LVwG-850218/13/Re/AK
Linz, 21.05.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Werner Reichenberger über die Beschwerde der x-L GmbH, x, vertreten durch Mag. E K, Rechtsanwalt, x, vom 21. Oktober 2014 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11. September 2014, GZ: 0025544/2008 ABA Nord 501/N086015, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. März 2015
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Die belangte Behörde hat zunächst mit dem Bescheid vom 24. Mai 2013, GZ: 0025544/2008/ABA Nord, den Antrag der x-L GmbH, x, vertreten durch Mag. E K, Rechtsanwalt, x, auf Aufhebung eines Auflagenpunktes eines Betriebsanlagenbescheides vom 23. Juni 2008 abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid im Jahre 2013 eingebrachte Berufung wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. September 2013 als verspätet eingebracht zurückgewiesen; gleichzeitig wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weitergeleitet.
2. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat in der Folge mit dem Bescheid vom 11. September 2014 den Antrag der x-L GmbH, x, vertreten durch Mag. E K, Rechtsanwalt, x, vom 23. August 2013 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist zur Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 24. Mai 2013, GZ: 0025544/2008, 501/N086015, mangels Vorliegen von Bewilligungs-voraussetzungen abgewiesen.
Dies nach Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhaltes und Zitierung der anzuwendenden Rechtsgrundlagen im Wesentlichen mit der Begründung, der gegenständliche Bescheid sei am 29. Mai 2013 nachweislich übernommen worden. Die Unterschrift auf dem Rückschein laute „L“. Bei der Berufungsfrist handle es sich um eine gesetzliche Frist, deren Verlängerung oder Verkürzung einer Behörde nicht zusteht. Der Antragsteller sei durch kein nachweisliches unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Die fehlerhafte Information des gewerberechtlichen Geschäftsführers der Berufungswerberin an den Rechtsvertreter und die damit verbundene verspätete Einbringung des Rechtsmittels gehe unabdingbar zu Lasten des Antragstellers. In seinem Interesse hätte er seinen Rechtsvertreter über das tatsächliche Datum der Zustellung informieren müssen. Dass er dies unterlassen habe, sei der Sphäre des Antragstellers zuzuordnen. Das Schriftstück gelte als zugestellt, sobald der Adressat die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Schriftstückes innerhalb seines Verfügungsbereiches habe. Ein Mitarbeiter im Betrieb des Unternehmens sei jedenfalls ein Anscheinsbevollmächtigter und zur Übernahme von RSb-Briefen grundsätzlich befugt. Die Fristversäumnis lasse sich weder auf ein unvorhergesehenes Ereignis noch auf ein entschuldbares Versehen zurückführen.
3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat den Verwaltungsakt samt Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über diese Beschwerde durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter (Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG) zu entscheiden.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20. März 2015, an welcher der Geschäftsführer und der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin teilgenommen haben. Anwesend war auch eine Vertreterin der belangten Behörde. Als Zeugen geladen zur mündlichen Verhandlung, erschienen und befragt wurden darüber hinaus der Bruder und die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Die Zustellung des dem Wiedereinsetzungsverfahren zugrundeliegenden RSb-Briefes erfolgte am 29. Mai 2013. Der RSb-Brief wurde vom Bruder des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, Herrn R L, übernommen. Im Unternehmen der Beschwerdeführerin werden RSb-Briefe üblicherweise vom Geschäftsführer, Herrn J L, oder seiner Lebensgefährtin, Frau D A, oder aber - wenn erforderlich - auch vom Bruder des Geschäftsführers, Herrn R L, übernommen. Insbesondere wurde es weder der Büroangestellten noch dem Bruder des Geschäftsführers untersagt, RSb-Briefe zu übernehmen. Von R L wurde die Post, wie üblich, auf dem Schreibtisch der Bürochefin deponiert. Der darauffolgende Tag war ein Feiertag, die Tagespost vom Mittwoch wurde wegen Abwesenheit frühestens am Freitag am Schreibtisch der Bürochefin von dieser vorgefunden, und zwar ohne besonderen Hinweis auf das Zustelldatum des RSb-Briefes. Frühestens an diesem Tag wurde dieser RSb-Brief auch an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin weitergeleitet. Ein Nachweis über den E-Mail-Verkehr insbesondere dahingehend, dass im Rahmen dieser Weiterleitung auf den Zustelltag ausdrücklich hingewiesen wurde, wurde innerhalb offener Frist nicht mehr beigebracht.
5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Zweifelsfrei steht fest, dass der Bescheid am 29. Mai 2013 vom Bruder des Geschäftsführers übernommen wurde. Dabei handelt es sich um die übliche Vorgangsweise im Unternehmen der Beschwerdeführerin, wenn der Geschäftsführer und die Bürochefin nicht anwesend waren. Herrn R L wurde die Übernahme von RSb-Briefen nie untersagt.
Es oblag somit im gegenständlichen Verfahren der Antragstellerin, jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis glaubhaft darzulegen, das sie an der Einhaltung der Frist gehindert habe. Dies ist der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall nicht gelungen.
Der Gesetzgeber unterstellt der Partei ein gewisses Maß an Sorgfalt, indem er anordnet, dass die Wiedereinsetzung nur dann zu bewilligen ist, wenn der Antragsteller das ihm zumutbare Maß an Aufmerksamkeit angewendet hat, um das Ereignis vorherzusehen und es abzuwenden, die Partei daher ohne ihr Verschulden oder nur durch einen minderen Grad des Versehens verhindert gewesen sein muss, die Frist einzuhalten. Der Antragsteller dürfe das betreffende Ereignis nicht vorhergesehen haben und müsse außer Stande gewesen sein, es abzuwenden.
Dies konnte hier nicht glaubhaft gemacht werden. Die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin hat es unterlassen, den Bruder des Geschäftsführers und auch die Lebensgefährtin des Geschäftsführers auf die Folgen der Übernahme und allfälligen kommentarlosen Weitergabe von RSb-Briefen ausreichend vorzubereiten oder es ihnen ausdrücklich zu untersagen, derartige Post anzunehmen. Schon allein darin ist ein ausreichendes Verschulden des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zu erblicken, welches auch diesen trifft. Von einem bloß minderen Grad des Versehens kann keine Rede sein.
Auch der offensichtlich beim Vertreter der Beschwerdeführerin als letztes Glied der Kette im Zusammenhang mit der Zustellung des RSb-Briefes vorliegende Irrtum über den tatsächlichen Zeitpunkt der Zustellung des zugrundeliegenden Bescheides bildet keinen Wiedereinsetzungsgrund. Auch ein allfälliger Irrtum des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin über die Wirksamkeit der Zustellung stellt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Wiedereinsetzungsgrund für die Gesellschaft dar.
Ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1
Z 1 AVG liegt nicht darin, dass eine Partei den Inhalt des Bescheides bis zu dem Zeitpunkt, als dieser tatsächlich zugegangen ist, nicht kennt; ein solches Ereignis kann nur darin liegen, dass die Partei vom Zustellvorgang selbst nicht Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können. Die insofern erfolgte fehlerhafte Information an den Geschäftsführer der x-L GmbH und in der Folge von diesem an den Rechtsvertreter und die damit verbundene verspätete Einbringung des Rechtsmittels geht somit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Lasten des Antragstellers.
Auch gegenüber dem Vertreter der Beschwerdeführerin kann weder kein Verschulden noch ein minderer Grad des Versehens festgestellt werden. Wird ein Rechtsanwalt von seinem Mandanten mit der Einbringung eines Rechtsmittels beauftragt, so bildet es ein wesentliches Element seiner damit übernommenen Pflichten, sich selbst vom Ablauf der zur Verfügung stehenden Frist zu überzeugen. Wenn er dies unterlässt und der vom Mandanten erteilten Information über den Zustellzeitpunkt der angefochtenen Entscheidung ungeprüft vertraut, kann diese Pflichtverletzung nicht mehr zutreffend als minderer Grad des Versehens angesehen werden. Unterlagen dahingehend, dass dem Vertreter der Beschwerdeführerin ausdrücklich der tatsächliche Zustellzeitpunkt zur Kenntnis gebracht worden wäre, konnten nicht beigebracht werden.
Aus all diesen Gründen kommt somit das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Auffassung, dass die für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Grunde des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG erforderliche Sorgfalt den minderen Grad des Versehens jedenfalls überschreitet und daher der Antrag von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen wurde.
Es konnte somit aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage der Beschwerde keine Folge gegeben werden und war wie im Spruch zu entscheiden.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Reichenberger