LVwG-780035/5/MB

Linz, 04.05.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde von Frau M. A. N., vertreten durch G. K. L., Rechtsanwälte, M.-straße 31a, L., wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 6. März 2015, um ca. 15.45 Uhr, an der Kreuzung W. Straße/P. Straße durch der Landespolizeidirektion Oberösterreich zurechenbaren Organe den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerden werden gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 VwGVG iVm § 106 StPO als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektor von Oberösterreich) die Kosten in der Höhe von 461 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro + Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III.        Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Schreiben vom 10. März 2015 übermittelte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 88 Sicherheitspolizeigesetz.

 

Begründend führt die Bf wie folgt aus:

 

II. Beschwerdepunkte

 

Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt führe ich innerhalb offener Frist Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 88 Sicherheitspo­lizeigesetz wegen Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten und von einfachge­setzlichen Rechten.

 

III. Sachverhalt

 

Am 06.03.2015 fuhr ich gegen 15.45 Uhr von einem Begräbnis Richtung Ebelsberg. Bei der Kreuzung W. Straße/P. Straße in L., gegenüber dem dort befindlichen B. Markt drängte mich ein Fahrzeug ab. Es sprangen vier maskierte und bewaffnete Männer aus zwei Fahrzeugen, liefen auf mein Auto zu, hielten mir jeweils eine Pistole ins Gesicht und schrien ich solle die Hände auf das Lenkrad legen und nur ihnen ins Gesicht schauen. Ich war schockiert und glaubte gerade überfallen zu werden. Anschließend befiel man mir, ich solle aus dem Wagen langsam aussteigen, hinter den Wagen gehen und die Füße sowie Hände ausstrecken. Daraufhin wurden mir Handschellen angelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben die Pistolen auf mich gerichtet. Die Handschellen wurden derart fest verschlossen, dass es richtig schmerzte und ich das Gefühl hatte, als würden sie mir die Hände brechen. Erst nach dem Anlegen der Handschellen wurde mir zur Kenntnis gebracht, dass es sich um einen Poli­zeieinsatz handeln würde.

 

Einer der Männer fuhr mein Fahrzeug auf dem Parkplatz des B.-Marktes und mich brachte man auch zum Auto. Ich fragte, was überhaupt los sei und was ich gemacht haben sollte. Ebenso ersuchte ich um Lockerung der Handschellen, da mir diese höllische Schmerzen be­reiteten. Statt einer vernünftigen Antwort wurde ich nur angeschrien; dies mit den Worten, dass es keine Auskunft gebe. Einige Minuten darauf wurde ich gefragt, wo meine Papiere und Ausweise seien. Ich erklärte, dass sich diese alle in meinem Fahrzeug befinden würden.

 

Nachdem meine Ausweise und Papiere kontrolliert wurden, wurde seitens eines dieser Män­ner telefoniert und nach dem Telefonat wurden mir die Handschellen wieder abgenommen und es wurde mir gesagt, dass es eine Verwechslung gewesen sei und ich weiter fahren kön­ne. Die vier Männer, Kripo-Beamte, stiegen wieder in ihre Fahrzeuge mit dem amtl. Kennzei­chen L-..... und LL-....., und fuhren weg.

Es gab nicht einmal eine Entschuldigung für die unrechtmäßige Vorgehensweise. Seit diesem Vorfall habe ich Schlafstörungen, Albträume und bin aufgrund der unangemessenen Behand­lung vollkommen traumatisiert.

 

Die belangte Behörde ist jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördli­cher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist.

 

Beweis: PV;

IV. Beschwerdelegitimation

 

Die Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde am 06.03.2015 gesetzt. Die sechswöchige Beschwerdefrist ist dadurch gewahrt.

Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, dass ich durch Ausübung unmittelbarer ver­waltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in (verfassungs)gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

 

Ich erachte mich durch die beschriebene Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in dem mir verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf

- Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 B-VG)

- persönliche Freiheit (Art. 5 MRK)

- keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterzogen zu     werden

(Art. 3 EMRK - etwa Ausübung von Zwangsgewalt § 144 Abs. 1 B-VG))

 

verletzt.

 

V. Beschwerdegründe

 

Im vorliegenden Fall waren die einschreitenden Organe zu meiner Anhaltung nicht berechtigt, da ich weder die Begehung eines nach den Straf- oder Verwaltungsgesetzen strafbaren Ver­haltens auf frischer Tat betreten wurde, noch irgendein Verhalten gesetzt hatte, aufgrund des­sen ein solcher Verdacht vertretbarer Weise bestehen konnte.

 

Weiters haben mich die einschreitenden Kripo-Beamten in erniedrigender und unmenschlicher Weise behandelt, mir die Handschellen derart fest angelegt, dass ich Tage danach immer noch Schmerzen habe, mir maskiert insgesamt vier Pistolen vor mein Gesicht gehalten, mich bis zuletzt in Unwissenheit darüber gelassen, was ich verbrochen haben sollte und mir meine mir zustehenden Rechte verwehrt.

Durch die gesetzte Amtshandlung wurde ich daher in meinem verfassungsgesetzlich gewähr­leisteten Recht auf persönliche Freiheit und im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedri­genden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt.

Außerdem wurde ich durch diese Amtshandlung in meinem Recht, nicht entgegen der Best­immungen der §§ 35 u. 36 VStG festgenommen und angehalten zu werden verletzt.

 

VI. Angaben zur Fristeneinhaltung

 

Vom gegenständlichen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt habe ich am 06.03.2015 Kenntnis erlangt. Die Beschwerde wurde somit binnen somit binnen Monatsfrist eingebracht.

 

VII. Anträge

 

Ich stelle somit die

 

Anträge

 

a) auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und

b) auf Fällung folgenden

 

 

 

 

 

 

 

Erkenntnisses:

 

Die Beschwerdeführerin ist durch ihre Anhaltung am 06.03.2015 ab ca. 15.45 Uhr durch die Organe der Landespolizeidirektion Oberösterreich in L., Kreuzung W. Straße/P. Straße im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und dadurch, dass ihr von den einschreitenden, maskierten Kripo-Beamten insgesamt vier Pistolen vor ihrem Gesicht gehalten wurden, welche bis zum Anlegen der Handschellen auf sie gerichtet blieben, und dem anschließend viel zu festen Anlegend er Handschellen im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (§ 3 EMRK) sowie in ihrem Recht nicht entgegen der Bestimmungen der §§ 35 u. 36 VStG festge­nommen und angehalten zu werden, verletzt worden.

 

Es wird die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt und aufgehoben.

 

Jedenfalls aber möge gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt werden.

 

Der Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, dem Beschwerdeführer gem. § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Abschließend beantragt die Bf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und kostenpflichtige Rechtswidrig-Erklärung der verfahrensgegenständlichen Maßnahme.

 

2. Mit Schreiben vom 17. März 2015 forderte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Landespolizeidirektor von Oberösterreich zur Vorlage der entsprechenden Akten und Übermittlung einer Gegenschrift bis spätestens
17. April 2015 auf.

 

3. Mit Schreiben vom 7. April 2015 übermittelte der Landespolizeidirektor den vorhandenen Akt und erstattete nachfolgende Gegenschrift, worin die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Beschwerde beantragt wird:

 

I. Sachverhalt

 

Im Zuge von Ermittlungen gegen eine international agierende Tätergruppe domini­kanischer Abstammung wegen Suchtgiftschmuggels und Suchtgifthandels wurden am 06.03.2015 Festnahmeanordnungen und Durchsuchungsanordnungen der Staatsanwaltschaft Korneuburg, GZ.: 9 St 17/15t durch Beamte des Einsatzkom­mandos (EKO) Cobra-Mitte in Oberösterreich vollzogen.

 

Im Zuge der Vollziehung der Festnahmeanordnung gegen A. D. D. wurde am 06.03.2015, um 15:47 Uhr, der PKW L-....., Marke N., rot lackiert, besetzt mit einer weiblichen Person in P. bei der Kreuzung P.straße und Bundesstraße 1 angehalten.

 

Aufgrund der vorliegenden Situation und der eindeutigen Annahme, dass es sich dabei um die mittels Haftbefehl gesuchte Q. D. D. han­delt, wurde die Frau vom Beamten mit der Dienstnummer x des Einsatz­kommandos Cobra festgenommen und ihr dabei Handfesseln angelegt.

 

Nachdem die Frau in der Folge als A. N. M. identifiziert wurde, wurden ihr unverzüglich die Handfesseln wieder abgenommen und die Festnahme um 16:00 Uhr aufgehoben, wobei sich der Beamte mit der Dienst­nummer x des Einsatzkommandos Cobra mehrmals für den Irrtum bei ihr entschuldigte und ihr die Weiterfahrt mit dem PKW der A. D. gestattet wurde.

 

M. A. N. erlitt laut Einsatzbericht durch das Anlegen der Handfesseln im Bereich der Handgelenke leichte Rötungen. Weiters kam es bei der Anhaltung zu einer Berührung des Fahrzeuges des EKO Cobra mit dem PKW L-.....; es war keine Beschädigung feststellbar.

 

II. Rechtliche Würdigung

 

Gemäß § 170 Abs. 1 Z 3 StPO ist die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, zulässig, wenn sie Zeugen, Sachver­ständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund be­stimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen.

 

Gemäß § 170 Abs. 1 Z 4 StPO ist die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, zulässig, wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund be­stimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder ange­drohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.

 

Gemäß § 171 Abs. 1 StPO ist die Festnahme durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

 

Gemäß § 171 Abs. 3 StPO ist dem Beschuldigten sogleich oder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner Festnahme die Anordnung der Staatsan­waltschaft und deren gerichtliche Bewilligung zuzustellen.

 

Gemäß § 171 Abs. 4 StPO ist dem Beschuldigten sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme schriftlich in einer für ihn verständlichen Art und Weise sowie in einer Sprache, die er versteht, eine Rechtsbelehrung (§ 50) zu erteilen, die ihn darüber hinaus zu informieren hat, dass er

1. soweit er nicht freizulassen ist (§ 172 Abs. 2), ohne unnötigen Aufschub in die

Justizanstalt eingeliefert und dem Gericht zur Entscheidung über die Haft vorge­führt werden wird (§§ 172 Abs. 1 und 3 und 174 Abs. 1), sowie

 

2. berechtigt ist,

 

a. einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger von seiner Festnahme zu verständigen oder verständigen zu lassen (Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit),

 

b. Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahme oder Einspruch gegen seine Festnahme durch die Kriminalpolizei (Abs. 2) zu erheben und im Üb­rigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen,

 

c. seine konsularische Vertretung verständigen zu lassen (Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969),

 

d. Zugang zu ärztlicher Betreuung zu erhalten (§§ 66 bis 74 StVG).

 

Ist die schriftliche Belehrung in einer Sprache, die der Beschuldigten versteht, nicht verfügbar, so ist sie zunächst mündlich zu erteilen (§ 56 Abs. 2) und sodann ohne unnötigen Aufschub nachzureichen. Der Umstand der erteilten Belehrung ist in jedem Fall schriftlich festzuhalten (§§ 95 und 96).

 

Gemäß § 106 Abs. 1 StPO steht Einspruch an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

 

2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

 

Im Fall des Todes der zum Einspruch berechtigten Person kommt dieses Recht den in § 65 Z 1 lit. b erwähnten Angehörigen zu. Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Ver­haltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Er­messen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.

 

Gemäß § 106 Abs. 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

(4) Die Staatsanwaltschaft hat zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vor­liegt, und dem Einspruch, soweit er berechtigt ist, zu entsprechen sowie den Ein­spruchswerber davon zu verständigen, dass und auf welche Weise dies gesche­hen sei und dass er dennoch das Recht habe, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen, wenn er behauptet, dass seinem Einspruch tatsächlich nicht entspro­chen wurde.

 

(5) Wenn die Staatsanwaltschaft dem Einspruch nicht binnen vier Wochen ent­spricht oder der Einspruchswerber eine Entscheidung des Gerichts verlangt, hat die Staatsanwaltschaft den Einspruch unverzüglich an das Gericht weiter zu leiten. Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei hat das Gericht dem Einspruchswerber zur Äußerung binnen einer festzusetzenden, sieben Tage nicht übersteigenden Frist zuzustellen.

 

Die Festnahme der Beschwerdeführerin M. A. N. erfolgte aufgrund der irrtümlichen Annahme der einschreitenden Beamten, es handle sich um D. A. A. D. D., gegen die eine Festnahmean­ordnung der Staatsanwaltschaft Korneuburg (9 St 17/15t vom 20.02.2015, siehe Beilage 1) gemäß
§§ 170 Abs. 1 Z 3 und 4, 171 Abs. 1 StPO wegen des Verdach­tes nach § 28a Abs. 1 und 4 SMG bestand.

 

Die Festnahme wurde nach erfolgter Identitätsüberprüfung und Feststellung des Irrtums durch die einschreitenden Beamten ca. 13 Minuten später wieder aufge­hoben.

 

Durch die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, erfolgte Änderung des Art. 94 Abs. 2 B-VG wurde die ursprüngliche, mit der StPO-Reform 2008 eingeführte und durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Rechtslage über den Einspruch gegen Handlungen der Kriminalpolizei wieder hergestellt. Es können daher im kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren erfolgte Eingriffe in subjektive Rechte ausschließlich mit einem Einspruch an das Gericht gemäß § 106 StPO geltend gemacht werden.

 

Auch wenn der Festnahme der Beschwerdeführerin M. A. N. ein Irrtum zugrunde lag, erfolgte sie auf Grundlage der Strafprozess­ordnung und kann daher ausschließlich mit Einspruch nach § 106 StPO in Be­schwerde gezogen werden.

 

Die Landespolizeidirektion Oberösterreich stellt daher den Antrag, die Maßnahmenbeschwerde unter Hinweis auf die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 106 StPO kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

 

III. Kosten

 

An Kosten werden im Sinne der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pau­schalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls­- und Zwangsgewalt (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, verzeichnet.

 

Vorlageaufwand:   € 57,40

Schriftsatzaufwand:      € 368,80

 

Gegebenenfalls wird als Ersatz des Verhandlungsaufwandes der belangten Be­hörde
€ 461,00 geltend gemacht.

 

 

II.

 

1. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

 

2. Gem. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm §§ 2, 3 Abs. 2 Z 2 VwGVG ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung durch Einzelrichter berufen.

 

 

III.

 

1. Gem. § 1 Abs. 2 Strafprozessordnung (in der Folge: StPO) beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs. 3 StPO) nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln; es ist solange als Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter oder die verdächtige Person zu führen, als nicht eine Person auf Grund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig ist, eine strafbare Handlung begangen zu haben (§ 48 Abs. 1 Z 2), danach wird es als Ermittlungsverfahren gegen diese Person als Beschuldigten geführt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

 

2. Gem. § 106 Abs. 1 StPO steht jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

·         ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

·         eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

 

Gem. § 106 Abs. 3 StPO ist der Einspruch binnen sechs Wochen ab Kenntnis der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

3. Gem. § 18 Abs. 1 StPO besteht Kriminalpolizei in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG).

 

Gem. § 18 Abs. 2 StPO obliegt den Sicherheitsbehörden die Kriminalpolizei, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten.

 

4. Entsprechend der Gegenschrift wurde bei der verfahrensgegenständlichen Handlung der Organe am 6. März 2015 um 15.45 Uhr an der Kreuzung W. Straße/P. Straße eine Festnahmeanordnung und eine Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft Korneuburg, GZ. 9 St 17/15t vollzogen. Grundlage hierfür war der Verdacht des Suchtgiftschmuggels und des Suchtgifthandels. Beides stellt den Verdacht einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung dar.

 

Insofern handelt es sich im verfahrensgegenständlichen Prüfbereich um Handlungen, die Organe der Sicherheitsbehörden im Rahmen eines aufrechten Strafprozesses durchgeführt haben. Diese Handlungen wurden überdies aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung von der StA Korneuburg angeordnet.

 

4.1. Auch im Falle eines Exzesses oder ähnlicher Überschreitungen (wie hier: Verwechslung) kann aber lediglich ein Einspruch gem. § 106 StPO (s zum Konzept: VwGH vom 21.01.2015, Zl. Ro 2014/04/0063) erhoben werden, da – wie bereits ausgeführt – aufgrund des Verdachtes einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung vorgegangen wurde.

 

5. Eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht ist dagegen nicht zulässig, denn sowohl Handlungen der Kriminalpolizei ohne Anordnung der StA oder richterlichen Beschluss, als auch Handlungen der Kriminalpolizei mit Anordnung der StA oder richterlichen Beschluss sind im Wege des Einspruches mit Rechtsschutz versehen (s grundlegend Goliasch, Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO, JAP 2014/2015/7 mwN).

 

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 Abs. 3 VwGVG. Im Falle der Zurückweisung der Beschwerde ist die belangte Behörde die obsiegende Partei. Gem. § 35 Abs. 1 VwGVG hat im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Entsprechend dem Antrag der belangten Behörde war daher dem Bund ein Betrag von 461 Euro gem. § 1 VwG-AufwErsV, BGBl II 517/2013 idF BGBl II 122/2013 zu ersetzen.

 

IV.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.


 

                        Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter