebenfalls nicht beglichen.

 

„Plötzlich" auf die Autobahn zu fahren, wie Sie in ihrem Einspruch angaben, erscheint aufgrund aller vorhandenen Beschilderungen etc., wohl eher eine Schutzbehauptung zu sein und wurde diese Angabe entsprechend gewertet.

 

Bei der Überprüfung der Strafhöhe wurde das Ausmaß des Verschuldens und auch der Umstand, dass Ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholten­heit zugute kommt, gewertet. Die Erschwerungs- und Milderungsgründe wurden somit gegeneinander abgewogen.

 

Die verhängte Geldstrafe befindet sich im untersten Bereich des gesetzlich vorge­schriebenen Strafrahmens und erscheint dem Unrechtsgehalt der Tat als durchaus angemessen, ihre Ausführungen im Einspruch waren nicht im geringsten geeignet, eine Herabsetzung der Strafe ins Auge zu fassen. Vielmehr gelangt die Bezirkshaupt­mannschaft Linz-Land zu der Überzeugung, dass die festgesetzte Geldstrafe unbedingt notwendig ist, um Sie in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzu­halten.

 

Hinsichtlich der Bestimmungen des § 19 VStG wird auf die von Ihnen gemachten Anga­ben vollinhaltlich verwiesen.

 

Es wird darauf hingewiesen, dass Sie unter Einbringung eines Antrags bei der Behörde die Möglichkeit einer Ratenzahlung in Anspruch nehmen können.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist im § 64 VStG 1991 gesetzlich begründet.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

[...]

 

I.4. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bf rechtzeitig Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass es sich bei der Begründung, es liege eine Schutzbehauptung vor, um eine Unterstellung handle.

Die Bf beantragte eine öffentliche mündliche Verhandlung.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akten­einsichtnahme. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das zugrundeliegende Straferkenntnis zu beheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung (§44 Abs 2 VwGVG).

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher  S A C H V E R H A L T  steht fest:

 

Die Bf hat mit Schreiben vom 27. November 2013 Einspruch gegen die Strafverfügung vom 18. November 2013 erhoben. Der Einspruch lautet wie unter I.2. dargestellt. Er bezieht sich nicht auf die Höhe der Strafe.

Die belangte Behörde hat mit Straferkenntnis vom 2. April 2015 wie unter I.3. dargestellt, nur über die Höhe der Strafe entschieden.

 

II.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat wie folgt erwogen:

 

III.1. rechtliche Grundlagen:

 

§ 27 VwGVG lautet:

Prüfungsumfang

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

 

§ 49 VStG lautet:

 

§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist die Strafverfügung zu vollstrecken.

 

III.2.

 

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Bf mit ihrem Einspruch lediglich die Strafhöhe bekämpft hat.

 

Für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch nur das Strafausmaß angefochten wird, kommt es auf den Inhalt des Einspruchs in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (VwGH 22.4.1999, 99/07/0010; 24.10.2002, 99/15/0172).

 

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hat die Bf mit Schreiben vom 27. November 2013 tatsächlich „vollen“ Einspruch gegen die Strafverfügung vom 18. November 2013 erhoben. Der Einspruch enthält keine wie immer geartete Aussage zur Strafhöhe, insbesondere wurde aber nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der Strafe bekämpft (§ 49 Abs. 2 VStG), wie dies von der belangten Behörde rechtsirrig unterstellt wurde. Ganz im Gegenteil begründete die Bf ihren Einspruch in der Sache damit, dass sie nicht absichtlich auf die Autobahn gefahren sei, sondern, sich aufgrund Ortsunkenntnis „plötzlich“ auf der Autobahn befunden habe. Es bezieht sich diese Begründung eindeutig auf den Punkt der Schuld.

Auf diese Begründung nimmt die belangte Behörde in ihrer Begründung sogar ausdrücklich Bezug und wertet diese als Schutzbehauptung.

 

Doch entscheidet sie lediglich über das Strafausmaß.

 

III.3. Mit Einbringung ihres Einspruches hat die Bf die Strafverfügung vollends außer Kraft gesetzt. Sie war demnach nicht mehr existent. Die belangte Behörde war verbunden gemäß § 49 Abs. 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten „insb. das bisher unterbliebene Ermittlungsverfahren durchzuführen, und soweit nicht die Einstellung des Verfahrens zu verfügen ist, ein Straferkenntnis zu erlassen“ (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 49 Rz11 (Stand 1.7.2013, rdb.at).   

 

Hätte die Bf mit dem Einspruch bloß die Art oder das Ausmaß der Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten, wäre die Strafverfügung weiterhin in Kraft geblieben. Der unangefochten gebliebene Schuldspruch wäre in Rechtskraft erwachsen und hätte die belangte Behörde nur über den angefochtenen Teil neu entscheiden müssen (VwGH 25. April 2002, 2000/15/0084).

 

Aufgrund des ex-lege Außer-Kraft-Tretens der Strafverfügung und des Umstandes, dass diese zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangte Behörde nicht mehr existent war, hat die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung nur über die Höhe der Strafe eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr nicht zukam (vgl. VwGH 23.3.1979, 1103/78; 21.9.1988, 88/03/0161; UVS Oö., VwSen-111077/2/Wim/Bu vom 17. Dezember 2013 und VwSen-167696/2/MZ/WU vom 27. März 2013).

 

Tatsächlich hätte die Behörde nach vollständiger Abführung des ordentlichen Verfahrens in der Sache, also über Schuld und Strafe zu entscheiden gehabt.

 

III.4. Das Verwaltungsgericht hat die (örtliche und sachliche) Unzuständigkeit der belangten Behörde geäß. § 27 VwGVG in jeder Lage des verwaltungs­gerichtlichen Verfahrens von Amts wegen, also nicht ausschließlich aufgrund der Beschwerde oder der Erklärung über den Umfang der Anfechtung, aufzugreifen (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte1, § 27 VwGVG, K1).

     

Das bekämpfte Straferkenntnis mit welchem nur über den Punkt der Strafe abgesprochen wurde, war demnach aufzuheben.

 

Eine Einstellung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht kommt, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 1 bis 3 VStG, nicht in Betracht.

 

Für das weitere Verfahren gilt das zu III.3. Gesagte. Die belangte Behörde wird sich mit dem Vorbringen der Bf inhaltlich auseinanderzusetzen haben.

 

III.5. Da keine Strafe verhängt wurde, waren vom Verwaltungsgericht keine Kosten aufzuerlegen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beur­teilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl