LVwG-750268/6/MZ
Linz, 04.05.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des HÖ vertreten durch RA Mag. TÖ, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz, namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 25.2.2015, GZ 304-3-AEG/54236, wegen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Bescheid vom 25.2.2015, GZ 304-3-AEG/54236 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) namens des Landeshauptmanns von Oberösterreich den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs 2 NAG wie folgt ab:
„BEGRÜNDUNG
1. Sachverhalt
Am 24.04.2014 stellte Herr ÖH, StA. Türkei, bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) …. Dieser Antrag wurde zuständigkeitshalber an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Einwohner- und Standesamt, Abteilung Fremdenrecht, übermittelt (Eingangsdatum: 14.05.2014).
Der Antragsteller war bereits im Zeitraum 13.04.2004 bis 21.10.2011, also rund 7,5 Jahre, in Österreich legal aufhältig. Am 21.04.2010 wurde über den Antragsteller mit Bescheid des Bezirkshauptmannes Wels-Land ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot nach FPG verhängt. Der Grund der Verhängung des Aufenthaltverbotes war eine rechtkräftige Verurteilung durch das LG Wels am 11.09.2009 wegen Vergehen nach SMG. Das Strafausmaß betrug eine Freiheitsstrafe 15 Monate, davon 10 Monate bedingt; Probezeit 3 Jahre. Die Probezeit endete somit am 11.09.2012. Die Tilgung des Delikts wird am 11.09.2019 eintreten.
Die rechtskräftige Verurteilung erfolgte wegen versuchter (§ 15 Abs. 1 StGB) Vergehen nach § 28a Abs. 1, 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z.3 SMG, § 28 Abs. 1, 5. Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG und § 27 Abs. 1 , Z. 1, 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, teilweise als Beteiligter nach § 12 2. Alternative StGB. Das qualifizierte Delikt nach § 28 bzw. § 28a StGB wurde aufgrund einer sehr großen Menge verwirklicht, und zwar 974,7 g Heroin. Tatorte waren T, W, L und andere Orte.
Gegen das Aufenthaltsverbot wurde Berufung erhoben.
Mit Erkenntnis des UVS vom 10.10.2011, zugestellt am 21.10.2011, wurde zwar grundsätzlich das Aufenthaltsverbot bestätigt, aber die Befristung von 10 Jahren auf 30 Monate herabgesetzt. Mit dem Rechtskraftdatum der Entscheidung, 21.10.2011, reiste der Antragsteller freiwillig in die Türkei aus. Das Aufenthaltsverbot endete am 21.04.2014. Drei Tage später wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger eingebracht - der absolute Abweisungsgrund eines aufrechten Aufenthalt[s]verbotes nach §11 Abs. 1 Z. 1 NAG fiel mit 21.04.2014 weg.
Zusammenführende Person ist Frau FÖ. Frau FÖ besitzt seit 24.11.1999 durch Verleihung die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Verehelichung fand am 30.09.2011 am Standesamt in Linz statt. Frau Ö erwartet ein Kind von Herrn Ö; der errechnete Geburtstermin ist der 25.06.2015. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Frau Ö zur persönlichen bzw. familiären Situation befragt (Niederschrift vom 16.12.2014). Dabei gab sie an, dass sie seit 3 Monaten überwiegend in der Türkei lebe. Der letzte Wohnsitz in Österreich, in L, L. Nr. x, wurde mit September 2014 aufgelassen. Für die erforderlichen Schwangerschaftsuntersuchungen komme sie immer nach Österreich; während ihrer Österreichaufenthalte wohne sie bei ihrer Mutter, wohnhaft in L, L. Nr. x. Sie wolle jedenfalls in Österreich ihren Lebensmittelpunkt verbringen. Nur weil es derzeit keine andere Möglichkeit gebe, ihren Gatten zu sehen, reise sie immer wieder in die Türkei. Vor der Schwangerschaft reiste sie fallweise in die Türkei (3mal von 2011 und 2014). Der Kontakt lief primär übers Internet (WhatsApp und Viber). Der telefonische Kontakt war aufgrund der hohen Kosten nur fallweise bzw. eingeschränkt gegeben.
Zwei Schwestern sowie der Vater des Antragstellers leben in Österreich. Herr Ö gab im Rahmen des Parteiengehörs an, dass sich sein Bekannten- und Freundeskreis in Österreich befindet. Die Mutter des Antragstellers ist verstorben. Geschwister gibt es in der Türkei keine.
…
II. Rechtsgrundlagen
…
III. Rechtliche Beurteilung
§ 11 Abs.1 und 2 NAG legen die absoluten Versagungsgründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels fest. Nach Abs.2 Z.1 leg.cit darf ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Nach Abs. 4 Z.1 leg.cit widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet (Prognoseentscheidung). Eine strafrechtliche Verurteilung per se ist noch kein Versagungsgrund. Es muss auf die konkrete Einzelperson und die konkreten Vergehen abgestellt werden (generalpräventive Argumente sind unzulässig) und darauf, ob Vergehen künftig weiterhin zu erwarten sind.
Nach § 11 Abs. 3 kann trotz Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein Aufenthaltstitel ausgestellt werden, wenn Art 8 MRK beeinträchtigt ist. Dabei muss eine Interessenabwägung zwischen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und dem Grundrechtseingriff in das Familienleben stattfinden. Dieses Grundrecht steht unter
einem Eingriffsvorbehalt; die Kriterien dieses Eingriffsvorbehaltes wurden in
§ 11 Abs. 3 NAG festgelegt. Anhand dieser Kriterien ist die Abwägung zu treffen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war: Der Antragsteller wurde im Jahr 1986 in der Türkei geboren und lebte dort bis 2004. Von 2004 bis 2011 lebte er bis zur Ausweisung legal in Österreich. Seit 21.10.2011 lebt er wieder in der Türkei. Der nun 28jährige Antragsteller lebte somit rund 7 Jahre in Österreich und 21 Jahre in der Türkei. Dies stellt den deutlich überwiegenden Teil dar.
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens: Laut Angaben der Ehefrau habe sie ihren Ehegatten im Frühjahr 2011 kennengelernt. Am 30. September 2011 verehelichten sich die beiden. Das Beziehungsleben hat bis zur Ausweisung ein halbes Jahr gedauert. Ab dem Zeitpunkt der Ausweisung wurde das Beziehungsleben als "Fernbeziehung" gestaltet, überwiegend mittels moderner Kommunikationsmittel wie z.B. Skype und mit persönlichen Treffen in den Urlauben (drei Mal von 2011 bis 2014). Von einer besonders großen Beziehungsintensität bzw. von einem tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens kann daher nicht ausgegangen werden. Durch die Schwangerschaft alleine kann nicht bereits von einem tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens rückgeschlossen werden.
3. der Grad der Integration: Der Antragsteller behauptet, dass sich sein Freundeskreis primär in Österreich befindet. Diesen hat er die letzten 3 Jahre nicht pflegen können, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Freundschaften noch aufrecht sind bzw. falls doch, muss auch hier die Intensität der Freundschaften in Frage gestellt werden.
4. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen: Zwei Schwestern und der Vater des Antragstellers leben in Österreich. In der Türkei leben vom Antragsteller keine Personen mehr aus der Kernfamilie. Die familiäre Bindung zur Türkei kann daher als tatsächlich nicht besonders stark bezeichnet werden.
5. die strafgerichtliche Unbescholtenheit: Wie bereits oben ausführlich dargestellt, gibt es eine rechtskräftige Verurteilung nach SMG aus dem Jahr 2009. Die Probezeit endete 2012, getilgt wird das Delikt im Jahr 2019 sein. Eine strafgerichtliche Unbescholtenheit liegt daher nicht vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Probezeit bereits vorüber ist.
6. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts: Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
7. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren: Zum Zeitpunkt der Verehelichung (September 2011) bzw. des Kennlernens (Frühjahr 2011) war die Ausweisungsentscheidung zwar noch nicht rechtskräftig, doch die erstinstanzliche Entscheidung erfolgte bereits im Jahr 2010, sodass beiden bewusst war, dass der weitere Aufenthalt nicht gesichert war.
Im Erkenntnis des UVS vom 10.10.2011 wurde bereits festgestellt, dass den öffentlichen Interessen an der effektiven Verhinderung von Straftaten im Bereich des Suchtgiftmilieus sowie an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang von den privaten bzw. familiären Interessen des Bw gegeben werden muss.
Neu abzuwägen bleiben nur folgende Umstände:
1. Der Antragsteller ist seit der Verurteilung im Jahr 2009 unbescholten. Es sind daher seit der letzen Feststellung durch den UVS weitere 3 Jahre und 4 Monate vergangen, in denen der Antragsteller unbescholten ist. Dieses Kriterium ist in Hinblick auf die Gefährdungsprognose zu prüfen. Wie bereits im Erkenntnis des UVS und auch im Gerichtsurteil festgestellt wurde, war das Suchtmittelvergehen von erheblichem Grad; es wurde an mehreren Orten ausgeführt und somit wiederholt ausgeführt. Dadurch dass die im Urteil festgesetzte Probezeit abgelaufen ist, heißt noch nicht, dass keine Gefährdung mehr gegeben ist. Ob die gesamte Tilgungszeit abgewartet werden muss, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu beurteilen. Jedenfalls sind seit der Verurteilung etwas mehr als 5 Jahre vergangen.
2. Als zweites Kriterium ist in Hinblick auf Art. 8 EMRK zu prüfen, ob sich eine Veränderung dadurch ergibt, dass die Ehegattin nun schwanger ist. Die Schwangerschaft kann als Argument gelten, dass ein gewisses Ausmaß an Beziehungsleben stattgefunden hat und somit das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens stärker ausgeprägt ist. Ein gewisser Grad an Beziehungsleben wurde von der Behörde auch nicht dementiert.
Der Kernpunkt ist daher die Abwägung der fortschreitenden Unbescholtenheit und der Schwangerschaft der Ehegattin einerseits im Verhältnis zur Gefährdungsprognose aufgrund des ausgeübten schweren Deliktes andererseits. Die
Vergehen nach Suchtmittelgesetz erfolgten an mehreren Orten und über einen längeren Zeitraum. Zwar verwirklichte der Antragsteller seit der Ausreise keine weiteren Delikte mehr, aber der Zeitraum von etwas mehr als 5 Jahre ohne strafrechtlich relevantes Vergehen ist noch zu kurz, als dass man davon ausgehen kann, dass keine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr gegeben ist. Der Umstand der Schwangerschaft der Ehegattin hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung. Da das Familienleben in der Türkei weitergeführt werden kann, liegt kein Eingriff in Art. 8 MRK vor.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.“
II.a) Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. In seinem Beschwerdeschriftsatz führt der Bf folgendes aus:
„Als Beschwerdegründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer am 24.04.2014 bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gestellt hat.
Der Beschwerdeführer war bereits im Zeitraum 13.04:2004 bis 21.10:2011, also ca. 7,5 Jahre in Österreich legal aufhältig. Er hatte am 10.02.2005 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck begünstigter Drittstaatsangehöriger mit Österreicherbezug gestellt. Mit 17 Jahren war sein Vater Zusammenführender. Die erste Bewilligung des Beschwerdeführers hatte die Gültigkeit vom 13.04.2004 bis 13.04.2005.
Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Wels-Land vom 21.04.2010, GZ: Sich40-468-2009, wurde über den Beschwerdeführer auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und 2 Z 1 iVm §§ 61 Abs. 2-4, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer am 11.05.2010 eine Berufung ein. Über diese Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem Erkenntnis vom 10.10.2011 entschieden.
Der Berufung wurde mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid bestätigt.
Nach der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes reiste der Beschwerdeführer freiwillig in die Türkei aus. Das Aufenthaltsverbot endete am 21.04.2014.
Zusammenführende Person ist Frau FÖ, geb. x. Frau FÖ besitzt seit 24.11.1999 durch Verleihung die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Verehelichung fand am 30.09.2011 am Standesamt in L statt. Frau Ö erwartet ein Kind vom Beschwerdeführer. Der errechnete Geburtstermin ist der 25.06.2015.
Aufgrund der türkischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie der Erwerbsabsicht ist zur Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers auch das Assoziationsabkommen zwischen der EWR und der Türkei heranzuziehen.
Gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.
Gemäß § 11 Abs 4 Z 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2Z1), wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Gemäß § 11 Abs 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines
Erteilungshindernisses gemäß Abs 1 Z5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer
Voraussetzung gemäß Abs 2 Z1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention -EMRK), BGBL Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Auf enthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Das heißt, selbst wenn der Aufenthalt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen widerstreitet, sohin sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs 1 Z 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs 2 Z1 bis 6 erteilt worden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geboten ist.
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß §11 Abs 2 Z 1 NAG öffentlichen Interessen widerstreitet, also ob sein Aufenthalt gemäß § 11 Abs 4 Z 1 NAG die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Tatsache ist, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt wurde. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet der Republik Österreich stellt keinesfalls eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar bzw. würde der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet der Republik Österreich keinesfalls eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht Wels zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Jedoch ist aufgrund dieses Urteiles keinesfalls die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Antragsstellers eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.
Dem Beschwerdeführer ist bewusst, dass er einen großen Fehler begangen hat und bereut er seine Tat. Er hat sich seitdem wohl verhalten und wird sich auch in Zukunft wohl verhalten.
Seit der Tat sind mehr als 6 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat der Beschwerdeführer keine einzige strafbare Handlung begangen. Auch vor der Tat war der Beschwerdeführer unbescholten.
Dem Beschwerdeführer ist bewusst, dass er das Urteil des Landesgerichtes Wels akzeptieren muss, es ist jedoch allgemein bekannt, dass es auch in einem Rechtsstaat wie Österreich Fehlurteile geben kann. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren vor dem Landesgericht Wels angeführt, dass er nicht gewusst hat, dass es um Suchtmittel ging. Er ist jedoch trotzdem verurteilt worden und ist dieses Urteil bereits rechtskräftig, sodass nun er diese Tat rechtlich nicht abstreiten kann. Das Verhalten des Beschwerdeführers vor und nach dieser Tat ist jedoch ein großes Indiz für seine allgemeine Gesinnung. Der Beschwerdeführer wird künftig mit Sicherheit keine strafbaren Handlungen begehen. Dies hat er auch in den vergangenen mehr als 6 Jahren bewiesen.
Es ist daher - entgegen der Auffassung der Behörde - von einer günstigen Prognose im Hinblick auf ein zukünftiges rechtstreues Verhalten auszugehen.
Die Behörde hätte daher bei richtiger Würdigung und richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes feststellen müssen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen nicht widerstreitet bzw. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht gefährden würde und dem Antrag des Beschwerdeführers stattgeben müssen.
Wie bereits ausgeführt kann darüber hinaus ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs 1 Z 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geboten ist.
Selbst wenn festgestellt wird, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen widerstreitet, ist daher im gegenständlichen Fall zu prüfen, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geboten ist.
Der Beschwerdeführer ist im November 2003, also mit 17 Jahren nach Österreich gekommen. Er war in der Folge beinahe durchgehend ordnungsgemäß beschäftigt.
Er ist, wie bereits ausgeführt mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Seine Gattin erwartet ein Kind von ihm. Der voraussichtliche Geburtstermin ist der 25.06.2015. Entgegen der Auffassung der Behörde ist von einem tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens auszugehen.
In Österreich leben zahlreiche Verwandte des Beschwerdeführers, so zum Beispiel, zwei Schwestern, sein Schwager, sein Neffe, sowie sein Vater. Der Bekannten- bzw. Freundeskreis sowie das persönliche Lebensumfeld des Beschwerdeführers befindet sich in Österreich.
Im gegenständlichen Fall ist die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels jedenfalls zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geboten.
Der Beschwerdeführer hat die verhängte Freiheitsstrafe bereits verbüßt. Weiters endete die Probezeit im Jahr 2012, Das gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot endete bereits vor ca. einem Jahr. Der Beschwerdeführer hat ausgehend vom rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Wels eine strafbare Handlung begangen, jedoch auch die daraus resultierenden negativen Folgen tragen müssen bzw. getragen. Es bedarf keiner weiteren Sanktionen. Der Beschwerdeführer möchte den Rest seines Lebens gemeinsam mit seiner Familie im Einklang mit den österreichischen Gesetzen in Österreich verbringen. Die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels wirkt wie eine Sanktion. Diese Form der Sanktion „ist jedoch nicht gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat bereits sämtliche Konsequenzen seiner Tat getragen. Ihm ist daher der beantragte Aufenthaltstitel zu gewähren.
Der Beschwerdeführer möchte nochmals hervorheben, dass der Zweitangeklagte im Strafverfahren vor dem Landesgericht Wels, Herr OÖ, geb. x bereits wieder in Österreich ist. Herr Ö hat also einen Aufenthaltstitel für Österreich erhalten, obwohl er zu einer höheren Freiheitsstrafe als der Beschwerdeführer verurteilt wurde und sich viel kürzer in Österreich aufhielt als der Beschwerdeführer.
Aus all diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer den ANTRAG der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 stattgegeben wird.“
b) Mit Schreiben vom 29.4.2015 legte der Bf eine aktuelle Bestätigung der Fa A GmbH, vor, wonach er „sobald er in Österreich ist … mit einer 5 Tage Woche / 40 Std. und mit einem Nettolohn von € 1.550,-- als Vorarbeiter eingestellt“ wird.
III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer – von keiner Verfahrenspartei beantragten – öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Das dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.
c) Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den Punkten I. und II.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a.1) Gemäß § 47 Abs 1 NAG idF BGBl I Nr 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 68/2013, sind Zusammenführende im Sinne der Abs 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
Gemäß Abs 2 ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
a.2) Gemäß Art 6 Abs 1 ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
Gemäß Art 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Gemäß Art 14 Abs 1 ARB 1/80 gilt dieser Abschnitt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
a.3) Gemäß § 49 Abs 1 FrG 1997 genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.
Gemäß Abs 2 ist die Niederlassungsbewilligung solchen Drittstaatsangehörigen auf Antrag unbefristet zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8 Abs. 1) gegeben sind und die Fremden
1. seit mindestens zwei Jahren mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben;
2. minderjährige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben.
§ 47 FrG 1997 regelt die Aufenthaltsberechtigung begünstigter Drittstaatsangehöriger:
Gemäß § 47 Abs 1 FrG 1997 unterliegen Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, der Sichtvermerkspflicht.
Gemäß Abs 2 genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit, sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind. Die Niederlassungsbewilligung ist mit fünf Jahren, in den Fällen der beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den EWR-Bürger (§ 46 Abs. 2 Z 3) jedoch mit sechs Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Einreise zu befristen.
Gemäß Abs 3 Z 1 sind begünstigte Drittstaatsangehörige folgende Angehörige eines EWR-Bürgers: Ehegatten
b) Im ggst Fall ist davon auszugehen, dass der Bf die Begünstigungen, die sich aus dem Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980 ergeben, geltend machen kann:
Erworbene Rechtsstellungen nach Art 7 ARB 1/80 gehen zwar infolge eines Aufenthaltsverbots, das als Maßnahme nach Art 14 ARB 1/80 zu verstehen ist, verloren (vgl VwGH 20.12.2012, 2011/23/0170; 17.3.2009, 2008/23/0206; 10.11.2009, 2008/22/0848). Im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.12.2012, 2011/23/0170, kann eine Position nach dem ARB 1/80 aber nach Untergang neuerlich erworben werden. Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Dezember 2010, C-300/09, C-301/09, Toprak und Oguz, RN 45, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13.12.2011, 2008/22/0180, in diesem Zusammenhang fest, dass es der Anwendung des Art 13 ARB 1/80 nicht entgegen stehe, wenn der betreffende Arbeitnehmer nicht bereits (legal) in den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates integriert ist, also die Voraussetzungen gemäß Art 6 Abs 1 ARB 1/80 nicht erfüllt; die Stillhalteklausel in Art 13 ARB 1/80 diene nämlich nicht dazu, die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern soll gerade für die türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 genießen.
In seinem Erkenntnis vom 28.3.2012, 2009/22/0344, verwies der Verwaltungsgerichtshof „gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG im Hinblick darauf, dass es sich beim (...) Beschwerdeführer um einen türkischen Staatsangehörigen handelt, der die Vornahme einer Erwerbstätigkeit anstrebt - im Verwaltungsverfahren wurde als Nachweis für das diesbezügliche Vorbringen eine Einstellungszusage vorgelegt - auch auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, dessen Fall in seinem entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt und der auf Art. 13 ARB 1/80 bezugnehmenden Rechtsfrage dem vorliegenden gleicht“.
Der Bf, der türkischer Staatsbürger ist, wird (laut vorgelegter Bestätigung) bei der Fa A. GmbH Vollzeit mit einem Nettolohn von € 1.550,- angestellt werden, sobald er einen Aufenthaltstitel erteilt bekommt. Im Sinne der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur unterfällt der Bf damit dem ARB 1/80 und sind daher die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des FrG 1997, die aufgrund der „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 für Berechtigte nach dem ARB heranzuziehen sind, zu prüfen.
c.1) Gemäß § 47 Abs 2 FrG 1997 darf einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 47 Abs 3 FrG 1997 ein Aufenthaltstitel nur dann nicht erteilt werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.
Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Aufenthalt des Bf die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Dabei ist eine auf das Gesamtverhalten des Bf gestützte Gefährdungsprognose zu treffen (vgl VwGH 16.2.2012, 2011/18/0039), bei welcher einerseits seine bisherigen Verurteilungen und das aus den Verurteilungen resultierende Aufenthaltsverbot, andererseits auch sein Verhalten seit der Verhängung des Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen ist (vgl VwGH 3.3.2011, 2011/22/0010).
c.2) Der bereits einige Jahre in Österreich aufhältig gewesene Bf wurde vom LG Wels mit Urteil vom 11.9.2009 wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, zehn Monate davon bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Diese Verurteilung führte zu einem auf 30 Monate befristeten Aufenthaltsverbot. In der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 10.10.2011, mit welcher das Aufenthaltsverbot festgesetzt wurde, findet sich folgender Absatz:
„Bei den Überlegungen hinsichtlich der Dauer ist nun aber fraglos das – wenn auch noch nicht als ausreichend anzusehende – zweijährige Wohlverhalten des Bw nach Entlassung aus der Strafhaft zu berücksichtigen. Zudem sind bereits 1,5 Jahre der von der belangten Behörde intendierten Frist durch das Berufungsverfahren verstrichen. Auch ist eine Änderung der Umstände in seinem Familienleben eingetreten, wobei es nicht nur die Interessen des Bw selbst, sondern auch seiner jetzigen Ehefrau zu erwägen gilt. … Im Lichte der eben getroffenen Feststellungen scheint die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von 30 Monaten angemessen und auch verhältnismäßig.“
Auch wenn die angesprochene Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren entfaltet, war dessen Einschätzung hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbots dennoch zutreffend:
Der Bf wurde nämlich – wie oben dargestellt – im September 2009 wegen einer Straftat verurteilt. Er hat jedoch mittels Strafregisterauszug nachgewiesen, dass er seit seiner letzten (und einzigen) Verurteilung nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die vom Unabhängigen Verwaltungssenat getroffene Gefährdungsprognose dürfte daher korrekt gewesen sein. Zu berücksichtigen gilt im jetzigen Verfahren weiters auch, dass der Bf das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot akzeptiert hat, freiwillig ausgereist ist und nunmehr nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes den von der Rechtsordnung vorgesehenen Weg beschreitet, um wieder einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dies zeugt davon, dass der Bf durchaus gewillt ist, nach seiner zur Verurteilung führenden Verfehlung die österreichischen Rechtsvorschriften zu akzeptieren. Es vermag daher vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, nicht erkannt zu werden, inwiefern der Aufenthalt des Bf in Österreich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen sollte.
c.3) Wenn die belangte Behörde zur Verteidigung ihrer Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.8.2013, 2013/22/0082, hinweist, in welchem der Gerichtshof in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz ein besonders verpöntes Verhalten und eine hohe Wiederholungsgefahr festgestellt habe, so ist darauf hinzuweisen, dass im höchstgerichtlichen Verfahren ein Aufenthaltsverbot zu beurteilen war. Im ggst Fall ist gerade das Aufenthaltsverbot schon abgelaufen und hat der Bf eben – trotz der im Suchtmittelbereich unbestritten bestehenden hohen Wiederholungsgefahr – keine (auch anders gelagerte) weitere Straftat begangen.
d) Da sich der Bf auf die „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 berufen kann und daher lediglich zu prüfen ist, ob von ihm eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 47 Abs 2 FrG 1997 ausgeht, was im Ergebnis zu verneinen ist, erfüllt der Bf sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung vollinhaltlich der obzitierten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht und die Rechtsfrage, ob konkret der Bf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt, nicht verallgemeinerungsfähig ist.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Zeinhofer
Beachte:
Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
VwGH vom 16. September 2015, Zl.: Ra 2015/22/0092-9