LVwG-800121/5/Wg
Linz, 05.05.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der S M, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 17. Februar 2015, GZ: Ge96-81-2014-Bd/Pe, betreffend eine Übertretung der Gewerbeordnung (GewO)
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben. Das bekämpfte Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungs-strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Auf Grund der in den Akten befindlichen Beweismittel steht folgender Sachverhalt fest:
1.1. Die Beschwerdeführerin (Bf) betreibt als Gewerbeinhaberin das A C in x. Aus dem gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheid der Bezirks-hauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) vom
10. März 2008, GZ: Ge20-67-20-2007-Sg/Hd, ergibt sich für dieses C eine Betriebszeit von 08:00 bis 22:00 Uhr (Bescheid ON 4 des behördlichen Aktes).
1.2. In drei im Akt befindlichen Privatanzeigen wird der Bf vorgeworfen, sie habe am 8. Juni 2014, 9. Juni 2014, 23. Juni 2014, 24. Juni 2014, 25. Juni 2014, 26. Juni 2014, 2. Juli 2014, 3. Juli 2014 und 5. Juli 2014 das C über die genehmigte Betriebszeit hinaus betrieben. Fest steht, dass die Bf das C an diesen Tagen bis 22:05 Uhr geöffnet hatte. Ab 22:05 Uhr war sie alleine im Lokal (Niederschrift PV ON 7 des behördlichen Aktes).
1.3. In einer gesonderten Polizeianzeige wurde der Bf eine Überschreitung der Sperrstunde am 9. Juli 2014 angelastet (Vorlageschreiben ON 1 des gerichtlichen Aktes).
1.4. Zwischen 8. Juni 2014 und 9. Juli 2014 wurden seitens der Bf keine besonderen Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretungen gesetzt. Es liegt ein einheitlicher Willensentschluss und damit ein Gesamtkonzept vor (Niederschrift PV ON 7 des behördlichen Aktes).
1.5. Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 29. Juli 2014,
GZ: Ge96-75-2014-Bd/Pe, wurde über die Bf gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung (GewO) wegen der Sperrstundenüberschreitung am
9. Juli 2014 eine Geldstrafe von 200 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von
20 Stunden verhängt, weil sie die genehmigte Betriebsanlage nach einer Änderung ohne die dafür erforderliche Genehmigung betrieben hatte (Strafverfügung ON 4 des gerichtlichen Aktes).
1.6. Auf Grund der Privatanzeigen leitete die belangte Behörde ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren ein und verhängte mit Straferkenntnis vom
17. Februar 2015, GZ: Ge96-81-2014-Bd/Pe, wegen einer Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 3 iVm § 74 Abs. 2 Z 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) sowie dem rechtskräftigen gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheid GZ: Ge20-67-20-2007-Sg/Hd vom 10. März 2008 gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO eine weitere Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden. Im Spruch des Straferkenntnisses wird der Bf angelastet, die genehmigte Betriebsanlage nach einer Änderung ohne die dafür erforderliche Genehmigung betrieben zu haben. Das Lokal sei bis zu den nachangeführten Zeiten geöffnet gewesen: „8. Juni 2014 ca. 22:40 Uhr,
9. Juni 2014 ca. 22:40 Uhr, 23. Juni 2014 ca. 22:40 Uhr, 24. Juni 2014 ca. 22:30 Uhr, 25. Juni 2014 ca. 22:40 Uhr, 26. Juni 2014 ca. 22:55 Uhr,
2. Juli 2014 ca. 22:35 Uhr, 5. Juli 2014 Gastgarten ca. 22:30 Uhr“.
1.7. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 3. März 2015, in der die Bf vorbringt, es hätten sich im Lokal zu den genannten Zeiten keine Gäste mehr befunden.
1.8. Die belangte Behörde legte den Verfahrensakt mit Schreiben vom
9. März 2015 zur Entscheidung vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der festgestellte Sachverhalt (1) ergibt sich aus den in Klammer angegebenen Beweismitteln. Die Bf räumte bei ihrer Einvernahme am
9. September 2014 auf Vorhalt der Privatanzeigen ein, „erst ab 22:05 Uhr alleine“ gewesen zu sein. In der Beschwerde bestreitet sie, es hätten sich zu den im Straferkenntnis angeführten, späteren Zeitpunkten (22:30 Uhr u.a.) Gäste im Lokal aufgehalten. Ob das Lokal nach 22:05 Uhr bis zu diesen Uhrzeiten geöffnet hatte, ist für den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung nicht maßgeblich. Jeder Betrieb nach 22:00 Uhr stellt eine Überschreitung der im Genehmigungsbescheid festgelegten Betriebszeit dar. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legt den Feststellungen die Angaben der Bf laut Niederschrift vom 9. September 2014 zugrunde.
2.2. Am 9. Juli 2014 kam es erneut zu einer Sperrzeitenüberschreitung, die mit gesonderter Strafverfügung geahndet wurde. Die Rechtfertigung der Bf, sie sei ab 22:05 Uhr alleine im Lokal und ohne Gäste gewesen, zeigt, dass die Bf jedenfalls bis 9. Juli 2014 die Bedeutung der im Bescheid verfügten Sperrzeit unterschätzte. Sie vermeint offenbar, eine Überschreitung von wenigen Minuten sei rechtlich nicht relevant. Die Bf hat auf Grund einer falschen Einschätzung der Rechtslage die Sperrzeiten nachlässig gehandhabt. In dieser nachlässigen Handhabung liegt ein von einem einheitlichen Willensentschluss getragenes Gesamtkonzept. Es ist nicht erkennbar, dass die Bf zwischen 8. Juni 2014 und
9. Juli 2014 ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung von Sperrzeitenüberschreitungen gesetzt hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Da das Straferkenntnis zu beheben ist, war gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG keine Verhandlung erforderlich.
3.2. In der Sache ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
15. September 2011, GZ: 2009/04/0112, betreffend eine Übertretung der Sperrzeitenverordnung zu verweisen. Diese Überlegungen gelten auch für die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung im Sinne des § 366 Abs. 1
Z 3 GewO (Betrieb einer genehmigten Betriebsanlage nach Durchführung einer Änderung ohne der erforderlichen Genehmigung). Die Überschreitung der genehmigten Betriebszeiten ist zweifelsohne geeignet, die Nachbarn zu belästigen (§ 74 Abs. 2 Z 2 GewO) und damit genehmigungspflichtig (vgl. VwGH 24.5.1994, 93/04/0031 u.v.a.).
3.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein fortgesetztes Delikt vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges zu einer Einheit zusammentraten (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/09/0202, mwN). Im Falle eines fortgesetzten Deliktes sind durch die Bescheiderlassung alle bis dahin erfolgten Einzelakte abgegolten, mögen sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz. Setzt der Täter nach diesem Zeitpunkt die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen. Eine neuerliche Bestrafung wegen Tathandlungen, die in den von der ersten Bestrafung umfassten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (vgl. das Erkenntnis vom 15. März 2000, Zl. 99/09/0219, mwN).
3.4. Bei den gegenständlichen Tathandlungen handelt es sich gleichermaßen um die Nichteinhaltung der bescheidmäßig vorgeschriebenen Sperrstunde und den daraus folgenden Betrieb nach einer Änderung der genehmigten Betriebsanlage. Diese Tathandlungen wurden in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang, und zwar in einem Zeitraum von wenigen Wochen (8. Juni bis
9. Juli 2014), begangen. Letztlich liegt den als erwiesen angenommenen Tathandlungen die Verantwortung der Bf zugrunde, ab 22:05 Uhr alleine gewesen zu sein (vgl. 1.2. und 2.1.). Diese Verantwortung lässt nicht erkennen, dass die Bf zwischen den einzelnen Tathandlungen Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretungen gesetzt hat, sodass von einem einheitlichen Willensentschluss und einem Gesamtkonzept gesprochen werden kann (vgl. 1.4. und die beweiswürdigenden Ausführungen 2.2.).
3.5. Es liegt damit ein fortgesetztes Delikt vor, das bereits mit der Strafverfügung vom 29. Juli 2014 abschließend geahndet wurde. Das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis war wegen Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot zu beheben und war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen die Verfahrenskostenbeiträge.
4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
4.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4.2. Die Rechtslage ist durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Wolfgang Weigl