LVwG-100018/3/DM/KA

Linz, 06.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde des J S, vertreten durch G Rechtsanwälte GmbH, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I., vom 17.12.2013, GZ: BauR96-15-2013, wegen Übertretung der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.         Sachverhalt:

 

I.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 17.12.2013, GZ: BauR 96-15-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen Verletzung der Oö. BauO 1994 eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt. Ferner wurde der Bf dazu verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von 200 Euro zu leisten.

 

Dem Bf wurde Nachfolgendes vorgeworfen:

 

„Sie haben als verantwortlich Beauftragter (§ 9 Abs 2 VStG) der Firma G. H, Bauunternehmung  GmbH (Bauführer) mit dem Sitz in  G, für den räumlichen Zuständigkeitsbereich (Abbruch der Gebäude Dr.Fs; GrundstücksNr x, x; KG R; EZ x, x; Bauwerber: S) verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass die im baubehördlichen Bescheid,

-) GZ: Bau 131-9/0023, vom 22.4.2013 (zugestellt am 6.5.2013) vorgeschriebene Auflage „Um eine unnötige Staubentwicklung hintanzuhalten, ist das Abbruchmaterial während der Abbrucharbeiten – sofern erforderlich – entsprechend zu benetzen“;

-) GZ: Bau 131-9/0023-2013, vom 27.8.2013 (zugestellt am 6.9.2013) vorgeschriebene Auflage „Sofern eine Lagerung des Abbruchmaterials über 4 m Höhe erfolgt, ist durch geeignete Maßnahmen (ständige Befeuchtung, Abdeckung des Materials) sicherzustellen, dass es hier zu keiner unzumutbaren Staubverfrachtung bei entsprechenden Wetterverhältnissen (Trockenheit, Wind) kommt“

nicht eingehalten wurde, zumal zumindest in den Monaten Juni bis Anfang September 2013, jedenfalls bis 7.9.2013, an Werktagen von 7 Uhr – 19 Uhr aufgrund der heißen und trockenen Witterungsverhältnisse und ab 6.9.2013 bei einer Aufschichtung des Abbruchmaterials von mehr als 5 m keine entsprechende Benetzung vorgenommen wurde, sodass es zu unnötigen massiven Staubeinwirkungen von Nachbarn gekommen ist.

Sie haben der Bestellung als verantwortlich Beauftragter am 20.3.2013 zugestimmt und sind für die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften einschließlich der Einhaltung von bescheidmäßigen Auflagen auf der genannten Baustelle zuständig.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 57 Abs 1 Z 10 iVm § 57 Abs 2 Oö Bauordnung 1994 (Oö BauO)“

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Beschwerde vom 27.1.2014. Mit seiner Beschwerde beantragt der Bf, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis vom 17.12.2013 ersatzlos aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren wider den Bf gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einstellen; in eventu das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass die Strafe entsprechend herabgesetzt werde. Zusammengefasst begründet der Bf seiner Beschwerde damit, dass der Nachweis einer unnötigen Staubentwicklung im Zusammenhang mit den bewilligten Abbrucharbeiten sowie der Nachweis einer unzumutbaren Staubverfrachtung im Zusammenhang mit der Lagerung des Abbruchmaterials über 4 m Höhe der Behörde durch jene Beweismittel, mit der sie ihre Feststellungen begründet habe, nicht gelungen sei. Selbst wenn das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Unnötigkeit bzw. Unzumutbarkeit feststellen würde, sei die Vorwerfbarkeit gegenüber dem Bf im Sinne eines Verschuldens gemäß § 5 VStG  zu hinterfragen, weil er unzählige Maßnahmen zur Hintanhaltung einer unnötigen und unzumutbaren Staubentwicklung gesetzt habe.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze des Bf). Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal sich bereits aus dem Akteninhalt unstrittig ergab, dass der Beschwerde des Bf stattzugeben ist.

 

 

III. Rechtslage:

 

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 10 Oö. BauO 1994, LGBl Nr. 66/1994 idF LGBl Nr. 34/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer bei Ausübung eines ihm in Durchführung dieses Landesgesetzes (Anm.: der Oö. BauO 1994) oder mit Bescheid der Baubehörde erteilten Rechtes die im Bewilligungsbescheid festgelegten Auflagen oder Bedingungen nicht bescheidgemäß erfüllt.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

Gemäß § 44a Abs. 1 Z 2 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist.

 

Als verletzte Verwaltungsvorschrift ist jene (Verbots- oder Gebots-)Norm anzuführen, die ein bestimmtes Verhalten gebietet oder verbietet (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, § 44 a Anm 5) und unter die die Tat nach Z 1 zu subsumieren ist (VwGH 23.2.2006, 2003/07/0056; ... sind entsprechende Gebote oder Verbote in Bescheidauflagen enthalten, sind auch diese Auflagen im Spruch wörtlich anzuführen: VwGH 18.10.2012, 2012/04/0020 [§ 367 Z 25 GewO; auch zu Verweisen auf ÖNORMEN in Bescheidauflagen]; siehe Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 5 [Stand 1.7.2013, rdb.at]).

 

Als Nebenbestimmungen, mit denen eine Verpflichtung zu einer Leistung auferlegt wird, müssen Auflagen dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs. 1 AVG für den Spruch von (selbständigen) Leistungsbescheiden entsprechen. Diese bedingten Polizeibefehle müssen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag – ohne neuerliche Nachforschungen – zu entsprechen (vgl. VwGH 15.12.1994, 94/06/0022; 25.4.1996, 95/07/0193), und sie andererseits vollstreckt werden können (vgl. etwa VwGH 15.12.1994, 94/06/0022; 14.10.2003, 2001/05/1171). Ist eine Auflage, auf die in einem Straftatbestand verwiesen (und damit Teil dieses Straftatbestandes) wird, nicht ausreichend klar gefasst, dann kommt auch eine Bestrafung wegen „Nichtbefolgung“ der Auflage nicht in Betracht (vgl. VwSlg. 13.149 A/1990; VwGH 25.2.1993, 92/04/0164; 27.6.2002, 2000/10/0162; siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014] § 59 Rz 37 bis 41).

 

Im Beschwerdefall wurde im Baubewilligungsbescheid vom 22.4.2013 (Abbruch der Gebäude x-Straße 1 + 3 in 4910 Ried in Innkreis) ua die hier relevante Auflage Nr. 6 vorgeschrieben. Diese lautet wie folgt: „Um eine unnötige Staubentwicklung hintanzuhalten, ist das Abbruchmaterial während der Abbrucharbeiten – sofern erforderlich – entsprechend zu benetzen“. Darüber hinaus wurde mit Mandatsbescheid vom 27.8.2013, mit dem nachträgliche Auflagen gemäß § 46 Oö. BauO 1994 vorgeschrieben wurden, folgende, hier beschwerderelevante Auflage Nr. 3 vorgeschrieben: „... Sofern eine Lagerung des Abbruchmaterials über 4 m Höhe erfolgt, ist durch geeignete Maßnahmen (ständige Befeuchtung, Abdeckung des Materials) sicherzustellen, dass es hier zu keiner unzumutbaren Staubverfrachtung bei entsprechenden Wetterverhältnissen (Trockenheit, Wind) kommt.“ Die Baubehörde hat somit in einem dem Hauptinhalt begünstigenden Bescheid belastende Gebote und Verbote als Nebenbestimmungen aufgenommen, mit denen der Inhaber des Rechtes (der Baubewilligung) für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird (vgl. dazu auch VwGH 22.1.1982, 81/04/0018; 11.11.1998, 98/04/0034; 22.5.2003, 2001/04/0188).

 

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 10 Oö. BauO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer bei Ausübung eines ihm mit Bescheid der Baubehörde erteilten Rechtes die im Bewilligungsbescheid festgelegten Auflagen oder Bedingungen nicht bescheidgemäß erfüllt. Dadurch, dass die genannte Bestimmung auf die im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen verweist, wird das jeweilige, im Baubewilligungsbescheid enthaltene Gebot und Verbot Teil des Straftatbestandes, was voraussetzt, dass derartige Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. dazu die in Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 367 Anm 56 [Stand 1.1.2014, rdb.at] angeführte Judikatur zu § 367 GewO, die nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich auch auf die Oö. BauO 1994 übertragbar ist).

 

Die Auflage Nr. 6 im Bescheid vom 22.4.2013 enthält gleich mehrere unbestimmte Begriffe: „unnötige Staubentwicklung“; „sofern erforderlich“; „entsprechend zu benetzen“. Damit entspricht diese Auflage jedoch nicht dem Erfordernis der genügenden Klarheit, weil sich daraus eindeutige und schlüssige Anhaltspunkte für das Tatbestandsmerkmal „sofern erforderlich“ und „entsprechend zu benetzen“ nicht ergeben sowie weil insbesondere das Merkmal der „unnötigen Staubentwicklung“ in diesem Zusammenhang keinen ausreichend bestimmten Norminhalt darstellt (vgl. dazu Gruber/Paliege-Barfuß, aaO Anm 63 mit Hinweis auf VwSlg. 13.149 A).

 

Aber auch die Auflage Nr. 3 des Bescheides vom 27.8.2013 ist nicht ausreichend klar gefasst, sodass eine Bestrafung wegen „Nichtbefolgung“ nicht in Betracht kommt. Die Auflage lautet: „... Sofern eine Lagerung des Abbruchmaterials über 4 m Höhe erfolgt, ist durch geeignete Maßnahmen (ständige Befeuchtung, Abdeckung des Materials) sicherzustellen, dass es hier zu keiner unzumutbaren Staubverfrachtung bei entsprechenden Wetterverhältnissen (Trockenheit, Wind) kommt.“ Insbesondere die Formulierung, wonach es zu keiner „unzumutbaren Staubverfrachtung“ kommen dürfe, entspricht nicht dem Erfordernis der genügenden Klarheit, weil es in diesem Zusammenhang keinen ausreichend bestimmten Norminhalt darstellt (vgl. wie oben). Dem Bf kann diese Auflage die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflage nicht zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. dazu die in Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 367 Anm 56 [Stand 1.1.2014, rdb.at] angeführte Judikatur zu § 367 GewO).

 

Ergänzend angemerkt wird, dass dem Bf beizupflichten ist, wenn er vorbringt, die belangte Behörde habe keine unnötige Staubentwicklung während der gegenständlichen Abbrucharbeiten und auch keine unzumutbare Staubverfrachtung während der Lagerung des Abbruchmaterials über 4 m Höhe festgestellt, sondern zusammenfassend eine „unnötige massive Staubeinwirkung von Nachbarn“, womit dem Bf jedoch nicht die Übertretung der beschwerdegegenständlichen Auflagen vorgeworfen wird.

 

Im Ergebnis war daher der Beschwerde stattzugeben und gemäß § 52 Abs.  9 VwGVG weder ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter